THEMA: Japan–Parks, Volljährigkeit, Berge, Fleischklopse
18 Feb 2025 17:51 #702548
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  • JP K am 18 Feb 2025 17:51
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Wir hatten in Nagano in der Weise fotografisches Glück mit dem Wetter, dass die Nacht vor unserer Ankunft frischer Schnee gefallen war. Ich hatte später Leute getroffen, die berichteten, dass sich der Schnee mittlerweile in eine braune Dreckmasse verwandelt hat und am Schmelzen war.

Am nächsten Ziel 2 Wochen später war es genauso: die Nacht bevor wir ankamen hat es frisch geschneit, vorher lag überhaupt kein Schnee. Die Rede ist von Kushiro, einer Stadt im Nordosten von Hokkaido.




Wir haben uns ein winziges Auto gemietet, da wir noch zu einem anderen Punkt Hokkaidos fahren wollten, zur Halbinsel Shiretoko. Solche Autos gibt es leider gar nicht in Deutschland, max. 660ccm Hubraum steuervergünstigt.


Ziel dieses Teils des Ausflugs ist jedoch nicht die Innenstadt von Kushiro, sondern das ca. 30km ausserhalb gelegene Tsurui mit seinem Tancho-Observatory. Tancho, das sind die weissen Mandschurenkraniche, die auf Hokkaido und speziell in und um Tsurui überwintern.






Wie man schon an den ersten Bildern sieht, war es nicht leicht, mit dem Weiß des Schnees und den fehlenden Kontrasten umzugehen. Wann ist das Bild überbelichtet, wann unterbelichtet? Das ergab sich eigentlich erst beim ruhigen Betrachten am Tablet abends im Hotel. Viele Bilder sind leider unterbelichtet. Ich habe daher meine Devise, Bilder nicht nachzubearbeiten, durchbrochen und die hier gezeigten Bilder teilweise kräftig aufgehellt und die Kontraste erhöht.

Wie in Nagano bei den Affen werden auch hier in Tsurui die Kraniche gefüttert, damit sie gut durch den Winter kommen. Die Kranichpopulation auf Hokkaido hat sich in den letzten Jahrzehnten kräftig erholt.


Es gibt im wesentlichen zwei Standorte bei Tsurui, an denen man Massen an Kranichen beobachten kann, und ansonsten kommt es immer mal wieder vor, dass man einzelne Paare auf den Feldern im Vorbeifahren sichten kann




Die Kraniche trompeten von Zeit zu Zeit laut und vernehmlich paarweise, und hat ein Paar angefangen, so folgen häufig andere Paare dem nach.


„Tanchozuru“ ist der japanische Name für diese Kranichart alphabetisch geschrieben. Er ziert das Logo der japanischen Fluggesellschaft JAL. Früher nahm man an, dass der Mandschurenkranich vom asiatischen Festland nach Hokkaido zieht um zu überwintern. Tatsächlich aber ist er hier ein Standvogel, er brütet im Sommer in den naheliegenden Sumpfgebieten.




Natürlich wollte ich auch den berühmten Balz-Tanz der Kraniche sehen, das ist der Grund für meinen winterlichen Ausflug nach Kushiro, allerdings wurde uns gesagt, dass wir etwas zu früh nach Hokkaido gekommen sind, die Tanzsaison beginnt normalerweise erst Mitte Februar. Wir waren allerdings mit Ende Januar nicht ganz chancenlos.


Auf der Strecke zwischen Kushiro und Tsurui gab es noch anderes zu sehen: so gab es Verkehrshindernisse in Form einer großen Herde Hirsche, die die Fahrbahn hin und her überquerte.


Ein Hirschkadaver am Fahrbahnrand hatte einiges Federvieh angezogen, hier ein Steller’s Sea Eagle – davon wird später noch zu berichten sein.
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19 Feb 2025 18:38 #702611
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Coole Bilder von den Kranichen!!!

... und überhaupt reizt es mich Japan nun auch einmal im Winter zu besuchen. Die badenden Snow Monkeys wären (auch ohne deinen Bericht) auf der To do Liste gewesen, aber deine vielen Ausflugstipps finde ich klasse - besten Dank für´s Teilen!
Habt ihr denn Nagano mit dem Zug von Tokio aus gemacht bzw. denkst du mit dem Mietwagen wäre die Fahrt - trotz Schnee- auch gut möglich gewesen?
Wir waren letztes Jahr im Mai mit dem Mietwagen in Japan und haben es sehr genossen die Natur und Landschaften abseits der großen Städte zu erleben (hatten nur zwei Wochen Zeit und so konnten wir einfach schneller unsere Ziele erreichen).
Freu mich auf weitere Ausflüge in dem schönen Land,
LG, Nette
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20 Feb 2025 18:09 #702652
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Vielen Dank, Nette, dass Dir die Bilder gefallen. Wir sind nach Nagano hin mit dem Zug und zurück mit dem Bus gefahren. Diesen Januar war Schnee auf den Strassen kein Problem, und normalerweise wird auch immer schnell geräumt nach neuem Schneefall. Da aber der Schneefall in den Bergen auch mal sehr heftig ausfallen kann, kann es sein, dass Strassen auch mal 1 oder 2 Tage gesperrt sein können.


Es scheint ein sehr beliebter Fotospot zu sein, und ich habe den Abend zuvor Wind davon bekommen: eine Brücke über einem Fluss auf dem Weg nach Tsurui, an dem die Kraniche übernachten. Sie übernachten im Wasser, damit sie nicht von Raubtieren wie Füchsen überrascht werden können. Letztendlich ist das Ergebnis aber enttäuschend, denn die Kraniche standen alle sehr weit weg, dieses Foto ist mit 840mm Brennweite entstanden. Dafür um 5:30 Uhr aufzustehen hat sich dann nicht gelohnt. Dafür habe ich hundert solcher Fotos geschossen, die ich fast alle wieder gelöscht habe. Trotzdem ein schönes Stimmungsfoto von der fröstelnden Flusslandschaft.




Jetzt kommen noch ein paar Fotos eines Balz-Tanzes. Zu beachten ist, dass es noch einen dritten Kranich aufs Foto geschafft hat, braun gezeichnet. Dies ist das Kind der beiden Eltern, die sich anbalzen. Das Kind hat aber anscheinend auch bereits Frühlingsgefühle, denn es beobachtet seine Eltern genau und übt sich ebenfalls im Tanz.




















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24 Feb 2025 18:06 #702806
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Von Kushiro sind wir mit unserem Mietwagen in das ca. 170km entfernte Utoro gefahren, das das Einfallstor für den Shiretoko Nationalpark ist. Das Klima ist rauher und hat viel mehr Wind als Kushiro.


Das Hotel Kitakobushi hat eine herrliche Onsen-Landschaft im 8. Stockwerk, drei verschiedene Onsen, einer davon aussen, eine Sauna – und alles sehr gepflegt. Das Essen ist gehoben, alles als Buffetauswahl, wobei morgens für das getoastete Weissbrot nur Marmeladen zur Auswahl standen. Dafür hatte ich nachmittags zum Kaffee die gereichten schmackhaften Wurst- und Schinkenscheiben täglich für das darauffolgende Frühstück eingepackt. Auf Nachfrage beim Küchenpersonal am Frühstücksbuffet wurde mir gesagt, es gäbe keinen Aufschnitt – so sind sie, die Japaner.

Für den ersten Tag vormittags hatten wir eine Natur-Führung gebucht. Letztlich haben wir auf Schneeschuhen nichts gesehen ausser verschneiten Wald und Küste, aber es wurde ein Bohai drum gemacht, uns die Ausrüstung zu geben und vom Guide während der kleinen Wanderung immer wieder darauf hinzuweisen, wir herrlich doch die Wanderung sei. Nicht empfehlenswert, denn man kann selber in dem Gebiet um den Parkeingang herumlaufen, und wenn man auf den Pfaden bleibt, brauch man auch keine Schneeschuhe.


Nachmittags stand eine Führung an, die grossen Steller’s Sea Eagle zu spotten und zu fotografieren. Dafür ging es in einer kleinen Gruppe von etwa 6 Personen mit einem Kleinbus die Küstenstrasse lang, und an verschiedenen Parkmöglichkeiten sind wir immer wieder ausgestiegen, um nach den großen Adlern zu schauen. Sie waren auch da, sassen auf Felsen und in den kahlen Bäumen oder flogen über uns hinweg. Fotogen war das alles aber nicht, weil das Wetter so schlecht war, dass das Schneegestöber und die schlechten Lichtverhältnisse ein ordentliches Foto unmöglich machten. Dafür kann der Guide natürlich nichts. Hier zeigt uns der Guide (links) die Flügelspannweite eines Steller’s Sea Eagle.


Die Shiretoko-Halbinsel ist eine Landzunge mit der weltweit höchsten Bärendichte. Allerdings war ja Winter, und Bären halten auch auf Hokkaido Winterruhe. Unser Guide sagte uns aber, dass das derzeitige Wetter eher zu warm für die Jahreszeit ist und es in letzter Zeit Bärensichtungen gegeben habe. Unsere Hoffnung, einen winterlichen Braunbär zu sehen hat sich aber nicht erfüllt bis auf diesen Schneebär, der vor einem Ramenrestaurant geformt wurde.


Auch für den zweiten und dritten Tag hatte ich die Adler-Tour gebucht gehabt, weil ich unbedingt tolle Fotos von den Adlern schiessen wollte. Die Tour für den dritten Tag konnte ich stornieren, und das war auch gut so. Denn am dritten Tag sind mir alleine die besten Fotos gelungen, einfach weil es an dem Tag das beste Wetter hatte. Die Adler sassen allerdings recht weit entfernt.




Es gibt zwei Arten von Seeadlern auf Hokkaido, einmal den auch bei uns vorkommenden normalen Seeadler (white-tailed eagle) mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,44m, und den Steller’s Sea Eagle mit bis zu 2,80m Flügelspannweite. Der Steller’s ist auch im Sitzen größer und schwerer als der White-tailed und ist mit seinem orangenen Schnabel und dem schwarz-weissen Federkleid ungleich eindrucksvoller anzusehen.




Wir waren für die Top-Fotos wie bei den Kranichen zu früh auf Hokkaido, denn diese entstehen, wenn die Seeadler und auf dem Meer Beute machen und mit ihrem Fang sich auf die Eisschollen setzen. Es ist Treibeis, was aus dem Ochotskischem Meer hinunter treibt nach Hokkaido und sich dann u.a. bei Utoro verdichtet. Es gibt Treibeisführungen, bei denen man mit einem Drysuit durch das Treibeis läuft. Allerdings kommt das Treibeis in normalen Jahren etwa Mitte Februar in Utoro an. Letztes Jahr kam es sehr früh, Ende Januar, und wir hatten uns Hoffnungen gemacht, dass es dieses Jahr ebenso früh kommt, allerdings haben sich unsere Hoffnungen nicht erfüllt. Für alle, die zum richtigen Zeitpunkt kommen: aus der Stadt Rausu heraus gibt es Bootsfahrten, die in das Treibeis fahren und den Seeadlern so recht nahe kommen.

Es gab noch verschiedene Möwen und Enten zu sichten, hier eine Schellente.




Dann gab es noch Hirsche, die zahlreich an den zur Küste abfallenden Berghängen nach verschneiter Nahrung suchen. Es sind dies die Sika-Hirsche. Sika ist aus dem japanischen Wort für Hirsch abgeleitet (shika), die Sika-Hirsche sind also die Hirsch-Hirsche – so blöd können Übersetzungen sein. Die Japaner nennen ihre Hirsche übrigens, Ezo-shika, übersetzt Hokkaido-Hirsche.




Der folgende Hirsch ist nicht in der Wildnis fotografiert, sondern an der Küstenstrasse gibt es eine Hirschfarm, die ein großes Rudel Hirsche hält und das Fleisch verkauft. Diese Hirschaufzucht und Fleischverwertung ist recht verbreitet auf Hokkaido.


Wie hängt die Gesundheit der Seeadler mit den Hirschen zusammen? Seit 2003 ist es in Japan verboten, Wild mit Bleigeschossen zu erlegen. Vor Einführung dieses Verbots haben sich die Seeadler auch von geschossenem Wild im Landesinneren ernährt, die mit Bleimunition geschossen wurden. Der Jäger hat die nicht verwertbaren Körperteile in der Wildnis liegen gelassen. Das hochtoxische Blei übertrug sich beim Fressen somit auf die Seeadler, der entweder direkt an einer Bleivergiftung stirbt oder durch Krankheiten geschwächt wird, so dass er irgendwann nicht mehr fliegen kann. Die Seeadler sind zunehmend auf diese Nahrungsquelle angewiesen, da der Fischreichtum an Hokkaido’s Küsten abnimmt.






Der Steller’s Sea Eagle ist ein Wintergast auf Hokkaido. Er kommt angeflogen aus den russischen Küstengebieten, die im Winter zufrieren und wo dementsprechend keine Fischjagd mehr möglich ist.






So, das wars für dieses Mal aus Japan. Bei nächster Gelegenheit werde ich wieder auf dieser Welle von Ausflügen innerhalb Japans berichten.
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