THEMA: „La Puna deja huellas“ oder „Im Höhenrausch“
27 Nov 2022 17:17 #656327
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  • Papa Kenia am 27 Nov 2022 17:17
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Hallo Sabine,

Deinen Bericht zu lesen, ist der reinste Hochgenuss! Sehr flüssig geschrieben mit einer schier nicht enden wollenden Wortwahl vom Feinsten! Das Ganze eingerahmt von erstklassigen Fotos! Respekt!

Deine ausführlichen Schilderungen sind sehr interessant. Von einem Stückchen Erde, von dem ich mehr oder weniger ganz wenig bis fast gar nichts weiß! Umso interessanter sind die Infos für mich. Vielen Dank für den Bericht!

Liebe Grüße
Dieter
(Papa Kenia)
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28 Nov 2022 17:46 #656396
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  • Katma1722 am 28 Nov 2022 17:46
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Liebe Sabine!
Auch ich genieße deine Beschreibung und vor allem die Bilder in vollen Zügen! Besonders putzig ist der "Schafstall"!
Die Papageien sind klasse - tolle Fotos hast du da gemacht!
Vielen Dank für deine Mühe!
Freu mich schon auf die Fortsetzung!
Liebe Grüße,
Kathrin
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29 Nov 2022 20:09 #656480
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  • Sabine26 am 29 Nov 2022 20:09
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Hallo Ihr Lieben,

@Gerhard: Ja, besser als nix. Cafayate waren wir damals und jetzt am Ende bin ich auch noch einmal kurz da. Aber diese - schöne - Gegend ist natürlich touristisch wesentlich besser erschlossen als die Gegend, wohin es jetzt geht.

@Dieter: :blush: … ich weiß gar nicht, was ich zu Deinem Eintrag sagen soll - was für nette Worte! Ich sage einfach DANKE! und freue mich, wenn ich es schaffe, Dich für den Rest des Berichtes genauso zu begeistern. Ich weiß, manchmal ist es viel Text, aber die Berichte sind auch als Erinnerung für uns gedacht.

@Kathrin: Der Schafstall war nicht nur ein Stall, sondern hat auch als Verkaufstheke gedient - das ist wirklich Recycling. Papageien finde ich einfach zu witzig … Danke Dir fürs Lob.

Ebenso lieben Dank an alle Danke-Button-Drücker.

LG
Sabine
Letzte Änderung: 29 Nov 2022 21:05 von Sabine26.
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02 Dez 2022 20:14 #656677
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Ich teile den folgenden Tag auf, heute gibt es den ersten Teil von Tag 7:


Tag 7 – Tolar Grande
Unerbittliche Puna - von verlassenen Minen, verlassenen Orten und einem Bahnhof im Niemandsland

In der Nacht werde ich mehrmals wach. Die Decken, die mich wärmen sollen, verselbstständigen sich immer wieder. Viele Reisende vermissen deutsches Brot, ich hingegen vermisse nicht das erste Mal eine (!) und auf die jeweilige Temperatur abgestimmte Decke. Meine Nase ist verstopft und ich habe ständig Durst, sodass ich froh bin, drei nachfüllbare Wasserflaschen in meinen Koffer gepackt zu haben. Diese sind im 24/7 Dauereinsatz. Solch eine Trockenheit habe ich bisher noch nicht erlebt.

Beim morgendlichen Blick in den Spiegel stelle ich fest, dass meine Zähne immer noch in unterschiedlichen Weißtönen leuchten, aber die hellweißen Sprenkel sind zumindest verschwunden. Nichtsdestotrotz fühlt sich die Situation ein bisschen merkwürdig für mich an.

Es ist mittlerweile so kalt im Zimmer geworden, dass ich mich nun entgegen meiner ursprünglichen Absicht entschließe, das Heizgerät anzuschließen. Kaum hat das Gerät Verbindung zum Stromnetz, erhellt es mit seinen glühenden Heizstäben den kleinen Raum. Ratternd dreht es sich in der instabilen Halterung von links nach rechts und von rechts nach links. Ich beobachte das Schauspiel sehr misstrauisch, nach einiger Zeit stelle ich keine nennenswerte Erwärmung des Raumes fest und entscheide, besser weiter zu frieren als meiner Versicherung möglicherweise erklären zu müssen, wie ich eine Hostería im fernen Argentinien mit einem Gerät abgefackelt habe, das jedem hiesigen TÜV-Prüfer in Sekundenschnelle eine Frisur bescheren würde, wie Telly Savalas sie trug.

In der Hostería wird kein Frühstück angeboten. Wir könnten heute früh erneut ins Restaurant fahren, in dem wir gestern Abend gegessen haben, aber mein Guide hat sich bereits um alles gekümmert. Er bereitet im kleinen Gemeinschaftsraum ein köstliches Frühstück für uns vor. Ein toller Service!

Im Zimmer neben mir wohnt ein Paar aus der Schweiz, das ebenfalls mit einem Guide der gleichen Agentur unterwegs ist. Heute werden sie eine ähnliche Route wie wir fahren und für längere Zeit die einzigen anderen Menschen sein, die wir sehen werden. Beide kommen jedoch nicht in den Genuss eines privaten Frühstückes, wie ich es von meinem Guide serviert bekomme.

Kurz vor halb Neun sitzen wir beide wieder im Fahrzeug. Direkt hinter Tolar Grande gibt es auch ein Labyrinth, nur wesentlich kleiner als das, das wir gestern im schönsten Abendlicht besucht haben. Wir queren den Salar de Arizaro, den drittgrößten Salzsee in den Anden. Im Morgenlicht strahlt der Salzsee in einem lehmigen Rotbraun. Ein Schild mit dem Namen des Sees hätte man nicht besser wählen können, bedeutet der Name Arizaro aus dem Indigenen in etwa frei übersetzt: Der Ort, an dem jeder dem Tod geweiht ist. Nun gut, ich hoffe, dass das nicht für eine deutsche Touristen zutrifft und sie sich einfach nur an dem Schild mit pittoresker Dekoration erfreuen darf.





Die umliegenden Berghänge der Ebene auf über 3.500 Metern leuchten in einer Palette aus Rot- und Erdtönen vor dunkelblauem Himmel. Nachdem wir die ebene Piste hinter uns gelassen haben, steigt die Straße stetig an. Am Straßenrand und manchmal auch auf der Straße stehen scheue und grazile Vikuñas, die zumeist fluchtartig das Weite suchen, sobald wir uns mit dem Wagen nähern.











Zwischen Caipe, das wir am Nachmittag noch besichtigen wollen, und der Mina Casualidad weist die Fahrbahn eine Asphaltdecke auf. Diese ist aber teilweise dermaßen löcherig und beschädigt, dass ich regelmäßig durchgeschüttelt werde, besonders breit ist sie ebenfalls nicht und führt, wie ich es mittlerweile gewöhnt bin, entlang der Berghänge an ungesicherten Abhängen entlang. Wir machen kurze Fotostopps, damit ich die unterhalb liegenden Salzseen fotografieren kann. Hier gibt es einige Minen, so wie ich sie auch schon bereits gestern in der Ferne habe sehen können. Gefördert wird in der Puna hauptsächlich Borax, Gold, Sulfur und Lithium, nachdem wir alle so sehr dursten. Nicht sonderlich überraschend für mich, erfahre ich, dass sich etwa 80 % der Minen in chinesischer Hand befinden. Bei den verbleibenden 20 % hat Kanada keinen unwesentlichen Anteil. Ebenso wenig überraschend für mich ist, als mein Guide mir sagt, dass die hier lebenden Menschen kaum von der Gewinnung der wertvollen Bodenschätze profitieren. Während der Hochzeit der Coronapandemie, die auch hier das Tourismusgeschäft zum Erliegen brachte, arbeitete er in einer Mine auf über 4.000 Metern Höhe, die er mir nun in der Ferne zeigt.











Wir können nicht zu viele und zu lange Stopps einlegen, denn unser Ziel heißt Mina Julía. Diese verlassene Mine auf mehr als 5.200 Metern ist nur wenige Zeit im Jahr zugänglich, zudem herrscht oftmals ein unerbittlicher Wind, um nicht zu sagen Sturm, dass man selbst in dem möglichen Zeitraum einer Anfahrt, in vielen Fällen wieder umkehren muss. Je später am Tag man vor Ort ist, umso geringer ist die Chance, dass man es bis ganz nach oben zur Mine schafft.

So lassen wir auch die Mina Casualidad erst einmal links liegen, hier endet auch der Asphaltbelag. Ich würde sagen, auch die Straße, denn nun folgen wir einer Piste, die zeitweise nicht mehr als solche zu erkennen ist. Wir befinden uns bereits auf 4.300 Metern Höhe und es geht immer weiter hinauf. Nun wieder auf einer Schotterpiste fahren wir eine Zeitlang über eine Hochebene und die Ausblicke auf die umliegenden Vulkane sind gigantisch. Ich sehe den Llullailco mit seinen 6.739 Metern, auf dessen Gipfel die drei Kindermumien gefunden wurden und den Socompa mit 6.051 Metern, immerhin mehr als doppelt so hoch wie der höchste Berg Deutschlands.





Vor uns liegt eine Ebene, gesprenkelt mit roten Steinen, dahinter leuchten Berge in rötlichen Tönen und einer – ich kann es kaum fassen – verfügt über gelbe und leicht grünliche Töne, wie passend dazu ist sein Name, Cerro Estrella. Nachdem wir die Ausläufer des Sternenbergs erreicht haben, müssen wir zweimal umkehren und eine andere Zufahrt suchen, da uns beide Male Büßerschneefelder, die im Spanischen Los Penitentes heißen, den Weg versperren. Aber mein Guide findet einen Weg und wir fahren zielgerichtet auf Pisten bis unterhalb des Gipfels. Nahezu zeitgleich erreicht das Schweizer Paar mit seinem Guide mit uns das Ziel. Sie müssen einen anderen Weg gewählt haben. Ich bin sogar ein wenig froh darüber, dass wir hier an diesem gottverlassenen, lebensfeindlichen und gleichzeitig so unbeschreiblich schönen, grandiosen Ort nicht alleine mit einem Fahrzeug unterwegs sind. Wir haben unglaubliches Glück, dass uns heute die Zufahrt möglich war, das ist alles andere als selbstverständlich und eher wohl die Ausnahme als Normalität.

Hier stehe ich nun und blicke auf den Cerro Estrella. Ich drehe mich nach links und schaue nach Chile. Diese Farbenexplosionen in dieser Kargheit, diese so unwirkliche und einsame Landschaft, ich bin fassungslos. Das kann man nicht auf Fotos festhalten. Mir laufen Tränen die Wange hinunter und daran trägt nicht nur der eiskalte, unerbittliche Wind seinen Anteil. In der Ferne sehe ich wie aus dem Stratovulkan El Lastarria (5.697 m), der auch unter dem passenden Namen Azufre mit seinem gelb getupferten Krater bekannt ist, eine kleine Eruption erfolgt. Gigantisch, phantastisch … wäre nur nicht der stürmische und eiskalte Wind, der es kaum ermöglicht, hier länger zu verweilen.





Einige Meter weiter unten, wo die beiden Guides mit den Wagen warten und der eiskalte Wind nicht ganz so unerbittlich bläst, stehen die Ruinen einstiger Gebäude, ebenso die Reste der Seilbahn, die von hier oben talwärts, aber immer noch auf über 4.000 Metern, den Sulfur zur Mina Casualidad transportierte. Es ist für mich kaum vorstellbar, dass hier seinerzeit hunderte Menschen arbeiteten und lebten, um das auf mich so surreal wirkende gelbe Material am Sternenberg zu gewinnen. In über 5.200 Metern Höhe bei eiskaltem Wind und solch sauerstoffarmer Luft, die jeden Schritt um ein Vielfaches mühevoller gestaltet, bin ich gerade hier, eingepackt wie im Winter zuhause, mir dessen bewusst, dass wir einen blendend schönen Tag erwischt haben und kann mir noch nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie man hier arbeiten und leben konnte. Zurück blieben nur noch die steinernen und eisernen Reste, die so unwirklich an diesem ohnehin schon unwirklichen Ort wirken.












Der andere Wagen ist bereits vor einer Weile losgefahren. Ich kann mich kaum losreißen, nach vielen Fotos und dem Versuch, möglichst viel dieser Szenerie auf meine interne Festplatte zu bannen, um sie für immer in meinem Gedächtnis zu behalten, setzen auch wir für die Rückfahrt an. Wie bereits auf der Hinfahrt, verzücken mich die Büßerschneeformationen jedes Mal aufs Neue; aber nicht nur die, sondern auch die ganze surreale Farbenwelt um mich herum.





Letzte Änderung: 03 Dez 2022 16:59 von Sabine26.
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02 Dez 2022 21:10 #656679
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  • Katma1722 am 28 Nov 2022 17:46
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Liebe Sabine!
Das sind wunderbare Eindrücke, die du so bewegend mit uns teilst!
Vielen Dank dafür!
LG Kathrin
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03 Dez 2022 10:06 #656686
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  • BMW am 03 Dez 2022 10:06
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Guten Morgen Sabine,

Dein Bericht ist ganz grosses Kino (diese Höhenlagen zwischen 4000 und 5000 m sind ja nicht ohne.....)

Kälte in der Nacht....harscher Wind tagsüber....Wetter .....Flüssigkeitsverlust.....Akklimatisation des Körpers.....

.....Verzicht auf Luxus ..... Kopfschmerzen.......und....und...und......das muss Alles in Betracht gezogen werden..........

ist eigentlich nicht weit von einer Kilimandjaro-besteigung entfernt ( mal abgesehen von der körperlichen

Leistung).....meine Hochachtung.....

LG.............................BMW
Letzte Änderung: 03 Dez 2022 10:13 von BMW.
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