THEMA: „La Puna deja huellas“ oder „Im Höhenrausch“
31 Dez 2022 19:19 #658528
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Tag 10 – El Peñón
Formenreiche Puna, surreale Puna oder einfach: Wunderwelten-Puna


Gestern Abend sagte mir mein Guide, er habe während des standardmäßigen Checks unseres Wagens festgestellt, dass wir einen platten Reifen hätten. Nur gut, dass das nicht unterwegs passiert ist, ich wäre keine große Hilfe gewesen und hier im Ort ist der Reifenwechsel sicherlich einfacher zu handhaben. Bei den Pisten mit dem oftmals sehr scharfkantigen Vulkangestein habe ich mich schon gefragt, ob unsere Reifen die Reise unbeschadet überstehen werden.

Gegen 08:15 Uhr verlassen wir die Hostería für unsere Tagestour und ich bin voller Vorfreude, denn heute steht ein Programmpunkt an, auf den ich entgegenfiebere. Vor vielen Jahren hatte ich das erste Mal Fotos gesehen und ich wusste, diesen Platz muss ich unbedingt mit eigenen Augen sehen. Aber zuvor fahren wir zur Laguna Carachi Pampa und zum Vulkanfeld des namensgebenden Vulkans.

Mein Guide lässt mich an einem Ende der Lagune aussteigen und wird am anderen Ende der Lagune auf mich warten. Wie immer, soll ich mir die Zeit nehmen, die ich brauche. Ich habe keinerlei Zeitdruck und genieße die Zeit für einen Spaziergang entlang der Lagune, auch wenn der Untergrund äußerst uneben und von Wasserläufen durchzogen ist. Gleichzeitig Fotografieren, Laufen und nicht nach unten schauen, könnte durchaus zu nassen Füßen führen oder ein Stolpern zu mehr als nur nassen Pedes. Wieder ist kein Mensch weit und breit, dafür ist das tierische Leben einmal mehr auf dieser Reise reichlich vorhanden. Einige Esel weiden. Als sie mich sehen, lassen sie mich nicht mehr aus den Augen. Ein weiteres Mal kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass die argentinischen Esel mir nicht unbedingt freundlich gewogen sind. Möglicherweise handelt es sich hier an der Lagune auch um Verwandte des Langohres vom Lago de Brealito. Ich versuche soviel Abstand wie möglich zu halten, was nicht einfach ist, da ich mich direkt zwischen diesen mürrischen Vierbeinern und der Lagune befinde.





Nachdem ich diesen Gefahrenherd hinter mich gebracht habe, grasen nur noch Lamas, von denen sich die meisten so gar nicht für mich interessieren. Dann entdecke ich ein Babylama, das sich in Begleitung seiner Mama befindet. Das Kleine kann noch nicht so alt sein, es wirkt recht wackelig auf seinen Beinen. Ich beäuge die Mutter, aber zu meiner großen Überraschung scheine ich ihr tatsächlich egal zu sein, dem Kleinen jedoch nicht. Es ist sehr neugierig und versteckt sich nicht, so habe ich die Möglichkeit, ein paar Schnappschüsse zu machen.











Auch in dieser Lagune haben sich Flamingos eingefunden. Heute sind es zumeist Andenflamingos und ein paar wenige James Flamingos, insgesamt jedoch keinerlei Vergleich zu den Massen von gestern an der Laguna Grande. Am anderen Ende der Lagune nehme ich eine Gruppe von 4 Touristen wahr, aber sie haben bereits schon ihren Rückweg angetreten. Es ist einfach unglaublich, wie wenige Touristen hier unterwegs sind. Nach den obligatorischen Flamingofotos des Tages, setzen wir unsere Fahrt durch die Ebene der Carachi Pampa fort.











Diese Pampa macht ihrem Namen, Carachi Pampa, alle Ehre. Welch eine Kargheit, jedoch unglaublich faszinierend, besonders tut es mir ein Abschnitt mit unwirklichen Wellengebilden an.





Vor allem am Nachmittag ist es in dieser Gegend extrem windig. Der gestrige Tag und die Nacht waren jedoch eine Ausnahme, es hat ununterbrochen ein heftiger Wind geweht, das war beileibe mehr als ein laues Lüftchen. Der englische Herr war bereits gestern zum Sonnenuntergang mit seinem Guide an dem Platz, auf den wir nun zusteuern. Er erzählte mir, dass es so windig gewesen sei, dass man fast nicht aus dem Auto hätte steigen können, sie seien „sandgestrahlt“ worden. Von meinem Guide höre ich, dass diese Wetterverhältnisse hier eher die Regel als die Ausnahme seien. Umso mehr habe ich heute das Glück, dass kaum Wind weht.

Am Horizont sehen wir schon seit einiger Zeit meinen heutigen Sehnsuchtsort, das Bimssteinfeld Campo de Piedra Pómez. Auf einer Fläche von etwa 4 x 7 Kilometern hat der Vulkan Robleado Blanca vor etwa 73.000 Jahren mit einem gigantischen Ausbruch dieses surreale Feld geschaffen, um nicht zu sagen, gespuckt, indem er diese Bimssteingebilde niederregnen ließ, bevor der unerbittliche Punawind in Form der Erosion diese surreale Wunderwelt formvollendet und perfektioniert hat. Bimssteinfelder von Vulkanausbrüchen gibt es auch woanders, aber ich glaube, diese Wunderwelt hier ist einzigartig. Je mehr wir uns durch die nun graue Ascheebene nähern, umso mehr wächst meine Vorfreude. Ich mache einige Fotos, aber es fällt mir schwer, dieses Panorama auf Speicherkarte zu bannen und ich versuche mein Bestes, indem ich zusätzlich auch meine Kamera mit dem Teleobjektiv beschäftige.

Aufgrund des nicht pausierenden Windes während der letzten Tage ist die Luft voller Staub. Die Vulkane und Bergketten am Horizont liegen zumeist unter einer Dunstglocke.

Dann sind wir da und was soll ich sagen, natürlich sind wir wieder alleine. Wir fahren etwas weiter nach oben. Während mein Guide unser Lunch vorbereitet, schickt er mich in dieses Labyrinth. Immer tiefer gehe ich hinein und fotografiere und staune. In einer Stunde soll ich zurück am Wagen sein. Irgendwann stelle ich mit Schrecken fest, wie sehr die Zeit vorangeschritten ist und der Weg zurück erweist sich weiter, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ich bin 10 Minuten später am Vehikel als vereinbart und entschuldige mich sogleich. Alles kein Problem, Hauptsache, ich bekäme meine Fotos, höre ich. Hier sitzen wir nun und essen unser Picknick-Lunch mit Blick auf das Bimssteinfeld Campo de Piedra Pómez. Was geht es mir doch gut und die Quinoa-Tortilla schmeckt einfach nur köstlich.





Gesättigt im Magen, aber noch nicht im Kopf, fahren wir zum offiziellen Parkplatz und siehe da, dort parkt tatsächlich ein weiteres Fahrzeug. Die Insassen kommen uns aber bereits entgegen, steigen ein und werden gleich losfahren, damit habe ich diese Wunderwelt ein weiteres Mal für mich alleine. Mein Guide wartet an unserem Pickup. Immer weiter zieht es mich in dieses Gebiet hinein. Hier scheinen nur drei Farben zu existieren, das dunkle Grau der Aschefelder, auf denen das Laufen ein wenig schwer fällt, das Weißgrau der Flächen und des Bimssteins und ein surreales Orange-Rot, das sich zumeist, aber nicht ausschließlich, auf der Oberfläche dieser eigenwilligen Formen gebildet hat. Ich kann es nicht fassen, durch welch ein Gebiet ich hier gerade laufe, immer wieder klettere ich auf eines dieser Gebilde. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mit mir selbst spreche. Ich höre mich sagen, dass es kaum sein kann, was ich hier sehe und wie wunderbar es ist, ich aber eigentlich gar keine Worte dafür finde, es zu beschreiben … oder spreche ich mit mir selbst, um mich davon zu überzeugen, dass ich nicht träume? Ich bin hin und weg von diesem Ort, der so unwirklich scheint, so als ob er irgendeiner Computeranimation eines Hollywoodstudios entsprungen wäre, aber doch ist es real.

















Irgendwann steuere ich den Rückweg durch das Wunderweltenlabyrinth an. Auf dem Weg zum letzten Stopp des heutigen Tages kann ich ein paar Aufnahmen des Areals aus einiger Entfernung machen.

Die Dunas Blancas sehen so aus, wie sie heißen. Ich steige auf eine der weißen Dünen, kein Fußabdruck im Sand ist zu sehen. Ob ich heute die erste Touristin bin, die diesen Dünenkamm erklimmt? Egal, von oben hat man eine nette Aussicht. Es ist mittlerweile jedoch so windig geworden, dass ich mich entschlossen habe, nur mein Handy mit auf diesen Sandkasten zu nehmen.





Was für ein letzter Tag in der Puna. Morgen werde ich diese faszinierende Welt verlassen, aber noch ist meine Reise nicht zu Ende.
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06 Jan 2023 18:56 #658973
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Tag 11 – El Peñón - Colomé
Abschied von der Puna


Heute ist der Abschied gekommen. Abschied von der Puna. Tatsächlich bin ich sogar froh, dass ich nun die Puna verlasse. Ich merke, dass ich nichts mehr aufnehmen kann. Meine Festplatte ist zum Zerbersten voll. Es liegen viele Tage hinter mir, in denen ich von morgens bis abends keine Minute des Durchschnaufens hatte, ständig prasselten neue, unvorstellbare schöne Eindrücke auf mich herab und genau diese fordern nun ihren Tribut. Ich benötige ganz dringend Zeit für mich, um alles zu verarbeiten und bin einmal mehr erfreut darüber, wie ich meine Reise aufgebaut habe. Den heutigen Tag kann man getrost als Transfertag bezeichnen und der morgige wird der Entspannung in, so erhoffe ich mir, traumhafter Umgebung eines Weingutes dienen.

Nach fast einer Woche ohne Kontakt zu meinem Mann lechze ich geradezu danach, mit ihm telefonieren zu können. Ich hoffe darauf, dass ich bereits in Hualfin seine Stimme vernehmen kann, spätestens jedoch in Cafayate; aber je früher das sein wird, umso besser. Auch bin ich gespannt, was mein Zahnarzt zum Foto mit meinem entzückenden Lächeln gesagt hat. In den letzten Tagen habe ich mich schon mit dem Kreislauf angefreundet; tagsüber unterschiedlich weiß gefärbte Zähne mit zusätzlichen hellweißen Sprenkeln zu sehen, die wundersamerweise über Nacht verschwinden, um sich dann ziemlich schnell am Tag wieder zurückzumelden.

Bevor wir heute in gemäßigte Höhen von unter 3.000 Metern fahren werden, zeitweise werden wir uns in Cafayate sogar unter 2.000 Metern befinden, müssen wir ein letztes Mal eine Passhöhe bewältigen mit der markanten 4 zu Beginn der vierstelligen Höhenmeterangabe. Nach dem Aufstehen sind die Sprenkel auf meinen Zähnen einmal mehr verschwunden, aber ich rechne damit, dass ich ihnen auch heute ein Bienvenidos entgegnen kann, auch wenn ich sehr gerne darauf verzichten würde.

Wie zumeist üblich während unserer Reise, verlassen wir gegen kurz nach acht Uhr morgens unsere Unterkunft. Ich merke bereits schon jetzt, dass ich heute wohl ein wenig fotografierfaul bin. Das Adjektiv lazy fällt im Laufe des Tages einige Male in unserem Wagen von der Beifahrerseite. Wir fahren durch eine Landschaft, die mich normalerweise dazu veranlassen würde, um mehrere Stopps zu bitten, lägen diese unglaublichen Eindrücke der vergangenen Tage nicht hinter mir. So aber schaffen es nur die letzten Vikuñjas auf dieser Reise, dass diese Bitte von mir geäußert wird oder war es doch eher mein Guide, der anhielt? Egal, ein paar Fotos im nicht gerade besten Licht werden nun doch noch von mir geschossen.










Nach diesem Stopp schraubt sich die Straße weiter nach oben und würde mein Guide nicht darauf hinweisen, dass wir einmal mehr die 4.000er Marke überschritten haben, wären es wohl nur meine Zähne, die dies vermelden würden und die jedem Höhenmesser zur Ehre gereichen. Nicht lange befinden wir uns aber in diesen Regionen und fortan windet sich die Straße Höhenmeter um Höhenmeter nach unten. Die Vegetation nimmt zu und irgendwann haben wir die Straße erreicht, auf der wir bereits vor 12 Jahren von Cafayate nach Chañarmuyo gefahren sind. Diesmal geht es jedoch nordwärts. Mein Handy behalte ich von nun an fest im Blick und kurz vor Hualfin erscheint auf dem Display das so sehnsüchtig erwartete Zeichen. Ich habe Empfang. Mein Guide will in Hualfin tanken, ich will telefonieren. So hat jeder von uns für die nächsten Minuten einen festen Plan. Der Unterschied wird nur sein, ich werde Erfolg haben, mein Guide weniger.

Während mein Guide hören muss, dass es keinen Diesel gibt und wie ich im Anschluss erfahre, dass dies derzeit in Argentinien keine Ausnahme darstellt, denke ich bei mir, gut, dass er für Ersatzdiesel vorgesorgt hatte. Ich frage ihn, ob dieser Engpass nur Diesel oder auch anderen Treibstoff betrifft und ob dies nur im eher ländlich geprägten Argentinien ein Problem sei. Seine Antwort fällt ernüchternd aus, nein, mal fehlt Diesel, mal Benzin, mal beides, auch sei es egal, ob man wie jetzt in Hualfin oder in einer größeren Stadt tanken möchte. Man muss einfach darauf vorbereitet sein, dass man seinen Tank nicht gefüllt bekommt oder gegebenenfalls in einer langen Schlange darauf hoffen muss, die begehrte Flüssigkeit zu ergattern.

Ich hingegen habe mehr Glück. Ich telefoniere mit meinem Mann. Es ist einfach nur schön, seine Stimme zu hören. Er berichtet mir, dass meine Zahnprobleme aufgrund der extremen Trockenheit in der Höhe entstanden sind, sich das Ganze aber in niederen Höhenlagen nach und nach bessern sollte. Zudem sei es kein Grund zur Besorgnis. Jetzt bin ich beruhigt, aber frage mich gleichzeitig, was ich noch hätte trinken sollen. Alleine nachts habe ich meine drei Wasserflaschen jedes Mal geleert, das alleine sind 2 Liter. Tagsüber habe ich noch deutlich mehr getrunken. Ich denke, diese Trockenheit muss man tatsächlich selbst erlebt haben, um sie zu begreifen.

Die Strecke bis Cafayate ist eher ereignislos. Den einzig lohnenswerten Stopp für die Ruinas de Quilmes habe ich abbestellt, da wir diese Ruinen bereits vor 12 Jahren besichtigt haben und wir heute ohnehin eine straffe Fahrstrecke hinter uns legen müssen.

In Cafayate halten wir für eine verspätete Mittagspause und essen in einem Restaurant an dem zentralen Platz beide ein Sandwich. Ich fühle mich gedanklich um mehrere Jahre zurückversetzt, nur dass der Tourismus auch in diesem Städtchen merklich zugenommen hat.

Auch die Strecke bis zur Abzweigung in Molinos der Valles de Calchaquíes kenne ich von der damaligen Reise, wenn auch aus der anderen Richtung.







Ein Stopp gilt einem Friedhof recht nahe an der Straße unweit der Quebrada de las Flechas. Ein Friedhof ist per se kein Quell der Freude, aber diesen hier empfinde ich ganz besonders trostlos. Möglicherweise gar der traurigste und trostloseste, den ich bisher gesehen habe. Einzig die (Papier-)Blumenkränze an einigen Gräbern, die höchstwahrscheinlich zu Allerheiligen aufgefrischt wurden, verleihen diesem Ort wenigstens ein klein wenig Farbe. Viele Gräber verzeichnen noch nicht einmal Namen und dort, wo ich eine Zahl lesen kann, stelle ich nicht selten fest, dass einige der Gräber 80 Jahre und älter sind. Dennoch hängen auch an diesen vereinzelt Blumenkränze.
















Auf unserer damaligen Reise waren wir auf diesem Streckenabschnitt recht spät dran und passierten die Quebrada de las Flechas im einsetzenden Abendlicht, zudem mit einem stark wackelnden Beifahreraußenspiegel an unserem Fahrzeug. Heute steht die Sonne noch hoch am Himmel und die Außenspiegel sitzen fest, so haben wir für die Quebrada diesmal mehr Zeit und nutzen diese für kurze Fotostopps.













Es ist bereits 18:00 Uhr, als wir unser Ziel, die Estancia Colomé erreichen. Wir waren 10 Stunden unterwegs, ein langer Fahrtag liegt hinter uns. Alle Anstrengung ist vergessen bei Ankunft an diesem Ort. Ist das hier zauberhaft, so habe ich mir das vorgestellt. Insgesamt verfügt Colomé über 9 Zimmer. Mein Zimmer hat einen grandiosen Balkon mit wunderbarem Blick auf die Weinfelder. Hier werde ich mich definitiv die nächsten zwei Nächte sehr wohl fühlen. Schade nur, dass ich hier erneut keinen Handyempfang habe, zu abgelegen ist auch dieses Tal. Das Abendessen ist ganz hervorragend, ebenso wie der hauseigene Torrontés, den ich aus den angebotenen Hausweinen wähle.
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07 Jan 2023 20:26 #659035
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Tag 12 – Colomé
Erholung von der Puna


Heute steht keine Autofahrt an. Es ist schön, einmal nicht durchgeschaukelt zu werden. Mein Guide hat ebenfalls frei und ich werde ihn zur Mittagszeit nur einmal kurz sehen.

Nicht ganz so früh wie die letzten Tage gehe ich zum Frühstück, ich habe länger geschlafen. Keine Planungen drängen mich heute. Wie steht es so schön in meinem Übersichtsplan, den ich von der Agentur erhalten habe, „Colomé at leisure“ und genau dieses „Leisure“ habe ich mir in extensiver Form für heute vorgenommen.

Nachdem ich ausgiebig gefrühstückt habe, laufe ich zuerst durch den wundervollen Bereich, in dem sich das „Hotel“ mit seinen gerade einmal 9 Zimmern befindet. Colomé gehörte bis zur Jahrtausendwende der Familie Dávalos, die heute noch das Weingut Tacuil betreibt und das wir zu Beginn meiner Reise besucht haben, gerade einmal 20 Kilometer entfernt von hier. Fünf Generationen war Colomé im Besitz der Familie Dávalos. Im Jahr 2001 erwarb die Schweizer Hess Gruppe dann Colomé. Gegründet wurde Colomé im Jahr 1831 und ist eines der ältesten und bis vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam mit Tacuil das Weingut mit den höchstgelegenen Weinanbaugebieten. Die Architektur gefällt mir einfach zu gut, wie überhaupt das gesamte Areal. Obwohl ich nur sehr wenig Alkohol trinke, genieße ich immer wieder die Kulturlandschaften von Weingütern. Sie strahlen eine unglaubliche Ruhe auf mich aus, es ist so erholsam, einfach Balsam für die Seele. Hier in dieser Höhe kommt noch das besondere Licht hinzu, das ich so mag.

Anschließend streife ich sehr lange über kleine Wege, die durch die Weinfelder führen. Hier könnte ich es durchaus noch einen Tag länger aushalten.



















Ich versuche mein Glück mit Fotos an einem kleinen Insekt. Kakteen blühen zu dieser Jahreszeit.









Es ist so wunderschön und zudem recht warm. Ich besuche den Bereich, wo die Weinverkostungen stattfinden und blicke auf das James Turrell Museum, in dem ich am frühen Abend noch einen Termin haben werde.

Zwischen 2 und 3 Stunden streife ich über das Gelände, bevor ich mich in mein Zimmer und die Terrasse mit sagenhaftem Ausblick zurückziehe. Ich schreibe in mein Reisetagebuch, lese und entspanne; oder wie würde es der Reiseplan noch einmal ausdrücken? „Colomé at leisure“, das kann ich wahrlich gut.










Gegen 18:00 Uhr findet mein „Colomé at leisure“ ein Ende, denn ich habe mich für die Weinverkostung und den Besuch im James Turrell Museum angemeldet. 8 weitere Gäste, allesamt Argentinier, nehmen an der Tour teil. Extra für mich wird mir eine sehr nette Angestellte zur Seite gestellt, die für mich ins Englische übersetzen soll, wenn ich etwas nicht verstehe. Das finde ich einen prima Service, gerade nach einer Weinprobe könnte die Konzentration schon ein wenig nachlassen. Drei Weine kosten wir, einen weißen und zwei rote. Obwohl ich wahrlich kein großer Weinkenner bin, muss ich sagen, alle recht köstlich, auch wenn einmal mehr der Torrontés mein Favorit ist. Eigentlich alles wie immer.







Colomé liegt nun wahrlich nicht gerade zentral, bis Salta fährt man 5 bis 6 Stunden, davon etwa die Hälfte auf teilweise sehr enger Piste, man könnte auch sagen, Colomé liegt im Zentrum von Nirgendwo und wer vermutet an diesem Ort ein Museum? Noch dazu ein solch modernes Museum, wie das von James Turrell, einem der bekanntesten zeitgenössischen Lichtkünstler. Im Jahr 2009 eröffnete das Museum. Gezeigt werden ausschließlich Lichtinstallationen von James Turrell. Fotografieren im Inneren ist nicht erlaubt. Ich hatte mich schon sehr auf dieses Museum gefreut, seit Jahren liebäugelte ich immer wieder mit einem Besuch und als ich vor einiger Zeit auf Arte eine Dokumentation über das Museum sah, stand für mich fest, komme ich noch einmal in diese Gegend, ist der Besuch von Colomé gesetzt. Nun bin ich also hier und stapfe in Stoffüberziehern für die Schuhe in freudiger Erwartung den Lichtinstallationen entgegen. Wir erhalten jeder einen Audioguide, meiner spricht sogar Deutsch.

Im ersten Raum wird durch die Lichtinstallation eine grüne Pyramide projiziert. Weiter geht es durch einen Gang, den ich unglaublich beindruckend finde. Ich gehe durch verschiedene Bereiche des Gangs, nur unterteilt durch unterschiedlich farbiges Licht. Dann müssen wir einige Stufen erklimmen und stehen in der Lichtinstallation Spread. Alles um mich herum ist Blau. Der Raum wirkt unendlich, keine Konturen, nichts gibt es hier, an dem ich mich orientieren könnte, ich könnte mich hier verlieren, inmitten einer Welt, bestehend aus einer einzigen Farbe, aus Blau. Diese Installation ist unglaublich und ich fühle mich wie mittendrin in einem Hollywood Science-Fiction-Film. Bisher macht mich das Museum sprachlos, im positiven Sinn.

Als nächstes betreten wir den schwarzen Raum. Hier ist es stockfinster und man soll sich eine Weile aufhalten, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben und man etwas sieht. Dieser Raum spricht mich nun gar nicht an, die Begeisterung bricht sich auch nicht ihren Bann, als einige aus der Gruppe ihr Handylicht anschalten. Das Ganze ist eher kontraproduktiv.

Am Ende der Tour kommt das Highlight. Zumindest habe ich es mir so seit der Dokumentation vorgestellt. Im Dach ist ein Fenster mit Sicht in den Himmel eingebaut. Man kann auf dem Boden liegen und während der Dämmerung und des Sonnenuntergangs hinausschauen, gleichzeitig erhellt sich alles in den verschiedensten Farben. Auf dem Boden liegen Decken und Kissen. Wie alle anderen lege ich mich hin und schaue nach oben. Der Boden ist knochenhart und eiskalt. Obwohl ich noch eine Decke zum Zudecken erhalte, kriecht die Eiseskälte vom Boden immer mehr in meinen Körper. Ich schaue nach draußen. Insgesamt soll die ganze Vorstellung 40 Minuten dauern. Das Einzige, was ich feststelle, ist, dass ich auf dem harten Boden friere. Irgendwie springt bei mir kein Funke über. Das Ganze strahlt auf mich etwas Esoterisches und Mediatives aus. Nach etwa 10 Minuten, mittlerweile ist mir so kalt, dass ich schon Bedenken habe, mir eine Blasenentzündung zu holen, entscheide ich, aufzustehen und zu gehen. Dieser Raum macht mich auch sprachlos, nur diesmal nicht im positiven Sinn.

Ich lege meinen Audioguide im Vorraum ab und will gerade vor die Tür treten, als der Guide des Museums und meine Übersetzerin hinzukommen. Ich entschuldige mich, dass ich gehe, sage aber gleichzeitig, dass ich mit dieser letzten Lichtinstallation so rein gar nichts anfangen kann. Hin und wieder käme das vor, wird mir gesagt. Nun gut, wohl eher selten, aber ich bin nicht die Einzige.

So verlasse ich gemeinsam mit meiner sehr netten Begleitung, die darauf besteht, mit mir gemeinsam im Dunkeln durch die Weinfelder zurück zum Hotel zu gehen, das Museum, das mich mit sehr gemischten Gefühlen verabschiedet. Einerseits fand ich einige Lichtinstallationen genial, wie den vielfarbigen Gang und den unglaublichen kontur- und endlosen blauen Raum, andererseits erschließen sich mir nicht die Lichtinstallationen des schwarzen Raumes und des letzten, wo man in den Himmel schaut. Aber so ist es wohl mit (moderner) Kunst.

Das Abendessen ist wieder vorzüglich. Gerade als ich eigentlich schon gehen will, spricht mich das Paar vom Nebentisch auf Englisch an. Es stellt sich heraus, dass es ein deutsches Paar ist. Sie laden mich an ihren Tisch ein und wir unterhalten uns noch eine ganze Weile äußerst angeregt. Das war wirklich eine sehr nette Begegnung.
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08 Jan 2023 17:09 #659093
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So, ich bringe den Reisebericht heute zu Ende inkl. des Fazits. Los geht's:


Tag 13 – Colomé - Salta
Zurück auf Anfang, zurück nach Salta


Langsam nähert sich meine Reise dem Ende. Nach einem wieder ausgezeichneten Frühstück starten wir gen Salta. Einen Großteil der Strecke kenne ich bereits und so genieße ich die Fahrt auf zuweilen enger Piste nach Cafayate. Wir fahren bereits schon seit einiger Zeit auf asphaltierter Straße und haben nun endgültig die Staubpisten hinter uns gelassen.

Es ist die erstaunlich kurze Zeit, in der die Pestaña de Perro blüht, für die wir einen Stopp am Wegesrand einlegen. Die eindrucksvolle Blüte macht ihrem Namen alle Ehre, dessen Übersetzung im Deutschen „Hundewimper“ lautet.





Die Zivilisation hat uns nun endgültig wieder. Ich muss mich tatsächlich an die Menschenmenge in der Quebrada de las Conchas gewöhnen. Wenn ich ehrlich bin, ist auch hier nicht viel los, an anderen Touristendestinationen würde man wohl von wenig besucht sprechen. Aber immer noch von den menschenleeren Gegenden der Puna geprägt, merke ich, dass es mir derzeit doch ein wenig schwer fällt, mit anderen unterwegs zu sein.

Vor 12 Jahren sind mein Mann und ich in eine Piste abseits der Asphaltstraße eingebogen, weil die Felsformationen so vielversprechend aussahen, was sie dann auch waren. Kein Schild, kein Hinweis führte uns. Wir hatten scheinbar den richtigen Riecher, heute befindet sich hier ein Parkplatz und man muss seinen Weg zu Fuß fortsetzen. Auf dem Parkplatz steht nur ein Fahrzeug.

Die Fahrt entlang der Quebrada de las Conchas ist wieder sehr schön, so wie ich es in Erinnerung habe. Wir halten für einen Fotostopp an den mir ebenfalls bereits bekannten Punkten, dem Amphitheater und der Garganta del Diablo.










Bis Alemania sind wir damals gefahren und dann nach Cafayate zurückgekehrt. Ich stelle fest, das war genau richtig, denn unweit von Alemania wird die Strecke bis Salta eintönig und der Verkehr nimmt merklich zu.







Am Nachmittag sind wir zurück in der Finca Valentina. Alle erinnern sich noch an mich und die Begrüßung fällt entsprechend herzlich aus. Hier fühle ich mich einfach wohl. Diesmal erhalte ich ein Zimmer in einem der beiden kleineren separat stehenden Gebäude. Auch dieses Zimmer ist sehr schön.

Heute verabschiede ich mich von meinen Wanderschuhen, die sich langsam auflösen. Bereits in Cachi hatte ich erste Verschleißerscheinungen festgestellt und gehofft, dass sie noch ein paar Tage durchhalten, was sie dann auch taten, aber die Puna hat ihnen den Rest gegeben.

Die Zeit bis zum köstlichen Abendessen verbringe ich damit, meine Sachen zu sortieren, entsprechend für den Inlandsflug zu packen und mich auszuruhen.
Letzte Änderung: 13 Jan 2023 18:01 von Sabine26.
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Tag 14 – Salta – Buenos Aires
Adiós NOA - Bienvenidos a Buenos Aires


Nach dem Frühstück holt mich mein Guide ab und bringt mich zum nicht allzu weit entfernten Flughafen von Salta. Der Check-in verläuft problemlos und ich verabschiede mich von meinem erstklassigen Guide. An einem der Verkaufsstände werde ich fast schwach, kann mich dann aber doch zurückhalten und kaufe nicht noch ein weiteres Plüschlama, schließlich habe ich seit gestern Juanita Blanca wieder. Sie hatte ich in der Finca Valentina gelagert, um sie nicht nach zwei Wochen in Juanita Gris umtaufen zu müssen.

Mein Flug mit der Aerolineas Argentinas startet pünktlich und die 2 Stunden bis Buenos Aires verlaufen ruhig. Wir landen am innerstädtischen Flughafen Aeroparque Jorge Newberry. Eigentlich sollte mein Transfer auf mich warten, aber weit und breit ist nichts von ihm zu sehen. Daher beschließe ich, mir eine Remise zu nehmen. Dann taucht mein Fahrer doch noch auf. Er entschuldigt sich mit der Erklärung, er hätte nicht damit gerechnet, dass ich so schnell aus dem geschützten Bereich herauskommen würde. Nun gut, die Fahrt zu meinem Hotel dauert nicht lange.







Bereits während meiner ersten Argentinienreise vor knapp 20 Jahren wohnte ich im Marriott Hotel, das damals noch in einem alten, für Buenos Aires so typischen, herrschaftlichen Palast an der Plaza San Martín untergebracht war. Nach so langer Zeit habe ich mich wieder für das Marriott entschieden, das mittlerweile in das Gebäude umgezogen ist, in dem sich bis vor nicht allzu langer Zeit das Hotel Panamericano befand. Der Dachterrasse des Panamericano haben wir vor 12 Jahren einen Besuch abgestattet, nachdem man so freundlich war, uns diesen als Nichtgäste zu genehmigen. Von dort oben hat man einen wundervollen Blick auf die Avenida 9 de Julio und das war der Hauptgrund für meine Wahl.

Nicht gerechnet hatte ich damit, dass ich ein solch schönes Zimmer mit perfektem Ausblick erhalten würde. Umso größer ist meine Freude, als ich die Tür zu meiner Bleibe für die nächste Nacht öffne.











Ohne irgendwelche Wertsachen und nur mit ein wenig Bargeld laufe ich am späten Nachmittag noch ein wenig in der Innenstadt umher und kaufe mir in der Buchhandlung eine Tierbestimmungskarte und einen Reiseführer zu einem Teil Argentiniens. Aus dieser Reiseführerserie besitze ich bereits mehrere. Diese sind bei uns zuhause nicht zu bekommen. Zumindest weiß ich nicht, wo ich diese kaufen könnte. Darüber hinaus erwerbe ich mehrere mit Queso und Quinoa gefüllte Empanadas, das wird mein Abendessen werden.

Als die Nacht hereinbricht, kann ich mich kaum vom Ausblick auf Obelisk und Teatro Colón trennen, aber ich muss mich auch nicht groß anstrengen, vieles kann ich direkt vom Bett aus sehen. Zwischendurch erstrahlt der Obelisk in Regenbogenfarben. Was habe ich doch für ein Glück mit diesem schönen Zimmer. Da bestätigt sich tatsächlich nicht, dass man als Einzelreisende(r) nur eine Abstellkammer erhält.






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Tag 15 – Buenos Aires - Rückflug
Hotel mit Ausblick


Ich lasse es langsam angehen, schlafe etwas länger und gehe dann frühstücken. Auch wenn es in diesen großen Businesshotels nicht unbedingt gemütlich zugeht. Normalerweise bevorzugen wir kleinere Unterkünfte, aber ich muss sagen, ich bin trotzdem mit der Wahl meines Hotels für diese eine Nacht sehr zufrieden. Die Lage ist perfekt und mein Zimmer mit Aussicht ebenso. Da gibt es nichts zu meckern.

Nach dem Auschecken habe ich noch ein wenig Zeit und diese nutze ich, um auf die Dachterrasse zu fahren. Hier oben befindet sich ein Pool, den ich genauso wunderschön in Erinnerung habe. Von der Dachterrasse schaut man auf die Avenida 9 de Julio.













Dann ist es auch schon Zeit, mein Transfer ist da. Die Fahrt zum Flughafen in Ezeiza verläuft ohne Stau, aber es ist auch Sonntag. Der Rückflug mit der Lufthansa ist pünktlich und die knapp 13 Stunden verbringe ich mit Essen, Schlafen, Essen und so vergeht auch diese Zeit recht schnell. Der Service ist wieder sehr zuvorkommend und auch hier gibt es nichts zu beanstanden.




Tag 16 – Ankunft Frankfurt
Wieder zuhause


Pünktlich landet der Kranichflieger in Frankfurt. Leider muss ich fast eine Stunde auf mein Gepäck warten, obwohl es mit Priority gekennzeichnet ist. Dann endlich sehe ich meinen Mann wieder, er holt mich ab. Ich freue mich sehr.
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