Kapitel 6: Cahuita-Safari bei Tag und in der Nacht
Als wir heute aufwachen, trommelt der Regen in einer Intensität auf unser Dach, die ihresgleichen sucht. Ein Blick von der Terrasse in den Garten zeigt uns nasse Tristesse: Fifty Shades of Grey.

In Strömen fällt das Wasser vom Himmel, die Sonne hat keine Chance mehr als Zwielicht durch die dichten Wolkenmassen zu senden. Okay – so beginnt der Tag also entschleunigt.
Während die Kinder noch schlafen, können wir aber bereits die erste Tierbeobachtung des Tages von unserer Terrasse aus machen: Ein Zweifinger-Faultier hangelt sich als triefend nasser Schattenriss durch die Äste der nahen Bäume. Einmal mehr sind wir begeistert von dem Anblick.
Mit dem Frühstück lassen wir uns heute Zeit. Und nach zwei Stunden ist es dann auch vorbei mit dem Regen und die Sonne setzt sich zaghaft durch.
Sobald die Natur-Dusche abgestellt ist, spazieren wir durch den klitschnassen Garten. Eigentlich wollten wir am Strand nach weiteren Faultieren sehen, aber wir kommen gar nicht so weit. Denn bald entdecken wir ein weiteres Zweifinger-Faultier im Riesenbambus des Gartens. Auch dieser Vertreter ist bis auf die Knochen durchnässt, was das Tier jedoch nicht davon abhält, alsbald knapp über unseren Köpfen durch die Vegetation zu kraxeln. Es macht einfach immer wieder Freude, Faultiere in Bewegung zu sehen.
Am späten Morgen machen wir uns schließlich auf dem Weg zum Cahuita Nationalpark, der am südlichen Ende des Dorfes beginnt. Wegen unseres ganzen Geraffels und der herrschenden Schwüle fahren wir die wenigen Kilometer mit dem Auto und können bequem auf den Parkflächen in der Nähe des Eingangs den Wagen abstellen. Hier ist heute wenig los.
Im Vorfeld hatte ich gelesen, dass der Park immer wieder überflutet wird und der einzige Wanderweg, der parallel zum Strand entlangführt, dann unpassierbar ist. Dies ist heute trotz der ergiebigen Regenfälle zum Glück nicht der Fall.
Am Gate entrichten wir unsere Eingangsspende und buchen einen Guide, der uns in den folgenden zwei bis drei Stunden durch den Park führen wird – und das wird sich als gut angelegtes Geld herausstellen, denn ohne die Kenntnis und das scharfe Auge unseres Führers hätten wir nur einen Bruchteil dessen gesehen, was wir auf dem Spaziergang erleben konnten. Auch sein Spektiv ist für alle, die kein Teleobjektiv oder eigenes Fernglas dabei haben, von großem Wert.
Als Auftakt führt uns unser Guide – Joe heißt er – zu einem kleinen Flusslauf, an dessen Ufer zahlreiche Helmbasilisken zu entdecken sind. Teilweise sitzen sie direkt vor unserer Nase und trotzdem brauchen wir eine Weile, um die gut getarnten Tiere zu erspähen. Auch ein Kahnschnabel lässt sich hier sehen – ist aber für ein vorzeigbares Foto zu sehr im Blattwerk versteckt.
Nur wenige Schritte weiter zeigt uns Joe eine Greifschwanz-Lanzenotter, die unbeweglich auf einem großen Blatt nicht weit vom Weg entfernt ruht. Allein wären wir wahrscheinlich achtlos an der kleinen Giftschlange vorbeigelaufen. Eine weitere Artgenossin liegt etwas weiter entfernt auf einem Blatt. Ein Foto gelingt hier nicht wirklich.
Es folgt die Begegnung mit einem Red-tailed squirrel und einer extrem stinkenden Frucht, die Joe uns feixend unter die Nase hält.
Schön ist, dass man sich hier auch für die kleinen Regenwaldbewohner Zeit nimmt.
Und dann ist einmal mehr Faultier-Zeit angesagt. Wieder können wir ein aktives Zweifinger-Faultier aus nächster Nähe bei der Nahrungssuche beobachten. Dieses Mal zur Abwechslung ein trockenes Exemplar.
Auf dem weiteren Weg lassen sich Kapuziner sehen, denen unsere Anwesenheit nicht so ganz zu passen scheint. Brüllaffen sehen wir auch - aber sie sind wenig foto-kooperativ. Macht nichts!
Später zeigt uns Joe Wespennester und an Baumstämmen rastende Fledermäuse, die wir selbst nie entdeckt hätten.
Wir entdecken außerdem Ameisen und Termiten, die in Costa Rica wegen der Feuchtigkeit in den Bäumen leben.
Eine weitere Greifschwanz-Lanzenotter – diese in extrem gelber Warnfarbe – liegt etwas unkooperativ in einer Baumstammmulde.
Wenig später zeigt uns Joe einige große Einsiedlerkrebse, die versteckt in Hohlräumen der Bäume leben.
Und dann entdeckt unsere Kleine eine Bewegung im dichten Bewuchs: Ein Waschbär. Genauer gesagt sind es zwei, die emsig durch das Dickicht wuseln und sich dabei nicht für uns interessieren. Ein kurzer Blick und sie sind weg.
Bald darauf zeigt uns Joe die nächste Giftschlage, die perfekt getarnt im Laub unter einem Regenunterstand ruht – eine Stülpnasen-Lanzenotter. Hier muss man wirklich aufpassen, wohin man abseits des Weges tritt und/oder greift.
Wiederum nur wenige Minuten später folgt die nächste Schlangensichtung. Dieses Mal handelt sich es sich um eine wunderschöne Boa Constrictor, die etwa einen Meter über unseren Köpfen im Geäst ruht.
Natürlich lassen sich auch im Cahuita Nationalpark die Netze von Seidenspinnen finden. Auf diesem Foto kann man den ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus dieser Spinnenart sehen. Das Männchen hat nur einen Bruchteil der Größe des Weibchens.
Bald finden wir erneut Fledermäuse.
Schließlich kommen wir an den Strand. Die Landschaft ist hier einfach schön und so genießen wir die Blicke über Sand, Meer und Dschungel. Hier verabschiedet sich Joe von uns. Wenn man noch weiterwandern möchte, ist an dieser Stelle die Mündung eines Bachlaufs zu durchqueren. Wir beschließen aber sowieso umzukehren, schließlich ist es ziemlich warm und wir sind von unseren Sichtungen gut gesättigt.
Auf dem Rückweg begegnen wir einem weiteren Waschbär, der aber dieses Mal direkt auf uns zuhält. Er ist einäugig und in keinem guten Zustand. Zum Glück wird er das einzige Tier auf der gesamten Reise sein, das klar auf unser Essen aus ist und daher unsere Nähe sucht.
Erschöpft und gut gelaunt verlassen wir den Nationalpark und finden am Parkplatz zum Abschluss noch einen Rabengeier, der recht fotogen in der Sonne sitzt.
Zufrieden mit der Ausbeute unserer ersten geführten Regenwald-Safari und begeistert von der Vielfalt der Tierwelt stocken wir in einem nahen Supermarkt unsere Vorräte auf und fahren dann zurück zum Guesthouse, um dort den Nachmittag zu verbringen und uns zu erholen, denn nach Einbruch der Dunkelheit wird unsere erste Nachtsafari in Costa Rica beginnen. Wir sind gespannt und etwas aufgeregt...