Tag 2
Ich hatte komaähnlich geschlafen. Die Helligkeit kroch durch das Bullauge und weckte mich kurz nach 5 Uhr. Nicht lange fackeln. Raus aus dem Bett. Rein ins Bad. 15 Minuten später inspizierte ich die Fähre. Ich ging noch mal über die Shopping-Mall. Machte hier und da einige Fotos und begab mich anschließend auf Deck.
Es war frisch, aber herrlich. Kaum ein Mensch war zu dieser Tageszeit hier oben an Deck. Ein paar Schleierwolken klebten am Himmel. Es schien ein schöner Tag zu werden.
Um 7 Uhr öffnete der Speisesaal. Heute Morgen war keine Sitzordnung für Gruppen vorgesehen. Ich schnappte mir einen freien Platz an einem 2er Tisch und ließ mir das Frühstück schmecken. An dem üppigen Buffet fehlte es an nichts.
Zurück auf dem Deck suchte ich mir ein windstilles Plätzchen und genoss die Sonne und die vorbeiziehende Landschaft. Hier wurde ich dann doch von dem ein oder anderen angesprochen. „Du bist doch auch mit bei uns im Bus?“ Kurzer Smalltalk und man ging seiner Wege.
Zur geplanten Ankunftszeit kamen wir um 9.30 Uhr in Oslo an.
Durch die Reiseunterlagen wusste ich bereits, dass wir denselben Reiseleiter wie letztes Jahr bekommen würden. Am vereinbarten Treffpunkt stieß Sören zu uns. Er erkannte mich sofort wieder und wir unterhielten uns ein paar Minuten. Dann fuhren wir nur 30 Minuten mit dem Bus Richtung Innenstadt und stiegen aus. Hier vom Parkplatz aus hatte man einen schönen Blick auf die Oper.
Das Wetter war genial. Blauer Himmel und bereits um diese Uhrzeit 25 Grad. Es war der 17.5. und dieser Tag ist Nationalfeiertag in Norwegen. Sören lotste uns Richtung Zentrum, damit wir vom Umzug auch einiges zu sehen bekamen. Gefühlt war ganz Norwegen heute hier in Oslo.
Dicht gedrängt standen die Erwachsenen Fähnchen schwenkend am Straßenrad. Ist schon irre, welches Nationalbewusstsein die Norweger haben. Geschätzt 80% aller Frauen kamen in norwegischer Tracht. Die Männer waren da ein wenig zurückhaltender.
Ein nicht enden wollender Umzug von Schulklassen, Jugendgruppen, Musikern und Fahnenschwenkern bot ein farbenprächtiges Bild. Und überall nur fröhliche Gesichter. Der Umzug zieht sich durch die Stadt bis zum königlichen Schloss. Diesen Trubel mitzuerleben war schon toll.
Danach ging es in großem Bogen durch die Stadt zurück zum Bus. Hier war zwischenzeitlich Mister Wichtig eingestiegen. Er und Frau (sie war eigentlich ganz in Ordnung) waren von Düsseldorf geflogen und dann hier in Oslo zu uns gestoßen. Man ist ja schließlich was Besseres.
Der Kerl saß noch nicht ganz, da hatte er die vordersten Reihen unter Kontrolle nach dem Motto: ‚Alles hört auf mein Kommando‘.
Gut, dass zwischen ihm und mir noch 8 Sitzreihen waren und ich das Getöse nicht mitbekam.
Nach dem ersten Stopp sah ich das Unheil kommen. Mister Wichtig hatte allen, die vorne ausgestiegen waren, sein neues Smartphone gezeigt. Nun hatte er mich als sein nächstes Opfer auserwählt und steuerte auf unsere Gruppe zu. Wir standen mit fünf oder sechs Personen zusammen. Er bremste natürlich genau vor mir ab. Warum immer ich?
Nach dem ersten Smalltalk mit der Flitzpiepe hatte ich einen Freund weniger. Er wollte mir unbedingt weismachen, dass ich ein Smartphone brauche. Er schien das allerneueste und teuerste Model zu haben. Triumphierend hielt es mir das Ding unter die Nase. „Hab‘ ich erst seit drei Tagen.“
„Schön!“
„Die Dinger sind doch so toll. Man kann damit Musik hören. Man kann tolle Fotos und Filme damit machen. Besser als mit deiner Kamera.“
Ich ließ ihn in dem Glauben.
„Ins Internet kommt man damit auch!“
„Ehrlich? - Kann man damit auch telefonieren?“
Ich konnte mir nicht verkneifen, ihm zu sagen, dass ich keine wichtige Persönlichkeit bin und daher nicht immer und überall erreichbar sein muss. Ich übrigen hätte ich Urlaub und wäre froh, wenn mich kein Mensch anruft und ich meine Ruhe habe. Und dass mir niemand am Smartie schlaue Fragen stellt.
„Bisse schon am Nordpol? Watt habta fürn Wetta? Hier is auch Mist!“
Der hat mich die ganze Reise nicht mehr angeguckt. Verstand ich zwar nicht; fand es aber super!
Aber sein Geschwätz und seine Strunzerei gingen vielen Leuten auf die Nerven. Am Ende der Reise musste er sich nicht von allzu vielen Reisenden verabschieden. So ein Gehabe kann einsam machen.
Dann folgten Wikinger-Museum sowie Fram und Kon-Tiki Museum. Die beiden Letzteren hatten leider wegen des Nationalfeiertags geschlossen.
Wir fuhren zum Holmenkollen, durchwanderten den Vigelandpark
und gegen 17 Uhr waren wir am Hotel.
Superhyperstylishes, gerade ganz neu eröffnetes Hotel. Voll gepfropft mit Elektronik. Zuviel Elektronik. Die komplette Reisegruppe stand nun vor fünf !!! Fahrstühlen. Aber keine unserer Zimmerkarten funktionierte. Die brauchte man aber auch für die Fahrstühle. Hilfloses Personal an der Rezeption. Wir benötigten über eine halbe Stunde, bis alle auf ihren Zimmern waren.
Und die waren wirklich vom Allerfeinsten! Das Bad war so groß, hier hätte man Walzer tanzen können.
Auch sonst war das Hotel super. Die zentrale Lage war ebenfalls gut.
Mein Orientierungssinn funktionierte noch und so bin ich nach dem Abendessen bis zur Oper gelaufen, um ein paar Fotos zu schießen. Es dürften selbst abends um 21 Uhr noch weit mehr als 20 Grad gewesen sein.
Nachdem ich die Außen- und Innenaufnahmen der Oper im Kasten hatte, machte ich mich so langsam auf den Heimweg Richtung Hotel. Hier nahm ich anschließend noch ein Kaltgetränk zu mir. Ratet welches! Acht Euro fünfzig!
Klammheimlich wischte ich mir die erste Träne aus den Augen.
Von den übrigen Mitreisenden keine Spur. Daher steuerte ich alsbald mein Zimmer an.
Bis bald!
Papa Kenia
Dieter