Hassi Bel Guebour – Gara Khannfoussa
Südlich von Hassi Bel Guebor verändert sich das Landschaftsbild deutlich. Der Sand und die Dünen verschwinden und werden von Schotterflächen ersetzt aus denen sich immer wieder niedrige Tafelberge und Kegelberge erheben.
Die Straße wir schmaler und geht schon bald in eine Piste über.
Auch hier muss es vor kurzem geregnet haben, denn auf und neben der Piste sind immer wieder Pfützen.
Hinter Bordj Omar Driss verschwinden wir dann endgültig in der Wüste. Es geht hinaus auf eine unendlich erscheinende Reg-Ebene. Da es bei dieser Landschaftsform vollkommen egal ist, wo man übernachtet, fahren wir einfach so lange bis sich die Sonne dem Horizont nähert und schlagen dann an dem Punkt unser Lager auf.
In der Dämmerung bauen wir die Zelte auf. Dabei achten wir alle zunächst darauf, wo Peter sein Zelt hinstellt, um das eigene Zelt dann so weit wie möglich davon entfernt aufzubauen. Bis ich Peter kennenlernte wusste ich nicht, dass ein Mensch so laut schnarchen kann. Erschweren kommt noch hinzu, dass bei Peter schlafen nie ohne schnarchen geht. Kaum stehen die Zelte, ist es auch schon dunkel.
Seit geraumer Zeit meinen wir in der ferne Motoren zu hören, sind uns dessen aber nicht ganz sicher.
Während der Koch- und Essbereich beim LKW immer gut beleuchtet ist, sind wir bei den Zelten auf unsere Stirnlampen angewiesen. Die Zeit in der Gregor und Eddy das Essen zubereiten, nutzt der Rest für Wartung und Reparatur der Motorrädern. Irgendetwas ist da immer zu erledigen. So sind wir alle weit im Camp verteilt, als plötzlich ein Ruf in französisch durch die Dunkel schallt. Umgehend kommt von Gregor eine kurze und vom Ton her sehr eindringliche Ansage an die Gruppe: „Verhaltet Euch ruhig und bewegt Euch kein Stück!“ Danach antwortet er auf französisch in die Dunkelheit. Es folgt ein kurzer Wortwechsel und dann löst sich eine uniformierte Person aus der Dunkelheit. Gregor zeigt unsere Papiere und dann kommt die erlösende Ansage, dass wir uns entspannen können und zum LKW kommen sollen. Gleichzeitig treten rings um uns herum schwer bewaffnete Soldaten aus der Dunkelheit, die Waffen aber zum Glück geschultert.
Die Situation klärt sich auf. Die Armee ist noch immer auf der Suche nach Rebellen. Da man in der Dunkelheit nicht klar erkennen konnte, wer oder was wir sind, hatte man uns erst einmal umstellt um dann die Situation zu klären. Das war mit Sicherheit eine der gefährlichsten Situationen, in der ich mich in meinem Leben befand. Ich darf gar nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn nicht alle strikt Gregors Anweisung befolgt hätten. Wäre da einer mit einem Werkzeug in der Hand aufgestanden, hätte das in der Dunkelheit leicht mit einer Waffe verwechselt werden können; eine fatale Verwechslung, wenn mehrere entsicherte Maschinengewehre auf einen gerichtet sind.
Zum Glück ist alles gut gegangen und man sieht auch den Soldaten die Erleichterung an, dass es sich bei uns nur um harmlose Motorradtouristen handelt. Auf den Schreck laden wir den ganzen Trupp erst einmal zu einer Runde Cola ein. Wir haben Unmengen an Getränkedosen dabei und Cola wir von den Algeriern immer gerne getrunken.
Anschließend zieht die Patrouille weiter und wir widmen uns unserem verspäteten Abendessen. Ich weiß nicht mehr, was es auf der Tour so alles zu essen gab, aber es war ausnahmslos lecker.
Am nächste Morgen stellte sich uns allen das Problem, wie man in solch einer Landschaft sein morgendliches Geschäft verrichten soll. Hier gibt es weder Busch, noch Fels oder Düne, hinter denen man in Deckung hätte gehen können. Die Lösung war eine umgekehrte Sternfahrt. Man setzte sich auf den Motorrad, fuhr 1 km in die Wüste, stellte das Motorrad quer und hocke sich dahinter. Das Klopapier wurde gleich an Ort und Stelle verbrand, denn niemand will weiße Fahnen durch die Wüste flattern sehen.
Das erste Ziel des Tages ist, den Gara Khannfoussa zu finden. Der Gara Khannfoussa ist ein markanter Hügel aus schwarzem Gestein, welcher sich aus den Sandebenen des Erg Issaouane erhebt und den Eingang zur Gräberpiste markiert.
Ihr müsst bedenken, dass die Tour in Zeiten vor der Verbreitung des GPS in der Allgemeinheit stattfand. Wir waren nur mit Karte und Kompass unterwegs. Deshalb hatten Landmarken, wie der Gara Khannfoussa, eine enorme Bedeutung für uns.
Die Reg-Ebene hatten wir dann auch schnell hinter uns und erreichten die Ausläufer des Erg Issaouane, wo wir erst einmal Luft aus den Reifen der Motorräder und des LKW ließen.
Während Gregor mit dem LKW versuchte eine möglichst leichte Strecke durch das Dünenmeer zu finden, tobten wir uns in diesem Sandkasten für große Kinder richtig aus. Dabei behielten wir aber immer den LKW im Blick. Der war sozusagen das Zentralgestirn um das wir kreisten.
Bei einer längeren Auffahrt bliebt der LKW plötzlich stehen und kam auch nicht wieder in Gang. Da gab es wohl wieder ein technisches Problem. Bald darauf waren wir alle beim LKW. Gregor war schon mit dem Kopf in den Tiefen des Motorraums verschwunden. Der Motor brachte plötzlich nicht mehr genug Leistung für den Anstieg. Grund war ein geplatzter Druckschlauch vom Ladeluftkühler zum Motor. Den hatten wir auch nicht als Ersatzteil dabei und da zeigte sich zum ersten Mal die ganze Klasse von Gregor als Mechaniker. Wenn es ans Improvisieren geht zeigt sich der wahre Meister. Mit einer aufgeschnittenen Coladose und Kabelbindern und einem Stück Motorradschlauch als Dichtung wurde der defekte Druckschlauch geflickt. Funktionierte tadellos und hielt die gesamte Tour.
Es konnte weiter gehen.
Als der Gara Khannfoussa endlich in Sicht kam, war schon etwas Erleichterung zu spüren, denn ohne GPS fehlt halt die letzte Sicherheit, ob man den richtigen Kurs hat.
Bald darauf konnten wir einen ersten Blick in das weite Tal zwischen Erg Issaouane und den Bergen werfen, durch welches die Gräberpiste führt. Was wir da sahen, lies die uns bevorstehenden Herausforderungen der nächsten beiden Tage bereits erahnen.