THEMA: 2x Algerien (ein Reisebericht)
03 Sep 2020 13:54 #594261
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Assekrem




Am nächsten Tag stand zunächst der Großeinkauf für die restliche Strecke unserer Tour an. Als wir zurück im Camp waren, gab es bei unserem LKW noch keine Besserung zu vermelden. Das änderte sich auch bis zum Nachmittag nicht.

Somit trat Plan B in Kraft. Wir würden nur mit den Motorrädern hoch zum Assekrem fahren. Das würde auch mit leichtem Gepäck gehen, da wir sowieso in der Herberge übernachten und zu Abend essen wollten. Am nächsten Morgen würde es dann nicht über die Nordabfahrt weitergehen, sondern wir würden nach Tamanrasset zurückkehren. Wie es dann weitergehen würde, müsste man dann sehen.

Die Rucksäcke waren in wenigen Minuten gepackt und dann machten wir uns gleich auf den Weg.

Nachdem wir die Piste hoch zum Assekrem erreicht hatten, war die Orientierung einfach und so fuhr jeder in seinem persönlichen Tempo.

Die Landschaft war fantastisch. Besonders auffällig waren die vielen Basaltkegel. Dabei handelt es sich um frei erodierte ehemalige Vulkanschlote.

Leider war es auch an diesem Tag wieder bedeckt, so dass die Fotos alle sehr düster und farblos wurden. Auch der Sonnenuntergang fiel den Wolken zum Opfer.













Die Herberge auf dem Assekrem liegt am Ende der Piste und ist nicht zu verfehlen. Sie ist sehr einfach, es gibt nur einen Speiseraum und zwei Schlafräume mit dünnen Matratzen auf dem Boden. Die Aufteilung der Schlafräume erfolgte nach Schnarchern und Nicht-Schnarchern. Zu meiner Überraschung und meinem Glück wurde ich dem Schlafraum der Nicht-Schnarcher zugeteilt.

An das Essen habe ich keinerlei Erinnerung, was dafür spricht, dass es weder besonders gut, noch besonders schlecht war. Woran ich mich aber noch sehr gut erinnere ist der Umstand, dass es nach Sonnenuntergang mit den Temperaturen rapide bergab ging. Hier auf über 2500m Höhe in einem, mit Ausnahme eines kleinen Kamins, unbeheizten Gebäude erwartete uns eine sehr kalte Nacht.



Wir wollten gerade zu Bett gehen, da hörten wir von draußen Motorengeräusche. Nicht zu fassen – Gregor hatte es tatsächlich geschafft das Getriebe zu reparieren und war dann noch im Dunkeln die Hochgebirgspiste zur Herberge hochgefahren. Jetzt stand unserer geplanten Route nichts mehr im Wege.
Letzte Änderung: 03 Sep 2020 14:02 von Topobär.
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11 Sep 2020 13:48 #594612
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Assekrem Nordpiste




Die Nacht ist nicht nur kalt, sondern auch kurz. Bereits eine Stunde vor Sonnenaufgang sind wir auf den Beinen, denn selbigen wollen wir auf dem Gipfel des Assekrem bei der Eremitage du Pere de Foucauld erleben. Das geht nur zu Fuß und so wird uns schnell warm.

Pünktlich zum Sonnenaufgang beginnt auch die Wolkendecke aufzureißen.





Wir werden vom hier oben lebenden Pater zur Morgenmesse in seiner kleinen Kapelle eingeladen. Die ist kaum in der Lage unsere Gruppe zu fassen. Obwohl ich überhaupt kein gläubiger Mensch bin, war die Messe hier oben in der sehr einfachen und schmucklosen Kapelle ein sehr schönes Erlebnis. Es hatte etwas archaischen. So stelle ich mir Gottesdienste in der Frühzeit des Christentums vor.

Danach sitzen wir noch lange im Gespräch mit dem Pater zusammen. Im Gegensatz dessen was man von einem Eremiten erwartet, ist er sehr weltoffen und interessiert.





Hier hätte ich es gut noch länger ausgehalten, aber wir müssen leider weiter, wissen wir doch nicht, was die heutige Strecke von uns verlangen wird. Bevor wir aber starten, gibt es erst einmal ein ausgiebiges Frühstück auf dem Parkplatz vor der Herberge.





Die heute vor uns liegende Strecke gibt es offiziell gar nicht mehr. Die Nordpiste auf den Assekrem wurde schon vor vielen Jahren aufgegeben und seitdem nicht mehr gepflegt und instandgesetzt. Was uns genau erwarten wird, wissen wir nicht, denn die Strecke verändert sich von Jahr zu Jahr. Das Wetter zerstört die Piste von Jahr zu Jahr mehr. Hin und wieder werden die schwierigsten Passagen von den Befahrern der Strecke provisorisch ausgebessert.

Was sich gleich zu Anfang der Strecke zeigt, ist die fantastische Landschaft. Das ganze Gebirge ist vulkanischen Ursprungs und hinter jeder Kurve erwartet einen ein neuer beeindruckender Ausblick.






Die Strecke steigert sich langsam. Ist sie zu Anfang noch gut zu befahren, wird sie immer schwieriger, je tiefer wir kommen. Hier in den tiefer gelegenen Tälern kommen nach Regenfällen anscheinend größere Wassermassen zusammen, die vielfach die Piste erheblich beschädigt oder sogar komplett zerstört haben.







Immer häufiger ist die Piste unpassierbar und wir müssen uns Umfahrungen suchen. Mit den wendigen Motorrädern ist das überhaupt kein Problem. Mit dem großen LKW dafür um so mehr. Letztendlich findet Gregor aber immer einen Weg. Häufig wechseln wir für längere Passagen von der Piste ins Bachbett.









Am späten Nachmittag haben wir es geschafft. Die Hauptpiste von In Ekker nach Djanet ist erreicht. Der LKW hat auf der Piste stark gelitten und ist schwer angeschlagen. Federn und Aufhängung sind an mehreren Stellen gebrochen. Wir brauchen dringend ein Schweißgerät. So beschließen wir nach Ideles zu fahren, wo wir hoffen, entsprechende Hilfe zu bekommen.

Letzte Änderung: 11 Sep 2020 14:06 von Topobär.
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21 Sep 2020 16:47 #595142
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Ideles

Wir hatten Glück und fanden in Ideles eine Metallwerkstatt mit einem Schweißgerät. Wir hatten zudem das Glück, dass zu der Werkstatt ein großer Hof gehörte auf dem wir unsere Zelte aufschlagen konnten, denn es stand außer Frage, dass sich die Reparatur bis in den morgigen Tag hinziehen würde.

Während wir das Camp aufbauten wurde der LKW bereits aufgebockt und unter der Anleitung von Gregor mit der Reparatur begonnen. Die Stromversorgung des Elektro-Schweißgerätes war typisch afrikanisch; es wurde einfach die durch das Dorf verlaufende Freileitung direkt angezapft.

Natürlich waren wir im Mittelpunkt des Interesses der Kinder im Dorf. Dadurch wurde es auch für uns nicht langweilig.









Obwohl bis spät in die Nacht gearbeitet wurde stand am nächsten Morgen fest, dass wir nicht vor Mittag von hier loskommen werden. Ich hatte nicht vor, diese Zeit auf dem Hof zu verbringen und entschied mich für eine längere Wanderung durch die zu Ideles gehörende Oase. Das sollte sich als sehr gute Idee herausstellen. Nach mehr als 2 Wochen in der Wüste, war das frische Grün eine unerwartete Abwechslung.























Letzte Änderung: 21 Sep 2020 16:58 von Topobär.
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09 Okt 2020 15:03 #596333
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Ideles – Erg Amguid




Kurz nach Mittag war der LKW wieder fahrtüchtig und wir konnten unsere Reise fortsetzen. Wir befanden uns jetzt eindeutig auf der Rückreise. Unsere Route führte direkt Richtung Norden.

Wir fuhren entlang des Teffedest-Gebirges. Dieser Gebirgszug ist im Gegensatz zum Hoggar nicht vulkanischen Ursprungs, sondern besteht aus Granit. Über längere Strecken finde sich relativ viel Vegetation und es soll hier sogar Antilopen und Geparden geben. Wir sahen weder das Eine, noch das Andere.

In einigen Bereichen erinnerte mich die Landschaft stark an Damaraland & Kaokovelt.


















Am nächsten Tag ging es weiter in direkter Linie nach Norden. Eine zeit lang fuhren wir noch entlang des Teffedest, welches im Norden im markanten Granitklotz des Garet el Djenouon kulminiert. Dieser Berg hat für die Tuareg eine mystische Bedeutung.

Hier verlassen wir das Tal und kommen auf die weite Ebene, welche im Norden sanft in den Erg Amguid übergeht. Die weiten Sandflächen sind einfach zu befahren und wir kommen zügig voran.
















Letzte Änderung: 09 Okt 2020 15:15 von Topobär.
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30 Okt 2020 15:06 #597599
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Erg Amguid – Hassi Messaoud



Es geht auf Mittag zu. Wir befinden uns auf einer weiten Sandebene. Mit mehreren Motorrädern sind wir in zügigem Tempo in breiter Front nebeneinander unterwegs. Urplötzlich bocken die Motorräder wie wild gewordene Rodeopferde. Wir sind in ein Feld mit Sandwehen geraten, welches wir durch den hohen Sonnenstand nicht erkannt haben. Bei Sandwehen handelt es sich um bis zu 30cm hohe betonharte Sandverwehungen. Man kann sie am besten mit den Riffeln vergleichen, die man vom Wattenmeer oder sandigen Stellen in Fließgewässern kennt, nur dass hier der Sand nicht vom Wasser, sondern vom Wind geformt wurde.

Das einzige was jetzt hilft ist aufstehen, Kupplung ziehen, auf die langen Federwege der Motorräder vertrauen und ausrollen. Das klappt auch bei allen sehr gut. Einzig Rüdiger ist einem falschen Reflex erlegen. Anstatt der genannten Maßnahmen hat er sich für eine Vollbremsung entschieden. Ein fataler Fehler. Beim Abbremsen federt das Motorrad vorne stark ein. Dadurch fehlt beim nächsten Buckel der benötigte Federweg. Die Folge ist unausweichlich das Überschlagen von Maschine und Fahrer.

Wir sind sofort bei Ihm und auch der LKW ist kurz danach zur Stelle. Jetzt bewährt es sich, dass wir Stefan als Beifahrer im LKW mit dabei haben. Bislang hatte es als Beifahrer nur ein paar unterstützende Hilfstätigkeiten bei den Reparaturen und Mahlzeiten, ansonsten aber eine sehr entspannte Reise. Jetzt schlägt seine Stunde, denn er ist als ausgebildeter Rettungssanitäter genau für solch einen Notfall mit dabei.

Rüdiger ist bei Bewusstsein, hat aber starke Schmerzen. Den Helm hat es Ihm halb vom Kopf gerissen und es ist viel Blut zu sehen. Die größte Sorge ist eine Wirbelsäulenverletzung. Aktuell ist das Rückenmark nicht verletzt, Rüdiger kann seine Beine bewegen, aber die Gefahr ist damit nicht gebannt. Vorsichtig wird der Helm entfernt und sofort eine Genickstütze installiert. Danach wird er auf eine Vakuumtrage gebettet.

Während Stefan den Verletzten weiter untersucht und versorgt, verladen wir Rüdigers Motorrad und räumen die Ladefläche des LKW um, damit Rüdiger und Stefan dort transportiert werden können. Das viele Blut hatte seine Ursache im zu locker geschlossenen Kinngurt seines Helms. Dadurch konnte sich die Schnalle über das Kinn schieben und hat dieses bis Einschließlich der Unterlippe tief aufgerissen sowie 2 Zähne ausgeschlagen.

Rüdiger braucht jetzt dringend ein Krankenhaus mit Röntgengerät. Das nächstgelegene befindet sich in Hassi Messaoud. Bis dorthin sind es noch 750km. Zum Glück ist die Strecke ab Bordj Omar Dris asphaltiert. Sowie Rüdiger erstversorgt ist, verladen wir Ihn und brechen dann sofort auf.

Zunächst geht es noch durch traumhafte Wüstenlandschaften, aber so richtig entspannt sitzt dabei niemand auf seinem Motorrad















Wir schaffen es gerade noch vor Sonnenuntergang die Asphaltstraße zu erreichen und sind darüber alle sehr erleichtert. Im Dunkeln in Gelände zu fahren wäre kein Spaß gewesen. Selbst auf der Straße fühlen wir uns nicht wirklich wohl, denn Geländemotorräder zeichnen sich nicht gerade durch übermäßig gute Beleuchtung aus. Aus diesem Grund befinden die Motorräder alle dicht vor dem mit Fernlicht und Zusatzscheinwerfern fahrenden LKW.

In Hassi Messaoud bestätigt sich dann mein guter Eindruck algerischer Krankenhäuser. Obwohl wir erst spät abends ankommen, liegt Rüdiger in kürzester Zeit unter dem Röntgengerät. Bald darauf gibt es Entwarnung. Weder die Wirbelsäule, noch ein anderer Knochen sind gebrochen. Auch die starken Schmerzmittel zeigen Wirkung und so wird Rüdiger im LKW bis Djerba mitfahren. Wir verlassen die Stadt und schlagen nur wenige Kilometer später unser Camp in der Wüste auf.

Dieser Unfall bestätigt wieder einmal die These, dass sich in der Sahara auf 40.000 Personenkilometer mit dem Motorrad ein schwerer Unfall ereignet.
Letzte Änderung: 30 Okt 2020 15:09 von Topobär.
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12 Nov 2020 16:21 #598552
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Hassi Messaoud – Djerba

Für den Weg von Hassi Messaoud zurück nach Djerba nahmen wir die gleiche Strecke wie auf dem Hinweg. Dabei verbrachten wir wieder eine Nacht im Dattelpalmenwald nahe der Grenze.



Für die letzte Nacht entschieden wir uns, auf das Hotel in Djerba zu verzichten und lieber noch einmal unter dem Sternenhimmel Afrikas zu übernachten. Georg hatte uns eine traumhaft schöne und einsame Bucht am Mittelmeer versprochen und dabei nicht übertrieben.






Am nächsten Tag waren wir schnell auf Djerba. Dort verluden wir die Motorräder auf dem LKW und dann mussten auch schon die Ersten von uns zum Flughafen.

Unser LKW musste dann auf der Rückfahrt den hohen Belastungen als Rallye-LKW und unserer Tour endgültig Tribut zollen. Schon in Deutschland angekommen blieb er kurz vor dem Ziel auf der Autobahn mit Rahmenbruch liegen – Totalschaden.


P.S.
Einen Bericht kann ich noch bieten, dann wird es Zeit, dass ich wieder nach Afrika komme. So bald wie möglich werde ich mit dem Reisebericht von meinem bislang größten Abenteuer beginnen – einer Kanu-Expedition auf dem South Nahanni River.
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