THEMA: Argentinien/Chile - Gletscher, Gipfel und Geysire
05 Jun 2019 14:31 #558126
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Im Reich der Pinguine, Teil II

Das Hotel Jose Nogueira gefällt uns ausgesprochen gut. Nicht, weil die Zimmer außergewöhnlich luxuriös wären, sondern weil das gesamte Gebäude, das von 1890 stammt und eins der ältesten Patagoniens ist, Geschichte atmet. Fassade und Interieur sind weitgehend original erhalten. Das Frühstück im Wintergarten hat deutlich mehr Stil als unsere Outdoor-Klamotten und wir fühlen uns - wenn auch leicht underdressed - in eine andere Zeit versetzt.



Nach dem Frühstück schlendern wir durch Punta Arenas, mit über 120.000 Einwohnern schon fast eine Großstadt.





Die Lage direkt am Wasser ist ein klares Plus, es gibt viele alte Gebäude und außerdem Restaurants für jeden Geschmack. Für mich als Vegetarierin eine Offenbarung, am Vorabend habe ich mir die Pizza aus dem Steinofen so richtig schmecken lassen. Insgesamt ist der Charme der Städte, Buenos Aires ausgenommen, bislang jedoch einigermaßen überschaubar, zumindest hat er uns kaum erreicht - im Gegensatz zur weitgehend unberührten Natur, und darauf kommt es uns ja an. Der Friedhof in Punta Arenas wird uns ans Herz gelegt, aber Friedhof hatten wir schon und überhaupt drängt die Zeit.





Denn unser eigentliches Ziel ist die Isla Magdalena. Die unbewohnte Insel liegt unweit der Stadt inmitten der Magellanstraße und ist um diese Jahreszeit das Zuhause Zehntausender Magellanpinguine. Da wollen wir hin!



Der Fährhafen liegt rund 25 Kilometer nördlich von Punta Arenas und schon auf den ersten Blick wird klar: Das hier ist ein ganz anderer Schnack als die kleine, persönliche Tour auf die Isla Martillo. Wir sind froh um die Tickets, die wir schon lange im Voraus gebucht haben, denn der Andrang ist erheblich und nicht jeder kommt mit. Die Überfahrt ist relativ ruppig und zieht sich, dann endlich: Land in Sicht.



Bis auf einen Leuchtturm gibt es hier nichts. Nichts außer Pinguinen. Aber die wie Sand am Meer.



Das Empfangskomitee hat leichte Verspätung und watschelt im Eiltempo heran, verliert aber schnell das Interesse. Pah, wieder nur so olle Touristen...



Ich selbst bin von derlei Coolness meilenweit entfernt und hin und weg - was hier los ist!







Eine Stunde haben wir Zeit, auf einem Rundweg kommen wir den drolligen Tieren wie schon auf der Isla Martillo sehr nah.





Die Insel ist mit Bruthöhlen übersät, und alle sind "fully booked".











Bei den Pinguinen läuft es etwa so: Im September schwimmen die Jungs zu Zigtausenden an Land, streiten um die besten Villen mit Meerblick, dann wird renoviert und grundgereinigt, bis schließlich zwei Wochen später die Mädels folgen. Wenn alles passt, legen die Weibchen im Oktober je zwei Eier, nach 40 Tagen schlüpfen die ersten Jungtiere, die dann rund zwei Monate von ihren Eltern großgezogen werden. In diese späte Phase der Familienplanung fällt unser Besuch.







Keine Chance für Singlebörsen: Die Pinguine bleiben ihrem Gefährten ein Leben lang treu. Nur wenn er verstirbt, binden sie sich neu. Was zuweilen zu Beziehungschaos führt. Denn taucht der alte Partner verspätet noch auf, wird der neue eiskalt abserviert. Das nenne ich konsequent!



Sieht nach A cappella aus, klingt aber nach verrostetem Nebelhorn. Was das "Getröte" der Pinguine genau bedeutet, haben wir nicht so richtig herausgefunden.



Die Möwen haben ihr eigenes Appartement in diesem riesigen Wohnkomplex und bleiben weitgehend unter sich.







Viel zu schnell ist die Stunde rum, und wir müssen zurück aufs Schiff. Er war grandios, unser zweiter Besuch im Reich der Pinguine, der leider auf dieser Reise auch der letzte war.



Letzte Änderung: 05 Jun 2019 14:39 von Beatnick.
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07 Jun 2019 08:33 #558283
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Die Vögel

Nach den Pinguinen ist vor den Kormoranen, wir sind im Vogel-Wahn. Schon auf dem Hinweg zum Fährhafen waren mir die vielen verwitterte Molen an der Uferpromenade aufgefallen. Dort haben sich Kormorane angesiedelt. Zurück in Punta Arenas gehen wir dorthin. Hitchcock lässt grüßen, es herrscht reger Flugverkehr.



Die Vögel pendeln zwischen Mole und Strand hin und her und tauchen immer wieder direkt vor unseren Linsen auf. Ein herrliches, friedliches Spektakel, wir haben keinen Zeitdruck und sind völlig entspannt.









Wir sitzen auf dicken Steinen, genießen die Abendstimmung und die Gesellschaft unserer gefiederten Hauptdarsteller.









Die Möwen faszinieren uns. Sie lassen Muscheln gezielt auf die Steine fallen, um sie so zu knacken und an ihren Inhalt zu gelangen. Ganz schön schlau!





Was hat diese Gegend doch an Naturwundern zu bieten!





Eins davon landet an diesem Abend auf Thomas' Teller: die Königskrabbe (oder auch - wie ich finde völlig zu Recht - Monsterkrabbe) prangt auf allen Speisekarten und ist damit für Thomas praktisch eine Pflichtübung.

Mit vollem Magen und vollen Speicherkarten machen wir uns schließlich auf den Weg ins Hotel. Morgen ist ein großer Tag: Wir fahren in den Torres del Paine Nationalpark. Für mich ein Sehnsuchtsort, der die Initialzündung zu dieser Reise gab. Ob er meinen hohen Erwartungen wohl gerecht wird?

Letzte Änderung: 07 Jun 2019 08:36 von Beatnick.
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10 Jun 2019 12:31 #558448
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Irrungen, Wirrungen und das perfekte Panorma

Der Weg von Punta Arenas zum Torres del Paine Nationalpark ist mit rund 350 Kilometern nicht allzu weit.




Schnappschüsse aus dem Autofenster. Das Licht spielt zwar nicht mit, doch einmal mehr zeigt sich: Die Fahrten sind - ähnlich wie in Afrika - weit mehr als nur ein notwendiges Übel, um von A nach B zu gelangen.

In Puerto Natales legen wir einen Zwischenstopp ein, denn hier befindet sich die letzte Tankstelle weit und breit. Um ein Haar wäre die kleine Hafenstadt sogar deutlich mehr als nur ein Tankstopp für uns gewesen. Was zunächst einmal kein Drama sein muss, weil sie durch ihre privilegierte Lage direkt am Fluss und mit Blick auf die Berge durchaus attraktiv ist. Doch wir hatten sie in unserer Planung zugunsten von vier Übernachtungen und somit drei vollen Tagen im Nationalpark bewusst ausgespart.

Ich hatte unserer Agentur gegenüber mehrfach betont, wie sehr uns an den Übernachtungen innerhalb des Parks gelegen ist und sie gebeten, rechtzeitig aktiv zu werden. Die Mehrkosten für die exklusive Lage haben wir dabei billigend in Kauf genommen. Uns wurde im Gegenzug mehrfach versichert, dass es keinerlei Zeitdruck gäbe. Was sich als Trugschluss erwies: Schließlich war das von mir favorisierte Hotel Lago Grey bereits ein Jahr zuvor ausgebucht - ohne uns.

Diese traurige Tatsache hat uns die Agentur, mit der wir ansonsten bei all unseren Reisen nach Mittel- und Südamerika nur gute Erfahrungen gemacht haben, allerdings nicht mitgeteilt, sondern uns stattdessen ohne entsprechenden Hinweis für vier Nächte nach Puerto Natales verfrachtet. Erst bei der Durchsicht des finalen Reiseplans bin ich darüber gestolpert - und aus allen Wolken gefallen. Knapp eineinhalb Stunden pro Strecke hätten wir von Puerto Natales zum Südeingang, dem nächsten Zugang zum Park, gebraucht. Und das auch nur in der Theorie. Denn als wir in der Praxis auf die Schotterstraße zum Südeingang einbiegen wollen, ist sie gesperrt.

Wir müssen also noch einmal rund 50 Kilometer weiterfahren bis zum Nordeingang und dann wieder ein ganzes Stück quer durch den Park zurück - völlig ausgeschlossen, an drei Tagen in Folge zwischen Puerto Natales und Torres del Paine zu pendeln.



Der Umweg allerdings entpuppt sich als landschaftlich reizvoll und zudem äußerst tierreich.









Wir sind nun bereits ganz in der Nähe des Torres del Paine und der Verkehr ist noch überschaubar als ohnehin schon - von einigen leichtsinnigen Passanten abgesehen...









Je näher wir dem Nationalpark kommen, desto schlechter wird leider das Wetter.





Am Parkeingang melden wir uns an und entrichten die Gebühr für die nächsten Tage, dann nehmen wir die letzten 50 Kilometer quer durch den Park zum Hotel Lago Grey unter die Räder.

Wir haben die Hotelproblematik am Ende so gelöst: Für die erste Nacht haben wir in Eigenregie über eine Buchungsplattform noch ein Superior-Zimmer im Lago Grey ergattert. Für die Nächte drei und vier hat die Agentur ein Standard-Zimmer im selben Hotel bekommen. Bei der zweiten Übernachtung war allerdings nichts zu machen, wir haben immer wieder nachgeschaut, doch das Hotel blieb ausgebucht. Wir haben deshalb auf eigene Faust eine andere Unterkunft unweit des Südeingangs gebucht (an der Südzufahrt, aber aus dem Park kommend weit vor der Straßensperrung), sodass sich die Fahrerei absolut in Grenzen hielt.

Unterwegs können wir die Schönheit um uns herum nur erahnen, von den berühmten Granitnadeln ist nichts zu sehen. Ich hoffe, dass uns die nächsten Tage besseres Wetter bescheren.



Die Schotterstraße, über die wir in Richtung Süden holpern, ist in ziemlich miserablem Zustand, wir werden ordentlich durchgerüttelt. In den Schlaglöchern steht das Wasser, und ich kann ihre Tiefe nur erahnen. Doch weil ich an unserer "Schrottkarre" ohnehin kaum mehr etwas verderben kann, fahre ich tendenziell forsch. Es hat eben alles auch sein Gutes. ;)



Auf den letzten Kilometern wechselt der schlechte Schotter über in groben Kies. Der Knall, wenn einer der Steine gegen das Bodenblech prallt, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Doch wir gewöhnen uns überraschend schnell daran. In den nächsten Tagen wird uns das Gepolter immer weniger auffallen, bis wir es am Ende kaum mehr wahrnehmen.

Ich hatte mir das Hotel Lago Grey, das am namensgebenden See und Gletscher ganz am Ende des Parks liegt, in den Kopf gesetzt - und es enttäuscht mich nicht. Ich fühle mich auf Anhieb wohl. Es beherbergt auch Reisegruppen, ist also nicht gerade klein. Doch der reduziert-skandinavische Stil gefällt mir, und beim Blick durch die riesigen Panoramafenster stockt uns regelrecht der Atem.





Auch in unserem modernen Superior-Zimmer mit Blick auf den Grey-Gletscher könnten wir es ziemlich gut einige Zeit aushalten. Schade, dass wir es am nächsten Tag schon wieder räumen müssen.




Ein neugieriger Nachbar linst schamlos in unser Schlafzimmer.

Das Essen im Restaurant ist okay, jedoch seinen mangels Alternativen hohen Preis nicht wert. Der Ausblick tröstet darüber allerdings locker hinweg.



Kurz vor Sonnenuntergang heben sich schließlich sogar die Wolken. Plötzlich sind sie da, die berühmten Torres, und mit ihnen all der Zauber, den ich mir von diesem besonderen Ort erhofft hatte.

Letzte Änderung: 10 Jun 2019 13:10 von Beatnick.
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12 Jun 2019 18:56 #558653
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Ice Ice Baby

Am nächsten Morgen werfe ich einen bangen Blick aus dem Fenster: Ist das Wetter besser als am Tag zuvor? Wir haben einen Bootstrip zum Grey-Gletscher gebucht, doch eine zufriedenstellende Antwort bekomme ich nicht: Das Wetter ist indifferent.

Wir packen unsere Sachen und geben sie im Gepäckraum ab, denn irgendwann später am Tag müssen wir noch unserer Herberge für die zweite Nacht ansteuern. Das Frühstück ist sehr gut, um Punkt neun sind wir an der Rezeption, dem Sammelpunkt für den Bootstrip. Es gibt ungeahnte Instruktionen, wir müssen nun erst eine kleine Strecke mit unserem Auto fahren, dann an der Guarderia Grey parken und schließlich durch einen kleinen Wald und am Seeufer entlang zum Boot laufen. Um zehn Uhr legt die MS Grey III ab, ausreichend Zeit also für den Weg, und das ist gut so, denn er besitzt jede Menge Charme.





Das Wetter wird immer besser, die dicken Wolken lösen sich auf.





An manchen Tagen soll das Boot wegen zu starken Windes nicht fahren können. Doch an diesem Tag weht nicht das leiseste Lüftchen.




Blick auf das Hotel Lago Grey. Wir laufen zwischen See und Fluss über den Kiesstrand zum Boot.

Pünktlich legen wir ab ...



... und fahren immer näher an den Gletscher heran.







Der Gletscher kalbt in den See, uns so kommen wir an vielen Eisbergen vorbei.







Fast schon am Eisfeld angekommen, legen wir an und einige Wanderer gehen von Bord. Ganz in der Nähe liegt das Refugio Grey, es ist herrlich abgeschieden hier. Dann schippert der Katamaran in gemächlichem Tempo an die drei Gletscherarme heran und an ihnen entlang.







Ich bin dankbar für die Sonne, die sich zwar nicht durchgängig, aber doch großzügig zeigt. Der Gletscher heißt zwar "Grey" - aber in ihrem Licht leuchtet das Eis intensiv blau.







Auch an den bizarren Eisformationen kann ich mich nicht sattsehen. Kein Bildhauer kriegt das besser hin.









Schließlich kehren wir um. Auch auf dem Rückweg lassen wir uns Zeit, betrachten die Eisberge aus nächster Nähe. Nach drei Stunden spektakulärer Bootsfahrt sind wir durchweg begeistert zurück an Land.







Es ist Mittag und ich hatte im Vorfeld ausgelotet, welche Wanderungen sich für uns anbieten würden. Ich bin passionierte Joggerin, zu dem Zeitpunkt aber von hartnäckigen Problemen am Hüftbeuger ausgebremst. Die Schmerzen waren auch bei den Streifzügen durch Buenos Aires immer wieder präsent und meine Grundkondition hatte in den Wochen zuvor mangels Training ohnehin gelitten. Die ganz großen Sprünge traue ich mir deshalb auf dieser Reise eigentlich nicht zu.

An diesem Tag fühle ich mich allerdings gut und so versuchen wir uns am Aufstieg zum Mirrador Ferrier. Der Trail startet in unmittelbarer Nähe des Lago Grey an der Grey Ranger Station, wo wir uns registrieren müssen. Die Distanz beträgt zwar insgesamt nur 7,5 Kilometer, doch der Pfad ist schmal und steil, als Level wird von Rangern wie Reiseführer "schwierig" angegeben.

Es gibt wohl auch aus diesem Grund deutlich populärere Tracks im Park; was den Vorteil hat, dass außer uns nur eine fünfköpfige Familie den giftigen Anstieg über 700 Höhenmeter in Angriff nimmt. Rund zwei Stunden soll der Aufstieg dauern, der eine ziemlich schweißtreibende Angelegenheit ist.



Die Strecke wird zunehmend steiler, auf einem kleinen Plateau entschließen wir uns schließlich zur Umkehr. Aus verschiedenen Gründen. Mein Bein schmerzt, und auch wenn der Mirador Ferrier zu den besten Aussichtspunkten auf das Torres-del-Paine-Massiv zählt, wird davon wohl bis zu unserer Ankunft so gut wie nichts mehr zu sehen sein: Es hat begonnen zu nieseln. Der steile Weg wird dadurch zudem rutschig und der Abstieg somit noch schwieriger als ohnehin schon.

Meine Sportlerehre ist schwer angeknackst, doch wir drehen schweren Herzens um - gemeinsam mit einer Frau aus der fünfköpfigen Gruppe. Immerhin ist der Ausblick auch von hier schon sehr, sehr schön.


Rechts am Bildrand das Hotel Lago Grey



Im Nachhinein ärgere ich mich natürlich, dass wir Flachlandtiroler uns (zum ersten und bislang letzten Mal) nicht durchgebissen haben. Am Abend treffen wir allerdings per Zufall die Familie wieder und das Quartett, das (scheinbar mühelos, alles Handballspieler und topfit) oben war, bestätigte die eingeschränkte Sicht bei zunehmend schlechtem Wetter. Immerhin war ich froh, dass wir die frühe von zwei möglichen Bootsfahrten gewählt hatten, hier lag mir deutlich mehr an Sonne und Licht.

Zurück im Auto stellen wir auf dem kurzen Weg zum Hotel Lago Grey fest, dass die Tanknadel hektisch auf und ab tanzt und keinerlei verlässliche Informationen liefert. Was soll das bedeuten, am Vortag war doch noch alles okay? Fakt ist: Durch die Sperrung des Süd-Zugangs ist die nächste Tankstelle 150 Kilometer entfernt. Wir haben die Strecken im Park unterschätzt, keine Ahnung, wieviel Benzin noch im Tank ist und keinen Reservekanister an Bord. Das macht mich alles in allem ziemlich nervös!

Auf den wenigen Metern bis zum Hotel schaffe ich es, mich in die Problematik regelrecht hineinzusteigern. An der Rezeption im Lago Grey frage ich daher zwar wenig hoffnungsfroh, dafür aber spürbar verzweifelt vorsorglich noch einmal nach: Kein Benzin weit und breit, nada de nada?

Es ist der Beginn einer streng geheimen Mission. Der Rezeptionist kommt um sein Pult herum, nimmt uns zur Seite, nennt uns Codewort und Adresse. Dort, so versichert er, bekämen wir mit hoher Wahrscheinlichkeit Treibstoff - sofern gerade eine "Lieferung" eingetroffen sei und welcher vorhanden ist. Ich fühle mich wie 007 - Betti Bond, auch nicht schlecht.

Die Spur führt durch den Südausgang (Serrano) hinaus aus dem Park und kurz dahinter zu einer Farm. Dort nennen wir das Zauberwort und bestellen zehn Liter Benzin, die umgehend ihren Weg von einem Kanister durch eine zum Trichter umfunktionierte Plastikflasche in unseren Tank finden - perfekt! So ganz geheim kann unsere Mission übrigens nicht gewesen sein, denn hinter uns tauchen zwei junge Österreicherinnen auf. Sie haben das Geheimnis um die verborgene Tanke ebenfalls gelüftet.



Für uns geht es heiter weiter beziehungsweise ein paar Meter zurück, denn erfreulicherweise hatten wir schon zuvor bemerkt, dass unsere heutige Unterkunft nur einen Steinwurf von den findigen Spritverkäufern entfernt liegt.

Unsere "Cabana" im Hotel del Paine ist ein wenig muffig und definitiv überteuert, aber für eine Nacht völlig okay. Schließlich waren wir froh, nach dem Buchungsdesaster überhaupt eine Lösung gefunden zu haben. Beim Abendessen kommt es zu einem Disput, denn es gibt nur ein Buffet und ich soll den vollen Preis zahlen, obwohl für mich als Vegetarierin fast nichts dabei ist. Ich trete in den Hungerstreik, was wiederum den Manager auf den Plan ruft. Schließlich darf ich mir für die Hälfte des immer noch stolzen Preises einen Teller Pasta mit Tomatensauce gönnen, allerdings keinesfalls etwas nachnehmen - was mir ohnehin nicht eingefallen wäre, denn es schmeckt weder Thomas noch mir. Aber immerhin gab es ein Entgegenkommen und auch der Blick auf das Bergmassiv ist gelungen.



Am Ende eines ausgefüllten Tages fallen wir in unsere mäßig komfortablen Betten, deren Qualität schlussendlich keine Rolle spielt: Mir erscheinen im Schlaf Gletscher, Berge und Eis - es ist der reinste Traum!



Letzte Änderung: 12 Jun 2019 20:40 von Beatnick.
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14 Jun 2019 15:42 #558862
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Von Enten und Eisbergen

Am Morgen werden wir vom Regen geweckt, der energisch aufs Dach prasselt. Wir drehen uns noch einmal um. Kein Grund zum Aktionismus bei diesem Schietwetter! Viel später laden wir nach einem faden Frühstück unser Gepäck ins Auto, rollen die paar Meter von unserer Bleibe zur Rezeption - und dann öffnen sich die Schleusen, wie ich es selten erlebt habe. Wir sind gefangen in der "Schrottkarre". Ein Kingfisher wartet direkt neben uns ebenfalls auf bessere Zeiten. Ich öffne das Fenster einen Spalt und will mit ihm zu plaudern, doch er hat keine Lust auf Smalltalk und zeigt mir die kalte Schulter.



Während einer der seltenen Regenpausen begleicht Thomas unsere Rechnung und durch den Südzugang (Serrano) sind wir ruckzuck zurück im Park, denn das Dreitagesticket behält auch seine Gültigkeit, wenn man ihn zwischendurch verlässt. Es bleibt verregnet, und auf dem kurzen Weg zum Hotel Lago Grey ist vom Panorama nichts zu sehen.



Im Hotel können wir schon am späten Vormittag unser Zimmer beziehen, was sehr erfreulich ist. Die Standard-Variante ist ein ganz anderer Schnack als unser Superior-Zimmer in der ersten Nacht. Kein Panorama-Blick, viel kleiner, viel schlichter, keine Extras, kein Chichi. Doch ich bleibe dabei, dass ich mich hier wohlfühle. Das Flair passt für uns, und den Großteil der Zeit sind wir ohnehin unterwegs oder relaxen im Cafe/Barbereich mit dem gigantischen Ausblick.

Mittags reißt der Himmel auf. Für die geplante Tour quer durch den Park mit einigen kleineren Wanderungen ist es uns zu spät. Wir hoffen auf bessere Bedingungen am nächsten Tag, der unser letzter im Torres des Paine sein wird. Ohnehin ist uns an diesem Tag nach den vielen bisherigen Erlebnissen und Eindrücken gemütlich zumute, der Kopf kommt nicht hinterher. Wir entscheiden uns für eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt am Lago Grey, die direkt am Hotel beginnt und als Loop etwa zwei Stunden dauert.

Der Weg führt zunächst am Fluss entlang, wir sind fasziniert von einer kleinen Ente, die sich tapfer gegen den reißenden Strom stemmt und immer wieder blitzschnell abtaucht. Sturzbachenten (Torrent Duck) sind, so lernen wir später auf Nachfrage, nicht nur ziemlich eigenbrötlerisch, sondern auch Zeichen eines intakten Ökosystems. Das ist ja mal eine gute Nachricht!





Durch den Wald, den wir schon vom Vortag kennen, geht es hinunter zum Strand, die Gäste vom Vormittags-Bootstrip sind gerade auf dem Rückweg.



Mittlerweile ist es sonnig und angenehm warm - und herrlich, einfach so die Zeit zu vertrödeln. :)



Am Ende des Beach Trails liegt rechts das Boot, doch wir biegen nach links ab zum Aussichtspunkt.



Der Blick über den See und auf den Gletscher in der Ferne ist fantastisch. Im Wasser treiben große, blaue Eisblöcke. Was für eine Kulisse!



Die Grey III fährt an uns vorbei, der Nachmittagstrip hat begonnen. Er ist an diesem Tag - anders als bei uns, als morgens die Sonne schien und es später nieselte - die deutlich bessere Wahl.



Ich träume vor mich hin und genieße die Stille, ...



... bis sie plötzlich von einem tiefen, fremdartigen Grollen durchbrochen wird. Ein Erbeben? Ich klammere mich vorsorglich am Boden fest. Dem Grollen folgt ein Knacken und Krachen, und ich bin erst im Bilde, als der Eisberg direkt vor uns erst wie in Zeitlupe kippt und dann regelrecht kollabiert. Wow, was für ein Getöse, das hätten wir uns im Traum nicht vorstellen können!



Als der Wind heftiger wird, schlendern wir langsam zurück. Am See entlang, durch den kleinen Wald, über eine Hängebrücke und dann parallel zum Fluss bis vor die Haustür.







Im Hotel lassen wir es uns gutgehen. Wir holen unserer Bücher, erobern ein Sofa mit Ausblick im Barbereich und bedauern einen Reiseleiter, der verzweifelt versucht, die unterschiedlichen Befindlichkeiten seiner Gäste bei der Essensauswahl zu berücksichtigen. Wir freuen uns auf den nächsten Tag, denn da wollen wir früh raus und in ganz andere Bereiche des Parks vorstoßen - wenn bloß das Wetter mitspielt!
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Durch den Torres del Paine, Teil 1

In unseren letzten vollen Tag im Torres del Paine starten wir früh. Der Lago Grey liegt in fantastischem Morgenlicht, das Wetter ist vielversprechend. Wir müssen einmal um das Bergmassiv herum auf die andere Seite, und als wir aufbrechen, ist noch kaum jemand außer uns im Park unterwegs.



Die 50 Kilometer quer durch den Nationalpark sind wir schon bei unserer Anreise gefahren, konnten jedoch im Nieselregen kaum etwas erkennen. Deshalb wollten wir diese Strecke unbedingt noch einmal bei besserem Wetter erleben. Die Straße ist nur noch auf den ersten Kilometern rumpelig, dann in das Geholper plötzlich vorbei: Sie ist in den wenigen Tagen seit unserer Ankunft geschoben worden und in deutlich besserer Verfassung als zuvor.



Wir fahren vorbei am türkisblauen Pehoe See, ...



... an stillen Lagunen und legen an den Aussichtspunkten viele längere Stopps ein.





Wir hatten uns sehr gewünscht, das gewaltige Bergmassiv wolkenfrei erleben zu dürfen. Nun geht dieser Wunsch in Erfüllung.





Wer wandern will, ist im Torres del Paine im Paradies. Neben dem berühmten "W" und dem "O", beides mehrtägige Trekkingtouren, sind etliche Tagestouren möglich. Der Klassiker ist der Aufstieg zum Mirador Base de las Torres, die 20 Kilometer (Hin- und Rückweg zusammengerechnet) sowie die gut 1.000 Höhenmeter traue ich mir aber mit meinem angeschlagenen Bein leider weiterhin nicht zu. Ich hoffe, dass ich bis El Calafate wieder fitter bin, wo es eine vergleichbare Wanderung gibt, die ebenfalls an einer (beziehungsweise zwei) Lagune(n) endet.

Wir entschließen uns an diesem Tag zu zwei kürzeren Wanderungen, und machen nach einer ebenso gemütlichen wie spektakulären Autofahrt schließlich kehrt in Richtung Parkzentrum.



Am Parkplatz Salto Grande hat die "Schrottkarre" Pause, während wir zunächst dem Wasserfall einen Besuch abstatten.







Dahinter beginnt der Wanderweg über eine Hochebene zum Mirador Cuernos (="Hörner"), der zwar beliebt, aber für meinen Geschmack keineswegs überlaufen ist.



Gut eine Stunde sind es (ohne längere Fotostopps) bis zum Aussichtspunkt, und ich bin vom ersten bis zum letzten Schritt völlig begeistert von diesem einfachen, aber abwechslungsreichen Trail.



Der Weg führt vorbei am idyllischen Nordernskjöld Lake.







Nicht nur hier, in der gesamten Gegend sind immer noch die Spuren eines verheerenden Brandes zu sehen, den einige Jahre zuvor ein Tourist durch Unachtsamkeit verursacht hat. Insgesamt wurden seit 1980 - so habe ich es zumindest gelesen - fast 30 Prozent der Schutzfläche zerstört, weil nachlässige Besucher Waldbrände ausgelöst haben. Mittlerweile ist offenes Feuer im Park verboten.







Der Anblick des Paine-Massivs, auf das wir direkt zulaufen, ist gigantisch.




Rechts im Bild die markanten "Los Cuernos", links - ein wenig in den Wolken - der Cerro Paine Grande, der mit 3.050 m die anderen Berge überragt.

Kurz vor dem Ziel treffen wir auf eine große Gruppe Guanacos. Ein Wanderer hinter uns erstarrt zur Salzsäule, als eins der Tiere von unten im Schweinsgalopp auf ihn zurast, doch es schlägt kurz vor ihm einen Haken und sprintet haarscharf an ihm vorbei. Eigentlich sucht es nur Familienanschluss. :-)







Soooooooo müde, erstmal ablegen.


Wer passt auf wen auf? Babysitter auf Guanaco-Art.


Am Aussichtspunkt sitzen schon mehrere Wanderer, mit denen wir sofort ins Gespräch kommen. Wir tauschen Reiseerfahrungen aus, genießen den Ausblick auf die bizarren "Cuernos" und die Sonne, über uns kreisen die Kondore - es ist herrlich!







Teil 2 zu diesem Tag folgt...
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