Die Königsgeier
Schon 2012 war uns aufgefallen, dass die Laguna del Lagarto Lodge von sehr vielen Fotografen besucht wird. Seither hat sie ihr Profil als Hot Spot für Natur- und insbesondere Vogelfotografie weiter geschärft und ist ganz offensichtlich einer
der Plätze in Costa Rica nicht nur, aber vor allem für diese Zielgruppe.
Wir hatten damals im Vorfeld keine Ahnung, dass das so sein würde und die Lodge eher zufällig aus der Flexi-Drive-Liste herausgepickt. Doch wir waren begeistert von den Möglichkeiten und auch von den Fotobüchern in den Regalen, die uns schließlich auf die richtige Spur brachten: Die Lodge arbeitet eng mit Bence Máté zusammen, einem preisgekrönten ungarischen Tierfotografen, der Ende 2008 begonnen hatte, Foto-Plattformen und Hides in Costa Rica zu errichten - im Umfeld eben dieser Unterkunft.
Bruchpilot
Er entwickelte daraus ein Geschäftsmodell, entwarf Verstecke u.a. für Brasilien und Südafrika und bietet zudem Foto-Reisen im Paket an. Wer dort bucht, darf die vorhandenen Hides nutzen. Ein Privileg, das zum Beispiel beim Restaurant, dem Ort mit dem meisten Flugverkehr, verzichtbar ist, weil die Fotografen-Plattform direkt an das allgemeine Deck anschließt und kaum einen Standort-Vorteil bringt (für Profis allerdings einen etwas besseren Winkel).
Was uns aber tatsächlich lockte, war der Hide zur Beobachtung der Königsgeier. Man kann ihn im Paket über die Fotoreisen buchen oder auch bei Ankunft direkt bei der Lodge, doch wir hatten (zu Recht) Sorge, dass es dann zu spät sein könnte. Beides kam also nicht wirklich in Betracht und so nahmen wir direkt Kontakt zu dem Fotografen bzw. seiner Firma auf mit der Frage, ob es möglich wäre, ausschließlich diesen speziellen Hide zu buchen.
Das wurde bejaht, und so überwiesen wir auf Wunsch Betrag X, der dann erst einmal verschwand, dann wieder auftauchte, allerdings nicht zur Gänze. Es löste sich dann irgendwie auf, aber es war ein ziemliches Hickhack mit Auslandsüberweisungen, Gebühren etc., und empfehlen würde ich diesen Weg nicht. Was die Alternative ist, kann ich aber leider auch nicht sagen, denn der Hide war an allen Tagen gebucht und wir hätten ihn nicht bekommen, wären wir nicht vorab aktiv geworden.
Nun ist also der große Tag gekommen, das Wetter spielt gut mit, es ist leicht bewölkt, aber hell, von Regen bleiben wir weiterhin verschont. Wir sind mit dem Frühstück noch nicht ganz fertig, da vermeldet ein Lodge-Mitarbeiter: "King Vultures are down." Die Vögel sind früh dran, es ist kaum Acht, fröhlich winkend verabschieden wir uns von der kleinen deutsch-englischen Fotogruppe, die am Vortag im Hide und sehr begeistert gewesen war.
Königsgeier mit schon ziemlich erwachsenem Nachwuchs
Weit müssen wir nicht laufen, nach zehn Minuten stehen wir vor dem Eingang des Verstecks, das wir allein nie registriert hätten. Wir gehen rein, es ist schwül und dunkel, unsere Augen müssen sich erst daran gewöhnen. Zu Zweit haben wir ziemlich viel Platz in dem kleinen Raum, wir setzen uns, der Mitarbeiter will gehen, äh, Moment mal, wie läuft das denn nun hier?
Der Blick nach vorn ist spektakulär, das haben wir schon erfasst, aber wie lang dürfen wir bleiben, kommen weitere Gäste oder verschwinden die Geier möglicherweise ganz schnell wieder? Erstaunt erfahren wir, dass die Buchung für den ganzen Tag gilt, wir also bleiben können so lang wir wollen und beim Gehen einfach nur die Tür zuziehen sollen. Er verschwindet und wir sind platt. So ist das also, na, das ist ja mal ein Luxus...
Vor uns tobt das pralle Leben, heftiges Geflatter und Gekrächze, wir sind ganz erschlagen. Irgendwie hatte ich gedacht, dass sich mit viel Glück und Geduld ein, zwei Tiere blicken lassen würden, nun wissen wir kaum, wo wir zuerst hinschauen sollen.
Der Hide liegt relativ tief und wir sind auf Augenhöhe mit Geiern unterschiedlichster Art. Mittendrin die weiß-bunten, deutlich größeren Königsgeier, die ihren Namen bei einer Höhe von bis zu 85 cm und einer Spannweite von 2 m auch wirklich verdienen.
Juveniler Königsgeier
Am Anfang beschlägt die Scheibe ein wenig, doch das gibt sich schnell, Bence Máté hat 2005 mit der Einwegspiegel-Technik (die aus den Krimis
) experimentiert und sie in der Fotografie etabliert. Wir können also die Tiere durch die Scheibe beobachten, ohne dass sie uns sehen - auch wenn es manchmal den Anschein hat, als täten sie es.
Wir legen los wie die Feuerwehr, machen viel zu viele Bilder. Auch, weil wir immer noch nicht einschätzen können, ob die Vögel nicht plötzlich allesamt verschwinden. Wir sehen nicht, was sie dort auf der Lichtung vor uns eigentlich fressen und das ist vielleicht auch ganz gut so, doch sie haben Ausdauer; und wir auch.
Von den Bildern in der ersten Stunde werden wir am Ende keins auswählen, weil sich die Vögel mit zunehmender Dauer weiter verteilen, das Gelände aber nicht verlassen. Das gibt uns bessere Beobachtungsmöglichkeiten und einen zunehmend freien Blick.
Rabengeier
Sogar ein Caracara mischt sich zwischendurch unters Volk.
Wir sind hin und weg. Und merken kaum, wie die Zeit verrinnt. Das erste Mal schaue ich auf die Uhr, da ist es schon Mittag.
Wir sind eigentlich sensorisch satt und auch platt,...
Nach Stunden im Hide bin ich ähnlich geschafft wie dieses Kerlchen.
...packen schon fast zusammen, und dann... Okay, eine Viertelstunde noch. Und noch eine. Und - natürlich - noch eine.
Schließlich verschwinden die Geier nach und nach, sind nur noch wenige übrig. Und weil auch das mittlerweile gleißende Sonnenlicht nicht gerade hilft, verlassen wir am späten Mittag diese dunkle, wundersame Parallelwelt. Krabbeln blinzelnd ans Tageslicht - ich suche hektisch nach meiner Sonnenbrille - und gehen zurück, glücklich und beseelt.
Die Fotografengruppe, gefühlt 24 Stunden im Einsatz, winkt vom Deck. Wie war's? Wir zeigen Daumen hoch, gesellen uns aber nicht zu ihnen, wir brauchen eine Pause. Thomas geht duschen und ich gehe in die Hängematte, die Vögel singen mich in den Schlaf, was ist das doch für ein wunderbarer Ort!