THEMA: Natur pur: Zwischen Aras und Affen in Costa Rica
21 Jun 2021 20:56 #619228
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  • Sabine26 am 21 Jun 2021 20:56
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Hallo Betti,

schön, dass es hier weitergeht und ich bin schon sehr gespannt auf die Auflösung des Cliffhangers (habt Ihr verschlafen oder hat Euch ein anderes Tierchen geweckt als die Brüllaffen oder, oder, oder?).

Toll, dass Ihr auch einen Tapir gesehen habt!

Viele Grüße
Sabine
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22 Jun 2021 21:50 #619317
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  • Beatnick am 22 Jun 2021 21:50
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Frühstart im Paradies

Nachts um Vier wackelt das Bett. Ein Erdbeben?! Ich schrecke hoch und erkenne schemenhaft Thomas, der unten am Bettpfosten ruckelt - ich habe mich schon mal deutlich mehr gefreut, ihn zu sehen, als um diese unchristliche Uhrzeit.

Er redet flüsternd auf mich ein, doch ich verstehe kein Wort. Seufzend zerre ich an den Ohrstöpseln. "Was ist los?", zische ich. "Die stehen alle auf", sagt Thomas in etwas ratlosem Ton und zeigt ins Dunkle, an das sich meine Augen nach und nach gewöhnen. Tatsächlich huscht ein großer Teil der jungen Dinger schon geschäftig und dabei erstaunlich leise hin und her.

Thomas hat am Vorabend nach meiner überstürzten Flucht vor den Sandfliegen verabsäumt, mit Chino unsere Startzeit zu vereinbaren und wird nun offenbar von dem Gedanken geplagt, dass wir herrenlos in der Wildnis zurückgelassen werden könnten. Eine Sorge, die ich nicht teile, denn unser junger Guide schlummert bei näherer Betrachtung in stockfinsterer Tropennacht nur ein paar Meter weiter selig in seiner moskitonetzumhüllten Koje.

Thomas, der in der ungewohnten Kulisse ohnehin viel schlechter geschlafen hat als ich, ist dennoch wild entschlossen. Lieber kein Stress nachher, und nun sind wir doch schon mal wach, argumentiert er. Ich hätte andere Argumente, weiß aber auch, da ist nun nix zu machen, und schleppe mich relativ verstimmt in den fies neonbeleuchteten Waschraum. Keine marternden Insektenüberfälle, immerhin, vielleicht auch deshalb, weil sich die Leute um mich herum derart dick mit Repellent eindieseln, dass die Fliegen von den Fliesen kippen.

Weil ich schon abends um Acht im Bett lag, bin ich trotz der frühen Stunde ausgeschlafen. Allerdings auch immer noch mucksch, als sich die Wandergruppe - umweht von einer penetranten Repellent-Fahne - gegen Fünf auf ihren langen Weg quer durch den Corcovado macht. Kein Wunder, dass sie so früh aus den Federn gekrabbelt sind.



Ich beobachte von meinem Schaukelstuhl auf der Holzterrasse, wie sich die Lichtpunkte ihrer Stirnlampen langsam in der Tintenschwärze des Waldes verlieren und dann, wie es langsam dämmert. Es knackt und kracht in den Bäumen, die Brüllaffen kommen und machen Theater. So hatte ich es eigentlich bestellt, denke ich noch immer etwas muffig; muss aber doch zugeben, diese Morgenstimmung so ganz für uns allein, das hat schon was.

Thomas organisiert sich einen Kaffee, die Station erwacht zum Leben und auch der Wald um uns herum.



Die Totenkopfäffchen plündern die Sträucher vor uns, Chino hatte es vorausgesagt, den roten Blüten zum Frühstück können sie nicht widerstehen.



Wir sind schon mitten in unserem ersten Fotorausch des Tages, da stößt unser Guide zu uns: "Ihr seid aber früh dran!" Ich rolle mit den Augen. Na, wenn der wüsste...



Zusammen ziehen wir los, die morgendliche Atmosphäre am Pazifik ist grandios und friedlich nach dem etwas unruhigen Start in den Tag.







Dann plötzlich ist Chino wie vom Donner gerührt. Flüstert, wir sollen nicht weitergehen. Das hier, so sagt er, sei gefährlicher als jede Begegnung mit einem Puma. Aber was denn nur? Bullet Ants? Ich kann keine entdecken. Der Mann spricht in Rätseln.

Chino zeigt auf einen Strauch keine fünf Meter vor mir. Genauer gesagt auf das merkwürdige kleine Ufo an seinen Zweigen. "Milk wasp", wispert er, während wir uns dem kunstvollen Bau auf Zehenspitzen nähern. Die Natur, sie erstaunt mich immer wieder.



Auch eine kleine Echse hat mehr Tricks auf Lager, als wir zunächst denken. Kaum sind wir achtlos an ihr vorbeigegangen, fährt sie wie aus dem Nichts einen großen gelben Lappen (=Kelhfahne) aus. Wer hat, der hat!







Unser Star des Morgens ist ein Ameisenbär, der sich just in dem Moment aus dem dichten Blattwerk herausschält, als wir den schmalen Pfad längsspazieren. Noch leicht verpennt (er durfte wohl etwas länger schlafen als ich) klettert er in ziemlichem Schneckentempo aufwärts.



So ganz trittsicher wirkt er nicht... :pinch:


Was er dort eigentlich will, man weiß es nicht, denn oben angekommen, ist da - nichts.



Wildtiere wissen instinktiv, was für sie gut ist. Dachte ich jedenfalls. Möglicherweise ein Trugschluss. Wir werden jedenfalls ziemlich nervös, als der Tamandua da oben so freischwebend in der Luft hängt.



Ameisenbären können schlecht gucken, erklärt Chino. Das hilft nicht gerade. Ein paarmal droht das Tier nach vorne überzukippen und abzustürzen, bevor es endlich den Rückwärtsgang einlegt und umständlich wieder hinabklettert.



Erleichtert seufzen wir auf. Was in dem Tamandua vorgeht, bleibt sein Geheimnis. Doch er scheint von dieser scheinbar sinnlosen Aktion so erschöpft zu sein, dass er sich wieder zwischen den dichten Blättern verkriecht - und wie unter einem Tarnumhang verschwindet. It's magic!



Aguti, ziemlich in Eile (mitgezogen)


Zurück an der Sirena Station holen wir unsere Rucksäcke und laufen zum Strand, wo uns gegen Elf ein Boot einsammelt und in Richtung Drake Bay düst. Wir steigen allerdings nach einer Dreiviertelstunde um, von Boot zu Boot, eine ziemlich wackelige Angelegenheit, doch es klappt. Noch eine schnelle Verabschiedung von Chino, mit dem wir sehr gut ausgekommen sind, dann brausen die anderen weiter an der Küste entlang und wir darauf zu. Oberhalb der herrlichen Bucht, auf die wir zuschippern, liegt auf dem Hügel die Corcovado Jungle Lodge. Der Anblick ist atemberaubend.

Das 170 Hektar große private Gelände, das der Besitzer angeblich vor Jahrzehnten als Aussteiger entdeckt und für relativ kleines Geld gekauft hat, grenzt direkt an den Corcovado Nationalpark. Umfasst eigene Strände, eigene Wälder, riesige Gärten, zwei Pools, eine - wenn auch nach einem Beben nicht mehr wirklich zugängliche - Höhle voller Fledermäuse und, und, und...

Per Trecker werden wir vom Strand nach oben zur Lodge gebracht. Ein Service, den wir auch in den nächsten Tagen immer mal wieder in Anspruch nehmen, denn der eine Kilometer ist steil und die schwüle Hitze heftig.

Die Anlage ist ein Traum, geschmackvoll und naturnah, ...

Eine unserer ersten Entdeckungen im Garten neben unserer Cabana: Zwergboa. Mini, aber ausgewachsen.


.. nur beim Abendessen geht es für meinen Geschmack etwas zu gediegen zu. Der Sundowner in der in den Hang gebauten Open-Air-Bar mit Blick hinunter aufs Meer entschädigt für die angedeutete Steifheit beim Dinner, und unser riesiger, luxuriöser, keinesfalls aber protziger Bungalow sowieso.



Drei Nächte dürfen wir in diesem Paradies verbringen. Glücklich breiten wir uns aus, was für ein Unterschied zur vergangenen Nacht! Auch unsere neuen Nachbarn, die uns neugierig von oben betrachten, gefallen uns gut. Hier werden wir es wunderbar aushalten!



Letzte Änderung: 22 Jun 2021 23:14 von Beatnick.
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30 Jun 2021 21:50 #620030
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  • Beatnick am 22 Jun 2021 21:50
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Weiter, immer weiter im Corcovado

In der Corcovado Jungle Lodge gehen die hauseigenen Guides beim Abendessen von Tisch zu Tisch. Sind alle zufrieden? Wie sehen die Pläne für den nächsten Tag aus? Welche Tour ist geplant? Sollte etwas organisiert beziehungsweise reserviert werden?

Zu unserem gebuchten Paket zählt eine neuerliche Tour in den angrenzenden Corcovado Nationalpark; diesmal eine geführte Tageswanderung rund um die San Pedrillo Station, die inmitten des uns umgebenden Primärwaldes liegt. Ohne Guide ist der Zutritt zum Corcovado verboten, und wir melden Interesse an, den Voucher bereits am nächsten Tag einzulösen.



Der Guide, der an unseren Tisch tritt, ist Typ Schwiegermutters Liebling und erklärt strahlend den Ablauf: Wir treffen also die anderen - er deutet in Richtung einer Gruppe Amerikaner - nach dem Frühstück um 9.30 Uhr, spazieren zur Station und schließlich zu einem Wasserfall, in dem auch gebadet werden kann. "Bring your swimsuit and enjoy."

Äääääähhh, nein! Ich schüttle mit Nachdruck den Kopf. Erläutere, dass wir weniger auf einen Ausflug als vielmehr eine Exkursion aus sind und an einem frühen Start interessiert. Sein Lächeln gefriert. Schweigen. Doch Rettung naht. In Gestalt eines anderen Guides, die Klamotten ungeordnet, die Haare wirr, der komplette Gegenentwurf zu seinem Kollegen. Aber ein studierter Biologe und Ornithologe, der offensichtlich froh ist, dem üblichen Touristen-Tam-Tam zu entfliehen. Er übernimmt kurzerhand.



Treffen also um Sechs im Garten mit Birding-Tour, dann weiter in den Corcovado und latschen, soweit die Füße tragen. Wir sind maximal flexibel, weil seine einzige Kundschaft, er sorgt für eine Frühstücksbox und ein Lunchpaket, das klingt perfekt.

Die unverhoffte Exklusivtour startet im Morgengrauen. Der Guide ist engagiert und kundig. Scheucht uns kreuz und quer durch den Garten, beherrscht die Klaviatur der unterschiedlichen Rufe, ist völlig in seine Aufgabe versunken und wohl auch ein wenig verrückt. Positiv verrückt.

Rotstirnamazone, die Familie wachsam im Auge




Baumriese beim Corcovado


Hügelabwärts laufen wir in den Corcovado und bis zur San Pedrillo Station, die viel kleiner ist als die Sirena Station. Ein schnelles Frühstück, dann parken wir unsere Kühlbox und nehmen die Beine in die Hand.



Unser Guide ist klein, drahtig und wieselflink. Mit wehenden Zottelhaaren und flatterndem Hemd eilt er über Stock und Stein, durch hügeliges, teilweise steiles Gelände, es ist schwül und heiß und ich schnappe nach Luft.

Rote Passionsblume


Biblische Plage


Die Natur ist spektakulär, auch wenn wir alles in allem weniger Tiere sehen als erwartet. Der Wald ist allerdings auch dicht, die Bäume sind hoch. Die Richtung habe ich längst verloren und bin überrascht, als wir schließlich nach knapp drei schweißtreibenden Stunden wieder am Strand der Station angelangt sind.







Erst einmal die Füße abkühlen, dann plumpse ich in die Hängematte. Ich habe fertig!



Anders als unser Guide. Der steckt noch voller Tatendrang. Fragt, was wir als Nächstes tun wollen. Meine Antwort ist spontan und nicht verhandelbar: Nada de nada! Nichts! Wir müssen alle drei lachen, streunen noch ein bisschen am Strand herum und machen uns dann auf den Rückweg zur Lodge.



Die beiden Männer gehen voran und schwätzen, ich hänge ein bisschen hinterher. Höre im Gebüsch ein Rascheln. Ein Ameisenbär macht es sich in einer Astgabel gemütlich. Was für ein Fund! Ich bin platt - diesmal nicht körperlich.



Thomas fahndet nach mir und findet mich in bester Gesellschaft. Der Guide ist begeistert und wohl auch überrascht, dass ich den Tamandua so allein entdeckt habe. Ich bin ganz stolz und denke an Afrika. Vielleicht hab ich ja doch was gelernt. :)



Der Weg heraus aus dem Corcovado führt zum Strand der Lodge. In den Bäumen hocken die Aras, sie lieben diesen Ort. Wir auch.







Wieder sind wir beeindruckt von der Weitläufigkeit. Der schieren Größe des Geländes. Ganz hinten am Sandstrand eine kleine Bar.



Wie bedienen uns selbst, kalte Säfte und kalte Cola, wir sind im Himmel. Außerdem ein üppiges Lunch, per Trecker aus der Küche nach unten transportiert. Der Guide sagt good bye, er war ein großartiger Zufallstreffer. Wir picknicken im Schatten, kapern die Liegen am einsamen Strand und fühlen uns wie Robinson (wenn auch mit Kühlschrank).





Erst als mit einbrechender Dämmerung am späten Nachmittag die lästigen Sandfliegen kommen, fliehen wir hügelaufwärts. Die Rufe der Aras begleiten uns nach oben.



Eine Runde im Pool und ein Sundowner am oberen Aussichtsplatz, dann ist auch dieser herrliche Tag schon wieder vorbei. Ich wünschte, ich könnte die Zeit anhalten!

Cano Island, gut zum Schnorcheln. Haben wir leider nicht auch noch geschafft.
Letzte Änderung: 30 Jun 2021 21:53 von Beatnick.
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30 Jun 2021 22:03 #620031
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  • Sadie am 30 Jun 2021 22:03
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Was für ein absolut perfekter Tag. Ihr seid wirklich Meister vieler solcher Tage. Sehr gut gemacht!
Tamandua…bringt Erinnerungen auf…auch selber entdeckt. Diese Funde sind doch die besten, gell?
Die Aras sind sehr toll und wunderbar aufgenommen.
Danke für die gute Unterhaltung!
LG Katrin
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Expedition Antarktis:
www.namibia-forum.ch...s-und-s-georgia.html

Island In Herbstfarben
www.namibia-forum.ch...-september-2018.html


Nordamerikanische Safari und Landschaften May Till October 2019

www.namibia-forum.ch...landschaft-2019.html

Zweite Selbst Fahrer Tour in Tansania. Same same but different.
Juni 2018
www.namibia-forum.ch...e-but-different.html

Trip reports in English:

Namibia and KTP 2016
safaritalk.net/topic...-tr-nam-sa-bots-nam/

Botswana 2016:
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Tanzania 2015:
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01 Jul 2021 07:23 #620046
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  • picco am 01 Jul 2021 07:23
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Hoi zämä

Wird Zeit sich mal wieder mit Worten zu bedanken: DANKE für den schönen Bericht!

Auch wir haben selbst und ohne Guide einen Tamandua entdeckt, aber 'unserer' hats uns auch leicht gemacht, denn offenbar gehörte er zu den Tamanduaa, die gerne im Mittelpunkt stehen.
Es war nämlich so dass er uns mit Stöckchen 'beworfen' hat damit wir ihn entdecken! :woohoo:
Wir hätten ihn da hoch über unseren Köpfen nicht entdeckt wenn er beim Klettern nicht immer wieder kleine Ästchen abgebrochen hätte, die dann auf uns niederprasselten...und ja, ich bin wirklich froh dass es Ästchen und nichts Anderes waren... :laugh:
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01 Jul 2021 12:03 #620083
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  • franzicke am 01 Jul 2021 12:03
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PURA VIDA - mehr muss man dazu wohl nicht sagen B)
Das sieht nach einem wirklich perfekten Abschluss aus - und ich glaube, genau das hat uns ein bisschen gefehlt ...
Liebe Grüße :kiss:
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