THEMA: 2x Algerien (ein Reisebericht)
15 Jul 2020 16:40 #592228
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Gräberpiste




Mit Gräberpiste wird umgangssprachlich im deutschsprachigen Raum die alte Karawanenroute von Bordj Omar Driss nach Ilizi bezeichnet. Die Strecke verläuft durchgehend in einem weiten Trockental, welches auf der einen Seite von den schwarzen Felsen des Tassili-Gebirges und auf der anderen Seite von den goldenen Dünen des Erg Issaouane begrenzt wird.

Der Name rührt von den zahlreichen Gräbern entlang der Strecke her. Diese gehen zum Teil bis in vorislamische Zeit zurück, rühren zum anderen aber auch aus den Kolonialkriegen Frankreichs. Auf jeden Fall verdeutlichen Sie die Entbehrungen, die in früheren Zeiten, das Reisen auf den Karawanenrouten mit sich brachte.

Traurige Berühmtheit erlangte die Gräberpiste, als 2003 innerhalb kurzer Zeit 32 Touristen auf dieser Strecke entführt wurden. Überwiegen Deutsche, Österreicher und Schweizer. Die Entführten befanden sich zum Teil mehrere Monate in Geiselhaft. Ein Teil der Geiseln wurde vom algerischen Militär befreit, für den Rest wurde Lösegeld gezahlt. Eine Geisel starb an Erschöpfung durch die Strapazen der Entführung.

Als wir jetzt einen ersten Blick in das weite Tal werfen konnten, durch dass die Gräberpiste führt, konnten wir unseren Augen kaum trauen. Hier muss es sehr heftig geregnet haben. Das gesamte Tal glich einer Seenplatte.




Unten im Tal angekommen zeigte sich, dass an die Befahrung der eigentlichen Piste nicht zu denken war. Diese führte zum Teil mitten durch die größten Seen.

Wir mussten uns also selbst die beste Strecke suchen. Am wichtigsten war dabei, den LKW nicht im häufig sehr tiefen Schlamm festzufahren. Einmal festgefahren käme der wahrscheinlich erst in ein paar Wochen wieder frei, wenn die Gegend endlich abgetrocknet wäre.

So war es jetzt Aufgabe der Motorräder die Streckenmöglichkeiten zu erkunden und dann den LKW durch die schwierigen Passagen zu lotsen.





Oftmals gerieten wir dabei in solch tiefen und zähen Schlamm, dass selbst die Motorräder feststeckten und zum Teil nur durch beherztes Zupacken mehrerer Personen wieder befreit werden konnten.




Gab es bislang immer Tankstellen, an denen wir die Motorräder wieder befüllen konnten, mussten wir heute das erste Mal aus den Fässern Benzin abfüllen. Ganz klassisch mit einfachem Schlauch und ansaugen.



Glücklicherweise gab es zwischendurch auch mal einfachere Passagen, auf denen wir zügig vorankamen. Auch für die Besichtigung der der hin und wieder auftauchenden Ruinen fanden wir Zeit. An manchen Stellen waren auch an den Hängen des Tassili-Gebirges Dünen angeweht. Wenn man dort hoch fuhr, hatte man einen fantastischen Blick über das Tal.







Als sich der Tag dem Ende neigte, hatten wir gerade einmal ein Viertel der Gräberpiste geschafft. Wir suchten uns am östlichen Rand des Tals, in den Ausläufern des Erg Issaouane, einen schönen Lagerplatz in den Dünen.






Die Wartung des Motorrads bestand an diesem Abend darin, es von über 10kg festgetrocknetem Ton und Lehm zu befreien.

Am nächsten Tag kommen wir schon bald an eine Stelle, an der das gesamte Tal unpassierbar ist und wir in die Dünen ausweichen müssen. Für die Motorräder überhaupt kein Problem, für den LKW aber sehr wohl. Einige Male schlägt der schwere Wagen kräftig ein, als er mit viel Schwung über steile Dünenkämme fahren muss.








Nachdem wir die Abzweigung nach Amguid passiert haben, werden die menschlichen Zeugnisse immer mehr. Wir finden mehrere Brunnen und alte Steingebäude. Auch die für den Namen der Piste verantwortlichen Gräber sehen wir immer häufiger.






Das die Route noch immer von Karawanen begangen wird zeigen deren Versorgungspunkte, die wir von Zeit zu Zeit finden.



Dann sehen wir die ersten Kamele. Manche in besserem Zustand, manche in deutlich schlechterem Zustand.




Wenig später haben wir sogar das Glück auf eine echte Karawane zu treffen. In der Wüste geht man da nicht einfach aneinander vorbei. Man setzt sich zusammen und tauscht sich über die Strecken aus. Die Tuareg laden uns zu süßem Tee ein und wir die Tuareg zu kalter Cola. Alle sind glücklich und zufrieden.





Danach zieht sich die Strecke noch ordentlich hin. Das Tal ist hier zunehmen bewachsen. Die Strecke verspurt und nicht einfach. Wir fahren bis zur Dämmerung und finden dann einen schönen Übernachtungsplatz in einem Dünenkessel.





Morgen sollte es nicht mehr allzu weit bis Ilizi sein.
Letzte Änderung: 15 Jul 2020 17:06 von Topobär.
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15 Jul 2020 17:20 #592240
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Hoi Topo
Topobär schrieb:
Dann sehen wir die ersten Kamele. Manche in besserem Zustand, manche in deutlich schlechterem Zustand.
Ach, etwas Pflege und das Kamel hüpft wieder rum wie eine junge Berggeiss...
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15 Jul 2020 18:07 #592244
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Topobär schrieb:
Traurige Berühmtheit erlangte die Gräberpiste, als 2003 innerhalb kurzer Zeit 32 Touristen auf dieser Strecke entführt wurden. Überwiegen Deutsche, Österreicher und Schweizer. Die Entführten befanden sich zum Teil mehrere Monate in Geiselhaft. Ein Teil der Geiseln wurde vom algerischen Militär befreit, für den Rest wurde Lösegeld gezahlt. Eine Geisel starb an Erschöpfung durch die Strapazen der Entführung.

Der erste Motorradfahrer war schon abgängig, als wir im Oktober 2002 dort unterwegs waren. Man glaubte damals, er hätte sich verirrt. Erst als nach unserer Reise die ersten Informationen auftauchten, dämmerte mir, warum unsere Tuareg Crew uns Touristinnen unterwegs 2 x bat, uns still zu verhalten, als Fahrzeuge mit Einheimischen (Tuareg?) auftauchten, die nach kurzen Zurufen auf Arabisch wieder verschwanden. Möglich, dass die Fremden bei einer Gruppe von 8 Touristinnen hätten auf dumme Gedanken kommen können.

Ich staune, dass ihr auch noch so viel Wasser hattet, dachte, das sei nur im Herbst 2002 der Fall gewesen.

LG freshy
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29 Jul 2020 13:33 #592800
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Sorry für die längere Pause; war eine Woche in den Bergen. Jetzt geht es gleich weiter.
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29 Jul 2020 13:36 #592801
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Tassili n’Ajjer




Inzwischen bauen wir die Zelte aus Bequemlichkeit nur noch auf, wenn der Wind so stark ist, dass er einem den Sand ins Gesicht weht. Die letzte Nacht war windstill.




Es geht noch ein wenig durch den Sand und zum Abschluss stellt eine steile tiefsandige Auffahrt den LKW noch einmal vor Probleme. Nach mehreren Anläufen ist auch das geschafft.




Bis nach Ilizi sind es nur wenige Kilometer auf der Straße. Wir verweilen nicht lange im Ort. Ein paar von uns besorgen Lebensmittel und der Rest kümmert sich auf der Tankstelle darum, dass die Fahrzeuge versorgt werden und die Benzin- und Wasserfässer wieder aufgefüllt werden.

Ich bin auf der Tankstelle zu Gange, als ich von einem Einheimischen angesprochen werde. Er freut sich, dass ich meine Verletzung so gut überstanden habe und schon wieder mit dem Motorrad in Algerien unterwegs bin. Unglaublich, dass ich wiedererkannt wurde! In kürzester Zeit bin ich von einer Menschentraube umringt. Alle wollen wissen wie es mir geht und alle freuen sich, dass ich trotz meines Unfalls, sofort wieder nach Algerien zurückgekehrt bin. Mir ist es sehr peinlich, dass ich niemanden wiedererkannt habe, aber dazu haben mich einfach viel zu viele Personen am Krankenbett besucht. Außerdem sind hier im Freien alle komplett vermummt, so dass die einzelnen Personen sowieso nur anhand der Kleidung unterschieden werden können. Ich frage mich immer, wie es die Tuareg untereinander schaffen, sich zu erkennen. Heutzutage sieht man ja noch nicht einmal mehr die Augen, da alle die coolen Flieger-Sonnenbrillen tragen.




Nach getaner Arbeit gönnen wir uns noch einen Tee in einem Straßencafé und dann geht es auch schon weiter.

Unser nächster Anlaufpunkt ist die Oasenstadt Djanet. Zwischen Ilizi und Djanet gilt es den Gebirgszug des Tassili n’Ajjer zu überqueren. Ursprünglich war geplant, dafür die Route durch die Schluchten des Oued Imerhou zu nehmen. In Ilizi erfahren wir, dass aufgrund der Regenfälle diese Strecke momentan nicht befahrbar ist. Schade. Als Alternative bleibt uns nur, die Strecke über das Plateau du Fadnoun zu nehmen. Bis vor wenigen Jahren noch eine extrem materialmordende Felspiste, kann man jetzt auf der neu gebauten Nationalstraße innerhalb kürzester Zeit das Gebirge überwinden.













Da wir nicht hier sind, um auf Asphalt zu fahren und viel lieber in die landschaftlichen Schönheiten des Tassili n’Ajjer eintauchen wollen, verlassen wir die Nationalstraße sowie wir den Südrand des Gebirges erreicht haben. Nördlich der Straße geht es durch die Ausläufer des Tassili n’Ajjer in Richtung Osten.







In einem Seitental finden wir unterhalb beeindruckender Felswände einen sehr schönen Platz für unser Nachtlager. Da es heute recht windig ist, werden die Zelte aufgebaut.






Am nächsten Tag ist es dann leider nicht mehr all zu weit bis nach Djanet. Durch diese Landschaft wäre ich gerne noch eine viel weitere Strecke gefahren. Ein großer Vorteil des Motorrads ist es in dieser Region, dass man sehr viele Aussichtspunkte in Form von an den Felsen anliegender Dünen anfahren kann. Hätte man das zu Fuß machen müssen, wäre man mehrere Tage damit beschäftigt, was wir an einem einzigen Vormittag gesehen haben.











Letzte Änderung: 29 Jul 2020 14:01 von Topobär.
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29 Jul 2020 23:43 #592823
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Danke dir für die tollen Bilder aus der Wüste. Man sieht daran wie sehr du diese Landschaft gerne hast und auch respektierst.
Schon Wahnsinn dass dich die Menschen dort von deinem Spital Aufenthalt wieder erkannten.
Warst du schon mal in Utah, California, oder Arizona? Es gibt auch wunderschöne Wüsten bei uns.
Just saying...
Liebe Grüsse aus Wyoming wo wir mit dem Womo unterwegs sind. Katrin
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