11. Tag
Dienstag, 25. Juli 2017
Kisoro (Uganda) - Travellers Rest Hotel
Gestern haben wir den Batwa Trail für heute gebucht. Ich bin recht neugierig auf die Pygmäen und stelle mir den Trail so vor, dass wir auf einer schönen Wanderung durch den Mgahinga National Park zu einem geheimnisvollen Pygmäen-Dorf kommen werden. Allein schon das Wort "Pygmäen" - mysteriös! Dort wird man uns zeigen, wie sie leben, was sie essen, wie sie im Wald zurecht kommen, wir werden halt eine uns unbekannte Lebensweise und Kultur kennenlernen. Der Batwa Trail ist der einzige Grund, warum wir 2 Tage und überhaupt in Kisoro sind.
Um 8 Uhr früh sollen wir in Kisoro vor dem Office stehen, um mit einem Guide zum Meetingpoint zu fahren, wo um 9 Uhr der Batwa Trail beginnt. Wir sind viel früher da und treffen 2 Wachleute. Die wissen aber von nichts, sie haben mit dem Batwa Trail nichts zu tun, das sind nicht unsere Leute. Wir warten noch bis 8 Uhr, aber es kommt keiner. Dann entscheiden wir, selbst zum Startpunkt, dem Muhabura Camp, zu fahren. Den Weg habe ich mir auf der Map so ungefähr angeschaut, aber nicht sehr genau, denn ich dachte, wir fahren mit einem Guide dahin, wie man uns versprochen hat. Von unserem Guesthouse müssen wir gleich auf der Seitenstraße nach Süden, es sind circa 10 km bis dahin, aber wir brauchen dafür wirklich eine Stunde. Die Straße ist die reine Katastrophe und jetzt verstehen wir vollkommen, warum kein Autovermieter die Reifen versichern will.
Wir kommen an, die Straße geht nicht weiter, also muss das der Startpunkt sein. Ein Junge, vielleicht 16 Jahre alt, spricht uns an, wir sollen mit ihm hoch zum Office kommen. Aha, dann sind wir hier doch richtig, sehr gut. Das Office scheint am Ende der Welt, ja fast im Himmel zu sein! Auf einem sehr schmallen Pfad, rechts und links durch Gärten, Zäune und weiß nicht was abgegrenzt, klettern wir steil nach oben, und klettern und klettern. Das ist aber erst der Weg zum Office! Zwei Mal verliert Matthias den Glauben, dass wir hier richtig sind und fragt den Jungen, wo das Office ist. Da oben, zeigt er immer wieder. Nach einer Ewigkeit kommen wir endlich an, es ist tatsächlich ein Office von UWA und jetzt heißt es warten. Kurze Zeit später erscheind ein Ranger. Er stellt sich als Lucky vor und wird unser Guide auf dieser Tour sein. Wo sind die anderen Touristen, wollen wir wissen. Wir sind die Einzigen. Und wie geht es jetzt weiter? Wir müssen auf die Führer warten, das sind Batwa-Pygmäen, die uns auf dieser Tour führen werden und die nur ihre Ursprache sprechen, so dass Lucky auch als Übersetzer fungieren wird.
Während wir warten, frage ich Lucky, ob das üblich ist, dass wir die Einzigen sind. Er sagt, das ist immer unterschiedlich und zeigt mir das Buch, in das wir uns mit Adresse und Reisepassnummer eintragen müssen. Ich schaue zwei Mal hin: die letzten Touristen, die den Batwa-Trail gemacht haben, waren gestern da, 4 Leute. Davor noch 2 Personen im April 2017, dann im Oktober 2016. Was hat das zu bedeuten??
Das Warten zieht sich in die Länge und Matthias schildert Lucky unser Problem, wir müssen nach dem Trekking zurück zu unserem Wagen. Lucky sagt, dass wir zu Fuß (2 Stunden) oder schnell mit Boder-Boder zurück kommen können. "I think, we take the boder-boder". Ich muss mich verhört haben!!! Diese Wörter sind wirklich aus Matthias Mund gekommen!!?? Gestern noch hat er betont, dass wir viele verrückte Sachen machen, aber dass es Grenzen gibt und wir auf keinen Fall mit so einem Motorrad-Taxi auf Schotterpisten und überhaupt fahren werden, viel zu gefährlich. Und jetzt? Jetzt sagt er, dass 2 Stunden zu Fuß nach den 4 Stunden Trekking zu viel sind und "besser schlecht gefahren als gut gelaufen". Ja, aber was ist, wenn dannach ein Arm oder ein Bein fehlt?? Wir überlegen uns noch ein bisschen und schlagen dem Guide vor, die Tour so abzukürzen, dass wir den Endpunkt an einem Ort näher an unserem Wagen verlegen und wir nach insgesamt 4 Stunden wieder am Auto sind. Wir verzichten auf den Besuch der Garama Cave, wir wollen nur etwas über die Lebensweise erfahren, das Dorf sehen. In meiner Vorstellung leben die Pygmäen alle in einem schönen, abgelegenen Dorf mitten im Dschungel... Der Guide ist einverstanden. Jetzt warten wir noch auf die Pygmäen-Führer.
Gegen 10:15, mit über einer Stunde Verspätung, tauchen endlich 4 kleine Gestalten auf. Sie haben ihre Hosenbeine hochgekrempelt und unter den Tierfällen, mit denen sie verkleidet sind, versteckt. Sie sind barfuß und tragen klassische Waffen: Pfeil, Bogen und Speer. Der Anführer trägt lediglich eine Alkoholfahne und ist sehr müde.
Wir sind verwirrt.
Die Vier stellen sich mit Namen und großen Gesten vor, dann erklärt der Anführer den bevorstehenden Trail, auf dem das ursprüngliche Leben der Pygmäen im Wald dargestellt werden soll, der Guide übersetzt. Dann werden wir gebeten, uns auch selbst vorzustellen. Zu uns gesellt sich noch Bosko, ein bewaffneter Ranger und schon geht’s los. Lucky, Bosko, 4 Pygmäen und wir zwei Muzungu.
Zwei Stunden lang laufen wir auf Pfaden, die eigentlich gut sind, jedoch stetig bergauf führen. Wir haben noch Muskelkater von dem Gorilla-Tracking, es kann nur besser werden. An bestimmten Stellen bleiben wir stehen und die Pygmäen zeigen uns mal Bienen, mal Heilpflanzen, eine Hütte, eine Tierfalle und erklären uns, wie ihr Volk Nahrung besorgt, wie es lebt, welche Traditionen es hat. Dabei machen sie die Gesten mit viel Schauspieltalent nach, wie sie Tiere jagen, wie sie essen, wie sie Kranke heilen usw. An einer kleinen Hütte, die anscheinend extra für diesen Trail da steht, wollen sie uns zeigen, wie sie mit der Familie leben. Es wird nur zusammen gegessen, wenn die 4 Ehefrauen sich miteinander verstehen, was doch selten ist. Der eine Pygmäe schmeißt sich auf die Erde und stopft sich hastig trockene Blätter in den Mund. Was ist das jetzt??? Er macht einfach nach, wie man die Speisen zu sich nimmt, wenn die eine Ehefrau gut gekocht hat. Lucky übersetzt immer und muss sich zusammenreißen, um nicht zu lachen. Bosko ist da freier. Und wir können nicht glauben, was für eine Tour wir gebucht haben.
Eine interessante Sache habe ich mir doch gemerkt, weil sie im krassen Widerstand zu unserer Kultur als Europäer steht. Wenn bei den Pygmäen jemand stirbt, wird nicht darüber geredet, keiner fragt nach dem Verstorbenen, er ist einfach weg. Eine richtige Beerdigung gibt es auch nicht, sondern seine Hütte wird auf ihn niedergerißen, das ist halt sein Grab und die Familie bekommt von dem Dorfvorstehen ein Stück Land, wo sie sich eine andere Hütte bauen. Sie haben keine Friedhöfe!
Als letzte Vorstellung wollen sie uns zeigen, wie man Feuer durch das Reiben von zwei Holzstücken macht. Der Anführer rollt seine Hosenbeine runter, deckt sich mit einer Jacke zu und gönnt sich in dieser Zeit ein Nickerchen ein paar Meter weiter, während die anderen vergeblich versuchen, Feuer zu machen. Sogar Lucky kommt zur Hilfe, sie reiben und reiben fast 40 (!!) Minuten, aber nichts passiert. Ich und Matthias müssen uns anstrengen, um nicht zu lachen.
Zum Schluß führen sie uns noch zu ein paar kleinen Hütten, in denen die Pygmäen leben sollen. Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist, es sieht alles sehr, sehr ärmlich aus. Lucky fragt, ob wir Woman Dancing sehen wollen und als Matthias nein sagt, ist er mehr als enttäuscht. Ok, sage ich, wir wollen den Tanz sehen. Die Frauen tanzen und singen, was uns fast ein bißchen peinlich ist. Jezt soll Matthias auch mitmachen! Er tut mir richtig Leid, denn er will nicht und eigentlich war die Tanzvorstellung nicht sein Wunsch. Es gibt auch ein Foto davon, aber es wurde mir verboten, das Foto zu zeigen.
Gegen 13:15 ist endlich Feierabend und Bosko führt uns über Vulkangeröll zu unserem Auto. Der letzte Marsch dauert eine 3 Viertel Stunde, wir müssen noch über ein paar Zäune aus Lavasteinen klettern und um 14 Uhr sitzen wir in unserem Auto.
Fazit: Diesen Batwa Trail könnte man in den Kasper Trail umbenennen und er ist nicht zu empfehlen. Von den 80 USD pro Person kommt ein Teil der Comunity der Pygmäen zu Gute, das ist ein kleiner Trost.
Auf dem Rückweg machen wir ein paar Fotos von dem Straßenbild und für den Rest des Tages genießen wir die Ruhe im Garten.
Abends haben wir wieder einen Stromausfall und essen beim Kerzenlicht, was eigentlich schön und romantisch ist. Das Dinner ist wieder 1A! Um circa 20 Uhr wollen wir nochmal raus, aber es ist schon dunkel. Wir fragen den Hotelmanager, ob man um diese Zeit noch auf der Straße laufen kann/darf und er sagt, es ist in Ordnung, wir sollen aber bis 22 Uhr zurück sein. Wir machen einen kleinen Spaziergang durch den Ort und alles ist dunkel, sogar das Cafe um die Ecke ist dunkel, es gibt halt keinen Strom in der ganzen Stadt. Wir sind schnell zurück und genießen im Salon, wo im Kamin Feuer gemacht wurde, ein Gin&Tonic.
Morgen werden wir in Richtung Ruanda aufbrechen und wir sind sehr neugierig. Wie wird der Grenzübergang sein? Dürfen wir unsere Plastikflaschen mit Wasser mitnehmen? Und wie wird Ruanda, das Land der tausend Hügel, sein?