Auch wenn ich nicht weiß, ob mitglied19210 hier noch mit liest, so möchte ich mich jedenfalls nicht darum drücken, auf Deinen Beitrag von dem anderen thread einzugehen ("Coronavirus in Tansania aktuell Seite 26").
Darin stelltest Du die Frage:
"Was lässt sich denn Positives über Magufuli sagen? Sein angeblich so kraftvolles Vorgehen gegen Korruption war nicht nur aber doch viel leere Rhetorik. Im Korruptionsindex..." Und ergießt Dich dann in vielen diversen Länder Indizes.
Hier mal ein paar Dinge angerissen:
Auch diese Dinge sind selbstverständlich nicht alle "diskussionsfrei". Ob z.B: der Staudamm im Selous Game Reserve eine gute Sache war, darüber läßt sich mindestens so viel streiten, wie über Magufuli selbst....
Zur Korruption muss ich sagen, dass das eben NICHT nur leere Worte waren. Da hat er tatsächlich vieles nachhaltig verändert - zum Besseren.
Egal, was welche Indizes sagen.
Ich halte diese diversen "Ranglisten-Indizes" durchaus für probate Mittel, um einigen Dingen etwas auf die Spur zu kommen.
Ich halte sie aber für völlig unzureichend, damit komplexe Realitäten darzustellen.
Es ist immer schön, wenn man Dinge in klar umrissene Boxen packen kann.
Ich kann das nachvollziehen.
Ich liebe IKEA-Ordnungssysteme - mit seinen vielen ordentlichen Boxen und Fächern. Da ist alles schön sortiert.
Das funktioniert für meinen Kleiderschrank, und für sonst noch paar Dinge in unserem familiären Alltagsleben - aber sicher nicht mehr für komplexe Gesellschaften.
Die verschiedenen Indizes berücksichtigen oft gute sinnvolle Parameter. Aber eben auch nur ein paar. Mit solchen Parametern alleine eine „Rangliste“ der Länder der Welt zu erstellen, kann meiner Ansicht nach allenfalls eine richtungsweisende Hilfe sein. Nicht aber ganze Länder einsortieren.
Egal was der Korruptionsindex sagen mag – für ganz viele alltägliche Dinge hier in TZ hat Magufuli die Korruption erheblich gemindert.
Das zeigt sich an ganz vielen online Systemen (Krankenhaus, Verkehrsverstöße, Permits u.v.m.), die nun nicht mehr von einzelnen, lokalen officern umschifft werden können.
Es hilft nicht mehr, wenn man „eine gute Beziehung zu diesem oder jenem“ hat, und ein paar Scheinchen über den Tisch wandern läßt – denn der kann das System nicht überlisten.
Selbstverständlich gibt es immer noch Wege zur Bestechung – aber die gibt es überall. Alle Systeme haben Schlupflöcher. Auch in Deutschland. Maskenskandal, Steuerhinterziehungen (Höneß), Dieselskandal… alles schon vergessen? Kommt nur in Afrika vor, gell? Bei den bösen, afrikanischen Schuften!
Wir haben uns, seit Magufuli an der Macht war, immer wieder mit sehr vielen lokalen Leuten unterhalten, um zu hören, wie sie die politischen Veränderungen denn wahrnehmen. Ja, da war Skepsis, aber in der Summe sagten die meisten: er schafft Ordnung!
Er arbeitet selber. Er bereichert sich nicht. Er hat teure Regierungssitzungen in Hotels abgeschafft, sagte, dazu haben wir unsere Regierungsgebäude, wir brauchen das Geld nicht in Hotels zum Fenster raus schmeißen!
Er hat faule Leute am Arbeitsplatz überrascht und entlassen – natürlich sorgte das auch für Angst.
Ein Taxifahrer in Dar Es Salaam sagte dazu aber deutlich: Wer ordentlich arbeitet, braucht keine Angst zu haben. Es sind die verschwenderischen Big Shots, die sich fürchten müssen!
Er hat die Infrastruktur immens voran gebracht – bereits vor seinem Präsidentensein als Verkehrsminister, und als Präsident weiter fortgeführt. Das ganze Land profitiert davon!
Endlich sind die Hauptachsen (z.B. Arusha-Dodoma-Iringa) geteert – und viele andere große Verbindungen auch. Der Personenzug zwischen Dar Es Salaam und Moshi/Arusha fährt nach ewiger Vernachlässigung wieder! Das sind nur ein paar Beispiele.
Er war passioniert, dass „wir Afrikaner“ selber können! An manchen Stellen vielleicht überpassioniert, realitätsfern. Leider hat er auch unbedachte Schnellschüsse hingelegt (Wollte die eigene Wirtschaft unterstützen, verbannte dann plötzlich Import von Produkten, wie Milch u.a., aber bevor die eigene Produktion da war – das gab natürlich Engpässe…).
Aber er wollte sich aus der Abhängigkeit vom Westen heraus begeben. Eine Grundeinstellung, die ich begrüße, auch wenn ich deshalb nicht alles, was er tat, für richtig halte.
So passioniert wie er war, schoß er klar an vielen Stellen übers Ziel hinaus!
Er brachte Ordnung in die Steuerzahlungen – aber hat damit ganz viele Selbständige in den Konkurs getrieben. Auch solche, die redlich waren. Nicht lustig. Nicht hilfreich.
Dennoch: sagte mir erst dieser Tage ein Expat aus dem Tourismus (und die haben alle viel, viel Geld verloren an den Staat!):
„Ja, er hat der TRA (Tanzania Revenue Authority) quasi einen Freischein gegeben, uns Selbständige unendlich zu melken – andrerseits haben wir seit dem erstmals eine fairen Wettbewerb, ausländische Investoren, und einheimische! Denn es ging allen gleichermaßen an den Kragen! Und die meisten Einheimischen hatten bis dahin die Steuerzahlungen schön umschifft! Das können sie jetzt nicht mehr – und es ist fairer für uns alle geworden!“
Er war Sozialist – und das auch in meinen Augen zu sehr. Verstaatlichung war eine klare Richtung, die immer deutlicher erkennbar wurde. Wir beobachteten das mit Sorge. Er baute neben privaten Krankenhäusern (die immerhin noch ein wenig funktionieren) staatliche, und strich die eigentlich vereinbarten Public-Private-Partnership-Unterstützungen für private Krankenhäuser. Die privaten sollen ausbluten… Ich halte davon nichts.
Er war extrem skeptisch dem Westen und seinen Interessen gegenüber – und ich gebe ihm da Recht.
Wer immer noch glaubt, dass ganz viele Organisationen und Staaten “für Afrika“ nur gönnerhaft das Beste wollen, lese mal das Buch „The State of Africa“ von Martin Meredith. Oder einfach auch nur mal ein wenig „Peter Scholl-Latour“…
Gleichzeitig war er Rassist – extrem gegen Weiße, in einer Form, wie auch ich es nicht mehr ausgeglichen sondern weit jenseits von angebracht halte.
Seine Aktion gegen Schulmädchen, dass sie wenn schwanger nicht mehr in die Schule gehen dürfen, lehne auch ich ab.
Ebenso wie seine zunehmende diktatorische Art, und seine zuletzt auch um die Wahlen herum verstärkt kriminellen Handlungen, sich Oppositioneller zu entledigen.
Ich kann verstehen, wenn jemand sagt: „Das ist für mich SO ein ROTES TUCH – das geht GAR NICHT – damit ist er für mich unten durch“.
Für mich bleibt dennoch mehr Spannung zwischen Positiv und Negativ bestehen.
Er hatte eine Vision - FÜR seine Land, FÜR Seine Leute! Und vieles davon hat er umgesetzt!
Er hat etwas gewagt, und war sich nicht zu fein, gegen den Wind zu gehen und Kritik einzustecken!
Er blies nicht ins selbe Horn wie alle anderen, und nickte nicht nur brav mit dem Kopf (um noch ein paar Hilfsgelder mehr einzustreichen…), wenn irgendwelche „Weltenherrscher“ meinten, zu wissen, was für wen alles gut sei.
Magufuli – verehrt und verhaßt! Und beides zurecht!
Das ist meine Zusammenfassung.
Rehema