10.Tag (Mo. 02.01.2017)
Kisaki – Mikumi
265km
Das wird ein Scheißtag. Das steht schon 30 Sekunden nach dem Aufwachen fest, als ich vergeblich meine Hose suche und den geöffneten seitlichen Reißverschluss am Zelt sehe. Nachts müssen sich Diebe ans Zelt geschlichen haben und während ich schlief den Reißverschluss geöffnet und die direkt darunter liegende Hose gegriffen haben. Mit der Hose ist mein Portemonnaie weg, d.h. ein viertel unserer Bargeldreserven, meine Visa und Maestro-Karte sowie Perso und Führerschein. Es hätte allerdings noch schlimmer kommen können. Normalerweise war auch der Autoschlüssel in der Hose und nur weil gestern noch einer von uns kurz an den Wagen musste, nachdem ich schon im Zelt lag, war es diese Nacht anders. Der Dieb hätte zwar mit Sicherheit den Wagen nicht gestohlen und noch nicht einmal leise das Fahrzeug öffnen können, aber der Schlüssel wäre weg gewesen und wir hätten ein paar Tage hier festgesessen. Auch mein Smartphone ist noch da, da es zwischen uns lag. Unsere wichtigsten Dokumente (Reisepass und internationaler Führerschein) sind sowieso sicher separat gelagert. Am meisten ärgere ich mich über mich selbst. Selbstverständlich habe ich schon von dieser Art Diebstähle gehört und früher haben wir auch entsprechend Vorsorge getroffen. Über 20 Jahre Reisen in Afrika, ohne dass etwas passiert ist, haben uns aber sorglos werden lassen. Das wurde jetzt bestraft und wir deponieren jetzt auch unsere Wertsachen wieder unter den Isomatten, wo keiner ran kommt, wenn wir darauf schlafen.
Der Camp-Manager und der Askari machen einen rat- und hilflosen Eindruck. Angeblich ist so etwas hier bislang noch nie vorgekommen. Nach dem Frühstück begleiten uns die beiden zur Polizeistation des Dorfes. Die hätten wir ansonsten auch niemals gefunden. Es ist eine armselige Baracke in einer Seitenstraße. Einen Hinweis, dass es sich um eine Polizeistation handelt, sucht man vergeblich. Der Askari wird gleich in die Gemeinschaftszelle der Station gesperrt. Als deren Tür geöffnet wird, weht ein strenger Uringeruch durch die Wache. Nähere Details über die Zelle will man gar nicht wissen. Ob das Einsperren des Askaris nur Aktionismus uns gegenüber ist, oder ob die Massai, die in dieser Region eine Minderheit sind, unter Generalverdacht stehen, entzieht sich meiner Kenntnis.
Danach wird über eine Stunde lang eine Kladde nach der anderen mit unserer Anzeige und dem Sachverhalt gefüllt. Nachdem mehrere Seiten Papier handschriftlich gefüllt wurden, reißt der Polizist einen Fetzen braunes Packpapier von einem größeren Bogen ab, schreib eine Nummer darauf und versieht das ganze mit Stempel und Unterschrift. Das ist das Aktenzeichen, unter dem wir in einigen Tagen auf der Regionalwache in Morogoro eine Kopie des Berichts erhalten können. Man gut, dass die gestohlenen Sachen sowieso nicht über die Reisegepäckversicherung versichert sind, denn es wäre sicher ein Spaß geworden, wenn ich der Versicherung den Papierfetzen vorgelegt hätte.
Jetzt kann es endlich weiter gehen, allerdings nur für 20km. Dann höre ich veränderte Abrollgeräusche von hinten rechts und stelle fest, dass wir dort einen Platten bekommen. Reifenwechsel sind für mich Routine und so ist der Wagen schnell neu besohlt. Allerdings muss ich feststellen, dass beide Reservereifen einen viel zu niedrigen Luftdruck aufweisen. So geht es zunächst sehr vorsichtig weiter bis ins nächste Dorf. Dort stehen wie üblich die Piki Piki-Fahrer unter einem großen Baum und warten auf Kundschaft. Wir fragen, ob einer eine Luftpumpe hat und haben Glück. Der Besitzer der Pumpe lässt es sich nicht nehmen, persönlich zu Pumpen und langsam aber sicher nimmt der Reifen eine akzeptable Form an. Irgendwann ist dann die Pumpe überfordert und mit einem lauten Knall platzt der Schlauch der billigen Chinaware. Wir geben ihm 10US$ für seine Hilfe und eine neue Pumpe und er scheint damit zufrieden zu sein. So ist allen geholfen.
Die Piste verlässt langsam die Ebene und führt durch die Uluguru Mountains. Dabei verändert sich die Landschaft komplett. Die verdorrte Vegetation wird durch dichten grünen Bergwald ersetzt. Um die Dörfer herum sieht man bestellte Felder. Immer wieder ragen bizarre Felsen aus dem Dickicht. Schade, dass wir schon so unter Zeitverzug stehen und deshalb durchfahren müssen, anstatt Pausen zu machen, um zu schauen und zu fotografieren. Motive hätte es sicher reichlich gegeben. Die Straße ist teilweise asphaltiert, weist aber zahlreiche tiefe Schlaglöcher auf, so dass man nur langsam vorankommt. Bergauf kommt unser schwerer Wagen auch nicht sonderlich schnell voran.
In Morogoro hat uns dann die Zivilisation wieder. Wir können tanken, Luftdruck checken und Bargeld am ATM ziehen. Was uns nicht gelingt ist Lebensmittel einzukaufen. Es ist unglaublich, das eine Distrikthauptstadt an der wichtigsten Verkehrsachse des Landes und mit 250.000 Einwohnern noch nicht einmal einen kleinen Supermarkt aufweist.
Als Übernachtungsziel für den heutigen Tag haben wir uns für die Tan-Swiss Lodge in Mikumi entschieden. Bevor wir dort ankommen führt die Straße noch durch den Mikumi National Park. Auf der Transitstrecke muss man keinen Eintritt zahlen, darf aber auch nicht anhalten. So sehen wir zwar viele Tiere, verzichten aber auf das Fotografieren. An der Straße stehen Schilder mit Tarifen, was das Überfahren der verschiedenen Tierarten kostet. Bei einem Baboon kommt man mit 120US$ noch relativ günstig davon; ein Elefant reißt mit 15.000US$ schon ein größeres Loch in die Reisekasse.
Die Tan-Swiss Lodge ist super gemanagt. Da funktioniert alles reibungslos. Die Campsite liegt im hinteren Teil, so dass man von der Straße kaum etwas hört. Flammenbäume spenden Schatten. Mit Pools hab ich es nicht so, aber alle die Spaß am baden haben, kommen hier in der Lodge voll auf ihr Kosten.
Zum Abendessen geht’s ins Restaurant der Lodge. Ist nix dolles, aber der Service ist schnell und freundlich. Am wichtigsten ist aber, dass es kaltes Bier gibt.