THEMA: Sambische Gastfreundschaft
08 Nov 2007 11:24 #52446
  • KUPo
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  • KUPo am 08 Nov 2007 11:24
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Irgendwo in der Nähe von Chama wollen wir unser heutiges Camp errichten. Also müssen wir weiter geradeaus fahren. Aus was auch immer für Gründen will Manfred einfach nicht auf den Hupe hören :woohoo: . Was soll’s, nehmen wir halt die Piste nach rechts. Eine kleine Expedition ist unbekannte Gefilde ist doch auch mal ganz schön. Letztendlich kann uns nichts passieren. Wir haben ausreichend Essen und Trinken dabei und ein Dach über dem Kopf haben wir auch. Alles andere wird sich finden. Nach etlichen Kilometern einsamer Fahrt, nur die Cassava-Felder erinnern daran das hier irgendwo Menschen leben müssen, kommen wir tatsächlich zu einer bescheidenen Hütte, die total Abseits von irgendeinem Dorf liegt. Davor spielen zwei kleine Kinder. Als wir näher kommen ergreifen sie fast panikartig die Flucht. Erst nach mehrfachen Rufen erscheint auf einmal ein Kopf in der Tür. Offenbar haben die Bewohner bei unserem unerwarteten Auftauchen den Schreck ihres Lebens bekommen. Haben sich hierher überhaupt schon mal Fremde verirrt? Dabei will Manfred doch nur wissen wohin diese Piste führt. Erst als Ilona in das Geschehen eingreift werden die Verschreckten ein wenig zutraulicher. Eine ältere und jüngere Frau kommen ganz verschüchtert heraus und hinter der Hütte erscheint ein jüngerer Mann. Nach ein paar beruhigenden Worten erfahren wir, dass sie hier wohl irgendwo im nirgendwo enden wird. Ein Zeichen zur Umkehr. Kurz vorm Losfahren kommt Silke die Idee, ein paar von ihren mitgebrachten Sachen zu verschenken. Bisher bot sich noch keine Gelegenheit dafür. Fassungslos hält die ältere Frau das Kleiderbündel auf ihrem Arm und wird wahrscheinlich gar nicht so richtig begreifen, was hier soeben geschehen ist.

Mit diesen Bildern im Kopf verlassen wir das idyllische, aber sehr einsame Fleckchen Erde in der Richtung, aus der wir gerade gekommen sind. Auf die Idee das alles zu fotografieren ist in dieser Situation keiner von uns gekommen. Ich glaube, damit hätten wir das Häuflein Menschen auch noch viel, viel mehr verschreckt. Vorbei an der schönen Palmenoase erreichen wir dann über die im Hupe angegebene Piste das Dörfchen Tembwe.

Mit einem kurzen Fingerzeig biegt Manfred nach links und bei der nächsten Gabelung nach rechts. Wenig später bleibt er verunsichert stehen. Nicht lange und wir sind wieder dicht umdrängt. Aber das sind wir ja mittlerweile gewöhnt. Ein kurzer Wortwechsel mit einem jungen Mann, dann bekommen wir das Zeichen zum rückwärts schieben. Wie ein wild gewordener Bienenschwarm springen die Herumstehenden in alle Richtungen davon. Ein zweiter junger Mann mischt sich ein und bietet sehr aufdringlich seine Dienste an. Obwohl Manfred ja eigentlich nur wissen wollte, welche Piste zum Luangwa führt, haben wir plötzlich zwei Begleiter. Trotz Einwände lassen sie sich nicht abschütteln. Und so fahren wir in gedrosseltem Tempo hinter den beiden Radelfahrern her.

Ein paar Kilometer später kommen wir an mehreren Frauen mit ziemlich viel Gepäck vorbei. Manfred hält. Sie haben das gleiche Ziel wie wir. Logisch, dass er ihnen hilft. Er verstaut das sperrige Gepäck auf den Dächern unserer Autos und Ilona hockt sich auf die Bücherkiste zwischen den Vordersitzen, so dass zwei der Frauen einsteigen können. Für mehr Mitfahrer ist kein Platz, auch wenn sie das verständlicherweise nicht einsehen wollen. Nach afrikanischen Vorstellungen würden sicher noch 6 und mehr Menschen bei ihnen Platz finden. Bei den Anderen gibt’ s lange Gesichter. Ein kleiner Hoffnungsschimmer sind wir. Als wir dann aber ohne Halt an ihnen vorbei rollen hebt eine von ihnen aufbrausend die Faust.

Unsere beiden Radelfahrer haben während dieser kurzen Pause neue Energie geschöpft. Wie zwei Verrückte treten sie in die Pedale und liefern sich ein Kopf an Kopf Rennen. Trotzdem gelingt es Manfred, sich zwischen die Beiden zu schieben. Der „Dazugekommene“ nimmt das Zepter in die Hand und radelt wie vom Teufel getrieben vorne weg. Auch mit erhöhtem Tempo lässt er sich nicht überholen. Der „Abgeschüttelte“ will sich natürlich nicht geschlagen geben. Er schmeißt sich mächtig ins Zeug um ja keine Lücke entstehen zu lassen. Würden wir ihn auch noch überholen wäre das für ihn erhoffte lukrative Geschäft endgültig geplatzt. Wir haben Mitleid, trotzdem müssen wir über diese komische Situation natürlich ganz schön lachen. Schon seit mehreren Kilometer führt die mächtig holprige mitunter sogar feuchte Piste durch dichten Buschwald. Frank ist vorsichtig und hält Abstand um bei einem eventuellen Sturz noch ausweichen zu können. An einer Stelle wird die Strecke so schlecht, dass rechterseits durch den Buschwald ein Bypass führt. Uns bleibt nichts weiter übrig, als diese längere Spur zu nehmen. Als Resultat hat der arme Manfred wieder beide „hilfreiche“ Radelfahrer vor sich. Erzwungene Hilfe kann mitunter ganz schön anstrengend sein.

Schließlich haben wir unser Ziel erreicht. Mitten im Dorf bleiben wir stehen, die beiden mitgenommene Frauen steigen strahlend aus und lassen sich das Gepäck nach unten reichen. Die beiden Radelfahrer, sichtlich erschöpft zeigen, welcher Weg hinunter zum Luangwa führt.

Wir sind natürlich auch hier wieder die Attraktion. In Windeseile hat sich eine Menschentraube um uns gebildet. Ilona, Bettina und Manfred marschieren mit dem Chief und der Dorfgemeinschaft hinunter zum Fluss. Als sie nicht zurückkommen zieht es auch noch unsere Männer dorthin. Silke und mir bleibt nichts weiter übrig als die Fahrzeuge zu hüten. Wo bleiben die bloß. Langsam werden wir ungeduldig. Einer Prozession gleich tauchen sie dann endlich wieder auf. Nach einer eingehenden Inspektion des Flusses haben sie entschieden, dass wir dort nicht durchfahren können. Irgendwo am anderen Flussufer wollten wir unser heutiges Nachtlager errichten. Daraus wird nun nichts. Doch der Chief weiß Abhilfe und bietet uns unweit vom Dorf einen geeigneten Lagerplatz an. Uns bleibt nichts weiter übrig als darauf einzugehen. Denn bis zum Einbruch der Nacht bleibt nicht mehr viel Zeit.

Der „Dazugekommene“ Radelfahrer fühlt sich ganz wichtig. Schließlich hat er ja die Musungus hierher gebracht. Er schleust uns im Zickzack durch’ s Dorf. Doch die schmalen Wege zwischen den Hütten, die für einen Radfahrer ohne Probleme zu nehmen sind, können für einen Bully ganz schön beschwerlich sein. Um Haaresbreite hätte Frank eine der Hütten gerammt. Oh Schreck, ich glaube, da hätten wir ganz schön Ärger bekommen.

Am Ziel werden wir von Ilona und Bettina und den Männern des Dorfes bereits erwartet. Zu Fuß waren die nämlich alle viel schneller als wir. Rings um uns herum herrscht hektisches Treiben. Büsche werden geköpft, der unebene Boden begradigt, störende Steine beiseite geschafft. Schließlich sind wir ja die Gäste des Dorfes und da sollen wir uns hier auch richtig wohl fühlen. Der Chief hat alles fest im Griff. Und er weiß anscheinend auch genau, was Musungu - Herzen höher schlagen lässt. Er zeigt hinunter zu einer kleinen Sandbank und erklärt, dass dorthin immer Elefanten zum Trinken kommen. Ruckzuck verwandelt sich ein abgeerntetes stoppeliges Cassava-Feld in eine luxoriöse Campsite, mit einem tollen Blick über den träge dahinfließenden Luangwa, der hier oben im nördlichen Luangwa-Valley natürlich viel schmaler ist.

Währenddessen schauen wir uns erst einmal um. Ohne Zweifel haben wir für unsere zweite Wildübernachtung auch wieder ein sehr schönes Fleckchen gefunden. Die Männer des Dorfes haben ihr Werk vollbracht und der Chief hat ein angemessenes Trinkgeld bekommen. Nun liegt es an ihm es gerecht unter allen Beteiligten einschließlich der beiden Radelfahrer aufzuteilen. Der „Dazugekommene“ ist zwar ein wenig ungehalten und meint, dass er die ganze Strecke ja wieder zurückfahren muss. Doch Manfred bleibt hart. Schließlich hat er keinen der Beiden um dieses Geleit gebeten.

Im Angesicht der männlichen Dorfgemeinschaft errichten wir unser Camp. Und während wir es uns auf unseren Campingstühlen bequem machen haben sich die Männer nur wenige Meter entfernt am Rand des Feldes niedergelassen und nehmen uns und unsere Gebaren natürlich ganz genau im Visier.

Inzwischen ist die Sonne untergegangen, doch noch immer macht keiner von ihnen Anstalten zu gehen. Nach der Devise, wer weiß, ob sich uns noch mal so eine tolle Gelegenheit bietet, Musungus aus allernächster Nähe zu beschauen, erwarten sie von uns sicher ein abendfüllendes Programm. Den ersten Vertreibungsangriff startet Frank als er nur wenige Meter von ihnen entfernt seine Dusche nimmt. Zig Augenpaare starren gespannt auf das, was da passiert. Doch wegen einem duschenden weißen Mann ergreift hier keiner die Flucht. Wenn Frank damit nicht sogar das Gegenteil bewirkt hat. Womöglich hat er damit ihre Neugier erst so richtig geweckt.

Wie auf einer Theaterbühne agieren wir im Licht unserer Lampen vor einem staunenden Publikum. Während wir die Vorbereitungen für’ s Abendessen treffen genehmigen wir uns ein Bier. Ihrem verblüfften Gesichtsausdruck folgernd sind wir sicher die ersten Frauen, bei denen sie das sehen. Jeder spielt bei der Aufführung eine andere Rolle. Thomas schürt das Feuer, Karl-Heinz knetet den Teig für’ s Brot, Manfred schneidet Fleisch und Speck und wir Frauen machen uns ans kleinschneiden von Paprika, Zwiebeln, Knoblauch und Gurken. Heute abend soll’s für alle Fleischspießchen geben.

Langsam wird es Manfred zu viel. Auf humorvolle Weise erklärt er der Männergesellschaft, dass die Lady’s nun auch noch Duschen wollen und das sie das dann doch lieber ohne Zuschauer tun. Aus ihren Augen spricht alles andere als Begeisterung. Doch was bleibt ihnen weiter übrig als schweren Herzens ihren Acker (im wahrsten Sinne des Wortes) zu räumen.


Und am nächsten morgen?

Ganz selbstverständlich leistet uns die männliche Dorfgemeinschaft auch zum Frühstück Gesellschaft. In gebührendem Abstand haben sie sich im Halbkreis um uns niedergelassen. Sind wir für sie das „Frühstücksfernsehen auf sambische Art“? Was werden sie wohl über unseren reich gedeckten Tisch denken? Ich habe wieder mal ein ganz schön schlechtes Gewissen. Zum Glück bleibt genügend übrig und so können unsere „Überbleibsel“ auch hier wieder einem guten Zweck erfüllen. Sogar der letzte Rest aus unserem Honigglas wird blitzschnell leer geschleckt. Beim Vorräte durchstöbern findet Ilona noch ein paar eiserne Reserven in Form von Konservendosen. Die bereiteten gleich doppelte Freude, denn sowohl Inhalt als auch die Büchsen selbst finden reißenden Absatz. Auch unsere leeren Getränkedosen werden wir allesamt wieder los. Nur von unserm frischgebackenen Brot opferten wir nichts. Für die nächsten beiden Tage müssen wir auf’ s Backen sicher verzichten. Unser heutiges Ziel ist das Nyika- Plateau in Malawi. Und da ist es für das Aufgehen des Hefeteiges sicherlich viel zu kalt....................
Letzte Änderung: 08 Nov 2007 11:34 von KUPo.
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08 Nov 2007 14:52 #52460
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  • Gforce am 08 Nov 2007 14:52
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Hey KUPo,

:) was für eine schöne Geschichte und solch ein gutes Stimmungsbild :cheer: ! Ganz prima. Weitere Geschichtsn bitte!

:laugh: :silly:

LG
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28 Jan 2008 21:46 #59026
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  • baboon am 28 Jan 2008 21:46
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Hallo,

habe mich schon bei den ersten 3 Sätzen köstlich amüsiert, wir waren nämlich auch schon mit Manfred und Ilona unterwegs :)

Aber auch ohne diese Paralelle macht der Bericht Spaß!

Viele Grüße baboon
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