Kapstadt, Teil I
An unser erstes Mal in Kapstadt 2012 habe ich sehr gemischte Erinnerungen. Thomas hatte sich kurz zuvor in Namibia einen folgenreichen und vor allem hartnäckigen Magen-Darm-Infekt eingehandelt, er schaffte gerade eben und glücklicherweise „unfallfrei“ den kurzen Flug aus Windhoek, klappte dann aber im Hotelzimmer völlig ausgelaugt zusammen und lag mehrere Tage höchst derangiert im Bett.
Ich gurkte in der Zeit vornehmlich mit dem Hop-on-Hop-Off-Bus durch die Gegend, das war eine ziemlich angenehme und außerdem sichere Möglichkeit, sich die viereinhalb Millionen-Metropole im Alleingang zu erschließen. Aber natürlich hatten wir uns das Ganze etwas anders und vor allem als gemeinsame Unternehmung vorgestellt.
Die pfiffige Dame an der Rezeption konnte sich das Elend schließlich nicht mehr mit ansehen und organisierte kurzerhand (an Silvester) den Hausbesuch eines "German doctor". Der hatte dann zielsicher das richtige Medikament zur Hand und schon am nächsten Tag war Thomas zwar noch etwas wackelig, aber immerhin kerzengerade auf den Beinen. Seither gehören Antibiotika zum festen Bestandteil unserer Reiseapotheke.
Wir verbrachten einen herrlichen gemeinsamen Tag am Kap der guten Hoffnung, schauten uns unterwegs Muizenberg sowie die Pinguine am Boulders Beach an und cruisten entspannt über den Chapman’s Peak zurück. Alles in allem war die Zeit in Kapstadt aber durch die besonderen Umstände eher knapp ausgefallen.
Wir hatten seinerzeit in Tamboerskloof gewohnt, das hatte uns sehr gut gefallen mit der Nähe zum Tafelberg und zur Kloof Street mit ihren netten Cafes, Restaurants und Boutiquen. Diesmal sollte es zur Abwechslung Camps Bay werden, das angepeilte Atholl House war aber partout nicht zu bekommen und so folgten wir ziemlich kurzentschlossen einem Tipp von Ingrid und buchten uns vier Nächte im Derwent House in Gardens direkt neben Tamboerskloof ein.
Das geschmackvolle Boutique Hotel entpuppte sich als hervorragende Wahl mit seiner zentralen Lage in der Nähe der Kloof Street, dem freundlichen, heimeligen Ambiente und überragenden Frühstück. Von unserem kleinen, aber gemütlichen Zimmer blickten wir auf den Pool und den Tafelberg, und Ingrid und Helmut wohnten auch nicht weit weg.
Wir hatten lange auf ein Wiedersehen mit unsere beiden Freunden warten müssen, nun war es schon am ersten Abend soweit. Ingrid hatte kurzerhand an unserem Ankunftstag einen Tisch im Grand Africa Cafe & Beach reserviert, und ich bin ihr sehr dankbar dafür, dass sie Fakten geschaffen hat. Ist für uns doch der erste Abend nach einem langen und zudem noch stark verspäteten Flug oftmals ein verlorener. So aber waren wir nach einer schnellen Dusche zwar einigermaßen müde, aber auch gleichzeitig voller Tatendrang, und als die franzickes um die Ecke bogen und uns mit dem Auto einsammelten, war die Freude riesengroß.
Der Beach Club in der Nähe der V&A Waterfront punktet vor allem mit der tollen Lage direkt am Meer und der lässigen Atmosphäre, und als wir da so mitten im europäischen Winter mit leichtem Pulli und in beschwingter Stimmung über den Ozean blickten, realisierte ich zum ersten Mal: "Wir sind tatsächlich hier." Ich konnte es kaum fassen. Und auch, dass ganze vier Wochen vor uns liegen sollten.
Es war der denkbar beste Start in die Reise, später kippten wir ins Bett und schliefen wie die Murmeltiere. Einigermaßen früh und frisch waren wir wieder wach, was auch deshalb praktisch war, weil wir Pläne hatten. Den Botanischen Garten Kirstenbosch hatten wir beim letzten Mal sausen lassen müssen, diesmal wollten wir hin. Immer wieder hatten wir von der großartigen Kulisse am Osthang des Table Mountain gehört und gelesen und entsprechende Fotos gesehen.
Wir hatten uns nicht zuviel versprochen. Die Realität hielt den Erwartungen stand, übertraf sie vielleicht sogar. Zwar war die große Blütezeit bereits vorbei, doch wir genossen den am frühen Morgen noch einsamen Spaziergang unter riesigen Kampferbäumen und durch sattgrüne Landschaften. Eine Wohltat für die Sinne.
Weiter und weiter liefen wir hügelaufwärts, immer der Nase nach. Am Eingang waren wir gefragt worden, ob wir eine Wanderkarte benötigen, denn in der Gegend gibt es hervorragende Tracks, die unter anderem auf den Tafelberg führen. Wir verneinten, schließlich wollten wir uns nur ein wenig die Beine vertreten und Eindrücke sammeln. Als würde ich uns nicht besser kennen.
Es dauerte nicht lange, da fanden wir uns auf einem schmalen Höhenpfad wieder, der mit weitem Blick über den Botanischen Garten und die Umgebung an der Flanke des Tafelbergs entlangführt. Ich - mal wieder mit weißer Büx (natürlich) und nur in Turnschuhen unterwegs -, fragte vorsorglich einen entgegenkommenden Wanderer in Profikluft, ob der Weg absehbar wieder abwärts führen würde, und das war zum Glück der Fall.
Durch dichten Wald stiegen wir schließlich wieder zu den Gärten hinab und registrierten erstaunt, dass in den vergangenen zwei Stunden massenhaft Besucher angekommen waren und Wege wie Wiesen fluteten; natürlich war Kapstadt in den südafrikanischen Ferien überlaufen und Kirstenbosch bei Traumwetter ein beliebtes Ziel.
Bei einem großen Baum fanden ein perfektes Plätzchen, kaum ein Mensch verirrte sich abseits der Hauptwege hierher. Dafür aber jede Menge Vögel und Schmetterlinge, die emsig miteinander turtelten.
Mittags fanden wir dann, dass es an der Zeit wäre weiterzuziehen. Nur wohin? Wir überlegten hin und her, schließlich fiel unsere Wahl auf die Pinguinkolonie bei Simon's Town. Keine allzu weite Strecke, aber eine vor allem auf dem Rückweg sehr schöne, und Tiere gehen bei uns sowieso immer.
Wir wussten, es würde voll sein, so mitten an einem sonnigen Ferientag, das war schon 2012 so gewesen. Doch als wir dann endlich einen Parkplatz ergattert und uns auf den Weg zum Zugang gemacht hatten, machten wir große Augen. Die Schlange der Wartenden war ellenlang, und die gesamte Anlage sozusagen professionalisiert worden. Die Kassenhäuschen am Besucherzentrum erschienen uns imposant und kommen mittlerweile auch ohne Verniedlichung aus, es gibt Drehkreuze, einen Shop und eine Umfriedung, die wohl kaum mehr einen Durchschlupf lässt.
Seit 1982, als zwei Brutpaare an den Strand gekommen waren und eine kleine Kolonie gründeten, ist Boulders Beach Teil des Table Mountain National Park.
Es ist mutmaßlich sinnvoll, wenn nicht sogar bitter nötig, die Vögel in so exponierter Lage vor den Massen zu schützen und den Menschenstrom zu kanalisieren. Wir waren dennoch zunächst abgeschreckt, entschieden uns aber letztlich zu bleiben, wo wir ja nun schon einmal so weit gekommen waren. Einen dritten Besuch wird es aber wohl nicht geben (auch wenn die Einnahmen sicherlich nicht zuletzt dem Schutz der Tiere dienen).
Sind die Stege, die durch das sandige Reich der vom Aussterben bedrohten Brillenpinguine führen, erst einmal erreicht, ergeben sich aber immer noch wunderbare Aus- und auch Einblicke in das Leben der kleinen Frackträger, deren Zahl auf mittlerweile rund 3.000 angewachsen ist.
Die afrikanischen Pinguine waren einst auch als Jackass-Pinguine (=Esel-Pinguine) bekannt. Dieses stimmgewaltige Exemplar stand direkt unterhalb des Steges und machte dem Namen mit seinen Kreischlauten alle Ehre. Ob er damit einen Artgenossen, der aus der Ferne ähnlich verstimmt antwortete, anlocken oder eher abschrecken wollte, ist nicht überliefert:
Wir verbrachten rund eineinhalb Stunden bei den Pinguinen...
...und wollten dann via Chapman's Peak Drive nach Kapstadt zurückkehren. Kurz bevor wir ihn bei Noordhoek erreichten, stach mir ein Schild ins Auge. Cape Point Vineyards - da war doch was?! Das Derwent House hat die nette Angewohnheit, seinen Gästen am Abend drei Tipps für den nächsten Tag aufs Kopfkissen zu legen. Am Vorabend war dieser Ort einer davon gewesen, denn donnerstags findet auf dem Gelände des wunderschön an einem Berghang gelegenen Weinguts ein Foodmarket statt. Kurzerhand bog ich rechts ab, und weil der Markt erst zehn Minuten zuvor begonnen hatte, fanden wir auch noch einen Platz an einem der sich zusehends füllenden Picknicktische.
Wir holten Wein und unterschiedliche Leckereien von den Foodtrucks, genossen die traumhafte Kulisse, die relaxte Atmosphäre und blickten über die Reben weit in die Bucht. Ambiente können sie einfach, die Südafrikaner!
Am Ende eines erfüllten Tages fuhren wir zum zweiten Mal in unserem Leben den Chapman’s Peak Drive, die spektakuläre, neun Kilometer lange Küstenstraße entlang steiler Felswände, die 114 Kurven umfassen soll. Ich habe sie nicht gezählt.
Unterwegs in unserem feuerroten Spielmobil. Wir hatten uns bewusst für einen SUV entschieden, auch, weil wir in den Nationalparks mehr Bodenfreiheit und einen besseren Überblick haben wollten:
Das Wetter hatte uns zum Auftakt nach Strich und Faden verwöhnt, allerdings war es schon den ganzen Nachmittag über immer windiger geworden, und schon auf dem Weingut drohten die Ibisse über unseren Köpfen aus den Bäumen zu purzeln.
In Kapstadt stürmte es dann so sehr, dass wir um unsere Pläne am nächsten Tag fürchteten. Wir checkten unsere E-Mails, noch hatten die Veranstalter nichts gecancelt. Wir stellten uns den Wecker, doch auch so wurde ich in der Nacht mehrfach wach, weil der Sturm draußen alles umher- und wegfegte, was nicht niet- und nagelfest war. Wie zum Geier, fragte ich mich ein wenig verzagt, sollten wir denn bei diesem Orkan auf den Tafelberg wandern?