9./10.9.2017: "He killed himself in alcohol"
Normalerweise würde ich kaum eine Silbe über die Anreise verlieren. Flüge sind strapaziös, lang, unbequem - und grenzen für mich doch jedes Mal aufs Neue an ein Wunder. Dieser brennt sich jedoch in mein Gedächtnis ein. Und das kam so: Während unseres Nachtflugs mit South African Airways bin ich irgendwann tatsächlich entschlummert, was einer Sensation gleicht. Als ich mitten in der Nacht aufschrecke, muss ich zu meinem Entsetzen feststellen, dass wir von blauen Marsmännchen gekapert wurden. Die entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als Bordcrew, die sich in blaue Ganzkörperkondome nebst Einweg-Handschuhen und Mundschutz gezwängt hat. Es hängt ein äußerst penetranter Geruch in der Luft, auch die Geräuschkulisse zeugt von viel Elend. Die Nachfrage bei der Stewardess bestätigt meinen Verdacht: Ein Passagier hat deutlich über den Durst getrunken ("He killed himself in alcohol") und kann nun (sehr ausdauernd) nicht mehr an sich halten.
Die Folgen sind relativ fatal. Wohin in so einer Sardinenbüchse mit einer Schnapsleiche? Eine Ausnüchterungszelle hat bei der Konstruktion wenig überraschend keine Berücksichtigung gefunden, es bleibt nur der angestammte Platz. Es beginnt ein Hin-und-Her-Gerenne zwischen Sitzplatz und Toilette, zuweilen reicht die Zeit aber nicht aus, um diese unfallfrei zu erreichen. Mir tun die Passagiere in der "Schusslinie" aufrichtig leid, ich bin aber heilfroh, dass wir auf der rechten Seite des Fliegers sitzen. Das Bordpersonal ist verständlicherweise restlos bedient und muss zudem noch in dem ganzen Kladderadatsch am nächsten Morgen bei der Suche nach dem im Suff vermeintlich verlorengegangenen Personalausweis helfen. Der Trunkenbold selbst sah übrigens alles in allem bei Tagesanbruch im Gegensatz zu seinen Sitznachbarn vergleichsweise ausgeruht aus und zeigte für mein Empfinden auch keinerlei Scham oder Reue. Ein fetter Umschlag landete jedenfalls nicht in den Händen des Bordpersonals, das mir beim Rausgehen glaubhaft versicherte, dies sei der schlimmste Job in den vergangenen zehn Jahren gewesen.
Thomas übrigens hat den größten Teil des Dramas selig verpennt. Nach beendetem Schönheitsschlaf fragte er mich nach der Quelle des üblen Gestanks - nicht zum ersten Mal im Leben kam mir der Gedanke, dass männliche Dickfelligkeit durchaus erstrebenswert sein kann...
Der Rest ist schnell zusammengefasst: Nach der Landung in Johannesburg werden wir wegen unserer zweistündigen Verspätung (wir kamen schon in Frankfurt nicht rechtzeitig weg) reibungslos auf den nächsten Flug nach Nelspruit umgebucht. Dort sammeln wir am Flughafen unseren gemieteten VW Polo ein, der seine Dienste angeblich auch ausreichend im Krüger tun soll, und freuen uns: endlich wieder unterwegs! Nach Hazyview ist es nicht weit, um 14 Uhr sind wir am Hippo Hollow Country Estate, wo wir die ersten drei Nächte verbringen werden. Die Unterkunft liegt für unsere Zwecke strategisch günstig. Nah an der Panorama Route, die wir am nächsten Morgen in Angriff nehmen werden, aber auch zum nächstgelegenen Krüger-Gate, wo wir den zweiten vollen Tag (unser "Jokertag" für den Fall schlechten Wetters zu Beginn etc.) verbringen könnten, wenn wir das wollten.
Das Gelände ist sehr gepflegt und gefällt uns auch, jedoch ohne "Wow"-Effekt. Schön ist unser kleines Häuschen mit Flussblick, ein bisschen atmet es hier auf der hinteren Veranda schon Wildnis, während vorne am Pool eine amerikanische Großfamilie für reichlich Beschallung sorgt. Wir befüllen unsere Bohnensäckchen in Ermangelung an Bohnen mit Reis und lassen die Schrecken der Nacht endgültig hinter uns.
Das Essen im Restaurant ist sehr gut, der Knaller sind aber die Hippos, die regelmäßig abends den Sabie River herauf- (oder herunter?) geschwommen kommen, mehr oder minder elegant den Fluten entsteigen und beim Trimmen des Lodge-eigenen Rasens jeden Gärtner vor Neid erblassen lassen. Wir haben schon viele Hippos gesehen, aber wilde Nilpferde rund zwei Meter unter uns, während wir in der offenen Terrassentür stehen, das hat schon was. Satt, ausgelaugt und voller Vorfreude auf die nächsten Tage geht es schließlich ins Bett. Und ab morgen sind dann auch deutlich mehr Fotos im Spiel, versprochen!