... am nächsten Morgen erreiche ich schnell die T-Kreuzung und die Entscheidung, weiter über Manzini in Landesinnere zu fahren oder über die Hauptstadt Mbabate wieder gen Westen zu radeln. Aufgrund der vielen Gewitter entscheide ich mich für die zweite Variante. Der Regen ist mir ja egal und ich trage auch keine Regenjacke, weil ich die Kühlung von oben als angenehm empfinde, aber die Blitzschlaggefahr auf dem Rad ist mir einfach zu hoch.
Ich bin viel schneller in Mbabate als ich denke, aber die letzten 7 km geht es wieder über Autobahn und ununterbrochen steil bergauf und die Sonne knallt heftig runter. Teilweise muss ich schieben.
Irgendwo auf dem Standstreifen steht ein Lieferwagen und der Fahrer -ein in Swaziland lebender Äthiopier- fragt mich, ob ich mitfahren möchte. Er lasse nur gerade seine Bremsen abkühlen und gleich ginge es weiter. Wenn schon bergauf die Bremsen überhitzen, dann kann der technische Zustand ja wohl nicht ganz mangelfrei sein und ich lehne ab.
Er erzählt mir von der Kriminalität in Südafrika und meint, er fahre regelmäßig nach Johannesburg. Hier in Swaziland könne ich bedenkenlos radeln, aber ab der Grenze solle ich per Bus fahren oder per Anhalter mit jemandem, der ein Kennzeichen von Swaziland hat. Mit dem Fahrrad sei das dort viel zu gefährlich.
Um die Mittagszeit erreiche ich Mbabate, finde 'nen Bottlestore und kaufe 'ne Flasche kaltes Bier. Ich setze mich in der Fußgängerzone in den Schatten und freue mich.
Jedenfalls so lange, bis ein Polizist vorbeikommt und mich mit auf die Wache nimmt. Das Trinken von Bier in der Öffentlichkeit ist verboten. Das habe ich leider nicht gewusst, sonst hätte ich es auch bleiben lassen.
Er droht mir 500 Rand (~35 Euro) Strafe an und ich muss vorweisen, dass ich den Betrag habe. Andernfalls, so droht er, müssten wir zum Hauptquartier.
Letztlich belässt er es bei einer Verwarnung, lässst mich das Geld wieder einstecken und das sichergestellte Bier auskippen.
Again what learned.
Ich verlasse die Hauptstadt und radle weiter durch hügeliges Gelände mit für das Fahrrad eindeutig zu steilen Straßen. Ich wohne selbst an einer Straße mit 16% Steigung, aber hier scheinen mir einige noch ein bisschen steiler zu sein.
Natürlich fängt es zwischendurch immer mal wieder zu regnen an und irgendwo ist in wenigen Kilometern eine Unterkunft angekündigt. Natürlich ziehen pünktlich Gewitterwolken auf und als ich noch 2 km vom Hawange Resort entfernt bin, geht direkt darüber ein Gewitter nieder und zieht in meine Richtung.
Am Straßenrand befindet sich ein kleiner Verkaufstand mit Seitenwänden aus zusammengedengelten Wellblechstücken. Drei Kinder stehen davor und sagen, ich könne jetzt nicht weiterfahren. Das Gewitter sei viel zu gefährlich und ich solle zu ihnen in die Hütte kommen. Da ich der gleichen Meinung bin, nehme ich ihr Angebot an. Erst wollen sie mein Fahrrad mit in ihre etwa 2,50x2,50 Meter große Hütte nehmen, aber ich versichere ihnen, dass meine Packtaschen absolut wasserdicht sind und wir stellen es nur hinter die Hütte, die an einem Hang liegt. Die drei Kinder sind 15, 14 und 8 Jahre alt und verkaufen hier ein bisschen Obst und Süßigkeiten.
Nach wenigen Minuten hat das Gewitter die Hütte erreicht und es schüttet wie aus Eimern. Von oben laufen Rinnsäle durch die Löcher im Dach, von den Seiten bläst der heftige Wind das Wasser waagrecht durch Löcher und Ritzen und unten läuft von der Bergseite nach 10 min der Schlamm in die Hütte. Mit Spitzhacke, Spaten und Machete versuchen die Kinder, Wasser und Schlamm auf der Talseite wieder ablaufen zu lassen.
Ich denke an Ermelo, wo ich an Heiligabend an einer Siedlung vorbeifuhr, in der Tausende von Menschen unter diesen Bedingungen leben.
Als der Regen nachlässt und absehbar ist, dass ich bald fahre, fragt mich der Älteste, ob ich ihm helfen könne. Er brauche ein Telefon und das koste 300 Rand (20 Euro). Ich antworte, das sei ein bisschen viel, aber weil sie mir geholfen haben, gebe ich ihnen 50 Rand. Da sie mich sehr freundlich verabschieden und nachwinken, lag ich vermutlich noch zu hoch mit meiner "Spende", aber ich denke (hoffe), es war noch im Rahmen. Sie hatten mir ja wirklich aus einer prekären Situation geholfen und vielleicht gehören sie zu den ca. 100.000 AIDS-Waisen im Land. Swaziland hat nur etwa 1 Mio. Einwohner und die höchste AIDS-Rate der Welt.
Nachdem ich im Hawange Resort einen Bungalow bekommen habe, kommt eine Reisegruppe an. Es gibt daher abends Büffet und ich kann mich richtig sattessen. Es ist auch das erste Mal, dass ich heute etwas esse. Für all die Menschen in den Blechhütten ist so etwas wohl normal, dass man nur einmal isst, aber so viel essen, wie man mag, ist wohl eher nicht drin.
In der Nacht regnet es wieder stundenlang. Durch das Strohdach fällt immer mal wieder ein Tropfen in mein Gesicht oder auf den Arm. Wie viele Menschen wären wohl froh, wenn es nur ein paar Tropfen wären und würden gerne mit mir tauschen? Und wie viele Touristen würden sich wegen der paar Tropfen wohl noch beschweren?
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