THEMA: Weihnachten in Amsterdam ...
06 Feb 2017 00:33 #462618
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... ab 10 Uhr morgens steht die Sonne schon so senkrecht am Himmel, dass eine Orientierung auf diese Weise kaum noch möglich ist, also frage ich häufig nach. An diesem ersten Tag fahre ich sicherlich die doppelte Strecke als nötig gewesen wäre, wenn ich den kürzesten Weg gefunden hätte.
Bis Springs folgt eine Ortschaft auf die nächste und als ich um 16 Uhr dort bin, denke ich, ich könne noch ein Stückchen fahren. Natürlich ist die Strecke weiterhin nicht ausgeschildert und ich frage einige Leute, die mich aber alle auf eine Art Autobahn schicken wollen. Als ich eine Polizeistreife frage und die mich auch auf diese Straße schicken, fahre ich schließlich dort entlang. Natürlich kommt jetzt ewig kein Dorf und keine Abfahrt mehr und es dämmert bereits. Es ist bereits nach 19 Uhr, als ich die Abfahrt nach Devon erreiche. Das Foto von der Autobahnabfahrt mache ich am nächsten Morgen ...




In Devon erreiche ich eine Tankstelle und frage, ob es im Dorf eine Unterkunft gibt. Ein Tankwart erzählt mir von einer Unterkunft namens "Grasdag" (= Grasdach) und zeigt mir die Richtung. Er meint, nach einigen hundert Metern käme ein Schild, welches nach rechts zeige.
Es kommt auch ein Schild, welches aber in Richtung einer Unterkunft namens "Devonshire Inn" weist. Mangels Alternative schlage ich diese Richtung ein und ereiche die Anlage im letzten Tageslicht. Wie sich bald rausstellt, nennen die Einheimischen die Anlage "Grasdag", weil das Gebäude ein Strohdach besitzt.
Wie soll man denn darauf kommen, wenn man vorher nicht weiß, dass das Gebäude ein Strohdach hat? Egal, habe es ja zufällig gefunden ...

Am nächsten Morgen habe ich ein geschwollenes und schmerzendes Handgelenk. Ob es Überlastung ist oder ich es mir in einem Schlagloch verstaucht habe, weiß ich nicht. Radfahren ist jedenfalls unmöglich und so gehe ich zu Fuß in das Dorf. Gegen Mittag wird es mir zu heiß und ich finde eine kleine Kneipe, die ich kurzentschlossen entere.

Ein weißer Südafrikaner aus dem "Nachbardorf" (so 30-40 km entfernt) lädt mich auf ein Bier ein. Mein Blick fällt auf ein Schild an der Wand ...




"Ok", denke ich mir, "man hilft ja, wo man kann", nehme die Einladung an und unterhalte mich eine Weile mit ihm. Er fragt mich, ob ich unterwegs Probleme gehabt hätte und sagt, es gäbe viel Kriminalität. Ich nehme es nicht so wirklich ernst, aber denke am Ende meiner Reise nochmal drüber nach ... ;-)

Am nächsten Tag ist das Handgelenk wieder einigermaßen ok und ich setze die Tour fort. In Leandra will ich irgendwo Wasser kaufen und vor den Läden lungern doch zahlreiche zwielichtige Gestalten herum. Eine Tankstelle scheint geeignet, um mein Fahrrad davor stehen zu lassen und im dazu gehörenden Shop etwas zu kaufen, aber hier gibt es nur Cola, Fanta und solches Zeug. Schließlich finde ich einen kleinen indischen Supermarkt, wo ich das Fahrrad kurzerhand mit hinein nehme und drei Liter Wasser kaufen kann.
Das letzte Gebäude der Kleinstadt ist ein nett ausschauender Pub, wo ich in der Mittagshitze einkehre, bevor ich wieder für Stunden auf die Strecke gehe.

Es ist niemand in der Kneipe, auch kein Personal. Ich warte einige Minuten, bevor ich irgendwo auf dem Tresen einen verdrehten Rubik's Cube entdecke. Ich habe ihn gerade in die Hand genommen, als die Barfrau kommt und ich ein Bier bestelle. Während sie es holt, beginne ich, den Würfel wieder zu sortieren.
Sie stellt mir das Bier hin und legt direkt den Kassenzettel daneben. Noch vor dem ersten Schluck lege ich ihr den Würfel wieder geordnet auf den Tresen und sie ist völlig fassungslos. Wenn sie es nicht selbst gesehen hätte, würde sie es nicht glauben, sagt sie. Dann nimmt sie den Kassenzettel wieder weg, knüllt ihn zusammen und meint, das Bier müsse ich nicht bezahlen.

Auch sie fragt mich, ob ich denn unterwegs noch keine Probleme gehabt hätte. Sie werde regelmäßig belästigt, wenn sie in die Stadt gehe. Dass jemand mit dem Fahrrad reist, hat sie auch noch nie gesehen und als ich aufbreche, macht sie noch ein Foto von mir ...
Anhang:
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06 Feb 2017 21:05 #462705
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... es folgt ein Beitrag ohne Fotos ...

Heute ist Heiligabend und bei geschätzt 25 Grad und Nieselregen angenehm kühl im Vergleich zu den letzten Tagen. Es sind nur relativ flache 50 km bis Ermelo, das aus der Ferne relativ groß aussieht. Als ich näher komme, erkenne ich, dass es eine riesige Siedlung aus oft verrosteten Wellblechhütten ist, an der ich etwa einen Kilometer entlang radle. Von der Straße weg ist die Ausdehnung noch größer und zieht sich einen sanften Hügel hoch. Auch die Straße selbst geht leicht bergauf. Die eigentliche City von Ermelo kommt erst nach dem leichten Hügel und kann ich momentan noch gar nicht sehen.

Ich komme mittags an, schaue mich ein bisschen um und suche eine Unterkunft. Das ist gar nicht so einfach, weil viele Unterkünfte über Weihnachten geschlossen haben, aber irgendwo finde ich etwas. Neben modernen Geschäften und einer Mall mit großem Supermarkt findet man hier aber auch richtiges Marktleben, ganz einfache afrikanische Bars und einen Busbahnhof, wo das Leben tobt. Das gefällt mir recht gut und ich beschließe, einen weiteren Tag zu bleiben. Als ich am nächsten Morgen bezahlen will, funktioniert meine Kreditkarte nicht mehr, die am Vortag noch ok ist. Ich zahle die Unterkunft in bar und habe nun noch 100 Rand (~ 7 Euro) in der Tasche und zwar ausreichend Euro, die aber niemanden interessieren.

Wenn man dem Zufall Gelegenheit gibt, muss man halt auch damit rechnen, dass er sie nutzt. ;-)

Ich mache mich mit 200 Euro in bar auf den Weg und schaue mal, was sich so machen lässt. Wenn der erste Weihnachtsfeiertag auch noch auf einen Sonntag fällt, sind die Chancen ja nicht so üppig, aber ich bin ja in Afrika und bislang fand sich auf etlichen Reisen für jedes noch so ungewöhnliche Problem eine Lösung.
In der Stadtmitte gibt es einige indische Geschäfte und die Inder arbeiten auch am Wochenende und Weihnachten interessiert sie auch nicht. Da ich schon häufig in indischen Supermärkten oder bei Schneidern Geld getauscht habe (übrigens nie schlechter als zum offiziellen Kurs und immer ohne versuchte Tricks), sehe ich eine Chance. Ich frage in 5-6 Läden, ob man weiß, wo man hier Geld tauschen könne, bis ich endlich Erfolg habe. Ein Pakistani meint schließlich, er könne mir vielleicht helfen und ruft seinen Chef an.

Weil er selbst die Euro-Währung gar nicht kennt, macht er Fotos von einem Schein und schickt diese an seinen Chef. Derweil prüft er mit einer UV-Lampe die Geldscheine, rubbelt mit einem angefeuchteten Finger drüber, um sicherzugehen, dass ich sie nicht selbst gemacht habe und hält sie gegen das Licht. Einer seiner Kollegen schaut auch noch mal drüber und dann kommt das Angebot vom Chef - Kurs 1:17. Besser gehts ja kaum. Der finanzielle Engpass ist somit erst einmal behoben.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag radle ich weiter und erreiche eine Kleinstadt namens Amsterdam (der seltsame Titel des Threads ergibt nun plötzlich Sinn). Die einzige Unterkunft hier nimmt tatsächlich nur Bargeld und am nächsten Tag geht es weiter nach Swaziland. Auch hier werde ich wohl ohne Bargeld nicht weiterkommen, denke ich.

Amsterdam gefällt mir nicht sonderlich. Die meisten Geschäfte werden von Chinesen betrieben und sie wirken fast ausnahmslos unfreundlich und die Preise scheinen mir auch höher als bei Indern oder Afrikanern.
Die Unterkunft ist offiziell geschlossen, aber es hängt eine Telefonnummer für den Notfall am Eingang. Leider hängt kein Telefon daneben und so drücke ich einfach mal auf die Klingel.
Es ist jemand anwesend und ich bekomme ein Zimmer. Das Zimmer ist zugleich das größte und billigste meiner Reise und die Anlage groß und gepflegt. Der Mann, der offenbar zur Familie der Eigentümer gehört, erinnert mich in seiner Art sehr an den verstorbenen Moose aus Solitaire/Namibia.

Die nächste Etappe bringt mich nach Swaziland ...
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07 Feb 2017 21:13 #462825
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... ich verlasse die Unterkunft um 8:30 Uhr bei wolkenlosem Himmel und bereits abartiger Hitze. Wenn um diese Uhrzeit schon ein Drittel der Einheimischen einen Regenschirm als Sonnenschutz verwendet, spricht das wohl für sich.
Die Landschaft wird hügeliger und es geht von Beginn an bergauf. Zum Glück ziehen langsam leichte Wolken auf, die die Hitze etwas erträglicher machen.




Es wird langsam steiler und die 17 km bis zur Grenze geht es zum größten Teil bergauf. Der Grenzübertritt erfolgt völlig problemlos und der Grenzbeamte gibt mir noch eine Infobroschüre über Swaziland mit auf den Weg. Auf Nachfrage erklärt er mir, dass ich in Swaziland auch in Rand zahlen kann und nicht unbedingt Lilangeni benötige.
An der Grenze haben sich die Wolken schon langsam zu einer dunklen Front verdichtet und ich überlege kurz, ob ich die in der Nähe befindliche Kneipe aufsuchen und den absehbaren Regenguss abwarten soll, doch ich fahre weiter. Direkt nach der Grenze geht es steil bergab. Die wenigen Menschen grüßen freundlich und dann wird es langsam einsamer.

Aus den winzigen Siedlungen mit einer handvoll Hütten oder kleinen Häusern laufen immer wieder bettelnde Kinder zur Straße, wenn ich bergauf fahre. Die Straße wird oft so steil, dass ich längere Passagen schieben muss. Unterwegs noch ein Relikt aus der noch nicht so lange vergangenen Zeit, bevor Mobiltelefone populär wurden.




Mehr Fotos sind an diesem Tag aufgrund des Wetters nicht mehr möglich. Die Wolken werden immer dunkler und bereits vor dem Mittag kommt es zu einem Gewitter in der Region vor mir. Hinter mir braut sich auch eines zusammen und die beiden verbinden sich zu einem großen. Schließlich radle ich so zwei Stunden durch Gewitter und heftigen Regen. Es gibt unterwegs nichts, um sich irgendwo unterzustellen und zwischen Blitz und Donner vergehen oft nur 2-3 Sekunden. Als ich Bhunya erreiche, suche ich eine Unterkunft. Ein Streifenwagen hält im strömenden Regen an und der Beifahrer erklärt mir, dass es hier keine Unterkunft gäbe. Ich müsste in Richtung Manzini oder Mbabate weiterfahren. Eigentlich reicht es mir für heute, aber es bleibt mir ja nichts anderes übrig.

Da in Richtung Mbabate ein noch heftigeres Gewitter tobt, fahre ich in Richtung Manzini, wo es auch wieder etwas flacher wird. In einer Ortschaft auf der Strecke liegt eine Unterkunft, aber irgendwie reicht es mir schon, die von außen zu sehen und ich fahre weiter. Einige Zeit später liegt auf freier Strecke plötzlich eine Unterkunft mit Restaurant entlang der Straße und da sich schon wieder schwarze Wolken zusammenziehen, frage ich nach einem Zimmer und buche mich ein. Das Zimmer ist praktisch eine komplette Ferienwohnung.






Nach einer Dusche und in trockenen Klamotten gehe ich die 20 Meter zum dazu gehörenden Restaurant und bestelle etwas zum Essen. Und dann kommt schon wieder das nächster Gewitter. Zeitweise blitzt und donnert es gleichzeitig und ziemlich gewaltig, wie ich es noch nie erlebt habe. Dazu kommen Wassermassen vom Himmel, dass man nur noch staunen kann.

Nach dem Essen begebe ich mich in einer kurzen Fast-Regenpause in mein Zimmer. Einige Male fällt der Strom aus und ich staune, dass es jedesmal nach kurzer Zeit wieder welchen gibt. Die Taschenlampe liegt natürlich jede Nacht griffbereit neben dem Bett ...
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08 Feb 2017 22:36 #463005
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... am nächsten Morgen erreiche ich schnell die T-Kreuzung und die Entscheidung, weiter über Manzini in Landesinnere zu fahren oder über die Hauptstadt Mbabate wieder gen Westen zu radeln. Aufgrund der vielen Gewitter entscheide ich mich für die zweite Variante. Der Regen ist mir ja egal und ich trage auch keine Regenjacke, weil ich die Kühlung von oben als angenehm empfinde, aber die Blitzschlaggefahr auf dem Rad ist mir einfach zu hoch.

Ich bin viel schneller in Mbabate als ich denke, aber die letzten 7 km geht es wieder über Autobahn und ununterbrochen steil bergauf und die Sonne knallt heftig runter. Teilweise muss ich schieben.

Irgendwo auf dem Standstreifen steht ein Lieferwagen und der Fahrer -ein in Swaziland lebender Äthiopier- fragt mich, ob ich mitfahren möchte. Er lasse nur gerade seine Bremsen abkühlen und gleich ginge es weiter. Wenn schon bergauf die Bremsen überhitzen, dann kann der technische Zustand ja wohl nicht ganz mangelfrei sein und ich lehne ab.
Er erzählt mir von der Kriminalität in Südafrika und meint, er fahre regelmäßig nach Johannesburg. Hier in Swaziland könne ich bedenkenlos radeln, aber ab der Grenze solle ich per Bus fahren oder per Anhalter mit jemandem, der ein Kennzeichen von Swaziland hat. Mit dem Fahrrad sei das dort viel zu gefährlich.

Um die Mittagszeit erreiche ich Mbabate, finde 'nen Bottlestore und kaufe 'ne Flasche kaltes Bier. Ich setze mich in der Fußgängerzone in den Schatten und freue mich.
Jedenfalls so lange, bis ein Polizist vorbeikommt und mich mit auf die Wache nimmt. Das Trinken von Bier in der Öffentlichkeit ist verboten. Das habe ich leider nicht gewusst, sonst hätte ich es auch bleiben lassen.
Er droht mir 500 Rand (~35 Euro) Strafe an und ich muss vorweisen, dass ich den Betrag habe. Andernfalls, so droht er, müssten wir zum Hauptquartier.
Letztlich belässt er es bei einer Verwarnung, lässst mich das Geld wieder einstecken und das sichergestellte Bier auskippen.
Again what learned.

Ich verlasse die Hauptstadt und radle weiter durch hügeliges Gelände mit für das Fahrrad eindeutig zu steilen Straßen. Ich wohne selbst an einer Straße mit 16% Steigung, aber hier scheinen mir einige noch ein bisschen steiler zu sein.










Natürlich fängt es zwischendurch immer mal wieder zu regnen an und irgendwo ist in wenigen Kilometern eine Unterkunft angekündigt. Natürlich ziehen pünktlich Gewitterwolken auf und als ich noch 2 km vom Hawange Resort entfernt bin, geht direkt darüber ein Gewitter nieder und zieht in meine Richtung.

Am Straßenrand befindet sich ein kleiner Verkaufstand mit Seitenwänden aus zusammengedengelten Wellblechstücken. Drei Kinder stehen davor und sagen, ich könne jetzt nicht weiterfahren. Das Gewitter sei viel zu gefährlich und ich solle zu ihnen in die Hütte kommen. Da ich der gleichen Meinung bin, nehme ich ihr Angebot an. Erst wollen sie mein Fahrrad mit in ihre etwa 2,50x2,50 Meter große Hütte nehmen, aber ich versichere ihnen, dass meine Packtaschen absolut wasserdicht sind und wir stellen es nur hinter die Hütte, die an einem Hang liegt. Die drei Kinder sind 15, 14 und 8 Jahre alt und verkaufen hier ein bisschen Obst und Süßigkeiten.

Nach wenigen Minuten hat das Gewitter die Hütte erreicht und es schüttet wie aus Eimern. Von oben laufen Rinnsäle durch die Löcher im Dach, von den Seiten bläst der heftige Wind das Wasser waagrecht durch Löcher und Ritzen und unten läuft von der Bergseite nach 10 min der Schlamm in die Hütte. Mit Spitzhacke, Spaten und Machete versuchen die Kinder, Wasser und Schlamm auf der Talseite wieder ablaufen zu lassen.

Ich denke an Ermelo, wo ich an Heiligabend an einer Siedlung vorbeifuhr, in der Tausende von Menschen unter diesen Bedingungen leben.

Als der Regen nachlässt und absehbar ist, dass ich bald fahre, fragt mich der Älteste, ob ich ihm helfen könne. Er brauche ein Telefon und das koste 300 Rand (20 Euro). Ich antworte, das sei ein bisschen viel, aber weil sie mir geholfen haben, gebe ich ihnen 50 Rand. Da sie mich sehr freundlich verabschieden und nachwinken, lag ich vermutlich noch zu hoch mit meiner "Spende", aber ich denke (hoffe), es war noch im Rahmen. Sie hatten mir ja wirklich aus einer prekären Situation geholfen und vielleicht gehören sie zu den ca. 100.000 AIDS-Waisen im Land. Swaziland hat nur etwa 1 Mio. Einwohner und die höchste AIDS-Rate der Welt.

Nachdem ich im Hawange Resort einen Bungalow bekommen habe, kommt eine Reisegruppe an. Es gibt daher abends Büffet und ich kann mich richtig sattessen. Es ist auch das erste Mal, dass ich heute etwas esse. Für all die Menschen in den Blechhütten ist so etwas wohl normal, dass man nur einmal isst, aber so viel essen, wie man mag, ist wohl eher nicht drin.

In der Nacht regnet es wieder stundenlang. Durch das Strohdach fällt immer mal wieder ein Tropfen in mein Gesicht oder auf den Arm. Wie viele Menschen wären wohl froh, wenn es nur ein paar Tropfen wären und würden gerne mit mir tauschen? Und wie viele Touristen würden sich wegen der paar Tropfen wohl noch beschweren?

...
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08 Feb 2017 22:53 #463008
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Hallo Wolfgang,
vielen Dank für diesen Bericht. Die andere Perspektive (und da meine ich nicht nur vom Fahrrad aus) gefällt mir sehr gut. Es gibt ja hier im Forum immer wieder Diskussionen über die Verhältnismäßigkeiten. Ich hätte den Jungs wahrscheinlich das gesamte gewünschte Geld gegeben. Ich verstehe auch die Problematik bei solchen "Spenden". Aber ich kann mit solchen Bedingungen sehr schlecht umgehen.
Viele Grüße

Sasa
Die Freiheit des Einzelnen endet da, wo seine Faust die Nase eines anderen trifft.
3 Generationen zum ersten Mal auf Pad, Namibia 2016:
www.namibia-forum.ch...a-erstlingstour.html
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08 Feb 2017 23:44 #463015
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Sasa schrieb:
Es gibt ja hier im Forum immer wieder Diskussionen über die Verhältnismäßigkeiten. Ich hätte den Jungs wahrscheinlich das gesamte gewünschte Geld gegeben. Ich verstehe auch die Problematik bei solchen "Spenden". Aber ich kann mit solchen Bedingungen sehr schlecht umgehen.

... das ist auch für mich immer wieder schwierig und man trifft auf völlig verschiedene Erwartungshaltungen. Somit ist es völlig normal, dass man auch mal danebenliegt.

Beispiel 1:
Ich wollte eine Strecke per Anhalter fahren und es hielt jemand an. Ich fragte, was er als Kostenbeteiligung haben wollte und er nannte einen Betrag von umgerechnet z.B. 20 Euro. Ich habe geantwortet, dass es mir zu viel sei und ihn fahren lassen.
Der Nächste war dann wieder ganz erstaunt und meinte, er fahre ja eh dort entlang. Ich solle einfach einsteigen und es kostet nichts.
Dazwischen gibt es ja jede Menge Nuancen.


Beispiel 2:
Ich bin in Ghana mal in ein kleines Dorf gekommen und habe eine Kneipe gefunden. Dort habe ich gefragt, ob es ein Restaurant und eine Übernachtungsmöglichkeit gäbe. Beides wurde verneint.
Der Besitzer hat mir 'nen Eimer Wasser bringen lassen, damit ich mich waschen konnte und ich durfte mein Zelt neben seiner Kneipe aufbauen.
Dann hat er gefragt, was ich essen wolle und ich habe geantwortet, dass es mir egal sei, so lange weder Fisch noch Fleisch noch Huhn dabei wäre (um unliebsame Überraschungen zu vermeiden). Er hat seine Frau zum Markt geschickt und dann hat sie gekocht. Nach zwei Stunden kam er mit zwei Töpfen an meinen Tisch und servierte mir Kochbananen, Paprika, hartgekochte Eier und Bitterleaf und meinte, ich solle versuchen, alles aufzuessen.

Als ich am Ende fragte, was ich dafür bezahlen müsse, war er fast beleidigt. Die Getränke müsse ich bezahlen, weil das sein Job sei. Das Essen wäre Gastfreundschaft.

Jede Situation dieser Art ist eine neue und man kann jedes Mal etwas falsch machen. Wenn man den Menschen auf Augenhöhe begegnet, dann kommt aber meist ein Ergebnis raus, was für beide Seiten ok ist. Das Verdienstgefüge im Land sollte man dabei ungefähr im Auge haben.

Gruß
Wolfgang
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