Zwangsaufenthalt in Gweta
Da sich die Beifahrertür nicht öffnen ließ, krochen wir beide auf der Fahrerseite raus.
Aus dem kleinen Auto krabbelten fünf Personen, drei Frauen, ein Kind und der Fahrer. Allem Anschein nach alle unverletzt. Der Mann lief auf uns zu und schrie: „You drive too slowly“. Spontan schrie ich zurück: „And you drive like an idiot"– woraufhin sich seine Mutter, seine Schwester und seine Frau wie die Harpyien auf mich stürzten und mich beschimpften, hatte ich doch den Ernährer als Idioten bezeichnet.
Während ich hektische, kopflose und aufgeregte Versuche startete, das Satellitentelefon in Gang zu bringen, stellte C. ganz souverän und gelassen die Warndreiecke auf, ohne sich um das Gekeife der Unfallgegner zu kümmern, fotografierte beide Autos von allen Seiten und die Bremsspuren. Ich bat einen anhaltenden PKW-Fahrer in Gweta die Polizei zu verständigen, da ich per Mobiltelefon keinen Empfang hatte. Dann wuchteten wir gemeinsam den High-Lift-Jack -Wagenheber raus, um den Reifen zu wechseln. Gweta war ca. 10 km entfernt und so dauerte es nicht sehr lange, bis die Polizei – zwei an der Zahl – ankam. Nach kurzem Palaver zwischen uns, den beiden Männern und dem Fahrer des anderen Unfallbeteiligten, half ein Polizist erst uns, den Reifen zu wechseln. Mithilfe des Werkzeugs von einem LKW-Fahrer, der angehalten hatte, gelang es auch, das kleine Auto so zusammenzukloppen, dass wir im Konvoi nach Gweta zockeln konnten.
Glücklicherweise war niemand verletzt. Nur bei mir zeigte sich später eine Prellung über meinem „Balkon“ vom Sicherheitsgurt.
Bei der Polizeistation angekommen, wurde dann ein Protokoll erstellt. Erschwert durch Sprachprobleme dauerte das sehr lange, schließlich bat mich der Polizist, den Hergang selbst auf Englisch aufzuschreiben und übernahm den Text ins Protokoll. In einem weiteren Büroraum musste dann noch ein Fragebogen ausgefüllt und die Bestandsaufnahme der Schäden protokolliert werden..
Schließlich führten wir ein Telefonat mit Travel Adventure in Maun, in dem man uns riet, die Verantwortung für den Unfall zu übernehmen, da wir ja schließlich jemanden hintendrauf gefahren wären. Das lehnten wir ab. Es folgte schließlich ein endloses Palaver über das weitere Vorgehen und endlich der Beschluss, den ein hinzugekommener Polizist in Zivil – wohl der Chef – verkündete: Die Autos sollten am Montag einer Inspektion durch einen Sachverständigen, der aus Maun angereist käme, unterzogen werden. Der Polizeioffizier wollte von uns eine Garantie, dass wir mit dem Landcruiser (kaputtes Licht, verzogene Lenkung…) nicht abhauen würden. Ich schlug vor, auf dem Gelände der Polizeistation zu kampieren. Gelächter. C. schlug vor, sein kostbarstes Gut (neben seiner Frau), die Kamera, als Pfand dazulassen. Das wollten die auch nicht. Dieses Gespräch verlief zwar freundlich und lustig, aber ich hörte dahinter auch immer den Subtext – „wir können auch anders“. Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet.
Schließlich fuhren wir in dem bei jeder Lenkbewegung aufkreischenden Landcruiser, eskortiert von zwei Polizisten, zur nahegelegenen Gweta-Lodge. Die sehr freundliche und hilfsbereite Mitarbeiterin Una zeigte uns einige Unterkünfte, aus denen wir schließlich das ansprechendste nahmen. Sogar ein Dinner konnte sie uns anbieten – schließlich hatten wir seit morgens außer ein paar Keksen, Tee und Wasser nichts zu uns genommen. Die von Busko in jedem seiner RBs mantraartig angepriesenen OUMA-Buttermilchrusks hatten sich aber als so lecker wie wie nahrhaft erwiesen
Wir räumten fast alles aus dem Auto ins Zimmer, duschten, aßen Hühnchen mit Gemüse und Kartoffeln und tranken - mit Erlaubnis - unseren eigenen Wein (Alkoholausschankverbot galt noch). Una setzte sich zu uns ans Feuer und wir unterhielten und lange über Covid, die desaströsen Folgen für den Tourismus, die neokolonialen Bestrebungen der Chinesen – es war sehr nett und aufschlussreich.
Aufschlussreich war auch das Benehmen der Eigentümerfamilie des Betriebes, von denen sich keiner um uns kümmerte. Sie hatten ihre eigene Art, den Coronafrust zu bekämpfen, denn sie saßen jeden Abend an der Bar und vernichteten die Alkoholvorräte der Lodge bis einer von ihnen vom Barhocker fiel, sich aufrappelte und mit glasigem Blick an uns vorbei zu seiner Unterkunft taumelte. Die lag zwei Zimmer von uns entfernt. Im Zimmer dazwischen fehlte die Glasfront, gegen die gestern „jemand“ (lt. Una) mit dem Auto gebrettert war.
Wir waren die einzigen Gäste.
Am Sonntagmorgen kam tatsächlich der Offizier (Sergeant – wie wir später erfuhren), um zu kontrollieren, ob wir noch da sind. Wir sollten am Montagfrüh um sieben Uhr zur Polizei kommen, da die Autos dann „inspiziert“ würden. Das Ersatzfahrzeug käme leider erst gegen 9.30 Uhr.
So langweilten wir uns den kompletten Tag – zu fotografieren gab es nur Hühner.
C. schlief sehr viel – ihn hatte das doch mehr mitgenommen als gedacht und ich versenkte mich in „Kalmann“ von J.B. Schmidt, das auf Island spielt – so weit wie möglich weg von hier…. Zum Glück hatte ich meinen e-reader mitgenommen.
Am späten Mittag schlenderte einer der Besitzersöhne im schmuddeligen Pullover und Pyjamahose – die hatte er gestern Abend auch schon an, als er vom Barhocker fiel -, Weinglas in der Hand, aus seinem Zimmer zielstrebig Richtung Bar.
So stimmte Unas gestrige Bemerkung „May be he sleeps on the doorstep“ nicht ganz…
Am Montagfrüh waren wir um 6.50 Uhr an der Polizeistation und erlebten mal an diesem Ort einen Sonnenaufgang
Man bat uns zu warten, wir beobachteten den zackigen Fahnenappell mit viel Fußgestampfe.
Schließlich kam der Sergeant wieder und teilte mit, dass die Inspektion des Landcruisers in Maun geschehen müsse, der Gutachter sei „not able to come“. Das Ersatzfahrzeug käme um 9.00 Uhr. Da sollten wir wiederkommen.
Wir frühstückten in der Lodge, ordneten unsere Klamotten und fuhren um 9.00 mit dem kreischenden, ächzenden Auto wieder zur Polizei.
Während des Wartens auf das Ersatzfahrzeug unterhielten wir uns sehr lange mit dem plötzlich sehr zugewandten, freundlichen Sergeanten über Gott, die Welt, Corona und die Aussichten, damit zukünftig leben zu müssen und über China – auch über letztere waren wir uns einig. Wir sprachen über die Pflanzen und Bäume auf dem Gelände der Polizeistation – alles sehr nett und ohne die drohenden Untertöne, die ich gestern zu hören geglaubt hatte. Als ich ihm sagte, es täte mir leid, dass ich den Unfallgegner einen Idioten genannt hatte, sagte er sehr langsam und genüsslich: „An idiot is an idiot“ und verriet, daß der auch im Protokoll als erstes angegeben hatte, wir seien zu langsam gefahren, so dass er uns habe überholen
müssen.
Ein Fahrer von Travel Adventure kam sehr pünktlich mit einem fast identischen Landcruiser. Wir luden das Equipment um, kontrollierten das Auto auf Schäden, fanden einen Chip in der Windschutzscheibe - von einem vorausfahrenden Laster auf dem Weg nach Maun nach Gweta verursacht -, wünschten dem Fahrer viel Glück für die Rückfahrt mit dem defekten Auto (er ist tatsächlich heil angekommen), fuhren zur Lodge zurück und räumten unsere Sachen ein. Die Verabschiedung von Una fiel sehr herzlich aus. Ich schenkte ihr für ihren großen Sohn meine heißgeliebten Courteney-Lederboots aus Simbabwe
hier ein Abschiedsfoto
– sie waren mir eh immer etwas zu groß gewesen -, ein nagelneues gelbes Poloshirt, das ihr viel besser stand als mir und das Setswana-Deutsch-Wörterbuch, über das sie sich ganz besonders freute.
Sie ist eine patente, herzliche Person, vermittelte mehrere Telefonate mit dem Autovermieter und versuchte immer wieder, uns aufzumuntern.
noch ein Abschiedsfoto
Dann zogen wir los Richtung Nata.
Das erneute Fahren auf der schlimmen Piste war die ersten paar Kilometer sehr beängstigend für mich.