Noch vor unserer Campsite trafen wir am Khwai auf eine Elefantenherde mit ein paar Jungtieren, die in den feuchten Flussauen stand und fraß. Die Kleinen spielten miteinander, rupften Gras wie die Erwachsenen und tranken zwischendurch etwas Milch bei ihrer Mutter.
Auf der Suche nach unserem Stellplatz fuhren wir am Fluss entlang und kamen an anderen Campsites vorbei. Die Nummer 4 war von vier Leuten besetzt. Als wir um ein Gebüsch bogen, trauten wir unseren Augen nicht. Drei von ihnen saßen mit Badeanzügen zwischen Campsite und Fluss in einem aufblasbaren Planschbecken und kühlten sich ab. Wir waren so perplex, dass wir ihnen lediglich zuwinkten und weiterfuhren. Erst ein paar Sekunden später realisierten wir, was wir gerade gesehen hatten: Ein Planschbecken am Khwai. Im Nachhinein bedauern wir zutiefst, die Leute nicht um die Erlaubnis für ein Foto gefragt zu haben. Das glaubt uns doch kein Mensch! So etwas werden wir dort wohl nie wieder zu Gesicht bekommen.
Wir brauchten ein bisschen, bis wir unseren Stellplatz Nummer 2 gefunden hatten. Der große, staubige Platz lag nicht am Fluss, sondern etwas abseits unter großen Akazien. Das Toiletten-Gebäude auf der Wiese war ebenfalls noch nicht fertiggestellt, und so hob Michael ganz motiviert neben einem umgestürzten Baumstamm ein Loch für unseren Toilettengang aus. Etwas enttäuscht war er dann, als niemand von uns diesen Donnerbalken auf dem Präsentierteller benutzen wollte. War die Stelle doch von allen Seiten, außer von unserer Site ziemlich einsehbar. Stattdessen verschwand Ruth hinter einem Busch und trat sich dabei einen Dorn durch ihre Crocs in den Fuß, der beim Herausziehen abbrach. Na wunderbar! Same procedure as every year: Sie humpelte zurück zum Auto und war in den nächsten zehn Minuten leider nur mit mäßigem Erfolg damit beschäftigt, den Holzsplitter aus ihrem Fuß herauszupopeln.
Wir richteten uns provisorisch auf dem Stellplatz ein und klappten die Dachzelte auf, da wir uns nach einer kurzen Brotzeit eigentlich zu einer verspäteten Mittagspause etwas hinlegen wollten.
Mit der Zeit zog sich der Himmel immer weiter zu, und es wurde dunkler.
Wir beeilten uns, aus Camembert, Brie, Butter, Zwiebeln und Gewürzen Obatzda zu knetschen. Dieser war gerade fertig, als die ersten Tropfen vom Himmel fielen. Obwohl wir gewettet hätten, dass die Wolken an uns vorbei ziehen, ging schließlich doch ein kurzer Schauer nieder. Schnell räumten wir alles ins Auto und klappten auch das Zelt wieder ein. Danach saßen wir im Wagen, aßen Schwarzbrot mit Obatzda und beobachteten das für uns so ungewohnte Wetter in Botswana. Während nicht viele, dafür aber dicke Tropfen auf unsere Scheibe klopften, operierte sich Ruth in einer langwierigen Aktion mit einer Splitterpinzette und feuchten Händen den abgebrochenen Dorn aus dem Fuß. Die Dame stellt sich da immer ein wenig an.
Nach der Pause brachen wir – immer noch von dunklen Wolken begleitet – zu einer Nachmittagspirsch entlang des Flusses auf.
Außer ein paar Elefanten und Wasserböcken waren dort aber nicht mehr viele Tiere zu entdecken.
Graufischer
Wir waren noch nicht weit gekommen, als wir an einer Stelle zwei offene Safari-Autos fernab des Weges sahen. Wir näherten uns vorsichtig und konnten bald erkennen, warum sie dort standen: Ein Rudel Wildhunde lag verteilt um ein Gebüsch herum. Wir stellten uns dazu und beobachteten die Hunde. Es war ein großes Rudel mit einigen Jungtieren.
Anfangs waren sie noch träge, wurden dann aber langsam munter, gähnten und sprangen umeinander.
Immer mehr Safari-Wagen trafen ein und rangierten wild umher. Die meisten waren dabei sehr rücksichtsvoll und versuchten, weder Hunde, noch andere Autos zu bedrängen. Ein wenig Mitleid hatten wir mit einem Guide, der seinen Gästen die Lebensweise der Hunde näherbringen wollte. Diese waren aber augenscheinlich gelangweilt und mehr an Chips, Erdnüssen und Getränken interessiert, die sie sich unter lautem Palaver von ihrem Fahrer reichen ließen.
Die Hunde wurden zusehends unruhiger und liefen schließlich in einer langen Reihe hintereinander zur nahegelegenen Wasserstelle um zu trinken. Auch der Autokorso setzte sich in Bewegung und folgte ihnen.
Durch die Wolken war das Licht bereits eine Stunde vor Sonnenuntergang sehr trüb. So verzichteten wir darauf, uns der Schlange am Wasserloch anzuschließen, wünschten den Hunden eine erfolgreiche Jagd/ Nacht und machten uns schon recht früh auf den Rückweg. Dieser frühe Rückzug sollte sich später noch als Glücksfall herausstellen.
Zurück an den Campsites sahen wir, dass der Stellplatz Nummer eins noch frei war. Dieser gefiel uns viel besser als unserer und lag auch näher am Wasser. Da wir davon ausgingen, dass heute keine weiteren Camper mehr eintreffen würden, zogen wir um und schlugen dort unser Lager auf. Besonders freuten wir uns über einsetzendes Löwengebrüll auf der anderen Flussseite.
In der Mitte des großen Platzes starteten wir die Vorbereitungen für das Abendessen: Wir machten Feuer, wickelten Kartoffeln in Folie, rührten Quark und Joghurt mit Knoblauch und Kräutern an. Helga und Michael schnitten Gemüse und dünsteten es in der Pfanne. Wieder zog der Himmel zu, und wir beobachteten sorgenvoll das Wetter. Wie nachmittags hofften wir, dass es kein Unwetter geben würde, als plötzlich von einem Moment auf den nächsten der Wind deutlich zunahm. Wir wussten gar nicht, wie uns geschah, als der aufkommende Sturm unsere Sachen vom Tisch wehte, Stühle umfielen und schließlich die volle Gemüsepfanne von Helgas Gaskocher kippte. Alles landete im Sand, und wir versuchten, möglichst schnell die Einzelteile an uns zu raffen und im Auto in Sicherheit zu bringen. Der Sturm wirbelte uns den Staub in die Augen, und die Funken unseres Feuers wurden weit in die Grasebene gepustet, so dass wir schon befürchteten, das ganze Veld in Brand zu stecken. Es war gar nicht so einfach, die Flammen zu ersticken. Wir zogen zwar die brennenden Scheite auseinander, der Sand, den wir darauf schaufeln wollten, wehte aber in alle Richtungen davon.
Zusammen mit dem Wind setzte auch wieder Regen ein. Diesmal fielen aber keine einzelnen Tropfen, sondern wahre Sturzbäche ergossen sich vom Himmel, und wir flüchteten ins Fahrzeuginnere, nachdem wir alles Schützenswerte ebenfalls irgendwo ins Auto geschmissen hatten. Da saßen wir nun im Dunkeln und spürten, wie der Sturm den Wagen hin- und herschaukelte. Um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten, stieg Uwe nochmal aus, um das Dachzelt herunterzuklappen. Die wenigen Handgriffe, die normalerweise in einer Minute erledigt sind, erwiesen sich an diesem Abend als unmöglich. Da der Wind von hinten kam, gelang es Uwe selbst unter Aufbietung aller Kräfte und unter Einsatz seines Körpergewichts nicht, das Zelt an dem langen Band herunterzuziehen. Erst als Ruth zu Hilfe kam und zusätzlich mit anpackte, konnten wir den Buschcamper schließen.
So etwas hatten wir noch nicht erlebt. Das Unwetter hatte etwas von einem Hexentanz. Windzerzaust, staubig und nass begann für uns zurück in der Fahrerkabine ein langer Abend. Dass es mit einem Abendessen nichts mehr würde, war ziemlich schnell klar. Das Gemüse lag im Sand, das Fleisch lag ungegrillt in einer Schüssel. Zwar stand der lecker angerührte Quark hinter uns auf dem Kühlschrank und verströmte einen zunehmenden Knoblauch-Geruch, aber unser Brot lag für uns unerreichbar hinten im Aufbau. Nun gut, ein verpasstes Abendessen würde uns nicht umbringen. Wir angelten uns stattdessen ein paar Getränke aus dem Kühlschrank und tauschten uns mit Helga und Michael per Funk aus, die ebenfalls in ihrem Auto gefangen waren.
Zu Regen und Wind gesellten sich bald die ersten Blitze. Zusammen mit dem Donner konnten wir gut beobachten, wie das Gewitter stetig näher kam. Hier am Khwai gefiel es ihm aber offensichtlich genau so gut wie uns, denn es wollte einfach nicht weiterziehen. Dies war auch der Grund, warum wir uns nicht einfach ins Zelt legten. Einen möglichen Blitzeinschlag in den Dachcamper wollten wir nicht unmittelbar unterhalb des Metalldaches erleben.
Während wir ein wenig ratlos im schaukelnden Auto verharrten, mäanderten die Scheinwerfer der letzten heimkehrenden Gamedrives in einiger Entfernung durch die dunklen Regenschwaden. Die Lichter zwischen den Bäumen hatten etwas Gespenstisches. Wir konnten uns gut vorstellen, wie es den armen Menschen auf den offenen Fahrzeugen erging und wie wohl die Stellplätze der anderen Camper aussahen, die nicht rechtzeitig zurück gewesen waren, um ihre Sachen in Sicherheit zu bringen. Während wir zumindest im Trockenen saßen, sahen wir auf den Nachbarcampsites Taschenlampenkegel durch den Regenguss wabern. Auch hier wurden in aller Hektik die Sachen geschnappt, die noch zu retten waren.
Wir starrten gebannt auf die immer näher kommenden Blitze, die in wildem Zickzack die Dunkelheit durchschnitten, und Michael gelang es sogar, ein paar von ihnen mit der Kamera einzufangen.
Mit der Zeit wurde uns kalt, und wir vermissten unsere warmen Schlafsäcke. Zum Glück hatten wir zum Schutz unseres Fotoapparates eine Decke untergelegt, die wir nun hervorzogen.
So dösten wir nach einigen Stunden des Blitze-Guckens immer wieder ein, bis uns der Knall eines besonders lauten Donners aufschreckte. Zwischendurch unterhielten wir uns mit Helga und Michael. Uwe bemerkte einen Balken Empfang auf dem Handy und schrieb eine SMS an die liebe Bele nach Deutschland, um sich nach der aktuellen Wettersituation zu erkundigen.
Als weit nach Mitternacht das Gewitter endlich ein Stück weitergezogen war und wir uns sicher genug fühlten, klappten wir die Zelte auf und krochen müde und erleichtert in die Schlafsäcke.
Kilometer: 100