Man kann sich bei diesem Thema anscheinend selbst im Namibia Forum schnell in die Nesseln setzen. Lugawe hat eine erfrischend neue, aber auch verstörend andere Perspektive aufgemacht und hat dafür Prügel einstecken müssen. Ich möchte ihn mal bedingt verteidigen. Losgelöst von der richtigerweise juristischen und moralischen Verurteilung eines Angriffskrieges lohnt es sich mE schon, zu spekulieren, warum Putin so gehandelt hat wie er gehandelt hat, auch im Hinblick darauf, wie in den nächsten Jahrzehnten Weltpolitik gestaltet werden sollte. Offensichtlich haben ja fast alle westlichen Politiker und deren Berater bis zum Tag des Angriffs versagt in der Vorhersage, was Putin umtreibt und wie er sich verhalten wird (vielleicht mit Ausnahme der amerikanischen Geheimdienste).
Ich spekuliere mal: neben territorialen Ansprüchen war die Aufnahme ehemaliger Warschauer Pakt Staaten in die Nato und die EU für Putin und seine Clique eine unerwünschte und in diesem Sinne bedrohliche Entwicklung. Dies hat er seit Jahren immer wieder kundgetan, und wir sollten ihm beim Wort nehmen. Dass nun selbst eine ehemalige Sowjet-Republik aus seinem Einflussbereich verschwinden möchte, war wohl für ihn zu viel zu ertragen, das Wort Demütigung trifft es wohl. Dies ist keine Rechtfertigung für sein Verhalten, nur eine Spekulation des "warum".
Die Ausweitung der Nato ist ja nicht nur die esoterische Verkündigung des Evangeliums, sondern auch kalte Machtpolitik im jahrzehnte-währenden Ringen um die Ausweitung und Zurückschlagung von Einflusssphären. Dass die Supermacht der freiheitlich demokratischen Welt nicht vor Völkerrechtsverletzungen zurückschreckt, um durch Waffengleichheit mit der kommunistischen Welt ebenso effektiv in der Durchsetzung ihres Einflusses sein zu können, macht beispielhaft dieser Zeitungsartikel deutlich:
www.welt.de/geschich...A-ueber-Leichen.html
Das Abstimmungsverhalten in der UN-Vollversammlung von 141 – 35 – 5 ist historisch betrachtet ein herausragender Erfolg für die Anerkennung des Völkerrechts. Trotzdem hat es 5 + 35 Staaten gegeben, die nicht das offensichtliche Verbrechen verurteilen wollten. Wir wissen aus vergangenen Abstimmungen, dass solche Abstimmungen interessen- und einflussgeleitet (nicht käuflich) sind, warum sonst sollte Belarus oder Syrien gegen die Resolution gestimmt haben. Genauso verhält es sich mit den Enthaltungen afrikanischer Regierungen, siehe diesen Zeitungsartikel
www.fr.de/politik/wi...agiert-91378772.html
Daher halte ich das Lugawe-Bashing nicht für gerechtfertigt, er verteidigt nicht Putins Verhalten, er hat uns nur mit der unangenehmen und beschämenden Seite der Welt-/Macht-Politik konfrontiert.