THEMA: Reisebericht: Drei Wochen Äthiopien mit dem Rotel
02 Feb 2020 10:14 #579099
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Dann laufen wir zum nahen Kirchenkomplex St. Maria von Zion.









Schon im umzäunten Gelände des modernen Kirchengebäude sehen wir viele Gläubige, die hier teils unter Bäumen ihr Nachtlager eingerichtet haben. Wir laufen um die Kirche, ziehen unsere Schuhe aus und betreten den sehr geräumigen Innenraum.



Es ist der ersten der beiden Marienfeiertage. Daher ist der Andrang der Pilger noch gering und wir schaffen es ohne Probleme ins Innere zu kommen. Am Marienfeiertag liegt es wohl, das überwiegend Frauen in der Kirche sind.



Der Raum selbst ist mit vielen farbenfrohen Bildern ausgeschmückt.







Ein altes Bild befindet sich auch in der Kirche. Es zeigt die Entführung der Bundeslade durch Menelik, der Sohn von König Salomon und der Königin von Saba, dem Gründer der salomonischen Herrscherlinie.





Im 1. Buch der Könige wird im Alten Testament der Besuch der Königin von Saba bei König Salomon geschildert. Laut der äthiopischen Überlieferung handelte es sich bei der Königin von Saba um eine abessinische Prinzessin. Und aus einer Liebesnacht mit König Salomon gebar sie auf der Rückreise nach Äthiopien einen Sohn. Laut der Legende wuchs der junge Menelik in Äthiopien auf, wollte aber als junger Mann seinen Vater Salomon in Jerusalem kennenlernen. Dieser war natürlich hocherfreut und erklärte ihn zu seinem Thronerben. Nach einiger Zeit wollte Menelik aber doch zurück nach Äthiopien. König Salomon soll daraufhin seinen Hofstaat verpflichtet haben, das sein Erstgeborener von deren Erstgeborenen begleitet wird. Diese jungen Adligen der zwölf Stämme wollten aber ihre Heimat nicht ohne die heilige Bundeslade mit den Gesetzestafeln verlassen. Bei ihrem Aufbruch nahmen sie diese daher heimlich mit. Als das Verschwinden bemerkt wurde, schickte man ihnen Verfolger hinterher. Aber Gott verbarg sie vor ihren Verfolgern. Was sie als Zeichen dafür nahmen, das es Gottes Wille sei, die Bundeslade nach Äthiopien zu bringen. Menelik soll von der Entführung der Bundeslade erst bei der Ankunft in Äthiopien erfahren haben.
Letzte Änderung: 02 Feb 2020 10:20 von CrocV.
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02 Feb 2020 10:45 #579104
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Neben der Kirche gibt es ein Museum. Hier müssen wir unsere Fotoapparate, Rucksäcke, Handys etc. in Schrankfächer einschließen. Erst dann dürfen wir das Museum betreten. Es ist ähnlich dem Museum in Lalibela ein langgezogener Raum mit Vitrinen an den langen Wandseiten und in einer Doppelreihe in der Mitte. Da scheint es einen Masterplan zu geben, wie die äthiopische Kirche sich Museen vorstellt. Der Raum ist etwas größer. Zu sehen sind deutlich mehr Ausstellungsstücke. So zum Beispiel sehr viele Kronen der Herrscher ab dem 17. Jahrhundert. Reich verziert. Und daneben noch zwei „sehr alte“ Kronen, die in ihrer Schlichtheit auffällig den vier Kronen in Lalibela ähneln. Hinten im Raum befindet sich das Bett von Kaiser Haile Selassie. Dazu wie in Lalibela diverse Kreuze, Hostienbehälter, alte Gewänder und Musikinstrumente. Aber trotz der Vielzahl der Ausstellungsstücke bleibt bei mir doch der Eindruck, hier viele „neuere“ Gegenstände ab dem 17. Jahrhundert zu sehen. Jetzt wird mir erst richtig klar, dass wir im Museum in Lalibela tatsächlich sehr alte Stücke gesehen haben. Die Zeitangaben unseres Führers dort, die ich ehrlich gesagt etwas angezweifelt habe, erscheinen mir nun im Vergleich durchaus realistischer. Vor allem fehlen hier im Museum in Axum die uralten, auf Pergamentpapier geschriebenen großen Folianten, welche wir in Lalibela im Museum bewundern konnten. Das Museum in Axum hat mich nicht so beeindruckt. Der Besuch war aber dennoch wichtig. Hat er mir doch noch mehr verdeutlicht, wie besonders unser Museumsbesuch in Lalibela war.
Nach dem Museum heißt es für die Frauen mal wieder zurückbleiben. Mit einem neuen Guide gehen wir Männer zur alten Kathedrale St. Maria von Zion, vorbei an dem Bau, in dem die Bundeslade aufbewahrt wird. Jedenfalls sind sich da alle Äthiopier sicher. Wir dürfen bis zu einer Markierung etwa 10 Meter vor dem Gebäude heran treten. Er hat schon was, dieser legendenumwobener Bau.





Natürlich mache ich mir Gedanken, was an der Geschichte mit der Bundeslade dran sein könnte. Steckt in solch überlieferten Legende nicht oft ein wahrer Kern ? Erst vor kurzem lief hierzu auf Arte ein interessanter Bericht. Ein Historiker führte dort aus, das es wohl mehrere Bundesladen gab. Die Bundeslade sollte nach seinen Worten als Symbol für den Pakt Gottes mit dem jüdischen Volk gesehen werden. Möglicherweise war es daher so, das jeder der 12 Stämme eine Truhe besaß, welche die Bundeslade als Symbol dieses Paktes darstellte. Die Stämme führten demnach dieses machtvolle Symbol auch mit, wenn sie zu Kriegszügen aufbrachen. Wurde die Bundeslade dabei zerstört oder verfiel das Holz im Lauf der Zeit, wurde eben eine neue Truhe/Bundeslade als Symbol für den Pakt mit Gott gebaut. So gesehen könnte es durchaus sein, das frühe jüdische Auswanderer in den ersten Jahrhunderten tatsächlich solch eine Truhe mit sich führten und sich somit eine Bundeslade in Äthiopien befindet. Die aber dann bestimmt auch in späteren Jahrhunderten erneuert wurde. Denn Holz ist nun mal vergänglich. Wir werden es wohl nie erfahren, denn die äthiopische Kirche verweigert konsequent jegliche Untersuchungen durch Wissenschaftler, nicht nur hier in Axum.
Auf dem Platz vor der alten Zionskatherdrale wurden wohl schon die axumitischen Herrscher, später bis in die Neuzeit jedenfalls die äthiopischen Kaiser gekrönt.





Durch ein "Torhaus" kommt man zu einer Art Prozessionsweg. Gesäumt von etlichen sockelartige Thronunterbauten, die wohl von verschiedenen axumitischen Herrschern errichtet wurden, um an bedeutende Siege zu erinnern. Leider sind wohl wirklich nur noch die Fundamentsteine dieser „Throne“ erhalten. Weshalb uns unser neuer Guide aus nicht dorthin geführt hat. :(
Außerdem wurde auf einer Mauer direkt bei der alten Kathedrale das Fragment einer weiteren Stele abgelegt. Es liegt so unscheinbar auf der Mauer neben einem ebenfalls hier „gelagerten“ alten axumitsichen Wasserspeier auf einem in die Mauer eingearbeiteten Stein mit alter Inschrift, das ich es vor Ort leider komplett übersehen habe.



Und unser kurzzeitiger neuer äthiopischer Guide fand dies natürlich auch nicht erwähnenswert. :evil:
Sein Auftrag war ja, uns Männer in die alte Kathedrale zu führen. Ich habe es zufällig auf einem der Bilder, die ich von diesem Platz machte, entdeckt und entsprechend recherchieren können: Das Fragment stammt von der als Stele 4 bezeichneten vor der heutigen Rundkirche Enda Yesus liegende Stele mit sechs Reliefstockwerken. Es handelt sich um oberste Stockwerksfenster mit zwei Lanzen darüber. Man kann auch noch ein kleines Stück des darüber beginnenden Kopfendes der Stele erkennen. Die dargestellten Lanzenspitzen sind einzigartig und ihre Bedeutung unklar. Keine andere Stele weist solche Reliefs auf.

Jetzt heißt es wieder Schuhe ausziehen. Diesmal sollen wir sie laut unserem Guide mit in die Kirche nehmen und Innen an der Wand abstellen. Draußen seien schon mehrfach Schuhe verschwunden. Im Inneren der Kathedrale zeigt uns unser Führer ein altes Buch, das in etliche Tücher eingewickelt ist.






Nach und nach packt er es aus und zeigt uns einige Seiten. Es ist sichtbar abgegriffen von den vielen Gottesdiensten im Lauf der Zeit.



Wir sehen noch einige Reste des alten Mauerwerks eines der Vorgängerbauten. Sie stellen die Form des Gebetsstabes sowie ein Kreuz mit Früchten darunter dar.



Im Hauptraum sind einige Gläubige und Priester im Gebet.




Das große Gemälde oben am Eingang zum Allerheiligsten stellt oben die heilige Dreifaltigkeit (Selassie) dar.



In der Mitte sind die 12 Apostel mit Engeln abgebildet. Und unten links König Salomon und die Königin von Saba, unten mittig die Versuchung im Garten Eden und unten rechts die Vertreibung aus dem Paradies.
Ein weiteres Gemälde stellt unter der Gottesmutter mit Jesuskind den Kaiser Fasilidas und darunter die „neun Heiligen“ dar.



Unter Kaiser Fasilidas wurde um 1650 n. Chr. die etwa 100 Jahre zuvor zum wiederholten Male von Feinden zerstörte Kathedrale im bis heute erhaltenen frühen Gondar-Stil neu aufgebaut. Über Kaiser Fasilidas werden wir bei unserer nächsten Station in Gondar mehr hören. Neben weiteren Bildern sehen wir hier zwei unterschiedliche Darstellungen der Maria: Einmal als die uns vertraute Version als Europäerin, einmal als Afrikanerin.




Anhang:
Letzte Änderung: 02 Feb 2020 16:51 von CrocV.
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02 Feb 2020 11:17 #579109
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Nachdem wir vor dem modernen Kirchenbau die Frauen wieder getroffen haben, laufen wir zum sogenannten Bad der Königin von Saba, dem Wasserbecken May Shum.





Das Wasserreservoir wird ausschließlich durch die zwei Regenzeiten des Jahres mit Wasser gefüllt und diente wahrscheinlich auch in der Antike schon als Zisterne. Heute findet hier auch die Wasserweihe (Timkat-Fest) statt.
Nun ja, und außerdem dient es den Menschen immer noch als Wasserquelle, wie wir bei unserem Besuch beobachten konnten.
Mit dem Bus fahren wir ein Stück weiter bis zu einer kleinen Hütte. Im Innern in einer Glasvitrine der dreisprachige Stein des Ezana.



König Ezana ließ diese Stelen als Grenzsteine aufstellen, auf denen in sabäisch, Alt-Griechisch und Ge´es von seinem siegreichen Feldzug im heutigen Sudan berichtet wird.





Unter König Ezana wurde Axum christlich und es begann eine mehr als 200jährige Blütezeit.
Unser letztes Zeil am Vormittag ist eine Doppelgrabanlage etwa zwei Kilometer nördlich von Axum. Es handelt sich vermutlich um die Gräber von König Kaleb (um 500-540 n.Chr.) und seinem danach regierenden Sohn Gebre Masqal. Ursprünglich bestand der Komplex aus zwei großen, länglichen zweistöckigen Gebäuden, die sich gegenüber standen. Im Innern der Gebäude, die wohl als Gedenkstätten errichtet wurden, gelangte man über Treppen hinunter in die jeweilige Grabkammer.





Heute ist von den Gebäuden außer ein paar Mauerresten nichts mehr erhalten. Wir gehen zuerst in die Grabkammer von Gebre Masqual. Die eigentliche Grabkammer wird flankiert von zwei leeren Kammern. In der Grabkammer stehen noch drei offene Steinsärge. Mehr ist leider über die Jahrhunderte nicht zurück geblieben. In der Grabkammer seines Vaters Kaleb ist sogar die Grabkammer leer. Dafür erkennt man hier deutlich, wie exakt die großen Steinblöcke bearbeitet wurden, um passgenau aufeinander gesetzt zu werden.





Mich erinnert diese sehr exakte Bearbeitung etwas an die Bauten der Inka, die knapp 1000 Jähre später in Peru entstanden und von aller Welt (zurecht) bewundert und bestaunt werden.
Jetzt kehren wir aber erst mal zur Mittagsrast zurück zum Hotel.
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02 Feb 2020 11:33 #579112
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Am Nachmittag fahren wir Richtung Westen aus Axum heraus. Unser Ziel ist zunächst der als „Palast der Königin von Saba“ bezeichnete Palast von Dungur. Viel ist über diesen Palast leider nicht bekannt. Die Mauerreste, die wir sehen, wurden vor einigen Jahrzehnten entsprechend der im Boden liegenden originalen Grundmauern „restauriert“.





Entsprechen aber in ihrer Bauweise leider keinesfalls der Originalbauweise. Die wenigen sichtbaren Reste des originalen Mauerwerken zeigen, das hier ursprünglich mit wesentlich größeren, aufwendig zurecht gearbeiteten Steinquadern gebaut wurde.







Sicher ist nur, das es sich um einen Palast der adligen Elite Axums gehandelt hat. Daneben haben Archäologen die Überreste eines Handwerkerviertels mit Brennöfen und Schlacken aus der Kupfergewinnung entdeckt. Ob es ein Königspalast war, darf bezweifelt werden, da in Axum selbst die Fundamente eines größeren Palastareals nachgewiesen werden konnte. Teils leider durch moderne Bauten überlagert. Auch gibt es keinerlei historische Belege für die tatsächliche Existenz der „Königin von Saba“.

Ein Stück weiter liegt der Gobreda-Hügel, an dem sich mehrere Steinbrüche befanden. Wir steigen den Hügel ein Stück hinauf durch eine wunderbare Pflanzenwelt.











Vorbei an etlichen blühenden Pflanzen erreichen wir das Felsrelief des „Löwen von Gobreda“.



Ob das Relief zeitgleich mit der Steinbruchnutzung entstanden ist, lässt sich nicht sagen. Anhand eines neben der Löwin befindlichen Kreuzes wird es aber vorsichtig auf das 4.-5. Jahrhundert n.Chr. datiert. Ein Stück oberhalb des Löwenreliefs kann man noch einige der Bohrlöcher im Gestein erkennen, in die dann die Holzkeile getrieben und befeuchtet wurden. Das ausdehnende Holz entwickelte die notwendige „Strengkraft“, um die Felsblöcke aus dem Gestein zu lösen.





Die Rohlinge wurden vermutlich über Rampen zu ihrem Aufstellungsort gebracht und erst dort von Steinmetzen und Bildhauern fertig bearbeitet.
Auf der Fahrt zurück nach Axum passieren wir einen Check-Point der Tigray-Police, an dem etliche Kleinbusse Schlange stehen. Aufgrund des wichtigen Marien-Feiertages sind die Kontrollen besonders sorgfältig und dauern entsprechend. Daher lassen etliche Kleinbusse ihre Gäste hier aussteigen, wenden und fahren zurück aufs Land, um weitere Touren zu machen. Hinter der zeitraubenden Kontrolle stehen TukTuks und andere Kleinbusse bereit, um die „verlassenen“ Fahrgäste aufzunehmen und weiter in die Stadt zu befördern. Unser lokaler Fahrer manövriert seinem Kleinbus mit uns an Bord durch das Gewirr und wird von der Tigray-Police ohne Kontrolle durchgewunken. Man kennt sich eben.
Zurück im Hotel sehen wir, das die Vorbereitungen für die zusätzlichen Übernachtungsgäste aufgrund des Marienfeiertages im Untergeschoss weiter fortgeschritten sind. Im rechten Teil des Untergeschosses wurden kleine Zelte aufgebaut. Daneben jeweils ein Stuhl mit Handtuch, Toilettenpapier und Seife für die Pilger. Die andere Hälfte des Untergeschosses wurde als Matratzenlager hergerichtet. Für uns ungewohnt: Die Matratzen liegen auf Tischen.





Vor dem Abendessen möchte ich noch unsere Wasservorräte aufstocken für die nächsten Tage. In einem kleinen Laden ein Stück vom Hotel entfernt werde ich fündig. Aber hier fasziniert mich vor allem die Verkäuferin, welche unter einem Kopftuch dennoch deutlich sichtbar eine beeindruckende Frisur trägt. Wir haben die traditionelle Shiruba-Frisur vor allem der älteren Tigray-Frauen in den letzten Tagen während unserer Fahrten durch die Region Tigray schon öfters gesehen. Und auch die deutlich prachtvolleren Shiruba-Frisuren der jüngeren Frauen. Hier stehe ich aber direkt vor einer Trägerin dieser sehr schönen Haartracht. Da sie aber leider kein englisch spricht, kommt keine Verständigung zustande. Mit dem Wasser zurück am Hotel erzähle ich meiner Frau davon und wir beschließen, nochmals dorthin zu laufen, damit auch sie die Frisur bewundern kann. Mittlerweile ist im Laden auch der Ladeninhaber und Ehemann der Frau sowie der kleine Sohn anwesend. Da der Mann englisch spricht, können wir jetzt endlich auch näheres zu der Frisur erfahren. Mich interessiert zunächst, wie lange es denn am Morgen dauert, bis die Frisur hergerichtet ist. Das gehe recht schnell, übersetzt der Ehemann. Keine 30 Minuten.
Die Frau nimmt sogar das Kopftuch für uns ab, so das wir die Frisur noch besser bewundern können. Und dann verrät sie uns ein Geheimnis: Es handelt sich um die moderne Form der Shiruba. Das sich so extrem prachtvoll entfaltenden Haar am Hinterkopf kommt zustande – durch ins Haar geflochtene Extensions aus Kunsthaar. Diese Extension wird einfach in die eng am Kopf anliegenden Zöpfe aus Echthaar, die denn vorderen Teil der Shiruba-Frisur darstellt, eingeflochten.
Tatsächlich bemerke ich am nächsten Tag jetzt auch vor einem Friseurladen die angebotenen Packungen mit Extensions.



Wir würden gerne ein Foto von der Frau machen, merken aber schnell, das dies dem Ehemann nicht recht wäre und verzichten daher. Wir bedanken uns bei beiden ganz herzlich für ihre Freundlichkeit und gehen lächelnd zurück zum Abendessen ins Hotel.
Nach dem Abendessen machen wir noch einen kleinen Spaziergang durch die anliegenden Straßen und beobachten das beginnende Nachtleben. Hierbei kommen wir auch wieder an dem kleinen Laden vorbei. Als uns die Inhaber bemerken, winken sie uns durch das Schaufenster nochmals sehr freundlich zu. Anscheinend haben sie diese kurze Begegnung mit uns Ferenji genauso genossen wie wir die Begegnung mit ihnen.
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02 Feb 2020 11:35 #579113
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Exkurs: Beta Israel, Christentum und das Reich Axum
Bereits weit in vorchristlicher Zeit müssen jüdische Einwanderer in die Berge Abessiniens gekommen sein. Woher sie kamen, ist ungewiss. Evt. aus Ägypten oder dem Jemen. Jedenfalls tauchen sie irgendwann unter den kuschitischen Bergvölkern auf. Sie bezeichnen sich bis heute als Beta Israel oder Fallaschas. Ihr Glaube ist sehr archaisch und geht auf das Judentum vor dem babylonischen Exil zurück. Alles danach folgendes Entwicklungen des Judentums lehnen sie ab. So kennen sie auch keinen Talmud und feiern weder Purim noch Chanukka. Als das Reich Axum christlich wurde, soll sich nordwestlich davon in Semien das jüdische Königreich Semien, teils auch als Königreich Beta Israel bezeichnet, gegründet haben. Der Legende nach kam der Stammvater dieser jüdischen Königslinie zusammen mit Menelik und der Bundeslade nach Äthiopien.
Das Christentum kam durch zwei schiffbrüchige Brüder einer christlich-phoenikischen Familie nach Äthiopien. Ihr Schiff wurde im Roten Meer gekapert und sie als Sklaven an den Hof des in Axum regierenden Königs Ousanas verkauft. Nach seinem Tod ließ die Witwe die beiden Brüder frei und machte einen von ihnen, Frumentios aufgrund seiner umfassenden griechischen Bildung zum Hauslehrer des Thronfolgers Ezana. 327 n. Chr. reiste Frumentios nach Alexandria zum Bischof Athanasios und bat um die Entsendung christliche Missionare. Der Bischof weihte daraufhin Frumentios selbst zum Priester und sandte ihn mit mehreren Mönchen zurück. Eine der ersten Handlungen nach seiner Rückkehr war die Taufe des mittlerweile gekrönten Königs Ezana und des Hofes und so wurde bereits 340 n. Chr. das Christentum zur Staatsreligion in Axum.
Nach dem Konzil von Chaldekon (Türkei) im Jahr 451, auf dem sich von den vielen unterschiedlichen christlichen Glaubensrichtungen die römischen, orthodoxen und altorientalischen Richtungen durchsetzen, wurden die syrische und ägyptische (und somit auch die äthiopische) Glaubensrichtung der Häresie bezichtigt. Viele ihrer Anhänger mussten daher aus dem übrigen Mittelmeerraum fliehen. Damit hängt vermutlich die Ankunft der sogenannten neun Heiligen in Äthiopien zusammen. Die legendären Heiligen waren wohl syrische und ägyptische Mönche auf der Flucht und sie leiteten die Missionierung weiterer Landesteile in Äthiopien und Eritrea ein.
Ab 600 n. Chr. verlor das Reich Axum langsam an Bedeutung. Beschleunigt wurde der Niedergang durch den Siegeszug des Islam. Die Gebiete am Roten Meer unter axumitischen Einfluss (Eritrea, Somalia) gingen an muslimische Herrscher verloren und damit der Zugang zu den Handelsrouten über das Meer Richtung Mittelmeer, Arabien und Indien. Axum verlor rasch an Einfluss. Das Reich erstreckte sich aber weiterhin über große Gebiete Nordäthiopiens. In dem dunklen Jahrhunderten des Niedergangs des Reiches Axum kam es zu Konflikten mit dem jüdisches Königreich „Beta Israel“. Deren König Gideon IV. führte im 10. Jahrhundert n. Chr mehrere Angriffskriege gegen Axum. Bei diesen Kämpfen starb er. Angeblich erbte seine Tochter Judith (die historisch nicht belegt werden kann) von ihm das Reich, eroberte die Stadt Axum, tötete den König und zerstörte aus Rache für ihren Vater alle Monumente der Stadt. Aufgrund dieser Ereignisse verlagerte sich das Zentrum des christliches Reiches in die Lasta-Berge nach Lalibela und die Bundeslade soll in den Süden Äthiopiens in Sicherheit gebracht worden sein. Eben auf die Insel Tullu Gudo im Ziway-See, bevor sie dann nach dem wieder erstarken der salomonischen Dynastie nach Axum zurückgebracht wurde.
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02 Feb 2020 16:13 #579153
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Hallo CrocV,

du musst das Bild im Bildbearbeitungsprogramm öffnen, drehen und neu abspeichern und dieses neu abgespeicherte Bild dann hier einfügen.
Ein großes zwischendurch DANKE für diesen wunderbaren Bericht.

LG

Martina
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