THEMA: Reisebericht: Drei Wochen Äthiopien mit dem Rotel
20 Jan 2020 19:37 #577930
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Wir biegen nach der Mittagspause auf die B52 ab. Diese führt gen Westen und würde uns bis zum Tana-See bringen. Wir biegen aber in Gashena auf eine unbefestigte Sandpiste ab. Ehrlich gesagt, bei uns würde man sagen: Ein schmaler Feldweg. Das ist die Straße nach Lalibela ! Auf einer kurvenreichen Piste geht es jetzt mit teils spektakulären Ausblicken auf einer steilen Serpentinenstraße am Hang eines langen Bergtals immer höher hinauf. Die Hänge des Tals sind mit terrassierten Teff-Feldern überzogen. Ein atemberaubender Anblick.



















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20 Jan 2020 19:49 #577933
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Oben sind wir einige Zeit auf einer Hochebene mit vielen Rundhütten und Gehöften unterwegs.

















Dann geht es wieder in steilen Serpentinen bergab.
Dunkle Wolken ziehen auf. Wir fahren durch einen doppelten Regenbogen und erreichen gerade noch rechtzeitig den bereits asphaltierten Teil der Straße, bevor wieder ein starker Regenschauer einsetzt.









Als es schon dunkel wird, erreichen wir das Seven Olives Hotel in Lalibela. Hier werden wir 3 Nächte verbringen. Nach der langen Anreise gönnen wir uns 2 volle Tage in Lalibela. Und hier werden wir auch jeweils im Hotel frühstücken. Die Rotelküche bleibt also auch morgens zu.
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20 Jan 2020 19:50 #577934
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EXKURS zum historischen Hintergrund des Ortes Lalibela und des von der Zagwe-Dynastie gegründeten Reiches:
Als das Aksumitische Reich (wir werden das 300 km nördlich liegende Axum noch besuchen) ab 600 n. Chr. nach und nach an Einfluss verlor, begann das „dunkle Zeitalter“. Hierüber gibt es leider kaum Aufzeichnungen. Gesichert ist nur, dass das Christentum unter dem Druck eines jüdisches Reiches nach Süden in die unzugängliche Region um Lalibela ausweichen musste. Lalibela war die Hauptstadt der Zagwe-Dynastie, die nach dem Niedergang des Aksumintisches Reiches und dem „Dunklen Zeitalter“ hier vom 10. - 13 Jahrhundert ein mächtiges politisches und religiöses Reich begründeten. Die semitische Sprache Ge´es als religiöse Sprache war bei den Zagwe genauso etabliert wie zuvor im aksumitischen Reich und alle religiösen Schriften sind in Ge´es verfasst. Überhaupt führten sie die religiöse Praxis nahtlos weiter und es lässt sich kaum ein Unterschied zu vorherigen und nachfolgenden Dynastien feststellen.
Anders als die aksumitischen Könige, die in regen Austausch mit Europa und dem Vorderen Orient standen, beschränkte sich der Kontakt der Zagwe vornehmlich auf Ägypten, Jemen und Jerusalem. Besonders der Handel mit Ägypten florierte, da dieser Handelsweg damals sicher war und die Karawanen ihn ohne Störungen nutzen konnten. Die Zagwe betreiben auch Fernhandel per Schiff, bevorzugt über den Hafen von Zeila, ganz im nördlichsten Somalia, an der Grenze zu Dschibuti. Es gelang auch die Piraterie im Roten Meer einzuschränken, weshalb keine Woche verging, an dem nicht ein äthiopisches Schiff im Hafen von Aden im Jemen anlegte.
Heute neigen die Historiker zu der Ansicht, das die Kirchen vermehrt im beginnenden 13 Jahrhundert vor und während der Regentschaft von König Lalibela (ca. 1200-1225) entstanden. Vermutlich sollte mit der nördlichen Kirchengruppe ein neues Jerusalem für christliche Pilger entstehen, denn zur Zeit Lalibelas waren die Pilgerwege nach Jerusalem von Feinden blockiert.
1268 endete die Herrschaft der Zagwe-Dynastie durch die Wiedereinsetzung der salomonischen Dynastie, die dann bis zu Kaiser Haile Selassie im 20. Jahrhundert über Äthiopien herrschten.
Über das Leben des hochverehrten Königs Lalibela gibt es folgende Überlieferungen:
Bereits seine Wiege soll von einem Schwarm Bienen umschwirrt worden sein, was seine Mutter als Zeichen seiner späteren Königsherrschaft deutete. Aber zunächst herrschte sein älterer Bruder, der ihn nach der Legende aus Angst vor einer Entmachtung vergiften wollte. Drei Tage schlief Lalibela daraufhin und in einem Traumgesicht zeigte ihm Gott Jerusalem und forderte ihn auf, ein zweites Jerusalem zu bauen. Einer anderen Legende zufolge soll Lalibela tatsächlich in Jerusalem gewesen sein. Überliefert ist aus dortigen Quellen zumindest, das Sultan Sala ad-Din, genannt Saladin (1137-1193) den Äthiopiern gestattete, eine Kirche in Jerusalem zu bauen.
Als Lalibela dann König wurde, begann er laut der Legende den Bau der Kirchen mit Hilfe von Engeln, die Nachts die am Tag begonnenen Arbeiten der Steinmetze fortsetzten. Einige architektonische Elemente der Kirchen lassen aber darauf schließen, das auch ausländischen Handwerker beteiligt waren, vermutlich aus Ägypten, Indien und Armenien.
Laut Legende sollen so in nur zwanzig Jahren Bauzeit die elf Kirchen entstanden sein.
Historiker gehen heute eher davon aus, das die Kirchen mindestens über drei Generationen erbaut wurden.
Eine weitere Legende erzählt, das König Lalibela häufig längere Zeit den Herrscherhof verlassen habe, um unter einfachen Bedingungen beim Bau der Kirchen mitzuhelfen. Einmal folgte ihm heimlich seine Ehefrau, die nicht daran glaubte, das er wirklich ständig auf den Baustellen weilte und eher eine Nebenbuhlerin vermutete. Als sie sah, das alles wahr ist, soll sie sich so geschämt haben, das sie selbst eine Kirche erbauen ließ. Wir werden auch diese am morgigen Nachmittag besuchen.
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20 Jan 2020 20:20 #577948
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Hallo CrocV,

sehr interessiert verfolge ich Deinen sehr interessanten Bericht. Danke für die vielen Hintergrundinformationen und die viele Mühe die Du Dir hier machst!

Liebe Grüße

Martina
2020: Februar/März Kuba und mehr martinasreisen.blog/
2019 Mai/Juni: Botswana - Caprivi - Vic Falls hier im Forum www.namibia-forum.ch...-okavango-delta.html
2018 Sizilien, Äolische Inseln, La Reunion und mehr: martinasreisen.blog/
2018 Ost-Sizilien und Liparische Inseln Reisebericht: www.umdiewelt.de/mTravelogue.php?t=9215&m=p
2017 Island - Spitzbergen - Nordkap - Norwegen Reisebericht: www.umdiewelt.de/Eur...-9019/Kapitel-0.html
2016 Vietnam Reisebericht: www.vivien-und-erhar...isebericht/&pageNo=1
2015 Namibia Reisebericht: www.namibia-forum.ch...-2015-ein-traum.html
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21 Jan 2020 18:31 #578065
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25.11.2019 Die Felsenkirchen von Lalibela
Der Ort Lalibela hieß ursprünglich Roha und wurde erst zu Ehren des Königs Lalibela nach diesem benannt. Lalibela liegt inmitten der Lasta-Berge auf 2.700 Metern. Entsprechend frisch ist es am Morgen. In eine Jacke gehüllt und mit Mütze auf dem Kopf verlasse ich das Hotelgelände und beobachte das erwachende Leben in Lalibela. Besonders interessieren mich heute die an vielen Orten in Äthiopien am Straßenrand aufgestellten Kicker. Ein paar Jungs sind schon am Spielen und ich betrachte es mir mal etwas näher, denn irgendwie hört sich das Geräusch anders an als bei uns. Und tatsächlich, anstelle der wohl längst kaputten Bälle spielen die Jungs mit abgerundeten kleinen Steinen.



Durch die Sonne wärmt sich die Luft sehr schnell wieder auf, so das wir um 9 Uhr ohne Jacken zur Besichtigung der ersten Kirchengruppe starten können.


Vorher haben wir uns sicherheitshalber die Socken und Hosenbeine mit Flohgift eingesprüht. Soll es doch in den Teppichen der Felsenkirchen möglicherweise diese kleinen Untermieter geben.
Wir laufen von unserem Hotel die kurze Strecke bergab zum Eingang der nördlichen Kirchengruppe. Als Tourist sieht man hier nur noch wenige Gläubige, denn seit einigen Jahren wurden die Gebetszeiten von den Besichtigungszeiten getrennt. Morgens ab 5 Uhr finden die Morgenandachten statt. Von 8-12 und 14-17 Uhr „gehören“ die Kirchen dann den Touristen.





Am Eingang erfolgt wie immer eine Taschenkontrolle sowie eine Leibesvisitation. Dann können wir endlich den Kirchenbezirk betreten.
Direkt nach dem Eingang kommen wir zur Kirche Beta Medane Alem (Haus des Erlösers der Welt), die wie einige andere von einer gewaltigen Stahlkonstruktion aus den 60er Jahren zum Schutz von Erosion überspannt wird.







Die Kirche ist angelehnt an die Alt-Aksumitische Architektur aus dem Fels gehauen worden und die größte Kirche in Lalibela. Die Fenster der unteren Reihe imitieren alt-aksumitische Vorbilder mit den „Affenköpfe“ genannten Balkenenden.



Was oft nicht erwähnt bzw. wertgeschätzt wird: Neben den aus den Fels geschlagenen Kirchen existiert ein ausgeklügeltes System zu Entwässerung mit über das ganze Areal verteilten, separat in den Felsen geschlagenen Gräben. Eine großartige planerische und handwerkliche Leistung





Nachdem wir unsere Schuhe ausgezogen haben, treten wir ins Innere und sehen den von Säulen durchzogenen großen Innenraum. Die Säulen sind durch Halbbögen miteinander verbunden.



In einem der Rundbögen sind drei Schilde angebracht. Einer davon soll der Schild König Lalibelas sein. Etliche Gemälde mit zumeist christlichen Darstellungen sind im Raum verteilt.



Eines der Gemälde zeigt vier Könige. Der zweite von rechts ist König Lalibela.



Daneben gibt es drei längliche Vertiefungen, welche die Gräber von Abraham, Isaak und Jakob symbolisieren.



Praktisch alles in Lalibela ist von solch symbolischer Bedeutung erklärt man uns.
Anhang:
Letzte Änderung: 02 Feb 2020 17:24 von CrocV.
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21 Jan 2020 19:36 #578075
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Wir verlassen die Kirche, ziehen unsere Schuhe wieder an und laufen durch einen schmalen, tunnelartigen Durchgang in den nächsten Hof zur Kirche Beta Mariam (Haus der Maria).
Dies ist vermutlich die älteste Kirche Lalibelas und soll die Lieblingskirche von König Lalibela gewesen sein. Im Hof sehen wir ein im Boden eingelassenes Taufbecken.



Etwas abseits sitzen mehrere Frauen und bereiten Mehl für das Brot zur Speisung während der Gottesdienste.



Die Fassade der viereckigen Kirche ist mit einer Vielfalt unterschiedlicher Fenster und drei hervorstehenden Eingangsportalen versehen. Das Hauptportal wird von zwei gemeißelten Reitern überragt, die einen Drachen töten.





Die Fenster sind in Form des Andreaskreuzes und des indisches Schwastika (Glücksbringer) gestaltet. Nach der Überlieferung sollen auch indische Arbeiter beim Bau der Kirchen beteiligt gewesen sein.



Zunächst zeigt uns aber ein Priester aus der daneben liegenden kleinen Kirche Bete Meskel (Kreuzkirche) ein 900 Jahre altes Kreuz im Lalibela-Stil.



Auch hier ziehen wir wieder unsere Schuhe aus und geben sie in die Obhut einer Äthiopierin, der „Hüterin unserer Schuhe“, welche uns den ganzen Tag begleiten wird.



Sich solch eine Hüterin zu engagieren ist ein sinnvolle Investition. Zum einen findet man so seine Schuhe wieder heil vor und zum anderen sind die Kirchen teils aneinander gebaut, so das wir dort ohne Schuhe von Kirche zu Kirche wechseln – und am Ende an ganz anderer Stelle unsere freundlich lächelnde Hüterin samt unseren Schuhen vorfinden.
Wir treten in die sehr kleine Bete Meskel ein. Der Priester macht uns auf das Kreuz anstelle eines Gewölbes im rechten Teil der Kirche aufmerksam.



Diese kleine Kirche war ursprünglich von sehr hoher Bedeutung, soll hier doch ein Teil des Kreuzes Christi aufbewahrt worden sein. Daher auch der Name Kreuzkirche. Auch hier gibt es einige Gemälde.
Anhang:
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