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Um 14 Uhr brechen wir wieder auf. Diesmal geht es zur südlichen Kirchengruppe. Die Bauten dieser Gruppe wurden vermutlich zunächst für weltliche Zwecke erbaut. Die Umwidmung zu Kirchen erfolgte wohl erst später.
Wir erreichen den Eingang neben einem tiefen grabenartigen Einschnitt, der den Jordan symbolisieren soll. Das Areal ist komplett umgeben von tiefen Gräben und ähnelt daher eher einer Burgfestung. Vor dem Zugang zur Doppelkirche Beta Gabriel und Raphael über eine neuere Brücke ziehen wir wieder unsere Schuhe aus. Schon die Fassade der Kirche lässt eher an eine ursprünglich funktionale Nutzung als Palastbezirk für den Adel oder Klerus denken als einen Kirchenbau. Unten im 30 Meter tiefen Innenhof sehen wir die Öffnungen zur Wasserzisterne. Ein weiteres Indiz, das dieser Gebäudekomplex ursprünglich als befestigter Palast mit autarker Versorgung für den Ernstfall angelegt wurde. Auch beim Eintreten fällt sofort auf, das die übliche Einteilung in Kirchenschiffe fehlt. Eher grob gehauene Säulen stützen die Decke ab. Wir sehen auch hier wieder etliche christliche Gemälde und ein Priester zeigt uns ein Kreuz. Durch eine weitere Tür kommt man in die Raphael-Kirche, von der man auf den Balkon kommt. Von hier hat man einen guten Blick zum Eingang und in den Innenhof. Wieder zurück über die Brücke ziehen wir unsere Schuhe an, die wie am Morgen, gut gehütet wurden. Durch eine Tür und einen Tunnel gelangen wir weiter in den Komplex der Bauten. Wieder im Freien im inneren Areal laufen wir zum halb verfallenen Beta Lehem (Haus des Brotes), in dem vermutlich das während der Gottesdienste gereichte Brot gebacken wurde. Wir steigen einen steilen in den Fels gehauenen Weg hinab zum Fuß des Baus. Hier begeben wir uns in einen 40 Meter langen Gang in völliger Dunkelheit. Natürlich hätten wir Lampen dabei. Aber wir folgen dem Rat unseres Guide und tasten uns wirklich in völliger Dunkelheit durch den Tunnel. Ein eindrucksvolles Erlebnis. Am Ende des Tunnels gelangen wir zur Kirche Beta Mercurios. Einige der Kammern des Gebäudes wurden wohl auch einmal als Gefängnis genutzt, wie Kettenfunde nahe legen. Das Gebäude wurde bei einem Erdbeben bereits im 16. Jahrhundert teilweise zerstört. Nur ein kleiner Teil des Gebäudes ist noch erhalten. Hier sehen wir sehr alte Wandmalereien, die teilweise nur noch schwer zu erkennen sind. Dargestellt sind hier die 12 Apostel und die drei Weisen aus dem Morgenland. Ein Priester zeigt uns ein weiteres Kreuz. Einige der Kreuze haben wie dieses hier Gravuren auf der Vorder- und Rückseite: Durch eine Tür können wir den Bau verlassen und kommen in den durch das Erdbeben zerstörten Teil. Die Größe der Säulen und der Trümmer lässt erahnen, wie gewaltig dieses Gebäude ursprünglich gewesen sein muss.
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Zurück im Gebäude kommen wir nach zwei weitere Kammern durch eine Tür ins Freie und über eine Steile Treppe in der Innenhof der Emmanuel-Kirche. Die prachtvoll aus dem Fels gehauenen Fassade weist die klassische aksumitische Bänderung auf und war wohl im Gegensatz zu den vorherigen Gebäuden von Anfang an als Kirche geplant.
Sie diente wohl als königliche Kapelle und war über einen Gang direkt mit der Residenz verbunden. Ein Teil dieses Ganges ist der dunkle Tunnel, durch den wir uns zuvor getastet haben. Wir sehen wieder Gemälde und ein Kreuz im Inneren. Wir verlassen den Kirchhof über einen kleinen Tunnel, der als Regenwasserabfluss dient und befinden uns nun im südlichen Teil des Grabens, der die ganze Anlage umschließt. Unser Weg führt über Treppen hinab zu einem weiteren Wasserbecken und schließlich durch einen schmalen Felsspalt zur letzten Kirche. Die Abba-Libanos-Kirche, die der Legende nach von der reumütigen Ehefrau Lalibelas mit Hilfe der Engel in einer Nacht erbaut wurde, weist eine Besonderheit auf: Sie wurde seitlich in den Fels geschlagen und ist oberhalb noch mit dem Muttergestein verbunden. Der Anblick erinnert ein wenig an die Felsenstadt Petra in Jordanien. Dennoch gibt es einen frei gehauenen Rundgang, der auch dieser Kirche an allen vier Seiten eine Fassade verschafft. Im Innern wurden die Säulen, Rundbögen und Vorsprünge sehr sorgfältig aus dem Fels gearbeitet.
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Mit dieser Kirche endet – eigentlich - unsere Besichtigungstour durch die Kirchen, aber ich habe bereits am Vormittag zufällig dem Guide einer anderen Besuchergruppe zugehört wie dieser seinen Gästen erklärt hat, dass das Eintrittsticket für die Kirchen mehrere Tage lang gültig ist und die Gäste somit auch am nächsten Tag nochmals ohne erneut zu zahlen die Kirchen besuchen könnten.
Da wir ein einziges Gruppenticket haben, bitte ich unsere Reiseleiterin, uns Kopien anfertigen zu lassen, damit wir morgen nachmittag nochmals auf eigene Faust zu den Kirchen gehen können. Außerdem möchten auch jetzt 6 von uns mit dem Gruppenticket die verbleibenden 45 Minuten nutzen, um nochmals in die nördliche Kirchengruppe zu gehen. Da unsere „Hüterin der Schuhe“ auch in diese Richtung nach Hause gehen will, zeigt sie uns den Weg. Zunächst gehen wir einen engen Pfad an ursprünglichen Tukuls vorbei. Hier wurden die Bewohner nicht vertrieben. Dann erreichen wir die Verbindungsstraße zur anderen Kirchengruppe. Von hier haben wir auch einen beeindruckenden Blick auf die Landschaft, die von der Sonne in ein tolles Licht getaucht wird. Bei der nördlichen Kirchengruppe kommen wir tatsächlich zunächst problemlos durch den Eingang, aber der Zugang zu den Kirchen ist bereits abgesperrt. Einer der Wächter würde uns sogar nochmals öffnen, ein anderer macht uns aber auf das Museum aufmerksam. Wir beschließen, das Museum an der Rückseite der Eingangsgebäude zu besichtigen. Es liegt in einem Raum unterhalb der Toiletten - und ist ebenfalls bereits abgesperrt. Ich bin ehrlich gesagt sehr skeptisch. Afrikanische „Museen“ dieser Art waren bisher eher eine herbe Enttäuschung. Aber der Wärter ist bereits los geeilt und kommt mit einem Mann zurück, der das Museum öffnet und uns durch die Ausstellung führen will.Das Museum besteht aus einem langgezogenen Raum. An den Wänden ringsum und nochmals in einer Doppelreihen in der Mitte stehen hohe Glasvitrinen voller Ausstellungsgegenstände. Alle Vitrinen sind regelrecht überfüllt. OK, ich sehe auf den ersten Blick, meine Skepsis war unbegründet. Der Inhalt der Vitrinen würde für einen eigenen Museumsbau mit mehreren Ausstellungsräumen reichen. Und tatsächlich zeigt uns unser Führer zum Schluss den Außenentwurf eines geplanten Museumsbau. Leider dürfen wir keine Fotos machen. Unser Führer erklärt uns nach und nach den Inhalt der Vitrinen. Wir sehen zunächst alte Altäre, vier Kronen der alten Könige von Lalibela und sehr viele alte Kreuze im Axum-, Lalibela- und Gondarstil. Dann folgen alte Bücher, riesige Folianten, die auf Lesepulten in den Glasvitrinen aufgeschlagen liegen. Kein Mensch könnte diese Bücher zum Lesen in der Hand halten. Die Bücher sollen 500-900 Jahre alt sein und sind in der alten Sprache Ge´es geschrieben. Ge´es ist die antike, äthio-semitische Wurzel des heutigen Tigrinya, der Sprache der Tigray-Region, in der auch unser nächstes Reiseziel Axum liegt. Ge´es ist bis heute die liturgische Sprache der Gottesdienste. Alle Priester beten, singen und lesen in Ge´es. Plötzlich liest uns unser Führer eine Seite aus dem 900 Jahre alten Buch auf Ge´es vor. Als er endet, applaudieren wir spontan. Es herrscht plötzlich eine besondere Stimmung. Aus dem schnell mal durchs Museum laufen wird eine längere, ausführliche Führung. Wir bekommen jetzt auch ein dreisprachiges Buch auf arabisch, altgriechisch und in Ge´es gezeigt ! Ich muss an die berühmte dreisprachige Stele von Ezana in Axum denken, die in archäologischen Kreisen als ähnlich bedeutend wie der Stein von Rosette angesehen wird. Und hier liegt ein ebenfalls dreisprachiges Buch einfach so in dieser Glasvitrine. In der nächsten Vitrine liegt ein aufgeschlagener, ebenfalls sehr alter Foliant. Es handelt sich um ein 500 Jahre altes Liederbuch, ebenfalls auf Ge´es. Unser Führer singt uns eines dieser alten Lieder auf Ge´es vor. Es ist einfach wunderschön. Wir sechs hier allein mit unserem Führer. Es ist, als würde die Zeit einen Moment still stehen. Wir sind jetzt im Ende des Raumes angekommen und wenden uns der Vitrinenreihe an der Stirnseite des Raumes zu. Hier sind Gemälde und Zeichnungen zu sehen. Die alle in einem erkennbar sehr alten, einfachen Stil gehalten sind und sich deutlich von den meisten neueren und kunstvolleren Bildern in den Kirchen unterscheiden, die wir bisher gesehen haben. Sie ähneln im Stil den alten Wandbildern in der Kirche Beta Mercurios. Wir kommen nun zu den Vitrinen der gegenüberliegenden Wand und bewegen uns somit langsam zurück Richtung Ausgang. Hier sind zwei sehr große Trommeln ausgestellt. Eine ist aus Silber die andere aus Gold. Bisher haben wir in den Kirchen nur Trommeln aus Holz gesehen. Weiter geht es mit alten, reich verzierten Weihrauchbehältern mit vielen Schellen zum Schwenken, einem großen Korb für das heilige Brot, etlichen alten Behältern für heiliges Öl und alten und neuen Gewändern von Priestern und Patriarchen. Daneben noch ein Zepter und Gebetsstab der Könige von Lalibela und alte Musikinstrumenten wie Washint (Flöten), Krar (sechsseitige Leier), Massinko (einseitige Fidel), Begena (mehrseitige Harfen), Rasseln, etc. Dann kommen wir zu einer Vitrine mit Holzmodellen, die als Vorlagen für die Baumeister der Kirchen von Lalibela gedient haben sollen. Laut unserem Führer wurden die Entwürfe der Kirchen zunächst aus dem Holzklotz heraus geschnitzt und dann nach diesem Modell durch die Steinmetze eins zu eins aus dem Felsgestein geschlagen. Nach knapp einer halben Stunde verlassen wir das Museum und bedanken uns mit einem großzügiges Trinkgeld bei unserem Führer. Die anderen streben schnell zum Ausgang, denn das Ende der Öffnungszeiten um 17 Uhr ist ja bereits erreicht. Ich sehe vor dem Museum ein Besucherbuch und da ich von anderen Reisen in Afrika weiß, das die Menschen sehr stolz sind, wenn wir Reisende uns darin eintragen, schlage ich es auf und schreibe auf deutsch ehrlich gemeint hinein: Ein tolles Museum, das man unbedingt besuchen sollte und ein wunderbarer Führer. Dann übersetze ich das Geschriebene unserem Führer. Er strahlt und verrät mir jetzt sein Geheimnis: Unter seinem Umhang holt er ein Priesterkreuz hervor. Er ist gar kein Museumsguide, sondern einer der Priester Lalibelas. Ich sage ihm, das ich so etwas schon vermutete, seit er uns in fließendem Ge´es aus dem Buch vorgelesen und dann auch noch einen liturgischen Gesang vorgetragen hat. Er nimmt mich bei der Hand und wir laufen Hand und Hand zum Ausgang, wo uns bereits ein Wächter (ich erfahre vom Priester das es ein Polizist in Zivil ist) erwartet. Der Priester verabschiedet vor dem Eingang nun noch jeden einzelnen von uns mit einem Händedruck und dann laufen wir beschwingt die Straße bergan zurück zu unserem Hotel. Bis zum Abendessen ist noch etwas Zeit, das eben Erlebte in Ruhe nachwirken zu lassen. |
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26.11. Bergauf
Morgens wandern wir mit einem Teil unserer Gruppe samt unserem lokalen Guide auf den Mount Asheton. Der Weg beginnt direkt neben unserem Hotel. Es ist kein Wanderweg, sondern ein Fußpfad, der ebenfalls von vielen Einheimischen genutzt wird. Ziel ist das Asheton Maryam Kloster. Der Rest unserer Gruppe, der sich die Wanderung den Berg hoch nicht zutraut, wird mit einem Bus über eine Straße folgen. Der Weg führt bergan zunächst noch an Häusern vorbei. Etliche Leute sind hier unterwegs. Ein Stück folgen wir nun einer Piste, dann biegen wir auf einen Bergpfad ein und jetzt geht es richtig steil nach oben. Schon eine kurze Zeit später bietet sich ein beeindruckender Blick auf das in der Morgensonne unter uns liegende Lalibela. Je höher wir steigen, umso grandioser wird der Blick in die Landschaft. Ein junges Mädchen überholt uns mit einem in ihren Umhang auf den Rücken gebundenen Korb. Immer wieder machen wir Platz für Einheimische. Auch zwei Reiter auf Eseln kommen den schmalen Bergpfad herauf geritten. Wir steigen über ein Grat weiter bergan. Oberhalb der steilen Wand öffnet sich unvermutet ein grünes, fruchtbares Plateau mit vielen Gehöften vor dem dahinter aufragenden Mount Asheton. Wir laufen auf Pfaden zwischen den Feldern und Gehöften bergan. Wir erreichen den Eingang zum Anstieg auf das Kloster gerade, als auch der Rest unserer Gruppe gefahren kommt. Da der Eintritt für das Kloster innerhalb eines Jahres fast verdoppelt wurde auf jetzt 350 Birr, haben wir schon am Morgen entschieden, dieses Kloster nicht zu besuchen, sondern stattdessen wieder nach Lalibela hinab zu steigen und mit unserem immer noch gültigen Ticket nochmals den Bezirk der Felsenkirchen in Ruhe zu besuchen. Bei Abstieg überholen uns zwei sehr junge Mädchen mit großen Säcken auf dem Rücken, die sichtlich sehr schwer für die beiden sind. Ein Stück weiter müssen sie Rast machen und wir überholen sie wieder. Ein Stück weiter müssen wir erneut Platz machen: Einige Rinder kommen auf dem Pfad den Berg herunter. Auf dem weiteren Weg bergab drehe ich mich immer mal um und sehe, wie die Mädchen sich auch auf den Weg gemacht haben. Eines spricht dem anderen dabei wohl immer wieder Mut zu. Das Leben der Frauen und auch der Mädchen ist hier wirklich sehr schwer. |
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Zurück am Hotel stärken wir uns erst mal mit einem Fruchtsaft. Mittlerweile wurde auch unser Gruppenticket kopiert. Mit dieser machen wir uns auf den Weg zum Eingang der nördlichen Gruppe. Sicherheitshalber begleitet uns unserer lokaler Guide, falls es Schwierigkeiten gibt. Aber wir werden ohne Probleme durchgelassen. Nun können wir zu zweit in Ruhe das Areal erkunden. Wir haben nicht mehr vor, in die Kirchen zu gehen. Wir wollen eher das Ambiente in Ruhe nochmals genießen.
Schon bei der ersten Kirche Beta Medane Alem hören wir den typischen Gebetsgesang. Wir steigen aus den Kirchenhof nach oben zum Bethlehem-Turm. Hier sitzen zwei Priester. Diese erklären uns, das in der nur durch die Beta Debre Sina und die Debre Golgotakirche erreichbare und nur für Priester zugängliche Selassie-Kapelle ein hoher Würdenträger einen Gottesdienst hält. Ob es sich wohl um jenen Würdenträger handelt, der gestern Abend ebenfalls im Restaurant unseres Hotels gespeist hat ? Unsere äthiopischen Guides jedenfalls sind bei seinem Anblick sofort aufgestanden und an seinen Tisch gegangen, um sich von ihm segnen zu lassen. Ein Verhalten, das sie bei „einfachen“ Priestern während unserer Besichtigungen nicht an den Tag gelegt haben. Die Priester jedenfalls meinen, wir können ruhig zu diesen Kirchen gehen. Das wäre völlig in Ordnung. Aber vorher sollen wir doch noch auf den Felsbogen zwischen den Kirchen Beta Medane Alem und Beta Mariam laufen. Dort hätten wir einen guten Blick auf das Kirchengelände und auch auf die sich außerhalb verteilten Gläubigen, die mittels der Übertragung per Lautsprecher am Gottesdienst teilnehmen. Tatsächlich sehen wir auch außerhalb des Kirchenkomplexes einige Gläubige in Gruppen unter Bäumen in Andacht versunken stehen. Uns fällt auch auf, das heute nur 2-3 kleine Gruppen Touristen in der Anlage sind. Zögerlich überlegen wir nach Verlassen des Kirchenhofes der Beta Mariam in Richtung der Kirchen zum Gottesdienst zu laufen oder das Areal zu verlassen und auf der Straße zur Kreuzkirche Beta Giyorgis zu gehen. Nach kurzer Überlegung siegt unser Respekt vor den Gläubigen und wir gehen zur Kreuzkirche. Hier sehen wir etliche Eidechsen auf den Felsen. Und irgendwie ist da plötzlich auch ein Moment, in dem die Sonne durch die Wolkendecke ein ganz besonderes Licht erzeugt. Die Fassade der Kirche ist überzogen mit Moos und wir bilden uns ein, dieses leuchtet plötzlich besonders intensiv. Da heute sehr wenige Touristen unterwegs sind, können wir den Innenhof der Kirche ganz in Ruhe für uns genießen. Auf dem Rückweg beschließen wir, durch den Turm mit Adams Grab doch noch mal zur Kirchengruppe um die Beta Debre Sina zu schauen. An der Mauer der Kirche lehnen immer noch Gläubige im Gebet versunken. Als wir im Graben unterhalb der Steinbrücke durchgelaufen sind, die zum Eingang der Kirchen führt, strömen plötzlich die Gläubigen aus der Kirche. Wir bleiben etwa 15 Meter entfernt stehen und beobachten das Schauspiel, wie immer neue Menschen aus der Kirche treten, ihre Schuhe anziehen und sich über die kleine Steinbrücke zum Ausgang schieben. Wir staunen, wie viele Leute da nach und nach aus der Kirche kommen. Ganz zum Schluss kommen sogar noch einige Touristen mit ihrem einheimischen Guide, die wir zuvor bei den ersten Kirchen schon gesehen haben, aus der Kirche. Nach diesem Erlebnis laufen wir durch die Gräben und Kirchhöfe zurück zum Eingang und weiter zum Hotel. Nach dem Abendessen hat unsere Reiseleiterin noch einige einheimische Musiker und Tänzer/innen engagiert. Kein typischer Folkloreabend, hat sie uns versichert. Wir sind gespannt. Vier Musiker sowie je zwei Tänzerinnen und Tänzer spielen für uns auf. Der Tanzstil des Eskista-Tanzes ist für uns faszinierend zu beobachten. Die Beinarbeit ist hierbei nicht so relevant. Entscheidend ist das Rollen und blitzschnelle ruckartige Schütteln mit den Schultern und dem Kopf. Hierbei entsteht eine unglaubliche Dynamik, die aber auch ein hohes Maß an Spannkraft im Oberkörper voraussetzt. Die Tänzer beherrschen dies perfekt. Das dies keine Folklore für Touris ist, merken wir schnell daran, das es weder unsere Guides noch die Bedienung an ihren Plätzen hält. Immer wieder mischen sie sich unter die Tänzer. Aber auch wir werden aufgefordert, mitzutanzen. Da meine Frau und ich vorne sitzen, werden wir immer wieder von verschiedenen Tänzer und Tänzerinnen auf die Tanzfläche geholt. Da wir nach dem Essen auch den einheimischen Honigwein Tej verkostet haben, (ab dem zweiten Schluck hat er uns geschmeckt) lassen wir uns nicht lange bitten. Unterbrochen werden die Tänze immer wieder von Liedern, die der lokal wohl sehr bekannte Chef der Musiker vorträgt. Er spielt dabei auf der traditionellen Massinko, einer einseitigen Fidel. Dann sind wieder die Tänzer dran. Diesmal mit einem Sora-Tanz. Die Tänzer stehen sich gegenüber, beugen sich vor, so dass ihre Köpfe nebeneinander sind und dann wirbeln sie im Takt der Musik wild ihre Köpfe hin und her. Uns stockt der Atem, aber ihre Köpfe knallen nicht gegeneinander. Am Nebentisch sitzt währenddessen eine italienische Reisegruppe und isst stoisch zu Abend, ohne die Musiker und Tänzer zu beachten. Auch einen demonstrativ bereits mit unseren Geldscheinen gefüllten Sammelkorb ignorieren sie. Als sie fertig gespeist haben, verlassen sie grußlos das Restaurant. Sehr zur Freude aller Äthiopier ausgerechnet, als ein Tänzer mit Schwert zum Adua-Lied einen wilden Tanz aufführt. Der Adua-Tanz hat wieder funktioniert und die Italiener in die Flucht geschlagen ! In Adua haben die Äthiopier unter Menelik II. im Jahr 1896 die italienische Armee besiegt. Der einzige Sieg einer traditionellen afrikanischen gegen eine moderne europäische Armee. Dieser Sieg sicherte die äthiopische Unabhängigkeit. Jetzt drehen die Musiker und Tänzer richtig auf. Auch bei den Kellnern und Kellnerinnen gibt es kein Halten mehr. Alles tanzt. Selbst die Köchinnen haben ihre Küche verlassen und klatschen im Rhythmus mit. Auch wir sind jetzt endgültig nicht mehr zu halten und tanzen, was das Zeug hält. Viel zu schnell geht die Zeit vorüber und irgendwann ertönt das letzte Lied. Zeit zu Bett zu gehen. Morgen früh verlassen wir mit etwas schwerem Herzen Lalibela. |
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27.11.2019 Erneut auf Abwegen
Heute wollen wir Richtung Axum aufbrechen. Da dies an einem Tag aber zu weit ist, lautet unser Tagesziel Mekele, der Hauptstadt der Region Tigray. Auch das ist ein weiter Weg, daher gibt es bereits um 6 Uhr Frühstück, 7 Uhr Abfahrt. Wir fahren abseits der großen Fernstraßen auf einer Piste durch eine atemberaubende Landschaft. Viele Bauern sind auf den Feldern, ernten und dreschen auf traditionelle Art mit dem Vieh das Getreide. Traditionelle Tukuls drängen sich auf den Höhen der Hügel zu kleinen Dörfern zusammen. Wo schon ein bisschen mehr Wohlstand vorhanden ist, sind die Rundhütten eckigen Hütten mit Blechdächern gewichen. Noch vor Mittag erreichen wir das Städtchen Sekota nahe der Grenze der Regionen Amhara und Tigray. Hier in der Region war in den 80er Jahren die Hungersnot mit am stärksten. Am Stadtrand sehen wir eine große Halle. Ein Verteilzentrum für Lebensmittel. Noch heute werden Nahrungsmittelhilfen in einige Teile Äthiopiens geliefert und einmal im Monat an die Bevölkerung verteilt. Die Waren werden über eine Hafen in Djibouti angelandet und dann per LKWs in die Verteilzentren transportiert. Am Verteiltag kommen die Menschen aus der ganzen Umgebung hierher. Wie sinnvoll diese „Hilfe“ ist, mag ich nicht beurteilen, denn in Äthiopien hat es seit vielen Jahren keine Dürre und Missernten mehr gegeben. Sollten die Hilfsorganisationen nicht besser die Menschen dabei helfen, wieder selbst ihre notwendigen Nahrungsmittel anzubauen ? 5 bis 6 Millionen Menschen sind nach offiziellen Angaben dauerhaft von Lebensmittellieferungen abhängig. Es kursiert der bittere Spruch in der Region: „Die Bauern beten für Regen in Kanada“. Auch in Äthiopien regen sich kritische Stimmen. Die Zeit hat ihr ihrer Ausgabe 17 von 2003 bereits darüber berichtet. www.zeit.de/2003/17/Aethiopien/seite-6 Und auch Arte hat über diesen Teufelskreislauf bereits im Jahr 2004 anhand der Situation in Sambia berichtet: Nachdenklich fahren wir weiter. |
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