02.09.16 – Ruaha
Die heutige Nacht verlief ausserordentlich ruhig. Keine Elefanten, welche den Baum «bearbeiteten», wie noch vorletzte Nacht. Ja, wir sind wieder im Gästehaus untergebracht. Die Parkverwaltung vertröstete uns, bzw. Sikoyo, dass die Bandas zurzeit wieder voll sind – und das Gästehaus übermorgen auch! Aber dann würde in den Bandas Platz zur Verfügung stehen.
„This is Porridge“, sagt uns Prosper am morgen früh beim Frühstück und hat meinen Ablöscher des Tages schon auf sicher. Diese Pampe oder Matsche mit irgendwas Undefiniertem hatte ich zum ersten und letzten Mal in der Armee, am liebsten hätte ich deswegen desertiert! Picco schaut auch nicht begeistert aus der Wäsche, daher deute ich dies, dass er in etwa denselben Gedanken hat wie ich. Ich genehmige mir da lieber zuerst den bereitgestellten Früchteteller mit Avocado, Papaya und Wassermelone. Als es kein Zurück mehr gibt, tunke ich den Löffel in Masse und nehme vorsichtig den ersten Biss. Dann einen zweiten, einen dritten, einen vierten. Verdammt, das schmeckt ja toll! Viel besser als ich es zu der Zeit im Militär in Erinnerung hatte. Gut, hier haben wir auch den besseren Koch…
Gegen 7.30 Uhr fahren wir los zum Gamedrive. Der erste Stop ist bei einem Storchenbaum. Die Flattermänner haben einen sicheren Zufluchtsort für die Nacht gefunden und machen vorerst keine Anstalten, den Baum zu verlassen.
Das Nachtlager, mit frischer Höhenluft...
Als nächstes stoppen wir bei einer Giraffenfamilie. Das Junge schaut neugierig zu uns, sucht aber immer wieder den Kontakt zur Mutter. Der grosse Blechkasten mit den vier Rädern ist ihm nicht geheuer…
Hey Kleiner...
...da musst aber noch ein bisschen wachsen, bist du mit Mami auf Augenhöhe bist...
Weiter folgen zwei Rotschnabeltokos, welche auf einem Baum einen Balztanz aufführen sowie ein einsamer Elefant beim futtern.
Die beiden Tokos beim Balzen
In einer weiten Ebene treffen wir auf eine grosse Büffelherde. Wir schätzen so um die 200 Tiere. Sie sind offenbar auf dem Weg zum Fluss. Die Tiere sind sehr zurückhaltend, nur langsam nähern sie sich uns und umrunden die letzten paar Meter vorsichtig den Wagen. Wir bleiben gute 30 Minuten stehen und beobachten die Herde. Dann fahren wir zuerst parallel, dann Richtung Fluss.
"Du hast doch einen Vogel!" - "Nein!" - "Doch!" - "Wo?" - "Auf dem Kopf..."
Die Landschaft ändert sich ständig. Von einer offenen Savanne über dichten Wald und natürlich das Flussufer. Tiere sehen wir nicht sehr viel (Picco hat aus seiner Erfahrung jedenfalls mehr erwartet), dennoch ist Abwechslung angesagt. Da sind Impalas, dort Zebras die sich auf dem Sandboden wälzen, hier ein startklarer Adler(?), dort hinten Warzenschweine, im Hintergrund Grünmeerkatzen, am Flussufer sonnt sich ein Schakal, da unter dem Busch ist ein Fellhügel, …. äähh Fellhügel? „Ähh, stop please. Can you go back five meters?“
Hab bisher immer gedacht, nur Schweine wälzen sich im Dreck...
Schakal am sonnenbaden
Charlybravodelta, ready for Takeoff
1, 2, 3, hab dich gesehen!
Der Löwe, der sich als Fellhügel entpuppt und nun vor uns liegt, ist unser erster Löwe im Ruaha. Er sieht satt, zufrieden und müde aus. Kein Wunder, seine Mahlzeit liegt direkt nebenan und anhand der Hörner ist oder war es mal ein Kudu. So wie das aber aussieht und riecht, würde bei uns der Lebensmittelinspektor eingreifen und die Kantine sofort schliessen, dem Löwen ist es egal, gibt’s halt die nächsten paar Tage Trockenfleisch.
Darf ich vorstellen: unser erster Löwe!
Zwei weitere Fahrzeuge gesellen sich zu uns und stehen leicht versetzt hinter uns. Die Müdigkeit ist beim Löwen plötzlich nicht mehr sichtbar, stattdessen wirkt er hochkonzentriert und schaut die Neuankömmlinge an.
Unser Löwe wirkt plötzlich angespannt und fokussiert sich auf die Neuankömmlinge
Plötzlich springt er wie vom Affe gebissen auf und rennt durch’s Gebüsch Richtung Strasse in ein anderes Gebüsch. Was sollte denn das, spinnt der jetzt komplett? Als ich mich umdrehe, sehe ich den Grund für des Löwen Abgang: der Fahrer eines anderen Fahrzeugs ist ausgestiegen! Jedoch unklar ist mir, warum diese hohle Schelle das Auto verlassen musste. Er lächelt das Malheur weg und folgt dem Löwen – wir auch. Unter einem dichten grünen Strauch steht er und beobachtet nur das Fahrzeug mit dem zuvor ausgestiegenen Fahrer. Als er die Chance sieht, kommt er hervor und läuft wieder zu seinem vorherigen Platz. Der schlaue Fahrer weiss nun nichts besseres, als ihm zu folgen, als der Löwe noch auf der Strasse ist. Nicht viel hätte gefehlt und er hätte das arme Tier überfahren! Was für ein saudummer oberidiotischer Dummkopf! Anders kann man es nicht erklären und alle in unserem Wagen sind der gleichen Meinung. Als sich der «Schlaukopf» entfernt, legt sich der Löwe – nun wieder sichtlich entspannt – neben der Strasse nieder.
Eigentlich wollen wir noch die Büffel beim Trinken beobachten, aber diese haben ihren Durst schon gelöscht und befinden sich auf dem Rückweg. Schade, aber eine Löwensichtung hat dafür entschädigt. Als Trost gibt es - eine weitere Löwensichtung, diesmal bei einer Löwenfamilie, welche es sich im Schatten unter einem Baum gemütlich gemacht haben. Sikoyo fährt zielstrebig zum Ort und uns erwartet nebst einem Kamerateam und einem weiteren Fahrzeug ein männlicher Löwe, zwei Weibchen und zwei Kleine.
Der eine Kleine...
... und der Rest der Familie
Passieren tut nicht viel, ausser das der eine Kleine ein wenig mit Mama schmust. Die anderen geniessen das Dolce far niente auf ihre Weise, indem sie einfach daliegen. Wie Mikado: wer sich zuerst bewegt, hat verloren… Nachdem wir hier keine Action erwarten, fahren wir langsam zurück, denn bald ist Mittagszeit. Unterwegs – unweit der Löwen – ist aber noch eine Gruppe Giraffen, welche den Weg säumen.
Die hier sind im Gegensatz zu den Löwen in Bewegung...
Um 13.00 Uhr sind wir zurück beim Lunch. Es gibt panierten Fisch, Pommes, Salat und Gemüsepizza. Nach einer Stunde ausruhen starten wir um 16.00 Uhr zum nachmittäglichen Gamedrive. Wir fahren zur Bridge, wo wir unseren ersten Halt machen. Als ich zum Fahrzeug aussteige und mich umdrehe, erschrecke ich! Seit wann ist denn ein Japaner in unserer Reisegruppe? Beim genaueren Hinschauen entpuppt sich dieser als Picco, der als wandelnder Kameraständer herumläuft…
Hilfe, der Japaner ist los! So etwas hätte ich jetzt eher bei der Kapellbrücke in Luzern erwartet...
Wir geniessen die schöne Landschaft, garniert mit Hippos und Krokos. Als wir auf der Brücke stehen, schwimmt direkt eine Panzerechse auf uns zu, wohl mit der Hoffnung, dass entweder ich (oder der Japaner) hineinfällt und er seinen Bauch vollschlagen kann. Mir kommt dabei der Spruch von Bud Spencer (R.I.P.) in den Sinn (Plattfuss am Nil): Für so’n fettes Frühstück musst du schneller sein, gepanzerte Pflaume!
Fluss mit Felsen mit Palme mit Nilpferd
Kroko auf Pirsch
Weiter geht’s zur einer Picnicsite, wo auch einige Vögel zu beobachten sind, u.a. einen Goliathreiher. Unsere Einsamkeit wird bald gestört, es nähert sich ein Reisebus mit vollem Inhalt. Ich bin sehr verwundert darüber, dass so ein grosser und schwerer Bus den Weg über die Holperpiste schafft. Als die Insassen des Buses den Ort für zufriedenstellend befunden haben und abfahrtbereit sind, fahren auch wir los – vor dem Bus, nicht, dass wir hinter dieser Dieselrochel hinterher fahren müssen.
Gross, grösser, Goliath. Wie das Kroko auf der Jagd... und wie das Kroko erfolglos...
Nun folgt die eigentliche Mission des Nachmittages: Operation Punktkatze! Irgendwo in den Hügeln, wo wir nun hinfahren, soll sich ein Leopard aufhalten. Also Augen auf und Konzentration. Und wir finden… dabei die nächsten Verwandten der Elefanten, Klippschliefer. Sie sitzen/liegen/kauern auf den Felsen und beobachten die Umgebung – fast alle in die gleiche Richtung.
Das 10-Augen-in-eine-Richtung-Prinzip. Nur einer schert sich nicht darum...
Vielleicht sehen sie einen Leo? Die Zuversicht steigt. Wir fahren weiter dem Hügel entlang. Suchen jeden Fels und Baum ab, aber niente. Leider kein Leopard für heute Abend, dafür sehen wir wiederum einen schönen Sonnenuntergang und auf dem Weg zurück zwei Hyänen, die in Richtung Dorf laufen. Im Dorf drin selber trippelt ein Schakal ungezwungen umher, immer mit genügend Abstand zu Menschen.
Das Nachtessen besteht aus Selleriesuppe, Reis mit Beef Stew. Der Hunger hält sich in Grenzen, da der Lunch schon relativ spät ausgefallen ist. Zurück im Guesthouse, beim Reisebericht schreiben, höre ich eine Hyäne und ein nicht so weit entfernter Löwe.
Zum Abschied ein weiterer Sonnenuntergang, made in Africa!