THEMA: Vom Rand des Höllenlochs ins Inselparadies
19 Nov 2016 10:06 #452783
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Jaaa, ich lebe noch. Und jaaa, mein Reisebericht geht weiter. Prüfungen sind durch und Computer ist auch repariert, so geht's jetzt in die 2. Halbzeit...

01.09.16 – Makambako – Ruaha
Haben wir die richtige Entscheidung getroffen? Ist es wirklich sinnvoll, one way 276km und 5 Stunden Fahrzeit auf sich zu nehmen, nur um zuzuschauen, wie sich eine helle Kugel am Himmel verdunkelt? Lohnt sich der Aufwand und die Mühe, zwei Tage für dieses Ereignis zu investieren? Fragen, die mir heute Morgen kurz nach dem Aufwachen durch den Kopf gehen. Weitere Fragen, als ich zum Fenster herausschaue: warum laufen die Einheimischen mit Winterjacken und Mützen herum? Wieso sieht alles so grau und blass aus? Wo ist der blaue Himmel? Über Nacht hat sich alles verändert, ausser der Wind. Der bläst immer noch steif um die Ohren, als ich in den Innenhof trete.


Wo ist denn die Sonne?


Sikoyo, in Massai-Bedeckung eingepackt. Die Windstärke erkennt man am Baum...

Wir beschliessen zuerst mal zu frühstücken und abzuwarten und schliesslich doch zu bleiben. Während des Frühstücks betreten einige Polizisten in Vollmontur den Innenhof und gehen auf einen Kaffee. Die politische Opposition hat eine Demo für heute angekündigt, daher die Aufmachung. Es klart langsam auf, wobei die Wolken immer noch dominieren. Der Wetterbericht hat aber Besserung auf Mittag in Sicht, wenn die Verdunkelung eintritt.

Wir bleiben in der Lodge und gehen zur Bar, welche auf der anderen Seite im Innenhof liegt. Zu dritt sitzen wir nun da vor der Bar, richten es uns so gemütlich es geht ein und warten. Wir stellen unser Equipment auf und warten. Wir setzen unsere Spezialsonnenbrille auf und warten. Wir gucken in die Sonne und warten. Wir erklären den Einheimischen, was wir hier machen und warten. Sikoyo ist oft dick eingepackt (ja, der Wind bläst immer noch), hat aber Spass mit uns, während wir warten. Er fordert Einheimische immer wieder auf, mit seinem Smartphone uns zu fotografieren, wie wir warten.


Wir sind bereit...


3 Männer in Makambako (ausnahmsweise windstill, sonst hätte sich Sikoyo mit dem Massai-Umhang eingepackt) - (Copyright Sikoyo)

Dann – von mir fast unbemerkt - geht’s langsam los – das Warten hat ein Ende! Der Mond schiebt sich von links her in die Sonne. Immer mehr Sonne wird bedeckt, was nur mit der Brille oder mit aufgesetztem Filter erkennbar ist. Wenn man von blossen Auge in die Sonne schaut (ich weiss, sollte man nicht tun), sieht man überhaupt keine Veränderung. Es wird auch nicht dunkler in der Gegend. Die Leute in Makambako merken nichts von der Finsternis, ausser diejenigen, die sich in der Lodge aufhalten und ab und zu durch die Brille blicken. Ansonsten, daily usual...


Huch, es beginnt...


... der Mond schiebt sich vor die Sonne...


... immer mehr und mehr....


... bis es aussieht als wäre es Neumond...

Um 12.04 Uhr ist es soweit. Die ringförmige Sonnenfinsternis ist Tatsache!


Tataaa! Das Werk ist vollbracht!

Die Finsternis dauert rund eine Minute, dann ist der Spuk vorbei. Dafür sind wir total 600 km gefahren. Ein bisschen mehr Spektakel habe ich schon erwartet. Naja, zumindest haben wir den Standort ideal getroffen, der Ring ist umlaufend gleichmässig ausgefallen.
Um 12.10 Uhr befinden wir uns schon im Auto und fahren zurück Richtung Ruaha. Ob wir es bis in den Nationalpark schaffen oder noch eine Zwischennacht irgendwo einplanen müssen, entscheidet sich in den nächsten Stunden. Verkehrsmässig haben wir keine grösseren Hindernisse und kommen gut voran. Von den angekündigten Demonstrationen haben wir nichts gesehen, auch keine weiteren Polizisten in Vollmontur. Um 15.40 Uhr erreichen wir Iringa und tanken auf. Uns bleiben noch gut 2 Stunden für 110 km. Wir versuchen es. Sikoyo drückt auf’s Gas, als wir Iringa hinter uns gelassen haben. Schnell, aber doch konzentriert fahren wir auf der Schotterpiste. Unterwegs haben wir noch die Zeit, zwei Kisten mit Wasser einzukaufen. Und tatsächlich, um exakt 17.49 Uhr erreichen wir das Gate.


Das Tor ins (Tier)Paradies...

Grosse Freude und Erleichterung, auch bei Sikoyo. Nun sind wir also wieder zurück in der Wildnis.


Noch schnell den Sonnenuntergang geniessen

Direkt steuern wir auf unsere Unterkunft zu, anschliessend geht’s zum Abendessen. Heute sind wir nicht alleine am Esstisch, eine Gruppe junger Studenten (ca. 13 Mädels und ein(!) Junge) sind auch zugegen. Der Sprache nach schätzen wir auf eine skandinavische Truppe. Ich versuche Picco zu überzeugen, dass es sich hier um ein Frauenkloster handelt, welche den Pastor mitgenommen haben. Die Sachlage können wir bis zur Nachtruhe nicht klären. :whistle: :lol:
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21 Nov 2016 20:31 #453143
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02.09.16 – Ruaha
Die heutige Nacht verlief ausserordentlich ruhig. Keine Elefanten, welche den Baum «bearbeiteten», wie noch vorletzte Nacht. Ja, wir sind wieder im Gästehaus untergebracht. Die Parkverwaltung vertröstete uns, bzw. Sikoyo, dass die Bandas zurzeit wieder voll sind – und das Gästehaus übermorgen auch! Aber dann würde in den Bandas Platz zur Verfügung stehen.

„This is Porridge“, sagt uns Prosper am morgen früh beim Frühstück und hat meinen Ablöscher des Tages schon auf sicher. Diese Pampe oder Matsche mit irgendwas Undefiniertem hatte ich zum ersten und letzten Mal in der Armee, am liebsten hätte ich deswegen desertiert! Picco schaut auch nicht begeistert aus der Wäsche, daher deute ich dies, dass er in etwa denselben Gedanken hat wie ich. Ich genehmige mir da lieber zuerst den bereitgestellten Früchteteller mit Avocado, Papaya und Wassermelone. Als es kein Zurück mehr gibt, tunke ich den Löffel in Masse und nehme vorsichtig den ersten Biss. Dann einen zweiten, einen dritten, einen vierten. Verdammt, das schmeckt ja toll! Viel besser als ich es zu der Zeit im Militär in Erinnerung hatte. Gut, hier haben wir auch den besseren Koch…

Gegen 7.30 Uhr fahren wir los zum Gamedrive. Der erste Stop ist bei einem Storchenbaum. Die Flattermänner haben einen sicheren Zufluchtsort für die Nacht gefunden und machen vorerst keine Anstalten, den Baum zu verlassen.


Das Nachtlager, mit frischer Höhenluft...

Als nächstes stoppen wir bei einer Giraffenfamilie. Das Junge schaut neugierig zu uns, sucht aber immer wieder den Kontakt zur Mutter. Der grosse Blechkasten mit den vier Rädern ist ihm nicht geheuer…


Hey Kleiner...


...da musst aber noch ein bisschen wachsen, bist du mit Mami auf Augenhöhe bist...

Weiter folgen zwei Rotschnabeltokos, welche auf einem Baum einen Balztanz aufführen sowie ein einsamer Elefant beim futtern.


Die beiden Tokos beim Balzen

In einer weiten Ebene treffen wir auf eine grosse Büffelherde. Wir schätzen so um die 200 Tiere. Sie sind offenbar auf dem Weg zum Fluss. Die Tiere sind sehr zurückhaltend, nur langsam nähern sie sich uns und umrunden die letzten paar Meter vorsichtig den Wagen. Wir bleiben gute 30 Minuten stehen und beobachten die Herde. Dann fahren wir zuerst parallel, dann Richtung Fluss.


"Du hast doch einen Vogel!" - "Nein!" - "Doch!" - "Wo?" - "Auf dem Kopf..."

Die Landschaft ändert sich ständig. Von einer offenen Savanne über dichten Wald und natürlich das Flussufer. Tiere sehen wir nicht sehr viel (Picco hat aus seiner Erfahrung jedenfalls mehr erwartet), dennoch ist Abwechslung angesagt. Da sind Impalas, dort Zebras die sich auf dem Sandboden wälzen, hier ein startklarer Adler(?), dort hinten Warzenschweine, im Hintergrund Grünmeerkatzen, am Flussufer sonnt sich ein Schakal, da unter dem Busch ist ein Fellhügel, …. äähh Fellhügel? „Ähh, stop please. Can you go back five meters?“


Hab bisher immer gedacht, nur Schweine wälzen sich im Dreck...


Schakal am sonnenbaden


Charlybravodelta, ready for Takeoff


1, 2, 3, hab dich gesehen!

Der Löwe, der sich als Fellhügel entpuppt und nun vor uns liegt, ist unser erster Löwe im Ruaha. Er sieht satt, zufrieden und müde aus. Kein Wunder, seine Mahlzeit liegt direkt nebenan und anhand der Hörner ist oder war es mal ein Kudu. So wie das aber aussieht und riecht, würde bei uns der Lebensmittelinspektor eingreifen und die Kantine sofort schliessen, dem Löwen ist es egal, gibt’s halt die nächsten paar Tage Trockenfleisch.


Darf ich vorstellen: unser erster Löwe! :woohoo:

Zwei weitere Fahrzeuge gesellen sich zu uns und stehen leicht versetzt hinter uns. Die Müdigkeit ist beim Löwen plötzlich nicht mehr sichtbar, stattdessen wirkt er hochkonzentriert und schaut die Neuankömmlinge an.


Unser Löwe wirkt plötzlich angespannt und fokussiert sich auf die Neuankömmlinge

Plötzlich springt er wie vom Affe gebissen auf und rennt durch’s Gebüsch Richtung Strasse in ein anderes Gebüsch. Was sollte denn das, spinnt der jetzt komplett? Als ich mich umdrehe, sehe ich den Grund für des Löwen Abgang: der Fahrer eines anderen Fahrzeugs ist ausgestiegen! Jedoch unklar ist mir, warum diese hohle Schelle das Auto verlassen musste. Er lächelt das Malheur weg und folgt dem Löwen – wir auch. Unter einem dichten grünen Strauch steht er und beobachtet nur das Fahrzeug mit dem zuvor ausgestiegenen Fahrer. Als er die Chance sieht, kommt er hervor und läuft wieder zu seinem vorherigen Platz. Der schlaue Fahrer weiss nun nichts besseres, als ihm zu folgen, als der Löwe noch auf der Strasse ist. Nicht viel hätte gefehlt und er hätte das arme Tier überfahren! Was für ein saudummer oberidiotischer Dummkopf! Anders kann man es nicht erklären und alle in unserem Wagen sind der gleichen Meinung. Als sich der «Schlaukopf» entfernt, legt sich der Löwe – nun wieder sichtlich entspannt – neben der Strasse nieder.

Eigentlich wollen wir noch die Büffel beim Trinken beobachten, aber diese haben ihren Durst schon gelöscht und befinden sich auf dem Rückweg. Schade, aber eine Löwensichtung hat dafür entschädigt. Als Trost gibt es - eine weitere Löwensichtung, diesmal bei einer Löwenfamilie, welche es sich im Schatten unter einem Baum gemütlich gemacht haben. Sikoyo fährt zielstrebig zum Ort und uns erwartet nebst einem Kamerateam und einem weiteren Fahrzeug ein männlicher Löwe, zwei Weibchen und zwei Kleine.


Der eine Kleine...


... und der Rest der Familie

Passieren tut nicht viel, ausser das der eine Kleine ein wenig mit Mama schmust. Die anderen geniessen das Dolce far niente auf ihre Weise, indem sie einfach daliegen. Wie Mikado: wer sich zuerst bewegt, hat verloren… Nachdem wir hier keine Action erwarten, fahren wir langsam zurück, denn bald ist Mittagszeit. Unterwegs – unweit der Löwen – ist aber noch eine Gruppe Giraffen, welche den Weg säumen.


Die hier sind im Gegensatz zu den Löwen in Bewegung...

Um 13.00 Uhr sind wir zurück beim Lunch. Es gibt panierten Fisch, Pommes, Salat und Gemüsepizza. Nach einer Stunde ausruhen starten wir um 16.00 Uhr zum nachmittäglichen Gamedrive. Wir fahren zur Bridge, wo wir unseren ersten Halt machen. Als ich zum Fahrzeug aussteige und mich umdrehe, erschrecke ich! Seit wann ist denn ein Japaner in unserer Reisegruppe? Beim genaueren Hinschauen entpuppt sich dieser als Picco, der als wandelnder Kameraständer herumläuft…


Hilfe, der Japaner ist los! So etwas hätte ich jetzt eher bei der Kapellbrücke in Luzern erwartet...

Wir geniessen die schöne Landschaft, garniert mit Hippos und Krokos. Als wir auf der Brücke stehen, schwimmt direkt eine Panzerechse auf uns zu, wohl mit der Hoffnung, dass entweder ich (oder der Japaner) hineinfällt und er seinen Bauch vollschlagen kann. Mir kommt dabei der Spruch von Bud Spencer (R.I.P.) in den Sinn (Plattfuss am Nil): Für so’n fettes Frühstück musst du schneller sein, gepanzerte Pflaume!


Fluss mit Felsen mit Palme mit Nilpferd


Kroko auf Pirsch

Weiter geht’s zur einer Picnicsite, wo auch einige Vögel zu beobachten sind, u.a. einen Goliathreiher. Unsere Einsamkeit wird bald gestört, es nähert sich ein Reisebus mit vollem Inhalt. Ich bin sehr verwundert darüber, dass so ein grosser und schwerer Bus den Weg über die Holperpiste schafft. Als die Insassen des Buses den Ort für zufriedenstellend befunden haben und abfahrtbereit sind, fahren auch wir los – vor dem Bus, nicht, dass wir hinter dieser Dieselrochel hinterher fahren müssen.


Gross, grösser, Goliath. Wie das Kroko auf der Jagd... und wie das Kroko erfolglos...

Nun folgt die eigentliche Mission des Nachmittages: Operation Punktkatze! Irgendwo in den Hügeln, wo wir nun hinfahren, soll sich ein Leopard aufhalten. Also Augen auf und Konzentration. Und wir finden… dabei die nächsten Verwandten der Elefanten, Klippschliefer. Sie sitzen/liegen/kauern auf den Felsen und beobachten die Umgebung – fast alle in die gleiche Richtung.


Das 10-Augen-in-eine-Richtung-Prinzip. Nur einer schert sich nicht darum...

Vielleicht sehen sie einen Leo? Die Zuversicht steigt. Wir fahren weiter dem Hügel entlang. Suchen jeden Fels und Baum ab, aber niente. Leider kein Leopard für heute Abend, dafür sehen wir wiederum einen schönen Sonnenuntergang und auf dem Weg zurück zwei Hyänen, die in Richtung Dorf laufen. Im Dorf drin selber trippelt ein Schakal ungezwungen umher, immer mit genügend Abstand zu Menschen.
Das Nachtessen besteht aus Selleriesuppe, Reis mit Beef Stew. Der Hunger hält sich in Grenzen, da der Lunch schon relativ spät ausgefallen ist. Zurück im Guesthouse, beim Reisebericht schreiben, höre ich eine Hyäne und ein nicht so weit entfernter Löwe.


Zum Abschied ein weiterer Sonnenuntergang, made in Africa!
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28 Nov 2016 20:34 #453941
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03.09.16 – Ruaha
Hoppla, bevor es mit dem offiziellen Bericht weitergeht, muss ich noch was beichten. Mir ist da ein kleiner Fauxpas passiert. Dieses Bild…

Corpus delicti
…ist eigentlich nicht der Sonnenuntergang von gestern, sondern der Sonnenaufgang von heute Morgen. :ohmy: Ich hab mich im Datum versehen und dies erst jetzt bei der Bildbearbeitung bemerkt. :whistle: Mea culpa, sorry about it!

Kein Porridge heute Morgen zum Frühstück - schade. Dafür eine halbe Stunde früher Abfahrt, um den Sonnenaufgang zu erleben. Und zwar den vom Bild oben! :P Die Mission am Vormittag lautet: Operation Punktkatze Vol. II. Also fahren wir wieder zu den Hügeln, welche im Allgemeinen ziemlich tierarm, landschaftlich aber ganz reizvoll sind. Höhepunkt der ersten Stunde: zwei männliche Kudus, die sich aber schnell in die Büsche verziehen, als wir für ein Foto halten.


Gerade noch erwischt, bevor er in die Büsche flüchtet

Auf der Sandstrasse finden wir Pfotenabdrücke von Raubkatzen, also muss es hier schon welche geben.


Bin ja schlecht im Fährtenlesen, aber hier lief definitiv kein Esel vorbei...

Wir sind weiter optimistisch und schärfen unsere Augen. Aber der Leopard ist und bleibt unauffindbar an diesem Morgen. Wir kurven noch ein wenig in der Gegend herum. Oftmals halten wir kurz an um verschiedene Vogelarten zu fotografieren. Der Entscheid, zurück zum Fluss zu fahren, fällt allen leicht. Auf dem Weg dorthin nimmt die Tierdichte tatsächlich wieder zu. Plötzlich sehen wir die vermissten Giraffen, Elefanten, Impalas und Zebras. Welch Wohltat! Die Stars an diesem Morgen sind aber die Vögel, vor allem die bunten Gabelracken und Bienenfresser werden immer wieder fotografisch festgehalten. Es wird gebalzt, gezwitschert, umhergeflogen und wieder gebalzt. Auch eine Begegnung mit den südlichen Hornraben, welche nahe der und auf der Strasse entlanglaufen, ist ein tolles Ereignis. Wir versuchen jeweils, die Gabelracken im Flug zu erwischen um das prächtige Federkleid bildlich festzuhalten.


Hornrabe, versperrt uns den Weg...


Es liegt ein Flirt in der Luft...


... und er wird erwidert...


... bald findet man sich am Boden wieder...


"Hee Eisi, du störst. Mach mal Platz!"


Und schon kommt der/die Angebete...


... um sogleich wieder zu verduften...


Ach ja, Zwergspinte gibt es auch noch...

Auf dem Weg zurück zu unserem Mittagstisch stehen am Rand drei Fahrzeuge, alle Insassen gucken in eine Richtung. Am Flussufer in weiter Entfernung und kaum erkennbar haben sich Löwen unter einem Baum niedergelassen. Auf den ersten Blick handelt es sich um drei ausgewachsene Tiere. Wir bleiben nicht lange stehen und fahren weiter, jetzt näher dem Ufer entlang. Gestern haben wir hier einen Löwen alleine mit seinem Snack gefunden. Picco fragt an, ob wir kurz checken können, ob das tote Kudu noch da ist (er will sich wohl einen Happen zum Zmittag sichern…), doch nicht nur das nun aus weniger Fleisch bestehende Kudu, sondern auch der Löwe ist noch da. Wir sind nun alleine mit ihm, er beachtet uns nicht weiter und pflegt seinen Schönheitsschlaf unter dem Busch. Das war eigentlich schon das Highlight des Morgens.


Der Kudu mit seinem Bezwinger

Lunchtime, ab in die Futterkiste! Prosper erwartet uns bereits mit einem feinem Mahl. Und natürlich darf der Fernseher auch seinen Senf dazu geben.
Heute Morgen früh haben wir unser Gepäck vom Guesthouse mitgenommen, da es hiess, wir können wenigstens die letzte Nacht in den Bandas verbringen (weil gemäss Parkverwaltung das Guesthouse belegt ist). Haaa, April April, plötzlich heisst es nun, alle Bandas belegt, zurück auf Feld 1 – ins Guesthouse. War ich beim ersten Zusammentreffen mit Sikoyo gegenüber ihm skeptisch, was die Buchung der Übernachtung betrifft, so denke ich, dass die Parkverwaltung wohl nicht alles im Griff hat mit den Buchungen, bzw. uns wie Schachfiguren «missbraucht». Immer wurde uns mitgeteilt, die Bandas seien ausgebucht. Das kann ich mir aber nicht so richtig vorstellen, dazu war zu wenig Betrieb um die Bandas herum. Auch waren wir meist alleine im Essraum während dem Mittag- oder Nachtessen, was nicht unbedingt für „Ausgebucht!“ spricht. Während unseres Aufenthaltes waren zwei grössere Gruppe für eine Nacht zugegen. Da wird sich die Verwaltung gesagt haben: geben wir den Gruppen die Bandas und verteilen die restlichen Einzelpersonen irgendwo anders um. Ging für die Verwaltung wahrscheinlich einfacher zur Handhabung als die Gruppe aufzuteilen, wenn einzelne Bandas belegt sind. Also lautet mein Fazit: wir und Sikoyo haben wahrscheinlich früh genug gebucht, aber als die Gruppenanfragen kamen, hat man uns wahrscheinlich einfach rausgeschmissen und den Status auf "ausgebucht" gestellt. Und jetzt bringen wir das Gepäck halt wieder zurück ins Guesthouse, dass ja eigentlich auch ausgebucht sein sollte, es aber nicht ist…

Warum erzähle ich das alles? Weil der nachmittägliche Gamedrive praktisch keiner Rede wert ist. Das liegt aber weder am Fahrer/Guide noch an der Landschaft. Sondern wir wollten es nochmals wissen, Operation Leopard 3.0. Leider erfolglos. Aber hätten wir ihn gefunden, ich glaube wir wären uns in den Armen gelegen und hätten von einem erfolgreichen Gamedrive gesprochen. Hätte, wäre, würde… war jetzt halt nicht so. Danach haben wir noch einige Stellen am Fluss besucht und den Sonnenuntergang fotografiert.


Yep, diesmal WIRKLICH ein Sonnenuntergang. Hab extra nochmals das Datum und die Uhrzeit gecheckt... ;)

Höhepunkt am Nachmittag sind zwei Schakale, die in weiter Entfernung eine Gruppe Manguste aufmischt. Irgendwie war ich am Nachmittag aber auch schlapp drauf. Das viele (leckere) Essen, die hohen Temperaturen, dazu teilweise Rebellion meines Magens, all das drückte irgendwie auf mein Gemüt. Und jetzt, vor dem Nachtessen, sitze ich draussen vor dem Essraum im Dunkeln und sehe im Lichtbogen der Gebäudebeleuchtung zwei Schakale vorbeilaufen, ca. 10 Meter weg von mir. Yo, kann man auch als Höhepunkt des heutigen Tages bezeichnen. In diesem Sinne: optimistisch vorwärtsschauen, freuen wir uns auf morgendlichen Gamedrive und den bevorstehenden Aufenthalt auf Sansibar.
Letzte Änderung: 28 Nov 2016 20:36 von Seven.
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08 Dez 2016 20:36 #455208
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04.09.16 – Ruaha – Dar Es Salaam – Stone Town
Heute verabschieden wir uns vom Ruaha, ebenso wie von Superkoch Prosper und Guide Sikoyo. Bevor es soweit ist, geniessen wir noch ein Frühstück (mit leckerem Porridge) und starten zu unserem letztem, gut 2-stündigen Gamedrive. Da wir Tiere sehen wollen, steuern wir direkt dem Fluss zu.


Bevor der Sonnenuntergang fotografiert wird, posiert ein Gockel für uns auf einem Stein


Der letzte Sonnenuntergang im Ruaha (jedenfalls für uns...)

Spannendes bleibt zu Beginn Mangelware. Oje, werden wir uns so vom Ruaha verabschieden? Aber dann hat der Reisegott Erbarmen mit uns, denn es wird interessant: ein Kamerateam (welche wir schon mal getroffen haben) hat sich in Stellung gebracht und deutet auf Löwen, die sich im Gras aufhalten. Es handelt sich um ausgewachsene Tiere, 5 Weibchen und 2 Männchen, wobei eines davon mit dominanter Mähne. In Sichtweite befindet sich eine grosse Büffelherde. Ein Weibchen hinkt ziemlich stark, offenbar wurde sie bei einem Angriff (auf Büffel und durch einen Büffel?) verletzt. Nun scheint aber die Löwentruppe einen weiteren Angriff zu planen. Sie steuern langsam, aber direkt auf die Büffel zu.


Die Löwinnen machen sich auf dem Weg Richtung Büffel, ausser das verletzte Tier im Vordergrund


Immer wieder wird der Blickkontakt zu den Genossinnen gesucht


Der Gentleman schaut sich das Ganze hinter der Frontlinie an

Die Weibchen haben sich im Grasfeld verteilt, das Männchen läuft ihnen ein paar Meter weiter hinten nach. Die Raubkatzen gehen aber nicht in gebückter Haltung, sondern aufrecht auf die Büffel zu. Jene haben aber die Löwen bereits entdeckt und zwei kräftige Tiere laufen sogar zu den Löwen hin.


Der Büffel rechts, der Löwe (hier das Männchen) links neben dem kleinen Baum in der Mitte. Das Weibchen ganz links bläst zum Rückzug

Die Katzen brechen hiervon den Angriff ab und laufen zurück, wobei einige Büffel sie noch ein kurzes Stück verfolgen. Für diesen Tag scheint die Herde sicher zu sein. Die Löwen ziehen sich ganz zurück und laufen der Strasse entlang. Wir folgen ihnen mit Abstand. In den Büschen legen sie sich in den Schatten und beginnen mit dem Nickerchen.


Kein Futter, dann wird halt geschmust (habe erst auf dem Bild gesehen, dass diese eine Löwin auf einem Auge blind ist)

Ein Zeichen für uns, dass unser Ganmedrive somit beendet ist. Danke Ruaha, nach dem gestrigen enttäuschten Tag war’s heute noch ein kurzer, freudiger Abschluss.
Wir fahren zum Flugfeld. Unser Flugzeug taucht bald am Himmel auf und landet sicher auf der Schotterpiste. Sikoyo lässt es sich nicht nehmen, von sich mit Flugzeug ein paar Fotos zu schiessen. Schliesslich kommen nicht viele seiner Gäste mit dem Propellerdampfer zu ihm. Wir verabschieden uns, steigen ein und fliegen via Irigna zurück nach Dar-Es-Salaam. Danke Sikoyo, nach einem doch harzigen Start am ersten Abend hast du mich eines Besseren belehrt. Sehr sympathisch und ein angenehmer Zeitgenosse, mit dem man sich über Gott und die Welt unterhalten kann. Gerne wieder einmal...


Tschüss Ruaha, vielleicht auf ein anderes Mal...

Beim Terminal One – für Inalndflüge – landen wir pünktlich und begeben uns von einem Ende des Gebäudes (Arrivals) zum anderen Ende (Departures). Der Flug nach Sansibar dauert rund 20 Minuten. Höflich werden wir bei Ankunft von einem Zollbeamten begrüsst, füllen das Formular aus und fahren mit dem bestellten Taxi nach Stonetown. Unsere Unterkunft, Kipundo B+B, liegt im Randgebiet der historischen Altstadt, mit Nähe zum Meer. Die Altstadt ist fast komplett autofrei, auch die Gasse in der unser B+B liegt. Ich juble innerlich schon über eine ruhige Nacht.


Das Hotel ist klein und ziemlich verwinkelt, ...


... aber mit sehr viel Charme und liebevollen Details eingerichtet


Ein vorsichtiger Picco prüft, ob er nicht gleich überfahren wird - ich stehe praktisch auf der anderen Seite der Gasse, somit kann kann sich jeder die Breite vorstellen.

Nach Bezug der Zimmer begeben wir uns auf eine kleine Wanderung rund und in der Altstadt. Beim „Haus der Wunder“ treffen wir einen Guide und vereinbaren mit ihm eine morgige Stadtbesichtigung.


Stützpfeiler à la africane...


Kolonialbau in der Altstadt


Und nochmals einer


Ausblick auf den Sonnenuntergang.

Zum Apero geht’s zurück ans Meer, in der Mercury Lounge gönnen wir uns einen Drink. Nach dem Sonnenuntergang laufen wir weiter dem Strand entlang. Ein Essmarkt ist eingerichtet worden, hier trifft sich jung und alt, Einheimische wie Touris. Natürlich werden auch wir von Köchen angesprochen, aber wir haben mehr Appetit auf frischen Fisch im Restaurant. So genehmigen wir uns in einem Strandrestaurant den „Catch of the day“.
Retour im Zimmer nehme ich meinen innerlichen Jubel zurück. Die Gasse auf Seite meiner Fenster ist zwar autofrei, dafür knattern die Vespas umso mehr. Und das tönt abartig laut in dieser schmalen und hohen Gasse. Dazu kann jedes Gespräch von aussen mitverfolgt werden. Na dann, gute Nacht!
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11 Dez 2016 15:34 #455419
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05.09.16 – Stonetown
Offensichtlich gilt für die Einheimischen: zwischen 24.00 und 05.00 Uhr herrscht Nachtruhe. Keine Vespas oder Roller, keine Gespräche zu hören, absoluter Frieden. Was für Menschen gilt, muss aber nicht für Katzen gelten. Jetzt kommen ihre Stunden. Wahnsinn, welches Repertoire so ein kleines Raubtier hat. Und um 05.00 Uhr schlägt noch der örtliche Muezzin mit ins Orchester rein, was für eine Unterhaltung!
So halb schlaftrunken erscheine ich im Frühstücksraum, wo sich Picco bereits bei einer Tasse Kaffee gemütlich eingerichtet hat. Neben uns beiden sind noch zwei andere Gäste zugegen, wobei einer (asiatischer Herkunft) mit seiner Gesundheit zu kämpfen hat. Was der alles aus sich hinaushustet, und das noch teilweise vor dem Frühstücksbuffet(!) ohne die Hand vor den Mund zu halten(!!), puuhh, da kann einem der Appetit vergehen. Deshalb bestelle ich uns ein Omelett, da ist das Gerotze sicher nicht Bestandteil. Und den Toast, hoffe ich, gut durchgeröstet zu haben…
Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg und treffen den Guide wie besprochen vor Ort. Zusätzlich werden wir von einem „Azubi“ begleitet, der später ebenfalls ein Guide werden will und unseren Guide unterstützt mit Karten und Fotos tragen. Wir beginnen beim House of Wonders (oder Baital Ajaib), übrigens unserem Treffpunkt, überqueren die Strasse und schlendern dann kurz zur Küstenpromenande und folgen ihm anschliessend via Old Fort durch die verwinkelte Innenstadt, wo wir an verschiedenen geschichtsträchtigen Orten halten. Vorallem die Türen sind sehr interessant: liebevoll geschnitzt und sehr aufwendig zeigen sie, welche Bewohner sich dahinter befinden. Ein waagrechter Sturz bedeutet arabischer Bewohner, während Inder Rundbögen haben. Über jeden Standort weiss unser Guide viel zu erzählen.


House of Wonder, von der Küstenpromenade her betrachtet


Old Fort, mit New Souvenirshop (rechts)


Die Gäste in diesem Hotel werden mit Salut-Schüssen empfangen...


Wer von den Salut-Schüssen nicht getroffen wurde, erhält einen wundervollen Ausblick von der Restaurantterrasse


Arabische Türe

Beim Sklavenmarkt bleiben wir länger, besuchen die Kirche und sehen auch die unterirdischen Kammern, wo die damaligen Sklaven eingepfercht waren. Nicht nur die Gemäuer sind bedrückend, auch meine Vorstellung, wie es hier zugegangen sein muss.


Am Sklavenmarkt. Picco mit unserem Guide (vorne) sowie dem Azubi, der den Rucksack trägt


In diesem engen Verlies wurden die Sklaven gehalten. Man findet keine Worte dafür...

Weiter geht’s zum Fisch-, Fleisch-, Gewürz- und Huhnmarkt. Zum Glück ist noch nicht Essenszeit, denn der Anblick und Gesta… Geschmack würde den Appetit verderben. Die Fischabteilung riecht man schon von weitem her. Auf dem Boden liegt ein Teil eines Stachelrochens, der mit dem Messer in einzelne Stücke zerteilt wird. Das Ding ist riesig und doch nur ein kleiner Teil des ganzen Fisches. Nach dem Fisch folgt das Fleisch. Entweder hängt die ganze Kuh am Haken oder die einzelnen Stücke sind auf einem Tisch zusammengehäuft. Das tote Fleisch lockt unzählige Fliegen an. Jetzt weiss ich, wieso das Fleisch in Afrika immer so gut und fest durchgebraten wird… Geschmacksvoller und bunter wird es in der Gewürzabteilung. Die verschiedene Gewürze werden einzeln oder als Mischung präsentiert. Die Hühnerabteilung sehen wir nur von aussen, das reicht mir…


Gewürzmarkt, bunt und nach dem Fisch-/Fleischgeruch ein duftendendes Erlebnis

Wir folgen der Freikaufsstrasse zurück zu unserem Ausgangsort, danken dem Guide für die spannende und interessante Tour und bezahlen die 20$. Der „Azubi“ kriegt ein Trinkgeld und wir verabschieden uns. Beim Mittagslunch bleibe ich vegetarisch mit Frührlingsrollen, der Markt ist noch in voller Erinnerung. Danach ist faulenzen, duschen und Tagebuch schreiben angesagt. Am späteren Nachmittag geht’s zurück ans Meer, eine Hotel-Terrasse mit Ausblick für den Sonnenuntergang wurde uns empfohlen. Also suchen wir eine Terrasse in den Obergeschossen der Gebäude und werden schliesslich bei einem Haus fündig. Die Terrasse gehört zum Hotel Mizingani Seafront. Wir stehen unten an der Strasse und schauen empor – scheint niemand da zu sein. Ein Kellner sieht uns nach einiger Zeit und holt uns unten ab. Bevor wir ins Restaurant gehen zeigt er uns die (superschönen) Räumlichkeiten sowie den Swimmingpool im Innenhof, anschliessend setzen wir uns an einen Tisch und bestellen vorerst zwei Smoothies.


Am liebsten würde ich reinspringen...


Die kleine Terrasse des Restaurants


Werbung für Sansibar: Hier könnte Ihr Sonnenuntergang sein...

Mit dem Sonnenuntergang wird es heute nichts, die Sonne geht zwar irgendwann mal unter, aber das hinter einer dicken Wolkenschicht. Wir bleiben im Hotel und genehmigen uns als Trost zum verpassten Sonnenuntergang die Seafood-Platte, die wirklich ausgezeichnet schmeckt.


Leckere Sansibar-Küche

Zurück im B+B zurück lausche ich der Strassenunterhaltung bis tief in die Nacht.
Letzte Änderung: 11 Dez 2016 15:40 von Seven.
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23 Dez 2016 11:30 #456796
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06.09.16 – Stonetown – Nungwi

„Now we are here“, sagt unser Fahrer, als wir vor dem Tor der Homeland-Swahili-Lodge halten. Mein innerliches „Was, das hier?“ und das ungläubige Staunen bemerkt er nicht. «Oh Gott, das ist jetzt aber nicht dein Ernst!» Doch, ist es, und dabei hat der morgen so gut angefangen…

Wir haben genügend Zeit um uns bereitmachen, in meinem Fall packen und duschen. Auf der Frühstücksterrasse werde ich mit einem Hust- und Rotzkonzert begrüsst - der asiatische Gast ist immer noch hier und der akustischen Beurteilung nach geht es ihm nicht besser (oder ist das Normalzustand? :ohmy: ). Auch Picco ist nicht sehr gut auf den Gast zu sprechen...
Wir verabschieden uns vom gemütlichen B+B und schlendern wir mit unserem Gepäck zur Mercury Bar, wo gemäss Anfrage von Picco ein Fahrer für uns wartet. Als wir eintreffen, ist er bereits da. Sein Name: Marco Polo (wie originell, aber nicht das Original). Wir trinken noch eine Cola in der Bar, währenddessen Señor Polo mit dem Auto vorfährt. Anschliessend wird verladen, holen uns noch Geld vom ATM (weil in Nungwi gibt’s keinen Automaten) und fahren nordwärts. Marco Polo erzählt ein bisschen etwas über Sansibar und ist meist erstaunt und/oder ein wenig enttäuscht, dass wir keine Fragen zu seinem Erklärtem haben. Über jeden Abschnitt, über jedes Dorf hat er was zu erzählen („von hier kommen die besten Bananen, da ist ein Tansania-Ikea, hier in diesem Dorf ist das Krankenhaus, etc.“). Yep, gesprächig ist der Mann… wir nicht! Nicht, weil wir unhöflich wären, aber für meinen Teil geniesse ich die Fahrt, beobachte das Treiben auf der Strasse und geniesse die schöne Landschaft, die an uns vorbeizieht und freue mich auf die gebuchte Unterkunft direkt am Meer.
Kurz vor Nungwi, bzw. beim Dorfeingang, biegt Polo ab in eine Schotterstrasse und hält vor einem Gebäude, bei dem gerade Bauarbeiten an einer Mauer ausgeführt werden und irgendwie mitten in der Pampa steht.

„Now we are here“, sagt er also. Tatsächlich, er hat recht! Auf dem Eisen-Eingangstor gemalt sind die Buchstaben: Homeland Swahili Lodge. Glauben kann ich es immer noch nicht. Wir werden von einem jungen Mann begrüsst, dessen zweiten Satz jedes Mal lautet: «we are crazy people». Naja, offenbar sind nicht nur die Leute verrückt… Beim Eintreten in die heiligen Gemäuer steht der Mercedes-Lodge-Bus mit der Aufschrift: Homeland-Swahili-Lodge, Untertitel: Mad backpackers. Die Gäste, welche am Frühstückstisch sitzen, sehen wirklich wie Tramper und Rucksacktouristen aus. Wir deponieren unser Gepäck in die Zimmer (ohne auszupacken, in weiser Vorausahnung…?).
Zur Begrüssung gibt’s vom Crazy-Man Kaffee und einen Früchteteller. Ich schaue mich um. Wir sitzen an einem Ende des Gebäudekomplexes. Vor uns ist eine Küche mit einem Salontisch, eine Einrichtung, wie man sie in jedem Zuhause findet. Auf der Coach nebenan sitzt sein Sohn („he is a crazy boy…“, klar, was denn sonst...) und löffelt gerade das Nutella-Glas leer. Zur rechten Seite ist eine weisse Wand mit dem Wifi-Kennwort (DAS Wichtigste offenbar heute für einen modernen Backpacker), zur linken Seite ist die Wäsche der Lodge und vermutlich noch jene von Gästen aufgehängt, hinter uns (zum Haupteingang hin) befinden sich die Zimmer in zwei verschiedenen, eingeschossigen Gebäude, wobei der Platz vor dem einem Gebäude als Waschplatz genutzt wird. In der Mitte des Komplexes liegt der erwähnte Frühstückstisch (zusammengesetzt aus drei verschiedenen Tischtypen, wohl Tansania-Ikea…). Irgendwie sieht es für mich hier drin chaotisch aus.
Marco Polo gesellt sich zu uns. Er ist nicht nur Fahrer, sondern auch Nachbar der Lodge, ein guter Freund von Crazy-Man und zudem Vermittler und Anbieter von Wassersport-Aktivitäten. Was für ein Glücksfall…! Er erzählt von Sunset-Cruise und von privaten und öffentlichen Schnorcheltouren. Preise:25$ öffentliche, 120$ private Schnorcheltour. Picco und ich lassen uns aber nicht drängen und entscheiden uns, dass wir zuerst mal an den Strand gehen und uns umsehen wollen, nachdem wir den Kaffee getrunken und die Früchte gegessen haben. Mmhh, irgendwie ist ein Gefühl im Bauch, dass mir sagt, entweder ist das hier ein Missverständnis (DAS kann Picco nicht gebucht haben), oder hinter dem nächsten Busch erscheinen plötzlich Karl Dall und Paola Felix und rufen: «Willkommen bei der versteckten Kamera!»

Wir fahren also an den Strand. Denn zum laufen ist es ein bisschen weit. Um ans Meer zu gelangen, fahren wir gut 1.5km weiter nordwärts, zuerst mitten ins Dorf hinein, dann am Rande der wunderschönen Lodges vorbei und halten abseits der Hauptstrasse auf einer Sand-/Schotterstrasse. Für einen Snack empfiehlt Polo das Mama Africa House, an dem wir vorbeilaufen. Das sei sehr bekannt und populär, zu Mittagszeit immer voll. Es ist Mittagszeit und kein Mensch sitzt hier drin! Wir verabschieden uns von ihm und laufen mal ein paar Meter den Strand entlang.

Tief durchatmen, Krisengespräch starten – und tatsächlich: auch Picco ist sehr erstaunt und fassungslos ab den bisherigen Gezeigten. Denn das, was wir gebucht und uns vorgestellt haben, entspricht in keinster Weise der Realität. Standortanzeige in Google-Map: direkt am Meer liegend, Realität: weit weg entfernt vom Meer. Gebäudebezeichnung: Lodge, Realität: eher Guesthouse oder B+B. Was machen?
Möglichkeit 1: eine Alternative in Nungwi suchen – Vorteil: es ist Nebensaison, die Lodges sind unterbelastet und somit findet sich sicher was. Nachteil: dürfte ziemlich schwierig werden, direkt am Meer für unsere vorgestellte Preisklasse was zu finden. Möglichkeit 2: Zelte abbrechen und zurück nach Stonetown, evtl. weiter in den Süden der Insel und dort was suchen.
Wir laufen weiter den Strand entlang, bis Piccos Blase uns zu einem Boxenstop in einer Lodge (Double Tree Resort) zwingt. Nachdem wir was getrunken haben, fragen wir an der Reception nach dem Preis: 260$ pro Nacht. Danke, tschüss… weiter geht’s. Vorbei am heimischen Bootswerft, der angrenzenden Schule und dem Leuchtturm fragen wir eine weitere Lodge (Ras Nungwi Beach Hotel): 156$ pro Nacht (inkl. 35% Prozent Rabatt!). Äähmm, leider nein… Piccos Map zeigt beim Leuchtturm ein Guesthouse. Also zurück. Eine Tafel oder ein Hinweis zum Guesthouse finden wir nicht. So langsam macht sich Resignation breit. Da sehe ich geradeaus ein schmuckes Gebäude, über dem beim Eingangstor eine Tafel steht: Anitas B+B, auf dem Tor stehend: Watchdog! Halleluja, der Optimismus ist zurück. Aber bei der tollen Lage und dem kleinen B+B mache ich mir keine grosse Hoffnung. Probieren kann man es ja mal... Wir klopfen ans Tor und tatsächlich bellt uns der Watchdog entgegen – dem Geräusch nach sind es zwei Hunde. Die Türe im Tor öffnet sich und vor uns steht Anita, eine Schwedin, die vor eineinhalb Jahren ausgewandert ist und hier nun mit ihrem Mann ein B+B aufgebaut hat. Drinnen werden wir noch von den beiden Wachhunden Star und Rampadi begrüsst und beschnuppert. Letzteres gehört dazu, damit wir nicht als Einbrecher deklariert werden. Dazu gesellt sich noch Simba, die Hauskatze (ohne schnuppern…). Anita zeigt uns die Zimmer, nennt den Preis von 55$ pro Nacht und sagt, dass in den kommenden 3 Nächten die Zimmer zur Verfügung stehen würden. Wir überlegen nicht lange und sagen zu. Damit wir aber wieder zu ihr kommen, tauschen wir die Telefonnummern aus und geben ihr Bescheid, wann und wo sie uns abholen kommt.

Draussen vor dem Tor gibt es noch ein verhaltenes High-Five, aber wir sind beide froh und erleichtert, was gefunden zu haben, was eher unseren Vorstellungen entspricht. Innerlich freudig kehren wir zu Marco Polo zurück mit der Bitte, uns zur Homeland-Lodge zu fahren. Jetzt müssen wir noch dem Crazy-Man verklickern, dass wir nicht in seiner „Lodge“ übernachten und die Buchung stornieren werden. Marco Polo fragt unterdessen immer wieder, was wir denn morgen machen wollen. Snorkeling, Sunset, Dolphin-Tour? Hää, Dolphin-Tour? Nie davon gehört. Irgendwie dauert die Fahrt uhuere (verdammt) lang, denn Marco Polo fragt alle Sekunden und gibt keine Ruhe, bis wir vor dem Tor der «Lodge» halten. Wir müssen auf die Zunge beissen, um nicht zu sagen, dass wir es uns anders überlegt haben.
Als wir ankommen, schnappen wir uns Crazy-Man für das Gespräch. Picco erklärt ruhig und gelassen, dass das, was er im Internet vorgefunden hat (vor allem die Lage), überhaupt nicht übereinstimmt mit der Realität, und zeigt einen Screenshot, den er bei der Buchung über Booking.com gemacht hat (der Mann hat Reiseerfahrung! Mir wäre es nie in den Sinn gekommen, zwecks Beweismittel Screenshots zu machen). Crazy-Man meint, das sei inzwischen korrigiert (was auch stimmt, nur wurden wir über die Korrektur weder von ihm noch von Booking.com informiert). Fakt ist also, dass wir falsche Angaben von seiner Seite erhalten haben. Crazy-Man ist nicht zufrieden und gibt Booking.com die Schuld. Als Picco ihm sagt, dass wir hier nicht übernachten werden, wird Crazy-Man langsam emotional und kommt immer wieder mit Aussagen wie: ihr seid die schlauen Weissen und ich bin der kleine dumme schwarze Mann aus Afrika. Damit ist wohl jede Diskussionsbasis für die Katz. Als Entschädigung geben wir ihm 50$ (was 1/3 der Totalsumme entspricht), da er uns vorjammert, dass er alle Kosten übernehmen und draufzahlen muss (was aber nicht stimmt). Statt adieu hören wir immer noch Gejammer und so entschliessen wir uns, auch ohne Adieu zu sagen die „Lodge“ zu verlassen. Wir laufen zur nahen Tankstelle und rufen Anita an, die 15 Minuten später vorfährt und den gleichen ungläubigen Blick drauf hat, wie ich bei der Ankunft: „hier wart ihr?“ Bei der Fahrt zu ihrem B+B erklärt sie, dass jeder Hotelier sich bei Booking.com anmelden und die Daten eingeben kann. Überprüft werden diese vorerst nicht. Erst nach einer gewissen Zeit taucht ein Mitarbeiter der Firma auf und checkt die Angaben. Und offenbar ist dieser Mitarbeiter nach unserer Buchung eingetroffen und hat Crazy-Man aufgefordert, den Standort der „Lodge“ entsprechend zu korrigieren. Wir treffen bei Anitas B+B ein und beziehen die Zimmer (mit Meeresblick!).


Jaaa-ha, Fotos gibt's heute auch, wenn auch nicht viele, dafür umso schönere: Zimmer mit Meeresblick!


Das Gästehaus von aussen


Die beiden Wachhunde Rampadi und Star (wer nun wer ist, weiss ich aber nicht mehr)

Puhh, was für ein Tag. Leider mit unschönen Ereignissen, aber zu guter Letzt doch mit Happy End für uns. Für das Nachtessen setzen wir uns in das nächste Restaurant. Im selben Gebäudekomplex befindet sich auch das Schildkröten-Aufzuchtprogramm. Schildkröte gibt’s aber nicht auf dem Teller, sondern ein gegrillter Thunfisch.


Der Strandabschnitt vor unserem B+B

Dann geht’s zurück ins B+B. Wir öffnen das Tor, werden kurz angebellt, beschnuppert und für einlasswürdig empfunden. Das Wachpersonal funktioniert also einwandfrei. Und sind zudem sehr artig: Star und Rampadi wissen, wo für sie die Grenze ist – beim Kiesweg kurz vor der Treppe, wo es zu den Zimmern im Obergeschoss geht. Da berührt keine Pfote den Weg – Respekt! Für Simba gilt das natürlich nicht – die hat Narrenfreiheit und schleicht manchmal bei offener Türe in die Zimmer rein. Aber heute Abend nicht – denn das Bett gehört mir allein!


Nachtrag: bevor jetzt hier wieder wer mit «geschäftsschädigend» oder «existenzzerstörend» kommt: die Unterkunft ist ideal für Backpackers und/oder Low-Budget-Touristen. Und solche, die gerne Selbstversorger sind, da das nächste Restaurant einen guten Fussmarsch im Dorf entfernt liegt. Was den Standort betrifft: man muss sich einstellen, mit dem Auto zum Strand gefahren zu werden oder halt (wiederum) ein längerer Fussmarsch auf sich zu nehmen – Luftlinie zum Strand ca. 800m bis 1km. Die Markierung auf Booking.com entspricht jetzt dem richtigen Standort, aber auf der «Homeland…»-Homepage ist der Punkt immer noch beim Strand markiert. Soviel zur bösen Booking.com… Wem die Lage (und den Umstand, an den Strand gefahren werden zu müssen - notabene gratis! - das kann man zugute halten!) und die Selbstversorgung nichts ausmacht, der wird sich in dieser «Lodge» wohl fühlen. Aber wie gesagt, es hat nicht unseren Vorstellungen entsprochen.
Letzte Änderung: 23 Dez 2016 15:01 von Seven. Begründung: Korrektur
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