11.07.12 Fahrt von Tana nach Antsirabe
Bereits am Morgen in aller Frühe, es ist bestimmt noch vor dem Mittag, müssen wir unsere sieben Sachen (es sind deren 4 Koffern) wieder bepacken und unsere Herberge verlassen. Vorab geniessen wir aber noch ein wunderbares Petit déjeuer mit allem Drum und Dran: Confiture, Parisette und Spiegelei, im tropischen Garten des Hotelrestaurant.
Autsch! War das eine Nacht… ich liebe ja eigentlich harte Betten... aber in dieser Nacht hat da nicht nur meine Seele geschlafen, nein auch jedes einzelne Glied an meinem Körper! Bloss diese lassen sich nicht so leicht wieder aus ihrem Tiefschlaf erwecken. Also wage ich mich anfänglich kaum zu rühren, ohne gleich vor Schmerzen abzujammern. Harte Betten in Ehren, aber jenes hat einen Härtegrad zu viel abbekommen.
Da ist ja noch das Geld! Wir müssten noch ein Paar von diesen "Ariaris" haben, mit denen man sich hier den Alltag bestreitet. Für Claude ist das kein Problem, er hat bereits einen "Geldboten" ins Hotel bestellt, um das Geschäft im stillen ungestörten Kämmerlein abzuwickeln. Der Kurs liegt bei 3 Euro 20. Sprich, ungefähr 4 Franken für 10'000 jener Ariaris. So wechsle ich vorderhand mal 800 Euros. Tja, das ergibt dann nach der "Milchbüechli - Rechnung", runde zweieinhalb Millionen Ariaris... lieber Leser, meine Augen hättest du sehen sollen, als ich mein Portemonnaie bereithalte, der Bote einen grossen Koffer voller Geld herbei schiebt und mir mehrere Bündel abgezählter Banknoten überreicht! Ich weiss nicht mehr so genau, wo und wie wir uns gegenseitig das viele Geld reinschieben, aber urplötzlich ist PE zum vierten mal schwanger und meine Proportionen ähneln eher jenen eines Vielbierkonsumenten. Aber: Juhui... jetzt haben wir's doch noch geschafft, wir sind Millionarios!
Unbestellte Reisfelder mit Tanarive im Hintergrund
Die Fahrt mit einem nigelnagelneuen Toyota Landcruiser führt uns durch die verstopften, durchlöcherten Strassen von Tanarive (Antananarivo), raus auf die mit Reisterrassen gesäumte Landstrasse RN7 in Richtung Antsirabe. Immer wieder durchbrechen wunderschön geschmückte, farbenfrohe Früchte- und Gemüsestände das einheitliche Landschaftsbild. Ab und an gönnen wir uns einen grossen Bund Bananen für 1'000 Ariaris (ca. 40 Rappen).
In der südlichen Hemisphäre ist es während unserer Anwesenheit Winter. Alle laufen sie mit dicken Daunenjacken und wärmenden Kappen aus der europäischen Kleidersammlung herum. Logisch, denn schliesslich liegt die Temperatur nur knapp über 20 Grad, und nachts sinkt sie gar unter die 15 Grad Marke. Die Reisfelder sind noch kahl, nur ab und zu sehen wir einen Bauern beim Umgraben oder es wird ein Zebu-Ochse durch den Match getrieben, der so seinerseits eigentlich dasselbe tut wie der Bauer, umgraben eben. Wer nicht das Feld bestellt, der versucht den restlichen Lehm aus dem Sumpf der Terrassen zu heben. Aus diesem Lehm werden dann, mit Hilfe einer grossen Holzverschwendung in einer Art aufgetürmten Meiler, Ziegelsteine gebacken. Schöne rote, von Hand geformte Bauklötze, die aber leider nur selten ihr Geld wert sind.
Über das Mittagessen brauch ich nicht grosse Lettern zu vergeuden. Essen ist nicht wirklich die grosse Stärke der madagassischen Kultur: Es gibt Reis oder Reis mit Fisch oder noch Maniok mit etwas Knochenfleisch, vielleicht noch Huhn und Bohnen. Alles andere sind Ideen aus dem westlichen Ausland, die zu kochen dann aber meisst in Meisterwerke der an Unmöglichkeit grenzenden Gerichte gipfeln. Nun gut, unsere Kinder sind von ihrer Natur her gegenüber fremd Aussehendem, nicht aus der mütterlichen Küche stammenden Essen, sehr zurückhaltend. So müssen die Köche meist noch Omeletten oder Spaghettis in die Pfanne hauen. Einheimisches bleibt in ihren Gaumen hängen und muss anderweitig entsorgt werden. Da nützen oft auch strenge, erzieherische Worte wenig. Und wenn ich ganz ehrlich bin…
Also, nach diesem eher flüssigen (weil Süssgetränk und Fruchtsalat) Mittagslunch besuchen wir in einem kleinen Örtchen namens Ambatolampy eine Alupfannengiesserei. Gusspfannen aus Aluminium, für eine doch eher minderbemittelte Käuferschaft.
Restaurantküche mit besagten Aluminiumtöpfen
Mit einfachsten Mitteln und natürlich Barfuss schmelzen die Frauen, Männer und Kinder des Dorfes alles was aus Alu ist oder irgendwie wie Aluminium aussieht, in kleinen Schmelztiegeln ein, formen aus Lavasand ein "Pfannennegativ" und giessen diese Form mit dem Schmelzgut aus. Das alles geschieht mit wenigen, professionell eingeübten, exakten Handgriffen und das Ergebnis sieht auch wirklich ansprechend aus. Da die Schmelze oft nicht nur aus reinem Aluminiummüll, sondern auch aus hochgradig verseuchten Blei-, Quecksilber- und sonstigen gifthaltigen Stoffen besteht, birgt das Kochen in solchen Pfannen ein sehr hohes Risiko für den Hersteller sowie für den Endbenutzer. Ein guter Akzent aber bleibt allemal: Mit Ausnahme der verwunschenen "Einkaufschräschelsecklis" bleibt in diesem Land wohl kaum ein Abfallprodukt ungenutzt, unrecycliert auf der Müllhalde liegen.
Antsirabe ist ein ehemals französisches "Thermalbäder-Städtchen". Anhand der kolonialen Prunkbauten aus der Blütezeit des Tourismus kann man sich heute noch ungefähr vorstellen, wie es hier noch in den Sechzigerjahren zu und her gegangen sein muss. Leider verkommen solche ehemaligen Juwelen im heutigen Madagaskar vollends. Niemand zeigt Interesse an einem Weiterführen der nicht wirklich geliebten französischen Kulturgüter. Aber auch niemand hat Geld, schon gar nicht die Regierung, solche Bauten neu aufleben zu lassen und zu renovieren. Man benützt sie einfach noch, solange es eben irgendwie geht. Antsirabe ist auch die neue Heimat von Claude. Hier hat er sein kleines Häuschen, seine "adoptierte" Familie für die er den Lebensunterhalt bezahlt und seinen Schosshund "Bruce" - eine Dogge ist ein Spielzeug dagegen! Claude’s Ehefrau, ist eine einheimische Professorentochter. Auch sie betätigt sich als Reisebegleiterin, allerdings für einen französischen Konzern.
Bahnhof von Antsirabe
Unser Hotel liegt am Stadtrand. Es ist eigentlich eine Hotelfachschule für angehendes Hotelfachpersonal, die einst von Lausanne aus finanziert und geführt wurde. Und welch eine Ehre für uns Madagaskar-Greenhörner: Exakt an diesem Abend findet die Abschlussprüfung im Bekochen und servieren der Gäste statt, und wir sind als Schweizer natürlich herzlich willkommen und eingeladen. Mhhhhh, dieses Essen schmeckt ausgezeichnet... Wir geniessen unsere Meerfrüchte-Fischlasagne, das „Cebu-fillet a la forestier“ und das Dessert, ein „mousse au chocolat“, mit all unseren vorhandenen Geschmacksnerven. Exzellent! Die Rechnung bezahlt natürlich Claude!