THEMA: Madagascar - zwei Knäckebrote auf Lemurensuche
14 Jul 2012 06:15 #243662
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Dies ist zur Abwechslung mal kein Baobab, es fehlt ja auch die Weihnachtsdeko. Man nennt ihn aber, soweit ich mich erinnern kann, False Baobab.



Noch einer dieser False Baobabs, in Form unseres lustigen Guides Aubin. Er stellt, glaube ich, einen Vogel auf einem Baobab dar. ;-)



Aber die echten sind doch unschlagbar am schönsten.

Letzte Änderung: 17 Jul 2013 18:27 von MooseOnTheLoose.
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14 Jul 2012 15:49 #243743
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Die Fahrt auf dem Ochsenkarren in den Dornenwald bei Ifaty war eine ziemlich wackelige Angelegenheit. Zwischendurch gab's als Imbiss seltsame graue längliche Gebilde, die auf den ersten Blick wie tote Ratten aussahen. Obendrein waren diese Dinger noch heiß. Tatsächlich war in der grauen Hülle aber ein weißer Glibber :sick:, der für uns Vazahas furchtbar eklig schmeckte. Es handelt sich dabei um wilden Maniok, der vor dem Essen erhitzt werden muss, damit die Blausäure :ohmy: verschwindet. Das Zeug soll aber sehr nahrhaft sein und viel Wasser enthalten, und ist in dieser sehr trockenen Gegend als Überlebenshilfe entsprechend beliebt.

Unser Guide Aubin und der Chauffeur auf dem Ochsenkarren:



Darum heißt das Dornenwald:



Am späten Nachmittag hatten wir im madagassischen Winter eine fantastische Lichtstimmung:











Eine Termitenhöhle:



Angebrannt und noch am Leben:

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Um das Thema Dornenwald abzuschließen, noch ein paar letzte schöne Baobab-Exemplare von mir. Ich denke, wir gehen anschließend wieder unserer Hauptaufgabe auf Madagaskar nach: der Lemurensuche.





Letzte Änderung: 17 Jul 2013 18:28 von MooseOnTheLoose.
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Wir wollten unbedingt wieder Lemuren sehen und entschieden uns für einen Besuch im Ialatsara Camp, ca. 80 km südlich von Ambositra. Auch dieses kleine Reservat mit einem Primärwald befindet sich unter lokaler Leitung und die Eintrittsgelder fließen den Menschen vor Ort direkt zu. Zwei Guides gingen voraus auf die Pirsch, ein dritter führte uns hinterher. Auf schmalen Pfaden ging es durch den Park, über laute Rufe verständigten sich die Guides und führten uns tatsächlich zu unseren geliebten Lemuren! Die letzten 100 m bergab wurde mit der Machete eine kleine Schneisse durch den Wald geschlagen, es kostete uns und unserer nicht vorhandenen Kondition wahrlich große Anstrengung. (Zum Glück ist Ialatsara nur wenig bekannt, nicht auszumalen, welch großer Flurschaden bei größeren Besucherzahlen entstehen könnte.) Und da waren sie: die Milne-Edwards Sifaka.







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15 Jul 2012 17:19 #243917
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Im Geisterzug nach Nirgendwo
Unsere abenteuerliche Fahrt mit der FCE Eisenbahn nach Manakara

Eigentlich sollte man ja immer vorsichtig sein mit Sachen, die im Reiseführer als "Highlight" angepriesen werden. Bei den schlechten Reiseführern sind es von vornherein Touristenfallen, die man weiträumig umfahren sollte, bei den guten waren es mal Highlights, die aber mangels Pflege oder aufgrund von Überfüllung inzwischen nicht mehr empfohlen werden können.

In jedem Madagaskar-Reiseführer steht die Eisenbahnfahrt von Fianarantsoa nach Manakara als "echtes Highlight" drin, das man unbedingt mitgemacht haben muss. Angesichts der lebenswichtigen Bedeutung für die Orte, an denen der Zug vorbeifährt (mehr dazu später), würde ich nicht von einer Touristenfalle sprechen. Wenn man ältere Bilder (2007-2010) von anderen Leuten sieht, denkt man sich nichts dabei und freut sich darauf, die Zugfahrt mitzumachen.

Wir starteten nicht in Fianarantsoa, sondern in Sahambavy, wo wir zuvor im Lac Hotel (sehr empfehlenswert übrigens!) übernachtet hatten. In der Nacht zuvor hatten sich meine Erkältung und die Lariam-Tablette darum gestritten, wer mich mehr schwächen darf, die Erkältung hatte gewonnen. Leider ging es mir aber nicht schlecht genug, dass ich die Zugfahrt stornieren wollte. Statt dessen hätten wir uns bequem im Landcruiser nach Manakara schaukeln lassen können, der musste ja eh dort hin gebracht werden, also hätten wir noch die Kosten für das Zugticket gespart.

Angesichts der notorischen Verspätung des Zuges haben wir uns 11 Uhr als Deadline gesetzt, wenn er es bis dahin nicht nach Sahambavy geschafft hat, fahren wir mit dem Auto.

Als wir so am Bahnsteig standen, sprach unser Tourguide irgendwelche Warnungen aus, auf die wir nur halbherzig hörten. Schließlich wollten wir uns nicht die Blöße geben, als Weicheier dieses "Highlight" zu verpassen und obendrein stand neben uns eine niederländische Reisegruppe mit Durchschnittsalter 60, die sich in bester Stimmung auf die Zugfahrt freute.

Ich schnappte irgendwas auf mit "im Dezember ist eine Lok in die Schlucht gestürzt" ... blah blah ... "x Tote" ... blah ... "nur noch eine Lok übrig" ... blah ... "auch kaputt" ... blah blah ... "mit Wrackteilen repariert" etc. etc., diese Wortfetzen fanden erst mal den Weg in mein Unterbewusstsein und sollten erst später von dort wieder auftauchen.

Dann unterhielt sich unser Tourguide mit dem niederländischen Kollegen, der erzählte, wie eine Lok mal auf offener Strecke verreckt war, dann musste er mit seiner Reisegruppe 40km bis zur nächsten Straße laufen, "aber die waren alle fit und gute Läufer". Auch das steckte ich erst mal in die "issmirwurscht" Schublade.

Um 10:30, also leider vor der Deadline, rollte hupend und scheppernd eine Ansammlung Schrott auf den Schmalspurgleisen an und kam quietschend zum stehen. Immerhin freuten wir uns, in einem geräumigen Abteil (was wir auf alten Fotos gesehen hatten) Platz zu nehmen, so dass man in Ruhe Fotos aus dem langsam fahrenden Zug machen und auch mal an einem Bahnhof aussteigen kann etc. Als wir dann einsteigen wollten, ging erst mal gar nix mehr. Nicht nur alle Sitze des sehr engen Waggons, sondern auch jeder Quadratzentimeter Fußboden waren besetzt, alle waren mit Kind&Kegel ineinander verkeilt und zur Bewegungslosigkeit verdammt. Nachdem unser Tourguide uns den Weg frei geräumt und die beiden pikierten Französinnen von den für uns reservierten Sitzen verscheucht hatte, nahmen wir auf der beengten Bank Platz, und kaum dass er sich von uns verabschiedet hat, schlossen sich alle Lücken wieder und auch wir waren nun eingekeilt und bemerkten zu spät, dass wir die falsche Entscheidung getroffen hatten, als sich das quietschende scheppernde Ungetüm träge in Bewegung setzte.

"Vorsorglich" hatten wir nur wenig Trinkwasser mitgenommen, in Erwartung einer gruseligen Zugtoilette, die wir so wenig wie möglich (am besten gar nicht) benutzen wollten. Keine gute Idee. Mit der Entscheidung hätten wir schon gute Chancen gehabt, im Teil 2 von "Verschollen im Land der Ahnengeister" die Hauptrolle zu spielen.

3. Haltestelle: Ranomena. Irgendwie wird immer in Nähe eines Bahnhofs - und das ist vom Kulturkreis offenbar völlig unabhängig und gilt für Europäer genauso wie für Madagassen oder Eskimos - beim Menschen das Bewusstsein für Hygiene und Ordnung grundsätzlich außer Kraft gesetzt, statt dessen setzt das Vermüllungssyndrom ein und auch der Zweck einer Toilette scheint wie vergessen. So erleichterten sich Europäer wie Madagassen ungehemmt im nächstbesten Gebüsch und neben dem Zug war ein einziger Morast.



Besonders seltsam fand ich die Sorte von Franzosen, die dann ausstiegen, sich zwischen die Leute in diesen Morast setzten und obercool ihre filterlose Gauloises rauchten, mit der Gewissheit, dass sie ja wieder abhauen können. Weil um uns herum immer noch die Leute verkeilt waren und wir draußen nicht im Schlamm versinken wollten, blieben wir sitzen. Die Angebote der fliegenden Händler mit Essbarem nahmen wir auch nicht an, weil wir befürchteten, dann zu einer Dauersitzung auf der Zugtoilette verdammt zu sein. Wir warteten.



Nach anderthalb Stunden setzte sich der Zug in Bewegung, aber in die falsche Richtung. Es keimte ein Hoffnungsschimmer auf, dass vielleicht wegen eines Gleisschadens der Zug umkehren muss und vom Lac Hotel hätten wir vielleicht irgendwie unseren Guide erreicht und dann hätte der Schrecken ein vorzeitiges Ende gehabt. Es wurde aber nur rangiert. Angesichts der lahmen Geschwindigkeit des Zuges hätten wir wahrscheinlich auch in 2 Stunden zu Fuß zurück laufen können. Kurz vor Ablauf der selbst gesetzten Deadline von 3 Stunden Wartezeit, die uns zu dieser Entscheidung bewogen hätte, und das war nach zweieinhalb Stunden Warterei, fuhr der Zug dann doch in die richtige Richtung weiter und kehrte auch nicht mehr um. Als wir aus dem Fenster blickten, sahen wir im Verlauf der Zugfahrt immer wieder, dass sich die Anzahl der Waggons änderte.

Die beiden Französinnen gegenüber waren abwechselnd damit beschäftigt, "Cosmopolitan" oder "Madame" zu lesen (zum großen Staunen der neben ihnen auf dem Fußboden sitzenden Madagassinnen) oder das enge Zugfenster zu blockieren, um dilettantisch Fotos zu knipsen. Wir kamen selten zum Fotografieren, immerhin zogen tatsächlich ein paar schöne Berge und Wälder an uns vorbei und ein madagassischer Fahrgast machte mich auf den Wasserfall aufmerksam, den wir langsam passierten, der aber leider auf der falschen Seite war, so dass ich ihn nicht richtig fotografieren konnte, ohne auf ein Dutzend Leute zu trampeln.

Im Verlauf der Fahrt wurde jeder Bahnhof immer kaputter und dreckiger, die Menschen sahen immer schlimmer aus, irgendwie schienen die "goldenen" Zeiten dieser Eisenbahnlinie schon dem Ende zuzugehen.







Hinter einem Tunnel sahen wir dann auf unserer Seite das Beweisstück, das mich schmerzhaft an die nur halbherzig gehörten Erzählungen unseres Tourguides erinnerte: das Wrack der Lokomotive, die abgestürtzt war und dabei mehrere Menschen in den Tod gerissen hatte. Das war die vorletzte Lok. Die letzte, mit der wir jetzt fuhren, war auch schon mal kaputt und dann hat man das abgestürzte Wrack geborgen und ausgeschlachtet und damit unsere Lok wieder in Gang gesetzt. Wenn die mal ihren Geist aufgibt, fährt nichts mehr.

Übrigens hatte ein Schweizer Verein von Eisenbahnfans (auch Pufferküsser genannt, oder müsste das Püfferliküsser heißen?) einige Exemplare dieser Lokomotive und auch Waggons aus Altbeständen restauriert und voll funktionsfähig gemacht. Es war geplant, diese Züge der FCE zu schenken. Das Ganze scheiterte daran, dass der madagassische Zoll für dieses Geschenk allen Ernstes Einfuhrsteuer kassieren wollte. Die Schweizer haben verständlicherweise frustriert aufgegeben, jetzt rosten die Züge ungenutzt vor sich hin.

Als die Dämmerung dann einbrach und die Landschaft nicht mehr so berauschend war, sahen wir die beiden Französinnen mit einem Streckenplan hantieren, den sie sich von der niederländischen Reisegruppe geborgt hatten und wir erkannten, dass wir vielleicht gerade ein Drittel der Strecke hinter uns gebracht hatten. Unsere Wasser"vorräte" schwanden langsam, wenigstens musste ich nicht auf die Zugtoilette. Moose hatte sie einmal auf halber Strecke benutzt, als sie noch benutzbar war.

Das Deprimierende an diesem Bummelzug war, dass man nie wusste, wann er weiterfährt. An den Bahnhöfen wurden große Mengen Fracht be- und entladen, das dauerte seine Zeit. Besonders beunruhigend fand ich es immer, wenn der Diesel aufhörte zu rattern. Dann konnte es eine technische Störung sein, die innerhalb von 5 Minuten bis 5 Tagen behoben wird.

Als es dann draußen total stockdunkel geworden war, wurde das Unternehmen zu einer richtigen Geisterbahnfahrt. Beleuchtung? Fehlanzeige. Außer den Scheinwerfern der Lok und dem gelegentlichen Geflacker von Taschenlampen gab es fast kein Licht. Einmal gelang es irgend jemandem, den Stromanschluss der Lok mit den Waggons zu verbinden. Das fahle Licht einer Deckenlampe flackerte auf, ein Niederländer hinter uns quittierte das mit "Dat isch pouschitief". Positiv fanden wir das auch. Überhaupt waren unsere Mitreisenden viel besserer Laune, die sie vor allem durch Singen aufrecht erhielten. Wir hätten ja mit "Wir lagen vor Madagaskar" zum Gegenschlag ausholen können.

Die letzten 6 Stunden bis zur Ankunft sind wir bei völliger Dunkelheit (drinnen wie draußen) gefahren, der Regen spritzte gegen die halb offenen Fenster, Äste und Blätter klatschten gegen die Scheiben: es geht ein Zug nach nirgendwo...

Nach längerem Blindflug entspannte sich die Lage dann mal ein wenig, weil an einem Bahnhof ziemlich viele Leute ausstiegen. Die Französinnen hatten sich schon längst woanders platziert und zu uns setzten sich 2 Madagassen. Der ältere von beiden stellte sich mir als "le mere du village" vor und ich konnte mir unter "der Mutter von dem Dorf" nichts vorstellen, bis ich die letzten Reste des nach der 11. Klasse abgewählten Französisch aus meiner Erinnerung hervorkramte und schließlich beim 3. Mal kapierte, dass er "M-A-I-R-E" war, also Bürgermeister. Schön, dann lernen wir mal den Bürgermeister von einem dieser Dörfer kennen. Trotz meiner offensichlich mieserablen Französischkenntnisse textete er mich dann endlos zu und wollte wissen, wie denn bei uns so Nachtzugfahrten verlaufen. Ich erinnerte mich dunkel an meine Fahrten zwischen München und Berlin Anfang der Nullerjahre, wo ich morgens um halb sechs mit "Wollnsezumkaffeoochnfrischetkrossang?" geweckt wurde. Ich erzählte nur, dass bei unseren Zügen etwas mehr Licht ist und sie etwas schneller fahren, was ihn aber schon sehr beeindruckte.

Meine Müdigkeit tat ihm keinen Abbruch, weiterhin einen Redeschwall über mich zu ergießen, den ich nur fragmentweise verstand. Irgendwann ergriff ich dann doch mal die Gelegenheit, ihn zu fragen, was denn geschehen würde, wenn dieser letzte Zug auch noch den Geist aufgibt. Wieder ein großer Redeschwall, aus dem ich Worte wie "lamentable" und "totalement enclavee" herausfischte. Das genügte mir. Die letzte Lebensader der Dorfbewohner entlang der Strecke, die keinen Anschluss an eine Straße haben. Wenn der Zug endgültig ausfällt, fallen diese Menschen vom Mittelalter in die Steinzeit zurück. Wie wichtig die Funktion als Transportmittel ist, merkte ich auch, als ich an der nächsten Haltestelle lautes Quieken und Grunzen hörte. Als ich "cochon" sagte, nickte er. Eine Horde Schweine wurde verladen. Er schimpfte erbärmlich über die Unzuverlässigkeit des Zuges und den Unwillen der Verantwortlichen, diese lebenswichtige Verkehrsverbindung am Leben zu halten.

Dann wollte ich doch mal heraus finden, warum er eigentlich unterwegs war. Ich verstand das so, dass er die Stationen zähle, damit man besser die Fahrzeiten voraussagen kann... Ahhhhja! Bei uns beschäftigt der Wetterdienst immerhin Praktikanten, um bei einem Gewitter die Blitze zu zählen. Auch nicht schlecht. Im weiteren Verlauf der Fahrt schlief er dann übrigens, da war nichts mehr mit Stationen zählen.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer war ein Glühwürmchen, das zum Fenster hereinflog und bis zur nächsten Haltestelle auf Moose Platz nahm, um dann wieder weiter zu fliegen. Das war zu der Zeit so ziemlich die einzige Lichtquelle, bis es hinter uns bunt zu leuchten begann und eine vertraute Melodie spielte, die in diesem Moment aber von einem völlig anderen Planeten zu kommen schien. Wir konnten es kaum glauben, aber einer der Holländer spielte Angry Birds auf seinem Iphone und die Madagassen drängten sich neugierig um das Geschehen.

Bevor er einschlief, hatte der Bürgermeister noch hoffnungsvoll erzählt, dass wir gegen 21 Uhr in Manakara ankommen würden. Zu der Zeit war es 18:15. An einem der ungeplanten Halte, wo wieder mal irgend was kaputt war und wir ewig hängen blieben, wurde es dann 21 Uhr und mir kam es nicht so vor, als wären wir kurz vor Manakara. Einer der Holländer hinter uns brachte dann den Spruch, der für unsere ganze Reise zum geflügelten Wort wurde:

Een echte Aventuur!

(keine Ahnung, ob ich das richtig geschrieben habe)

Abenteuerlich fanden wir das sicherlich auch, ja.

Das "Zugteam" holte das Letzte aus der Lok raus, wir fuhren tatsächlich etwas schneller und die Landschaft wurde immer flacher. Die scheinbaren Stadtlichter am Horizont waren natürlich nicht von Manakara, auf Madagaskar gehen sowieso nachts die Lichter aus. Es war der aufgehende Mond, der uns täuschte. Irgendwann huschte aber ein turmähnliches Gebilde mit einem roten Licht drauf am Zug vorbei. Etwa ein Flugplatz? Wir wagte es nicht mehr zu glauben, aber in der Ferne tauchten dann hell beleuchtete Öltanks auf. Langsam lösten wir uns aus der Starre, in der wir diese Fahrt über uns ergehen ließen, als wir um Mitternacht nach dreizehn Stunden in die Endstation Manakara einfuhren und reihten uns in die Horde Touristen und anderer Fahrgäste ein und bahnten uns auf schnellstem Wege unseren Weg nach draußen und rannten auf den wie aus dem Ei gepellt aussehenden Landcruiser zu, der vor dem Bahnhofsgebäude auf uns wartete. Wir waren total fertig, hungrig, ich hatte die ganze Fahrt ohne Toilette durchgehalten. Unser Tourguide fuhr mit uns auf schnellstem Wege zum La Vanille in Manakara. In dem Restaurant hatte man extra auf uns gewartet und wir genossen die köstlichste Gemüsesuppe, die wir uns vorstellen konnten (noch mit einem hartgekochten Ei drin!). Zusammen mit einem kühlen THB (Three Horses Beer) rann sie meine Kehle hinunter und versöhnte mich wieder mit Madagaskar.

Im Nachhinein fragte ich mich, was schlimmer gewesen wäre: mit dem Zug in die Schlucht stürzen (schnell vorbei), oder auf dem Rückmarsch zum nächsten Straßenanschluss zu verdursten (dauert länger).

Den Rekord haben wir noch nicht gebrochen, unser Tourguide hat auch schon mal den Zug morgens um 4:00 Uhr ankommen sehen. Wir fahren damit sicher nicht mehr, auch er hasst ihn wie die Pest, wenn er 1-2x im Jahr eine Reisegruppe dort begleiten muss. Die guten alten Zeiten sind vorbei und mit jedem Tag wächst das Risiko, dass der Zug wirklich liegen bleibt. Sehen tut man deutlich weniger als erhofft auf der Fahrt. Im momentanen Zustand können wir daher nur von diesem "Highlight" abraten. In Manakara haben wir uns dann einen Tag länger zur Erholung gegönnt.
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Hey Erdferkel, willst Du jetzt die Lorbeeren für den längsten Forumsbeitrag überhaupt einheimsen? Naja, die lieben FoMis hier wollen ja immer Reiseberichte, hier bekommen sie einen. Ich habe da übrigens auch noch ein paar Bilder unseres Abenteuers auf Schienen.

Warten auf Godot, ähm, auf den Zug.


Der Bahnhof von Sahambavy hat auch schon bessere Zeiten gesehen.


Unser erster Halt von ach so vielen.
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