Madagaskar 2009 Teil 2
13.08.2009 Fahrt nach Frankfurt
Der Wecker reißt mich aus meinen Träumen. Heute geht wieder ein Abenteuer los. Schnell die Safari-Klamotten angezogen und die Wanderschuhe geschnürt. Die Kollegen werden Augen machen. Ab in die Firma. Nach einen ereignisreichen letzten Arbeitstag geht es nach Hause. Dort warten ein funkelnagelneuer Fotorucksack (Photo Trekker AW II) und ein Mini-Hartschalenkoffer sowie die Flugtickets auf mich. Die Wartezeit hat jetzt ein Ende. Auch wenn die letzte Afrikareise gerade mal zwei Monate her ist, bin ich schon wieder auf Entzug. Die Abfahrtszeit der S-Bahn drängt. Jetzt wird es Zeit den Fotorucksack zu schultern. Uff ist der schwer. Das Köfferchen geschnappt. Licht aus! Wasser aus! Tür zu! Jetzt gibt es kein zurück mehr.
Auf zum Bahnhof. Ich wähle den kürzesten Weg durch das Gebüsch über den Hausbahnsteig. Schon jetzt schmerzt der Fotorucksack auf den Schultern. Wie soll das denn nur auf den Wanderungen in Afrika sein? Die Regionalbahn trudelt gerade ein. Noch 10 Minuten bis zur Abfahrt. Ich brauche aber noch meine Fahrkarte. Vor mir braucht jemand eine Ewigkeit am Automaten. Anscheinend können nicht nur Afrikaner unglaublich langsam sein. Endlich wirft er entnervt das Handtuch. Mit flinken Fingern hangele ich mich durch die Menüs. Dann wird schnell die Buchungsnummer eingetippt. Der Automat summt, brummt, klackert, Lichter gehen an und aus, der Nadeldrucker rattert und endlich erscheint auf dem Bildschirm die Nachricht: „Ticket entnehmen“. Wo ist das Ticket? Es gibt hier kein Ticket!!! Wutentbrannt trete ich gegen den Automaten. Ich treffe aber nur den Betonsockel. Aua!!!! Das hat weh getan. Noch 5 Minuten bis zur Abfahrt. Ruhig bleiben! Nochmal die ganze Prozedur, wieder das bekannte Summen, Brummen und Klackern. Dann kommt ein doppelt bedrucktes Ticket mit ausgefressenen Ende heraus. Besser als Nix. Dann geht der Automat auf Störung. Noch 2 Minuten bis zur Abfahrt. Also hurtig durch die Unterführung gehechelt. Noch eine Minute! Die Treppe hoch geflitzt. Abfahrtszeit! Schweißgebadet entere ich die Regionalbahn. Ich nehme Platz. Da ertönt die Durchsage: „Sehr geehrte Fahrgäste wir warten noch auf Anschlussreisende. Die Abfahrt verzögert sich um 5 Minuten“. Jetzt wird es mit der Umsteigezeit in Mannheim knapp. Der ICE hat in Mannheim 10 Minuten Verspätung, also alles in Butter. Dann geht es mit einen ICE der Dritten Generation (403 028) im Sauseschritt nach Frankfurt.
Es ist 18:25 Uhr. Um halb sieben wollte ich mich mit Volker am Schalter der SAA treffen. Aber ich kann keinen Volker entdecken. Die Schlange ist kurz und so stelle ich mich an. Vor mir müssen alle Leute auch das Handgepäck auf die Waage legen. Mir schwant böses. Eine lächelnde Dame winkt mich an ihren Schalter. Ich stelle mein Köfferchen auf die Waage – 9 kg. Kein Problem. Aber jetzt soll ich meinen Fotorucksack ebenfalls auf die Waage stellen. Der hat satte 17 kg.
Das Lächeln bei der Dame verfliegt. Ihr Gesicht wird bleich.
Dame: Das geht so nicht! Als Handgepäck sind nur 7 kg erlaubt und der Rucksack muss eingecheckt werden.
Kiboko: Der Rucksack kann nicht eingecheckt werden. Da ist eine empfindliche Fotoausrüstung drin. Diese kann ich unmöglich der Kofferunterwelt anvertrauen. Außerdem ist der Rucksack nicht abschliessbar.
Dame: Es ist Gesetz, dass keine Handgepäckstück mehr als 7 kg wiegen darf. Der Rucksack darf nicht mit in die Kabine.
Kiboko: Der Wert der Fotoausrüstung ist über 20.000 Euro. Das kann ich unmöglich einchecken und ist von ihrer Versicherung nicht gedeckt.
Die Gesichtsfarbe der Dame verändert sich in ein zartes rot.
Dame: Das kann sie verstehen, aber es darf nur 7kg ins Handgepäck. Wenn schwere Gepäckstücke in der Kabine herumfliegen ist die Verletzungsgefahr zu groß. Daher gibt es die Beschränkung.
Kiboko: Ich kann ihren Standpunkt verstehen. Aber dann kann ich bei ihnen nicht mitfliegen!
Im Geist sah ich mich schon statt nach Afrika zu fliegen, mit dem ICE nach Hause zu fahren.
Die Gesichtsfarbe der Dame ist inzwischen dunkelrot.
Dame: Wenn sie bei mir eine Ausnahme machen würde, würde sie sofort eine Abmahnung bekommen. Sie darf kein Handgepäckstück über 7 kg zulassen.
Die Reisenden an den Nachbarschaltern gucken schon blöd.
Die Dame hat Schweißperlen auf der Stirn.
Kiboko: Wenn ich zwei schwere Kameras aus dem Fotorucksack herausnehme und einzeln trage, wäre das dann OK?
Dame: Wenn der Rucksack 7 kg hat, wäre das OK.
Also habe ich meine beiden Knipskisten mit dem 24-70 und der Gorillahantel herausgenommen. Im Kopf das Gewicht addiert. Das reicht noch nicht. Schnell noch das 70-200 in meinen Pullover eingewickelt und in einen Beutel gestopft. Dann das 105er und 30er jeweils in eine Hosentasche gestopft. Den Reiseführer in eine Beintasche gequetscht. Oh je, die Gewichtskraft zerrt am Gürtel. Die Hose fängt an zu rutschen.
Aber jetzt müsste es reichen. Eine Kollegin prüft das Gewicht des Rucksacks an einen anderen Schalter, 7 kg. Aber die Dame am Schalter glaubt es nicht und prüft noch mal. Jetzt sind es nur noch 6.5 kg. Jetzt lächelt sie wieder. Ich bekomme meine Bordkarte. Vollbehangen mit Fotogeraffel und mit rutschender Hose mache ich mich aus dem Staub. Warum gucken mich alle Leute so blöd an? Haben die noch nie einen Mann mit zwei Fotoapparaten und ausgebeulten Hosentaschen gesehen? Es ist jetzt 18:35 und von Volker ist immer noch nix zu sehen. Es wird Zeit das ich das Fotogeraffel wieder in den Rucksack packe. Aber es ist ungeschickt, das hier demonstrativ vor dem Schalter zu machen. Mit einer Hand halte ich meine Hose fest. Dann suche mir eine ruhige Ecke außer Sichtweite. Objektive und Kameras werden wieder in den Fotorucksack verstaut. Jetzt bin ich wieder beweglicher. Volker kam leider erst um 18:45 und wir haben uns knapp verpasst. Beim Sicherheitscheck kommt alles auf das Band. Leider piept es beim Durchgehen. Dann müssen die Schuhe auf das Band. Es piept immer noch. Ooops, ich habe den Geldgürtel vergessen. Der muss auch noch durchleuchtet werden. Dann darf ich mich wieder anziehen. Jetzt geht es mit dem Fotogeraffel zum Sprengstofftest. Wieder alles auspacken. Die Prozedur kenne ich schon. Immerhin bekomme ich so für meine Start- und Landegebühr einiges geboten.
Am Gate angekommen sind wieder die Damen vom Schalter aktiv. Damit es keinen Ärger gibt und ich nicht gegen Gesetze verstoße, packe ich meine Knipskisten wieder aus und hänge sie mir um den Hals. Die Dame lächelt wieder und läßt mich in den Flieger. Nach einer Wanderung durch den Airbus A340-600 – der ist länger als ein Jumbo – komme ich endlich in Reihe 65 an. Netterweise hat das Reisebüro einen Fensterplatz reserviert, der nicht über der Tragfläche ist. Die Gorillahantel parke ich zwischen den Beinen. Die andere Knipse lege ich ebenfalls im Fußraum ab, wobei ich den Kameragurt um die Sitzlehne wickele. So bleibt sie stets griffbereit. Der Sitzabstand ist erstaunlich groß. Hier kann ich sogar das Tischchen runterklappen, ohne dass mein Bauch im Weg ist. Dafür sind die Sitze etwas enger und der Speck quetscht sich zwischen die Armlehnen. Der Sitz neben mir bleibt frei. Prima, so kann ich mich besser ausstrecken.
Nach einer ausgedehnten Stadtrundfahrt durch Frankfurt hebt der Flieger von der Startbahn West ab. Zwischen den Wolkenschichten blinzelt die untergehende Sonne nochmal durch. Tschüß!
Wenig später gibt es einen afrikanischen Willkommensgruß. Ob 1895 das Mindesthaltbarkeitsdatum ist? Prost!
Eingezwängt in der Aluröhre, zwischen Sitzreihen, Armlehnen und Sicherheitsgurt versuche ich etwas Schlaf zu finden. Da kommt mir das Lied von Reinhard Mey in den Sinn. Es summen die Motoren. Es dröhnt in meinen Ohren. Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Ob der gute Mann jemals ein Flugzeug von innen gesehen hat?
Endlich bin ich etwas am dösen als mich eine Frauenstimme schlagartig in die Realität zurückholt:
Beef or Chicken?
Nachdem ich die schwierige Entscheidung getroffen habe gibt es noch gratis einen leckeren südafrikanischen Rotwein dazu.
Aber an Schlaf ist einfach nicht mehr zu denken. Ich ziehe mir noch zwei Filme rein. Ice Age II und ein viertklassiger amerikanischer Spielfilm. Irgendwie kommt da kein Afrikafeeling auf. Ich fühle mich wie im Wachkoma. Die Nacht wird lang und läääääääääääääääääääänger.
Fortsetzung folgt