Ich habe vieles im Kopf, was ich hier gerne mit Euch teilen und beleuchten möchte. Aber ich merke gerade, dass ich erst noch anderes voraus schieben muss.
Mein Kopf ist nämlich gerade mal wieder SEHR rund
.
(Ich erinnere an das Zitat: "Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung ändern können")
Das ist manchmal gut – und manchmal weniger gut.
Manchmal führt das dazu, dass die Gedanken Achterbahn fahren
, und dann wird mir mitunter schwindlig bei!
Manchmal führt es sogar zu recht ernsthaften Knoten, die sich kaum noch lösen lassen!
Hin und wieder führt es aber auch zu neuen Freiheiten!
Ich danke Euch für Eure ermunternden Worte!
Manches jedoch ist mir schon fast ein wenig ZU gewogen. Karsten, ich danke Dir! Dennoch weiß ich gar nicht, ob ich TZ viel besser kenne – ich kenne es vielleicht nur ANDERS! Ich kenne es aus MEINEM Blickwinkel. Und der ist weder überlegen, noch vollkommener.
Aber mir geht es darum, dass wir nicht nur bei einem Blickwinkel stehen bleiben. Und dazu brauchen wir einander.
Ich bitte Dich also AUSDRÜCKLICH, Dich hier einzumischen!
Mich treibt das schon um – unsere Denkweisen, und unsere Bewertungen. Mein Mann und ich reden da oft drüber (und auch mit anderen Expats wälzen wir diese Themen immer und immer wieder, aus alltäglichen Anlässen).
Manchmal haben wir dieses Land und seine Leute SO SATT! Und den ganzen Kontinent auch! Die Einstellungen, die Ethik (oder gar nicht vorhandene Ethik? – wie unser westliches Verständnis oft schnell urteilen mag…).
Wir sind beide Ärzte, und es tut schon mächtig weh, was man in Krankenhäusern auf diesem Kontinent so ständig miterleben muss! Und ich meine nicht etwa wie schlecht es den Menschen geht – sondern wie wenig das die eigenen Landleute, noch weniger die eigenen Ärzte und Schwestern interessiert! Ethik? Von wegen. Den Anderen im Blick haben? Weit gefehlt! Ein Schulterzucken für einen Leidenden scheint noch zu viel zu sein….
Dann aber wieder da hinaus treten, aus dieser Wahrnehmung. Zuhören. Hin fühlen. Etwas anzufangen zu denken, was wir eigentlich nicht denken können. Und plötzlich erahnen, dass es ja noch ganz anders sein kann….?
Uns ist oft gar nicht bewußt, wie unser Denken und Fühlen geprägt ist.
Ich erlebe hier selbst schon immer wieder einen Unterschied zwischen meinem Mann und mir, gerade im Bezug auf Wahrnehmung und Urteil was "Afrikanisches" anbelangt. Ich habe meine Teenager Jahre in Kenia verbracht (Ja, eigentlich ist Kenia das Land meines Herzens, und nicht Tansania). Und bin manchmal selber erstaunt, wie das geprägt hat.
Mein Mann war mit knapp 20 zum ersten mal in Kenia. Gemeinsam länger gelebt in diesen Ländern haben wir erst viel später.
Ein Erlebnis in Malawi hat mir das so deutlich vor Augen gemalt, an was wir uns alles unbewußt gewöhnen können:
Präsident Peter Mutharika fuhr mal wieder mit seinem Tross durch Blantyre. Das hatte immer zur Folge, dass die gesamt Stadt gesperrt wurde. Polizeiaufgebot überall, alle Autos standen still, gerade da, wo man sich in jenem Augenblick befand – das konnte bis zu 2 Stunden dauern!
Nein, lustig fand auch ICH das nicht. Aber so war es halt – dann sitzt man das eben aus!
Aber mein Mann – der ereiferte sich ohne Ende! Was das soll? Das sollte sich Merkel mal leisten, wenn sie durch Berlin fährt!
ALLE anderen müssen stille stehen? Stundenlang?
Seine Argumente konnte ich zwar verstehen, aber es stieß mir irgendwie gar nicht komisch auf.
Und ich erinnerte mich daran, dass das schon in Kenia so gewesen war: Wenn Moi vorbei kam, dann hatte man unverzüglich am Straßenrand anzuhalten! Unverzüglich!!!! Denn sonst…würden sie schießen! So erzählte man… Ein zehnjähriges Mädchen braucht sowas nicht oft zu hören. Das brennt sich ein. Das formt Reflexe.
Ich weiß gar nicht, ob es stimmt, dass sie geschossen hätten. Aber ich weiß, dass als wir einmal zwischen Nyeri und Nyahururu fuhren, und Präsident Moi mit Gefolge hinter uns auftauchte, und mein Vater nicht sofort an den Straßenrand fuhr, ich panisch rief: „Papa, halt SOFORT an! Die schießen sonst!“
In so einem Augenblick geht es nicht darum, ob das nun richtig oder falsch ist, falls sie schießen. Es IST einfach so, dass man anhält! Um seinen eigenen Kopf zu retten!
Ich weiß nicht, ob Ihr verstehen könnt, was ich sagen will. Vielleicht ist Euch das zu wirr.
Mir wurde jedenfalls damals in Blantyre so bewußt, wie solche Dinge prägen. Wie es auch unsere Reaktionen formt. Und zwar AUCH, wenn wir von unserer inneren Überzeugung eigentlich anders denken. Etwas anderes für angebrachter halten.
Natürlich finde ich das nicht im Verhältnis – aber so ist das hier nun einmal. So war das schon immer, wenn die afrikanischen Präsidenten vorbei fahren. Ich hatte es nie anders erlebt! Warum sollte ich mich darüber aufregen?
Und ich fragte mich: wenn das schon für MICH so war, die ich im Denken extrem Deutsch, kritisch, mit hoher Sozialethik und Verantwortungsbewußtsein erzogen wurde – wie ist manches dann für die Afrikaner, die nur DAS hier kennen?
Kann ich es ihnen wirklich vorwerfen, wenn sie so ganz anders empfinden, bewerten – und handeln???
Sie haben etwas völlig anderes kennen gelernt. Von klein auf.
Wer will hier urteilen?
Das begleitet uns immer wieder. Mal können wir gut damit umgehen. Manchmal gar nicht.
Das mal vorneweg. Falls ich mal wieder irgendwann „zu positiv“ rüberkommen sollte….
Rehema