14. September: Über Stock und Stein in Buffalo Springs
Gegen Fünf klingelt der Wecker. Puh! Die Nacht war extrem heiß. Besonders, als gegen 22.30 Uhr der Strom ausgeschaltet und damit der Ventilator arbeitslos wurde. Zu allem Überfluss schwirrten zwei Moskitos um meinen Kopf herum, das nervtötende "Dzzzzzzzzzzz" am Ohr konnte ich noch nie vertragen. In meiner Not wusste ich mir nicht anders zu helfen, als vollständig im Backofen unter dem Bettlaken zu verschwinden. Ich war also noch nie so richtig gut, aber bestimmt schon mal viel besser drauf beim frühen Aufstehen.
Thomas erlegt im Schein des nunmehr wieder aktivierten elektrischen Lichts den einen Plagegeist, ich den anderen. Bei diesen beiden Vertretern ihrer Gattung bleibt es auch in den nächsten Tagen, doch weil ich das noch nicht weiß, trauere ich einem für meinen Geschmack fehlenden Moskitonetz über dem Bett missmutig hinterher.
Katzenwäsche, Klamotten an und raus aus dem Haus. Auf unserem Weg quer durch den Garten steigt das Stimmungsbarometer beträchtlich. Ein lauer Morgen, das erste Licht des Tages und die lang vermissten Geräusche der Natur zeigen Wirkung: Es kann losgehen!
Schnell noch ein Kaffee für Thomas und ein Tee für mich, dann klettern wir in den Wagen, wo Livingstone schon alles für den Tag vorbereitet hat.
Als erstes Auto fahren wir raus. So wird es während der gesamten Reise sein. Morgenstund hat Gold im Mund, Livingstone hat es wohl erfunden. Vor allem aber - das wird uns zusehends klar - will er die Dinge selbst entdecken. Nicht im Sog anderer sein. Er zieht mich mit und muss das auch, bin ich doch eher eine Eule. Anders als die Büffel, denen wir auf Anhieb begegnen - sehr zur Begeisterung unseres Guides.
Vor nicht allzu langer Zeit hat es eine Seuche gegeben im Park, die den Bestand ziemlich hat schrumpfen lassen. Nun scheint es wieder bergauf zu gehen.
Auch die Netzgiraffen sind früh dran - und bildhübsch mit ihrem gleichmäßigen Fellmuster und den kräftigen Farben.
Beim Fluss hat eine Löwin ihr Frühstück gerade beendet. Wir hatten sie schon am Vorabend entdeckt, was nicht allzu schwierig war, weil sich die wenigen Gäste des Reserves allesamt in ihrer Nähe eingefunden hatten und starrten. Wenn auch ohne befriedigendes Ergebnis: Sie hatte sich mit einem Riss ins Unterholz zurückgezogen und es lugte gerade einmal eine Pfote heraus.
Es riecht hier nicht gerade nach Rosen, sondern intensiv nach Gammelfleisch. Doch weil sie sich so schön herausputzt und wir mit ihr alleine sind, bleiben wir anders als am Vortag ein wenig stehen.
Trotz der Dürre sehen wir viele Antilopenkinder. Wahrscheinlich, weil sich der Zeitpunkt nähert, an dem es regnet - oder zumindest regnen sollte. Sie purzeln über Nacht heraus und stehen dann morgens mit staksigen Beinen und großen Augen unverhofft da.
Auch diese beiden sind noch so klein, dass sie bei drohender Gefahr nicht fliehen, sondern sich geduckt hinter Zweigen oder im Gras verstecken. So ganz geheuer sind wir ihnen nicht. Sie tauchen lieber ab - und bleiben allein, denn die erwachsenen Tieren ziehen davon, um die Aufmerksamkeit auf sich und von den Kleinen abzulenken.
Auf Gerenuks hatte ich mich besonders gefreut und sie enttäuschen mich nicht. Sie sind wahre Artisten, wie sie da balancierend auf den Hinterbeinen stehen und sogar gehen. Dazu die spitzen Gesichter und die riesigen Ohren - zum Knutschen.
Nun fahren wir weg vom Fluss und hügelaufwärts. Die Löwin reckt sich zufrieden und wird wohl bald zum Verdauungsschläfchen übergehen.
Livingstone kennt sich gut aus im Revier, war aber (wegen Corona) monatelang nicht hier. Wir rumpeln über Stock und Stein, nur schemenhaft sind Pfade erkennbar; manchmal auch gar nicht mehr.
Oryx, anders als in Namibia in Kenia eine Seltenheit
Wir fühlen uns wie auf einer Expedition, also ziemlich gut. Einige Wege sind so zugewachsen oder sogar kollabiert und in der Versenkung verschwunden, dass wir umdrehen und eine neue Fährte finden müssen. "The road disappeared", konstatiert Livingstone: "My goodness."
Same same but different
Unter einem schütteren Busch überschlagen sich die Ereignisse. Ein Habicht flattert aufgeregt umher, etwas Langes flitzt zur Seite, eine Schlange! Der Vogel aber greift sich nicht das Reptil, sondern einen Frankolin - und fliegt davon.
Zurück bleiben verdatterte Touristen und eine sichtlich bis ins Mark erschütterte Schlange. Sie hockt jedenfalls noch minutenlang reglos in einem Loch und streckt gerade einmal den Kopf heraus. Ich brauche ewig, bis ich sie trotz geduldiger Beschreibungen von Livingstone und Thomas entdecke. Ihre Tarnung ist perfekt.
Die Sonne steht schon hoch am Himmel. Doch es ist noch früh und wir rumpeln weiter bergauf.
Schließlich frühstücken wir auf einem Plateau. Gefühlt auf einem anderen Planeten. Was für ein Ort! Weit und breit kein Mensch, nur Vögel und Elefanten, die in unserem Rücken auf leisen Sohlen zum Fluss hinunterlaufen. Ich hätte sie fast nicht bemerkt. Der weite Blick, es ist ein Traum. Und die Weihnachtskugeln hat auch schon jemand aufgehängt...