"Oh my Goooood" - Es geht los!
Bislang hat schon allein die Vorfreude auf unsere Reisen immer eine gewaltige Rolle für mich gespielt. Rechtzeitig die Siebensachen packen und sortieren, von Medikamenten bis hin zum Schlüpperzählen, all das befeuert bereits meine Sehnsüchte und Hoffnungen, was da wohl kommen möge.
Diesmal glaube ich erst wirklich an diese Reise, da sind wir am Hamburger Flughafen schon auf dem Weg zum Gate. Noch nie waren wir gefühlt so unvorbereitet und mich beschleicht wiederholt das Gefühl, etwas Wesentliches vergessen zu haben. Was glücklicherweise nicht der Fall ist.
Im Zentrum der Vorbereitungen steht ja neuerdings ohnehin nicht mehr die Frage, ob ausreichend Repellent an Bord ist oder auch eine Taschenlampe, sondern die nach dem Timing des Corona-Tests - und dessen Ergebnis. Das lautet zweimal negativ, und so steigen wir am 12. September guter Dinge und dauerhaft maskiert erst in den Flieger nach Frankfurt und dann nach Nairobi.
Löwen in der Mara
Wegweiser in Buffalo Springs
Der Flug bleibt ohne weiteren Befund, was gut ist, auf dem Rückweg werden wir ganz andere Erfahrungen machen. Am Abend landen wir erschöpft, aber glücklich, werden am Flughafen abgeholt und zu unserem Hotel gebracht, das anders als beim letzten Mal direkt um die Ecke liegt. Eine Wohltat nach dem langen und ermüdenden Sitzen. Auch das Zimmer gefällt uns richtig gut, wir schlafen wie die Babys und sind am nächsten Morgen erstaunlich fit und voller Tatendrang.
Es ist noch früh, als wir unseren Driver-Guide auf dem Parkplatz vor dem Hotel treffen. Ein wichtiger Moment, hängt von dieser Personalie doch ein Großteil des Safarie-Erfolgs und Wohlbefindens ab. Wir haben schon beinahe die gesamte Klaviatur der Erfahrungen durch, beim letzten Mal waren wir mittelmäßig zufrieden und hatten das auch so bei der Agentur hinterlegt.
Wir hatten mehrere Varianten dieser Reise gedanklich durchgespielt. Die Strecken fliegen und jeweils einen Guide vor Ort nehmen oder doch lieber ein Driver-Guide, der uns von A bis Z begleitet? Wir entschieden uns für Letzteres, wohl wissend, dass dies ein gewisses Risiko birgt. Läuft es mit dem Guide nicht ideal, können 14 Tage verflixt lang werden. Passt es jedoch, können die Erlebnisse perfekt aufeinander aufbauen und eine Safari unvergesslich werden lassen. Diese Erfahrung hatten wir unter anderem Jahre zuvor in Tansania gemacht, damals mit dem überragenden Abraham.
Reisebericht Tansania 2016: Die Geburt der Gnus
Livingstone, der eigentlich vorne anders heißt, aber nicht zuletzt der Einfachheit halber so genannt werden will, ist uns sehr sympathisch und bleibt es auch, als wir auf dem langen Weg nach Samburu die erste Gelegenheit haben, uns ausgiebig zu beschnuppern. Er ist freundlich, offen, selbstbewusst und seit vielen Jahren im Job. Dass dies keinerlei Abnutzungserscheinungen mit sich gebracht hat, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ist aber ein großes Glück. Zu seinen Eigenarten zählt, dass er ziemlich häufig "My Goodness" sagt; wahlweise "Oh my God". Je nachdem, wie beeindruckt er von etwas ist, zieht er das "o" lang, und ein "Oh my Gooooood" aus seinem Mund reicht später vollkommen aus, um all unsere Antennen blitzartig auszufahren.
Picknick mit Livingstone in Buffalo Springs
Hinter Nairobi lichtet sich der Verkehr und nimmt zusehends ab, je weiter wir nach Norden kommen. Die Fahrt ist mit über sechs Stunden lang, aber auf makellosen Straßen nicht unangenehm. Ohnehin sind wir viel zu glücklich darüber, nun auch tatsächlich hier zu sein, um ein Haar in der Suppe zu finden. Wir umrunden den gewaltigen Mount Kenya, der seinen schneebedeckten Gipfel zeigt, seine grünen Hänge wechseln zusehends über in eine staubige, ausgedörrte gelb-rote Landschaft.
Diese wüstenartige Gegend hat immer mit Wassermangel zu kämpfen, in dieser Jahreszeit und in diesem Jahr aber besonders. Seit Februar hat es nicht mehr geregnet, mit katastrophalen Folgen für die Einheimischen und ihr Vieh. Vor allem weiter nördlich sind die Probleme immens.
Die Wildtiere im Buffalo Springs Reservat, das wir gegen Mittag erreichen, stehen allerdings noch gut im Saft.
Netzgiraffen in Buffalo Springs
Was vor allem an den vielen Quellen und Wasserlöchern liegt, die dem Nationalreservat seinen Namen geben, sowie am Ewaso Ngiro River, der immer Wasser führt und manchmal sogar zuviel. Wie im vergangenen Winter, als sich Kenia vor Regen kaum retten konnte, der Fluss zum reißenden Strom wurde und unter anderem die Brücke zerstörte, die Buffalo Springs und Samburu sehr praktisch miteinander verbunden hatte. Auch das Ashnil Camp, idyllisch an seinem Ufer gelegen, wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen, einige der zeltartigen Unterkünfte sind noch nicht wieder aufgebaut und werden es wohl auch nicht mehr.
Elefanten gegenüber von unserem Zelt...
...und wer da sonst noch so lebt.
Aus reiner Besuchersicht ist die Lage des Camps eine Wucht, der Style etwas überholt, unser Zelt großzügig und ausreichend in Schuss. Alles in allem können wir es hier gut aushalten. Den Pool hätte ich schon aus ökologischen Gründen nicht gebraucht, ebenso wie den Zaun um die Anlage herum, den ich zuerst schlichtweg nicht schön finde und später sogar unerträglich. Dazu in einem anderen Kapitel mehr. Ein Traum ist allerdings der Garten mit Palmen, alten hohen Bäumen, in denen die Affen toben, und einer Vielzahl von Vögeln.
Unser Camp vom anderen Ufer aus, ganz rechts eins der noch immer vom Wasser zerstörten Zelte
Um 16 Uhr brennt die Sonne nicht mehr ganz so gnadenlos vom Himmel und Livingstone startet einen ersten Gamedrive. Schon auf dem Weg hierher hat er uns erklärt, dass er Dinge häufig anders angeht als seine Kollegen, und damit en passant um Vertrauen geworben. Noch wissen wir nicht genau, was er damit meint. Nun aber fragt er uns, was wir uns wünschen, was wir erwarten. Wir überlegen kurz. "Nothing is more boring than sleeping cats", antworte ich. Damit ist alles gesagt. Es dreht sich nicht alles um Katzen, und schon gar nicht um jeden Preis. Der Handlungsspielraum, der sich für ihn dadurch ergibt, gefällt ihm sichtlich.
Familie Kappengeier,...
...wie immer akkurat gekleidet mit richterlicher Perücke.
Wir bleiben in Buffalo Springs und fahren am Fluss entlang, der diesen Teil des Reservats von Samburu auf der gegenüberliegenden, nördlichen Seite trennt. Eine wunderschöne Landschaft mit roter Erde, gelbem Savannengras, Doumpalmen und vielen Tieren. Es ist herrlich! Begeistert stehe ich im schaukelnden Auto, gucke oben aus dem Dach und ich lasse mir die heiße Luft genüsslich um die Nase wehen.
Die Autos, denen wir an diesem Nachmittag begegnen, können wir an einer Hand abzählen. Die Flut und vor allem Corona haben Spuren hinterlassen, nur wenige Camps sind überhaupt geöffnet und wenige Touristen kommen. Gut für uns, in vielerlei Hinsicht schlecht für die Region, ich werde noch näher darauf eingehen.
Ich hatte es mir schwieriger vorgestellt, die für Samburu typischen Tiere zu finden. Doch sie fallen uns vor die Füße. Livingstone freut sich besonders über die Vielzahl der gefährdeten Grevyzebras, die größer sind als ihre Artgenossen und mit ihrer Testbild-Optik wunderschön.
Eselsohr
Bläulich gefärbte, prächtige Somalistrauße,
... und bläulich-bizarre Geierperlhühner.
Ein echtes Highlight sind die Gerenuks, die sich sogar auf die Hinterbeine stellen, um an das weiter oben wachsende Grün heranzureichen. Die muskelbepackten Hinterbeine wollen so gar nicht zu dem kleinen Kopf passen, der auf einem langen, schlanken Giraffenhals sitzt.
Zur guten Nacht gibt's brüllende Hitze im Zelt, Löwengebrüll vom gegenüberliegenden Flussufer und gackernde Hyänen. Afrika, was bist du schön!