THEMA: Kenia 2021: Die Entdeckung der Langsamkeit
28 Dez 2021 09:42 #633246
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16. September, vormittags: Samburu, Teil I

Am Morgen haben sich die Wolken verzogen, ohne dass auch nur ein einziges Tröpfchen herausgefallen wäre. Es ist ein Jammer. In der Nacht hat es dennoch wieder Antilopennachwuchs gegeben, die Ebene direkt an der Zufahrt zum Camp scheint eine beliebte Krippe zu sein.



Für mich erfüllt sich an diesem Tag ein großer Wunsch, denn wir fahren nach Samburu. Noch bis zum vergangenen Winter hätte das gerade einmal fünf Minuten gedauert, doch weil die Flut die nahe Brücke zerstört hat, müssen wir erst aus dem einen Gate heraus, dann auf der Hauptstraße den Fluss überqueren und schließlich auf der anderen Seite wieder durchs Gate nach Samburu hinein.

Die Strecke ist nicht nur ein erster Gamedrive,...







...sondern führt auch ein kleines Stückchen an den Dörfern der Samburu mit ihren flachen. kastenförmigen Hütten vorbei.

Nach gut einer halben Stunde erreichen wir das Gate zum Samburu Nationalreservat, dessen Wand ein Foto von Elsa ziert. Das ungewöhnliche Leben und Schicksal von Joy und George Adamson, die diese Löwin aufgezogen und schließlich ausgewildert haben, begegnet uns auf dieser Reise immer wieder. Das benachbarte Shaba-Nationalreservat, wo Joy Adamson am Ende lebte und leider auch gewaltsam zu Tode kam, werden wir allerdings nicht besuchen. Wir würden dort gerade in dieser Jahreszeit kaum etwas anderes als Kühe und Ziegen sehen, erläutert Livingstone, und das sind traurige Nachrichten. Weniger für mich, als vielmehr für die wilden Tiere.



Livingstones erklärtes Lieblingstier ist der Leopard. Schon in den vergangenen Tagen hat er intensiv danach Ausschau gehalten. Sie sollen in dieser Gegend ziemlich kooperativ sein, weil sie einst angefüttert wurden. Diese Tatsache haben die Katzen aber möglicherweise längst verdrängt und das ist auch gut so. Jedenfalls haben wir bislang bis auf den Rest einen Kills in einem Baum keine Spur von ihnen gefunden.

Ein Leopard geht natürlich immer, aber wir versichern Livingstone, auch ohne happy zu sein - zumal wir auf die Mara bauen. Ich ahne allerdings, dass es die Guides besonders reizt, einen Leoparden zu finden, der unberechenbar und damit eine besondere Herausforderung ist. Livingstone bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

Samburu unterscheidet sich landschaftlich nicht vom benachbarten Buffalo Springs. Die Perspektive wechselt jedoch, und das ist schön. Die Berge, auf die wir bislang geschaut haben, sind zudem näher gerückt und die dichten, immergrünen Büsche zahlreicher.



In solch ein Dickicht soll nun just ein Leopard verschwunden sein. Berichtet zumindest der Guide des Elephant Bedroom Camps, der mit seinen Gästen intensiv Ausschau hält. Vor allem deshalb, weil sich Gerenuks dem womöglich brandgefährlichen Gebüsch Schritt für Schritt nähern. Die beiden Kleinsten ducken sich ins vermeintlich sichere Gras, und die Spannung steigt.



Doch dem Männchen ist sichtlich nicht wohl bei der Sache. Langsam, aber sicher zieht die Familie geschlossen ab.





Ich finde es ja ganz gut, dass die Baby-Antilopen ungeschoren bleiben. Anders als Livingstone, der fortan nicht mehr von "Leoparden" spricht, sondern von "this spotted cat". Wenn sonst nichts hilft, hilft vielleicht Aberglaube.

Noch einmal davongekommen. :)



Wir fahren ein Stück in die Berge hinein und dann in einem weiten Bogen durch eine einsame Landschaft. Fast einsam zumindest, denn die Gegend ist fest in der Hand der allzeit emsigen Geierperlhühner.





Sie sind überall - und richten zum Glück keine Schäden an. Sonst wären sie längst zur Plage geworden.



Überhaupt sind es vor allem Vögel, die wir an diesem Morgen entdecken.







Wie diesen Rosy-patched bush Shrike. Zu Deutsch: rosiger Buschwurm.





Komischer Name für so einen hübschen Vogel. Und Akrobatik kann er auch.



Eine sandige Piste führt am Flussufer entlang. Die Lichtung, die Livingstone für unser Picknick auserkoren hat, ist leider schon besetzt. Die Paviane, gewohnt selbstbewusst, machen keinerlei Anstalten, ihre Pole Position zu räumen. Wir knicken ein. Treten den Rückzug beziehungsweise die Weiterfahrt an. Nicht erst seit meinem mittäglichen Erlebnis am Vortag weiß ich, dass es so besser ist...



Schließlich frühstücken wir ein Stück weiter flussaufwärts im Schatten der Palmen, aus denen ein vertrautes Krächzen klingt.



Die farbenprächtigen Rotbauchpapageien sind allerdings neu für uns und ich freue mich sehr über diese Sichtung.





Zurück in der offenen Savanne, verteilen Mitarbeiter vom Grevy's Zebra Trust Heu auf den abgegrasten Flächen, um die gefährdeten Tiere in der Dürre zu unterstützen.





Schon am späten Vormittag steht die heiße Luft. Diesen beiden geht es offensichtlich...



... trotzdem schweinegut.

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28 Dez 2021 20:33 #633311
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16. September, nachmittags: Relaxen mit Löwen

Mittags sind wir wie immer zurück im Camp. Bislang waren nur wenige Gäste da, nun gibt es einige Neuankömmlinge, darunter eine kleine amerikanische Gruppe. Zudem einige lebhafte Spanierinnen, die T-Shirts tragen mit der Aufschrift "The happy 50's" und von denen Livingstone meint, sie wären schon regelmäßig hergekommen, da waren sie noch die "happy 40's", sowie zwei ältere Herrschaften, von denen der eine vor vielen Jahren von Deutschland nach Kenia ausgewandert ist. Er redet gern und viel und erzählt allen und jedem, wie Afrika geht. Auch dem jungen schwarzafrikanischen Paar, das die beiden offenbar fährt.

Er fragt, wohin wir noch in Kenia reisen. "In die Mara", antworte ich, und er ist begeistert, kommt er doch gerade daher. Dann, mit schlecht gespielter Trauermiene: "Sie wissen aber schon, dass die Tiere dort jetzt alle weg sind. Wir haben die letzten gerade noch gesehen."

Ah, das beliebte Glück-gepachtet-Spiel. Wer hat mehr davon? I love it... :huh: Natürlich meint er die Crossings, das ist mir klar. Aber ich mach' bewusst auf blond. "Waaaas, nicht ein einziges Vögelchen mehr für uns geblieben?", frage ich und tue mit ebenfalls schlecht gespielter Trauermiene baff erstaunt. Er fühlt sich wahrscheinlich veräppelt, und das soll er auch.

Am gegenüberliegenden Ufer, wo noch am Vortag Elefanten spielten, tummeln sich an diesem Mittag Kühe. Schon als wir vormittags durch Samburu fuhren, haben wir sie in einer riesigen Staubwolke hügelabwärts ziehen sehen. Wieder bin ich hin- und hergerissen, was genau ich davon halten soll. Wir versuchen, die gefühlten Fremdkörper zu ignorieren und gehen stattdessen auf Vogelpirsch im Garten, wo die Amerikanerinnen den viel zu stark gechlorten Pool für sich entdeckt und kurzerhand beschlagnahmt haben.





Um 16 Uhr klettern wir wieder ins Auto. Allesamt gewohnt motiviert, aber auch ein wenig träge. Livingstone fragt, ob wir in eine bestimmte Richtung wollen. Ich schlage die Route am Fluss vor, die mir besonders gut gefällt und sozusagen ums Eck liegt. Mehr im Spaß signalisiere ich, nunmehr bereit für Katzen zu sein.

Vielleicht sollte ich den Beruf wechseln. Irgendwas mit Glaskugeln, Kaffeesatz oder Handleserei. Denn tatsächlich kommen wir nicht weit. Im sandigen Flussbett tummeln sich zwei Löwen. Nur wenige Kilometer vom Camp entfernt an einem meiner längst erkorenen Lieblings-Aussichtsplätze.





Linkerhand entdecken wir drei weitere Exemplare, eine kleine Familie. Eine tolle Überraschung, die wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass sich der Himmel bewölkt hat und die Temperaturen erträglich sind. Das hat unserem Glück wohl auf die Sprünge geholfen.



Die Entscheidung ist schnell getroffen. Wir bleiben. Den ganzen Nachmittag. No matter what. Im schlimmsten Fall gibt's schlafende Löwen. Aber irgendwas ist ja eigentlich immer (woher kenne ich das nur...?!?).

Elefanten waten auf dem Weg nach Samburu durch den seichten Fluss,...



...und wo Wasser ist, sind auch Vögel nicht weit.







Den Löwenmann kann ich zunächst nicht zuordnen, weil ich die Mähne fehlt. Was an der heißen Gegend liegt, nicht an seiner Jugend.



Der kleine Löwe scheint ein Einzelkind zu sein, was sicher schade für ihn ist. Es muss hart sein für ein Löwenrudel, in dieser kargen Umgebung zu überleben.



Autos kommen und gehen, meist wird die Stille jedoch nur vom Niesen eines Krokodils in den Tümpeln vor uns unterbrochen (kein Scherz).

Mutter und Kind, bislang relativ weit entfernt, stehen schließlich auf, kommen näher und nun sind wir hellwach. Beide trinken ausgiebig und nicht weit von unserem Auto entfernt.







Ein toller Moment. Der Kleine ist ganz schön mager und ich hoffe, dass er ein gutes Leben haben wird.





Schließlich kommt Bewegung in das kleine Rudel,...



...und es bricht am Fluss entlang in die Nacht auf. Und genau das tun wir nach erfüllten Stunden an ein- und derselben Stelle nun auch.

Letzte Änderung: 28 Dez 2021 21:28 von Beatnick.
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30 Dez 2021 22:06 #633442
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17. September, vormittags: Samburu, Teil II

Nach vier Nächten im Camp gehören wir schon fast zum Inventar. Wie sehr, werden wir am Abend erfahren.



Und täglich grüßt das ... Erdhörnchen. Allerdings nicht mehr lange, denn am nächsten Tag reißen wir unsere Zelte hier ab.



An unserem letzten vollen Tag in dieser schönen Gegend fahren wir morgens noch einmal nach Samburu.







Schon von Weitem sehen wir Elefanten von den Hügeln hinab zum Fluss ziehen. Weit und breit das einzige Auto, bringt uns Livingstone mit geübtem Blick in Position.





Lange müssen wir nicht warten. Auf leisen Sohlen und dabei erstaunlich schnell zieht die Gruppe direkt an uns vorbei.



Ein Mini-Eli, noch ganz rosa hinter den Ohren, hat keine Scheu und vor allem keine besondere Lust, in Reih und Glied zu marschieren.





Immer wieder setzt er zum Überholen an. Meistens wird er zur Ordnung gerufen,...



...aber nicht immer gelingt das.



Der Tag ist noch jung, das Licht gnädig. Stille und Stimmung sind perfekt, als die Elefanten den Fluss durchqueren - wohl einer der schönsten Momente dieser Reise.





Auch die Meerkatzen genießen das pralle Leben und veranstalten ein herrliches Affentheater.







Auf die Vogelwelt ist am Fluss ohnehin Verlass.



Der flauschige Pygmy Falcon...



... ist für uns ebenso eine Neusichtung...



...wie der Usambiro Barbet...,



...den wir fast mit seinem nahen Verwandten verwechselt hätten.



Wieder frühstücken wir am Steilufer mit Blick hinunter zu den Elefanten, die sich mittlerweile aus verschiedenen Himmelsrichtungen versammelt haben.









In den hohen alten Bäumen, die Flussufer und Savanne voneinander trennen, bewacht ein junger Kampfadler eifersüchtig einen Frankolin, den er frisch erbeutet hat.





Mein Blick fällt hinüber nach Buffalo Springs, und ich greife vorsorglich zum Fernglas. Doch ich täusche mich nicht: Hinter einer Umzäunung, die uns schon in den vergangenen Tagen aufgefallen ist, rennt ein Waterbuck hin und her. Aber wie nur ist er dort hineingelangt? Und wie kommt er bloß wieder heraus? Die Antwort bekommen wir am Nachmittag, und sie wird uns nicht gefallen.
Letzte Änderung: 30 Dez 2021 22:14 von Beatnick.
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01 Jan 2022 16:06 #633550
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17. September, nachmittags: Das Problem-Kapitel

Unser letzter Nachmittagdrive in Buffalo Springs beginnt fatal. Wir rollen gemütlich am Fluss entlang und halten an, weil Waterbucks die Piste queren wollen. So weit, so normal. Doch dann nimmt das Drama seinen Lauf. Rennen die Tiere mit voller Wucht in den Drahtzaun links neben uns. Prallen ab, verheddern sich, rappeln sich wieder auf und rasen erneut blindlings hinein in den für sie unsichtbaren Feind.

Im neige nicht zur Hysterie. Doch nun bin ich hysterisch. Kann Schreie nicht unterdrücken, will den Zaun niederzureißen. Darf das natürlich nicht. Sitze ohnmächtig im Auto und muss mit ansehen, was kaum zu ertragen ist. Die Tiere gucken verständnislos, rennen immer wieder an. Sie werden sich die Beine brechen. Denke ich, und dass das nicht passiert - zumindest nicht jetzt - ist pures Glück. Auch Livingstone ist fassungslos, hat so etwas noch nie erlebt.

Einige wurschteln sich wie durch ein Wunder zwischen den Drähten hindurch. Natürlich wollen sie dorthin, das wertvolle Gras steht auf dem abgeschotteten Terrain viel höher. Am Morgen hatte ich vom anderen Ufer aus beobachtet, wie eine der Antilopen innerhalb der Umzäunung auf und ab lief. Und mich gewundert, wie das geht. Nun also die Erklärung. Sie ist schrecklich.

Den neuen Zaun, den auch Livingstone noch nicht kannte, hatten wir bereits am ersten Tag entdeckt. Unser Guide hat sich erkundigt und klärt uns nun auf: Ausgerechnet das Ashnil Camp - also unsere Unterkunft - baut hier nach mehreren Überflutungen unten am Fluss in exponierter Lage neu; ohne allerdings das alte Gelände aufzugeben. Die künftigen Gäste werden fraglos einen herausragenden Blick haben. Allen anderen wird die Aussicht verschandelt.

Million Dollar View, leider nun rechts mit Zaun. Und künftig dann auch mit Gebäuden, das erste ist schon in Arbeit.


Der Zaun verkleinert zudem das ohnehin übersichtliche Reservat weiter und verstellt die gewohnten Lauf- und Fluchtwege der Antilopen. Ich möchte solch umzäunte Camps künftig meiden, wann immer es geht. Das nehme ich mir fest vor.

Wir reden viel an diesem Nachmittag, sind alle mitgenommen. Das friedliche Miteinander der Paviane beruhigt die Nerven.





Einer der Affen klettert behände die turmhohen Palmen hinauf, lässt Früchte für den Rest der Familie regnen...



...und macht es sich dann selbst in luftiger Höhe bequem.



Ein breiter, quer liegender Baumstamm ist die perfekte Spielwiese für die wilden Teenager. Hier ist die Welt noch in Ordnung,...







...und wir verbringen viel Zeit bei ihnen.



Livingstone rumpelt am Fluss entlang, immer weiter, über Wege, die kaum noch zu erkennen sind. Hier war sehr lange kein Auto mehr.









Landschaftlich ist es wieder eine schöne Tour. Doch die Tiere machen sich insgesamt eher rar.







Zumindest die, die man erwarten würde. Denn in der Uferböschung entdecken wir keine Elefanten oder Zebras, sondern Kamele. Der dazugehörige Somali mag nur widerwillig glauben, dass wir einen Reiher fotografieren. Er will Geld. Ich Raum für wilde Tiere. Nur mühsam halte ich mein großes Mundwerk im Zaum.

Dann auch noch Ziegen kurz vor dem Camp. Sie müssten am Abend längst weg sein, bleiben aber bestimmt über Nacht. "This is too much", findet auch Livingstone.

Beweisbild, buchstäblich. Dies ist eindeutig kein Kamel, sondern ein Reiher in schlechtem Licht...


Grob geschildert ist die Lage wohl so: Samburu und Buffalo Springs sind keine Nationalparks, sondern - ebenso wie die Masai Mara - Nationalreservate, die nach bestimmten Regeln von den Einheimischen genutzt werden können. So darf das Vieh zwar am Fluss getränkt werden, aber nur über bestimmte Korridore dorthin gelangen (s. Karte von Robin) und muss auch zeitnah wieder aus dem geschützten Gebiet heraus. Die Realität sieht leider anders aus. Wegen der Dürre, wegen Corona, wegen des eingeschränkten Tourismus.

Im September waren in Samburu und Buffalo Springs gerade einmal drei Camps in Betrieb. Der Rest pleite, von der Flut oder während der Corona-Zwangspause durch Vandalismus zerstört und oft mit ungewisser Zukunft. Weniger Touristen bedeuten allerdings weniger Abgaben an die Einheimischen, die monetär beteiligt sind. Das Interesse am Tourismus und Regeltreue schwinden daher in dem Maße, wie die Anzahl von Vieh im Reservat wächst. Was wiederum weniger Touristen bedeutet. Ein verhängnisvoller Teufelskreis.

Mittlerweile, so berichten uns Livingstone und Camp-Mitarbeiter, ist praktisch jede Ordnung außer Kraft gesetzt, weil sich auch kaum mehr jemand für die Belange der Wildtiere einsetzt. Die Vieherden der Ranger weiden ebenso innerhalb des Nationalreservats wie die der Politiker und Reichen, die sich sogar wertvolle Kamele leisten können. Die Lösung? Vor allem Regen. In Zeiten des Klimawandels leider ebenfalls zunehmend ein Problem.

All das geht uns durch den Kopf und diskutieren wir, als wir an unserem letzten Abend im Ashnil Samburu Camp beim Essen sitzen. Nur vage registrieren wir Gesangsproben in der benachbarten Küche. Und sind starr vor Schreck, als die Küchentür aufschwingt und die versammelte Belegschaft "Jambo Bwana" schmettert. Wir sind nicht gerade große Fans folkloristischer Einlagen und versuchen sie zu meiden. Anders als die Spanierinnen, die ganz aus dem Häuschen sind. Wahrscheinlich, so denke ich mir, wird aus einer der "Happy 50's" eine "Happy 60's".

Falsch gedacht. Denn die Polonaise zieht an allen anderen vorbei und hält direkt an unserem Tisch, den nun eine Torte ziert. "Thank you Bettina", steht dick in Sahne darauf. Hä???? Wir schauen uns verdattert an. Dann eine Rede: "Diese beiden haben keinen Hochzeitstag oder Geburtstag. Aber sie waren fünf Tage unsere Gäste und sind uns sehr ans Herz gewachsen. Wir sind stolz und dankbar. Bitte kehrt eines Tages zurück. Wir brauchen euch!" Mannomann. Ich bin zu Tränen gerührt. Thomas wischt sich die Augen. Das sehe ich genau.

Nun kommt auch noch der Manager, wir sehen ihn zum ersten Mal. Erfahren viel über die Sorgen, Probleme und Pläne, er fragt nach unseren Eindrücken und möglichen Verbesserungen. Ich überlege kurz. Schildere ihm die Szenen am Zaun, die Nöte der Tiere und auch unsere. Unseren Schock. Natürlich ist nicht unbedingt wahrscheinlich, dass es etwas ändert. Aber einen Versuch ist es wert.
Letzte Änderung: 02 Jan 2022 10:04 von Beatnick.
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03 Jan 2022 16:31 #633707
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18./19. September: Zwischenstopp am Lake Naivasha

Am Morgen der Abreise in Buffalo Springs frohlockt der innere Schweinehund: Wir stehen eine Stunde später auf und frühstücken im Camp. So ein Lotterleben tut auch mal gut. Bleibt aber auf dieser Reise eine einmalige Angelegenheit. Nach fünf Nächten am selben Ort sind wir absolut bereit für Neues und freuen uns auf einen Tapetenwechsel.



Auf den Ebenen vor dem Camp herrscht gähnende Leere. Die Ziegen vom Vorabend sind verschwunden, doch Zebras und Oryxe noch nicht zurückgekehrt. No time to say good bye. Livingstone fährt auf direkten Weg hinaus aus dem Nationalreservat, die Fahrt zum Lake Naivasha dauert über sechs Stunden.





Die A2 führt vorbei am Lewa Wildlife Conservancy, einer ehemaligen Farm, die sich dem Schutz von Spitz- und Breitmaulnashörnen verschrieben hat. Sogar von der Straße aus erspähen wir mühelos mehrere Tiere durch den hohen Schutzzaun, der in diesem Fall auch sicher nötig ist. Es bleiben unsere einzigen Nashörner auf dieser Reise. B)



Wir sind kaum 150 Kilometer gefahren, da tröpfelt es beim Mount Kenya. Regen. Das Glück so nah und doch so fern. Was würden die Menschen in Samburu dafür geben!

Auch über dem Aberdare Nationalpark hängen die Wolken tief. Wir picknicken im üppigen Garten der traditionsreichen Thomson Falls Lodge. Gerade noch rechtzeitig, dann beginnt es zu schütten. Auf den Straßen steht das Wasser. Auch in der Mara habe es in der Nacht zuvor sintflutartige Regenfälle gegeben, berichtet Livingstone. Er hofft, dass das Wasser bis zum nächsten Tag etwas abgetrocknet ist. Mit der gefürchteten Black Cotton Soil hatten wir schon einige Jahre zuvor Bekanntschaft gemacht. Eine äußerst rutschige Angelegenheit.

Am Lake Naivasha geht es hektisch zu. Viele Menschen, viel Verkehr, viele Treibhäuser im Zentrum der kenianischen Blumenindustrie. Die Sopa Lodge mit ihrem gigantischen Garten direkt am See ist eine Oase der Ruhe; allerdings - wie wohl alle Lodges dieser Kette - ziemlich groß und stilistisch in die Jahre gekommen. Die nicht weit entfernte Elsamere Lodge, wo George und Joy Adamson einst lebten, wäre wahrscheinlich die bessere Wahl gewesen. Wir hatten sie leider zu spät auf dem Zettel.

Immerhin, auf dem Gelände der Sopa Lodge tummelt sich Wild, fast zum Anfassen nah.



Zebras, Waterbucks, manchmal Colobus Affen. Und Schreiseeadler überall. Was für ein Szenenwechsel nach den vergangenen Tagen voller Staub!





Leider spielt das Wetter nicht mit. Fällt unser Spaziergang am See ins Wasser und entsprechend kurz aus. Wir lesen und entspannen in unserem riesigen Zimmer, während der Regen gegen die Scheiben prasselt.

Am Morgen dampft der See. Doch wenigstens kein Regen mehr.





Wir brechen früh auf, mit Sack und Pack, die Mara wartet, und vorher noch eine Bootstour. Wir fahren zu einem Campingplatz, wechseln von einem wackeligen Steg in ein ebensolches Boot und schippern los. Eine Stunde dauert die Tour. Viel zu kurz, um die vielen Vögel in Ruhe zu beobachten.







Ihre Anzahl und Vielfalt ist beeindruckend. Auch die im Wasser versunkenen Baumstümpfe,...







...die Wälder aus filigranen Gelbrinden-Akazien, das satte Grün und die vielen Schreiseeadler gefallen uns gut. Wir locken sie mit Fisch an, nicht ganz so unser Ding, aber fester Teil des Programms, und die prachtvollen Vögel lassen sich nicht lange bitten.



Aber alles in allem sind wir enttäuscht. Einst muss der Lake Naivasha ein Paradies gewesen sein.





Doch die omnipräsenten Treibhäuser, das viele Plastik, halbverfallene Gebäude, im Wasser ihrem Schicksal überlassen, und Müll (zer)stören das Idyll. (Möglicherweise waren wir aber auch schlichtweg am falschen Ort, der See ist ja riesig.)

Fischer am See, im Hintergrund viele Vögel und leider auch viel Müll.


Die Zeit ist ruckzuck um, und wir müssen weiter. Nächster Halt: Masai Mara. Wir sind riesig gespannt, was uns diesmal dort erwartet.

Letzte Änderung: 03 Jan 2022 23:09 von Beatnick.
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19. September: Zurück in der Masai Mara

Der letzte und längste Abschnitt der Reise beginnt - und lässt sich gut an. Je näher wir der Masai Mara kommen, desto sonniger wird es. Die Fahrt verläuft ohne Hindernisse, anders als 2018, als die große Verbindungsstraße mit Nairobi noch im Bau war. Diesmal rauschen wir auf perfektem Asphalt durch. Auch, weil Sonntag ist und vergleichsweise wenig Verkehr.

Nach rund vier Stunden passieren wir das Gate. Die hügelige Graslandschaft ist üppig grün, es hat schon ordentlich geregnet, und überall wachsen Blumen.



Die Sonne strahlt vom makellos blauen Himmel. Das ist eine besondere Erwähnung wert, denn in der Mara ist Regen zu jeder Jahreszeit möglich. Beim letzten Mal hatten wir in dieser Hinsicht Pech, war der Himmel oft grau und der Beleuchter schlecht aufgelegt.





Sonne an Tag eins und - Sonnenbrandgefahr! B)


Wir vespern unter einem einzelnen Akazienbaum und genießen es, wieder hier zu sein. Hoffen aber auch, dass sich die negativen Erfahrungen nicht oder wenigstens nicht so extrem wiederholen.

Als wir weiterfahren, machen sich die Tiere zunächst rar. Livingstone wechselt die Route.



Und dann präsentiert sich die Mara von ihrer besten Seite. Giraffen, Zebras, Antilopen, große Herden überall. Begeistert schaukeln wir durch die Landschaft und schauen oben aus dem mittlerweile geöffneten Dach.







Die Gnus hatten die Mara zwischendurch in Richtung Serengeti verlassen, sind aber in großer Zahl zurückgekehrt. Ihr friedliches Grunzen klingt wie Musik in meinen Ohren und so richtig nach Afrika.



Wir lieben Tierkinder (wer nicht?), 2018 waren sie allerdings etwas zu kurz gekommen. Diesmal sind wir schon am ersten Nachmittag umringt von neuem Leben.





Manchmal hängt sogar die Nabelschnur noch dran. Wie bei diesem winzigen Elefanten. "Oh my Goooood", sagt Livingstone, und kramt seine etwas eingestaubte Kamera hervor.



Die Kleine klettert tapfer die Uferböschung hinauf, doch der letzte Erdwall hat ein Stockwerk zuviel.



Kaum lugt sie über die glitschige Kante, rutscht sie schon wieder nach unten ab.



Schließlich greift Mama beherzt ein, ein paar Schubser mit dem Rüssel, dann ist es vollbracht.



Beim rutschigen Abstieg schirmen die anderen Elefanten den Zwerg so geschickt ab, dass nur noch die Rüsselspitze zu sehen ist. (Bildmitte unten) Das Sozialverhalten dieser Giganten beeindruckt mich immer wieder.



Kaum sind alle Hürden genommen,...



...marschiert der kleine Elefant an Mamas Seite mutig voran. Immer im Eilschritt, weil die anderen so viel längere Beine haben.





Ein großer Schwarm Reiher erobert sein Terrain zurück und besetzt die Bäume am Fluss. Es ist herrlich friedlich. Noch ist uns kein einziges Auto begegnet.







Eigentlich will Livingstone direkt zum Malaika Camp fahren. Doch wir entscheiden uns gemeinsam dagegen. Zu schön sind Stimmung und Licht, und so wird es ein ausgiebiger erster Gamedrive in der Mara.









Erst mit Einbruch der Dämmerung kommen wir an. Das kleine Camp liegt idyllisch direkt am Mara River. In den 1990er-Jahren, so berichtet Livingstone, habe es ein Abkommen gegeben, diese Gegend unberührt zu lassen, in der viele Herden ihren Nachwuchs aufziehen. Mittlerweile existieren jedoch mehrere Unterkünfte in direkter Nachbarschaft.

Eland-Kindergarten in der Nähe des Malaika Camps


Keine Zäune, immerhin :) . Und auch sonst ist das Camp für Safariwütige wie uns wunderbar geeignet. Perfekte, zentrale Lage, schlichte, aber funktional eingerichtete Zelte, gute Hausmannskost, sehr nette Menschen. Das Mara Bush Camp, das wir 2018 gebucht hatten, spielt in mancherlei Hinsicht in einer höheren Liga. Allerdings auch preislich.

Einzig mit der Feuerstelle, oft geselliger Treffpunkt in den Camps, werden wir sprichwörtlich nicht warm. Die wenigen Sitze sind aus alten Autoreifen gezimmert (was gefallen kann, aber nicht muss) und abends zudem von der Belegschaft belegt.

Ansonsten fühlen wir uns pudelwohl inmitten der Zebras, die tagsüber über die Anlage streifen, und der schnaufenden Flusspferde, die es nachts vom Mara River zum saftigen Gras im Camp zieht. Schmatzend und malmend stehen sie dann neben unserem Zelt, während ich mich mit meiner allabendlichen Wärmflasche glücklich ins Bett kuschele, nur durch einen dünne Stoffwand von den Hippos und den Geräuschen der Savanne getrennt.
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