Leben und Sterben in der Masai Mara
Der Weckdienst überbringt um 5.20 Uhr nicht nur die überschaubar frohe Kunde vom vorzeitigen Ende der Nacht, sondern auch ein Tablett mit Kaffee und Tee. Das freut den bibbernden Frühaufsteher! Es ist noch dunkel, als wir von unserem nächtlichen Wächter zum Jeep gelotst werden. Um halb Sieben, kurz vor Sonnenaufgang, beginnt unser erster voller Safari-Tag in der Mara. Auf der Agenda stehen wenig überraschend Crossings, die wir auf Nachfrage unseres Guides als höchste Priorität auf dieser Reise angegeben haben.
Laut Ones - woher auch immer er das überhaupt weiß - sind an diesem Morgen viele Gnus in Richtung Mara-River unterwegs. Keine Selbstverständlichkeit, die Regenzeit war ergiebig und hat zu einer Verzögerung der Migration geführt. Die Sonne scheint, es dürfte ein warmer Tag werden – klassisches Crossing-Wetter, sagt er.
Wir haben die großen Herden schon 2016 in Tansania bestaunen dürfen, doch die schiere Masse fasziniert uns von Neuem.
Die Gnus ziehen mal mehr, mal weniger zügig in Richtung Wasser. Wir reihen uns hinten ein, um sie nicht zu stören. Wie leicht das bei diesen tendenziell verwirrten Tieren passieren kann, stellen wir später noch mehrfach fest.
Auch Entschlussfreudigkeit gehört nicht unbedingt zu den hervorstechendsten Eigenschaften dieser Antilopen. Was ein ziemliches Rätselraten mit sich bringt, an welchem der diversen Punkte das Crossing wohl stattfinden wird - wenn überhaupt. Während wir noch hinter den Gnus festhängen, haben sich entlang der bewussten Flusspassage schon zahlreiche Autos an unterschiedlichen Positionen in Stellung gebracht. Als alles auf eine bestimmte Stelle hindeutet, versucht auch Ones ein Plätzchen zu sichern. Das stellt sich in Anbetracht der Fahrzeugmenge als schwierig heraus, ist aber letztlich nicht von Belang: Die Tiere schwenken um.
Der nun von ihnen gewählte Punkt ist leider ziemlich verbuscht, daher zumindest von unserer Seite aus schwer einsehbar und zudem nur von weiter weg überhaupt zu erblicken. Das andere Ufer, wo ebenfalls Jeeps stehen, taugt schon deutlich besser. Noch mache ich mir keine Gedanken darüber, wie sie wohl dorthin gekommen sind.
Wir landen in der dritten Reihe, was in Kombination mit Sträuchern den Blick auf ungefähr die Hälfte des Geschehens erlaubt. Wir sehen die Gnus immerhin dem Wasser entsteigen ...
... und wie sich ein Krokodil eins der jüngeren Tiere schnappt.
Diese Szene ist gerade vorbei, da rollt ein Jeep aus Reihe eins direkt in unser Sichtfeld. Ohne Grund, weshalb ich herüberrufe, ob der Wagen nicht bitte wieder zwei Meter zurückfahren könne? Ich mache es kurz: Fahrer wie (europäische) Gäste stellen erst auf stur und dann auf taub. Wir fassen diese Ignoranz und Rücksichtslosigkeit nicht und sind genervt. Auch Ones kann nicht begreifen, warum der Fahrer unserer Bitte nicht nachkommt, hält sich aber raus. Warum, weiß nur er selbst.
Fasziniert von unserem ersten (halben) Crossing, aber auch irritiert von dem Trubel und dem Miteinander, fahren wir schließlich weiter. Uns dämmert: Bei dieser Safari besteht die Herausforderung nicht darin, Tiere zu finden, sondern sie aus geeigneter Position beobachten zu können. Ich kann nicht behaupten, dass uns diese Erkenntnis schmeckt.
Eine Zebra-Dame sorgt für Ablenkung, sie steht kurz vor der Niederkunft. Eine Zebra-Geburt haben wir noch nie live erlebt, wir sind begeistert.
Es ist ein heißer Tag, und das freudige Ereignis zieht sich hin. Wachsam schirmen die anderen Zebras die werdende Mutter ab. Aus gutem Grund: Eine renitente Hyäne wittert ihre Chance, wird aber vom Hof gejagt.
Dann ist er da, der große Moment: Die Stute bäumt sich auf, erhebt sich, und – NICHTS! Keine Regung, eine Fehlgeburt.
Zwei-, dreimal geschnuppert, dann zieht die verhinderte Mutter mit den anderen Tieren weiter.
Klar, ich weiß, so ist die Natur. Tieftraurig sind wir trotzdem: Vor meinem geistigen Auge hatte ich das Fohlen schon auf dünnen Beinchen herumstaksen sehen. Stattdessen treten die Tatortreiniger auf den Plan.
Wir sind in jeder Hinsicht platt von den morgendlichen Ereignissen. Fast schon am Camp angekommen, ...
... beobachten wir badende Zebras.
Ones guckt in die andere Richtung: "Da ist irgendwas." Ich bin unaufmerksam. Was soll auch sein, so mitten am Tag? Mental erschöpft, stehe ich ein bisschen auf der Leitung, als sich eine Löwin direkt vor unserem Wagen ganz flach macht.
Schon sprintet sie los in Richtung der weidenden Zebras rechts von uns, bemerkt dann die Tiere im Wasser, ändert den Kurs – zu spät. Die Zebras stieben in alle Richtungen auseinander, der diensthabende Wachoffizier ist von so viel Dreistigkeit empört und will gar nicht mehr aufhören, seine Truppen zu warnen. Uff, da soll nochmal einer sagen, mittags sei nichts los im Busch...
Nach all der Aufregung genieße ich unser erholsames, aber auch dringend erforderliches Mittagsschläfchen in vollen Zügen, das nur vom Krächzen unseres Lieblingsnachbarn unterbrochen wird.
Der Nachmittagsdrive fällt vergleichsweise ruhig aus, was wir nach dem bewegten Morgen gut verkraften können. Ein Löwenrudel, nicht übermäßig aktiv, ...
... und eine Büffelherde bescheren uns schöne, friedliche Momente in der Savanne.