Vor zwei Wochen sind wir nach Angola gefahren, um drei Tage lang „die Straße der Deutschen“ befahren zu können. In diesem Gebiet siedelten sich nach dem 1. Weltkrieg einige deutsche Bauern an. Sie bauten in dieser Gegend hauptsächlich Kaffee und Sisal an, jedoch wurden auch Gemüsegärten und Obstplantagen eingerichtet. Vereinzelt wurde Viehzucht betrieben. Alles in allem prägten die Deutschen diese Gegend sehr stark und brachten der lokalen Bevölkerung etwas Wohlstand und vor allem wirtschaftliche Sicherheit. Im September 1975 endete mit der Unabhängigkeit Angolas und den Machtkämpfen der „Unabhängigkeitsbewegungen“ untereinander abrupt die Existenz der deutschen Bauern mit Morden, Plünderungen und anschließender Vertreibung.
Unsere Gäste besuchten ihre afrikanische Heimat zum ersten Mal seit der Vertreibung. Vier Gruppenmitglieder waren in Angola geboren und mußten ihre Heimat 1975 fluchtartig verlassen. Für sie war es nun das erste Mal zurück in Angola. Entsprechend waren alle sehr gespannt.
Nachfolgend habe ich eine Karte der „Straße der Deutschen“ erstellt. Die grünen Flaggen zeigen die Positionen der ehemaligen deutschen Gehöfte.
Nach zwei Tagen Namibia (Namutoni) verbachten wir die erste Nacht in Angola! Kurz hinter der Grenze schlugen wir uns in die Büsche! Die Nacht war schnell hereingebrochen. Nachdem Zelte aufgebaut waren, das Lagerfeuer brannte und ein erstes Bier getrunken war, konnten wir den afrikanischen Nachthimmel in voller Weite genießen.
Am nächsten Tag erreichten wir hinter dem Ort Capala das ehemalige Farmgebiet der Deutschen in Angola. Nicht alle Gebäude sahen „so gut“ aus wie das hier abgebildete. Auf diesem Gelände versuchten Einheimische verzweifelt erneut Kaffee anzubauen. Jedoch sahen die jungen Kaffeebüsche auf einem freien Feld ohne Schattenbäume sehr mickrig aus. Sie werden kaum eine Chance auf Ertrag haben.
Hier ist Hanna in ihrem ehemaligen Klassenraum in der alten Schule „Leo Kloof“ zu sehen. Von der Tafel ist noch ein Stückchen an der Wand geblieben. Die schwarze Farbe ist längst verblichen. Von der Schule stehen nur Grundmauern. Diese Schule schloß bereits 1963 nach den ersten Unruhen gegen die portugiesische Kolonialmacht. Viele Fenster wurden zugemauert, …wahrscheinlich wurde das Gebäude nach der Vertreibung einige Zeit als Stall genutzt.
Der Speisesaal des Schülerheims auf „Leo Kloof“. Auch wenn meine Gäste keinerlei Erwartungen hatten und „um drei Ecken“ bereits vorab erfahren hatten, daß wohl nichts mehr stehe, war der Besuch doch sehr ernüchternd.
Die „Straße der Deutschen“ ist nicht mehr als Straße zu bezeichnen. Seit 40 Jahren wurde sie nicht mehr instandgehalten. Teilweise tasteten wir uns mit Schrittgeschwindigkeit voran, …immer den Weg der geringsten Hindernisse suchend.
Ein Fahrzeug trafen wir in den Tagen auf dieser Strecke: Es fuhr hinter uns, überholte und blieb stehen. Herr Oscar Benjamin stieg aus und fragte geradeheraus, ob wir wieder zurück kämen. Er habe von uns gehört, daß wir unsere alten Gehöfte besuchen würden. Dann schaute er auf Hanna. Es klickte zwischen den beiden, und es stellte sich heraus, daß er ihren Vater sehr gut kannte. Ja, …und dieses kleine Mädchen, …das sei sie jetzt??? Er kannte alle Deutschen in dieser Gegend und nannte viele Namen spontan aus dem Gedächtnis. Wir waren nicht wenig erstaunt! Ein Abzug dieses Fotos ist nun auf dem Postweg nach Angola zu Herrn Benjamin…
Nicht alle Gehöfte konnten wir direkt mit dem Fahrzeug erreichen. Zu Fuß mußten wir einige Male die letzten Meter gehen. Die lokale Bevölkerung nahm uns sofort gewahr! Man wußte bereits um unser Kommen! So zogen wir immer mit einer langen „Karawane“ durch den angolanischen Busch.
Drei Geschwister stellen ein Jugendbild auf der Küchentreppe nach. Selbst die Grundmauern des Elternhauses sind nur noch zur Hälfte erhalten. Der Busch hat den Innenhof des Hauses zurückerobert.
…und auch hier gab es eine Überraschung: Ein Alter wartete geduldig auf uns. Im Gespräch fragte er, ob die alten Besitzer unter uns wären. Zwei der drei Geschwister erkannte er nicht. Als er die Namen hörte, fragte er nach dem Jüngsten: Fiedje! Der war gerade auf Entdeckertour in den Ruinen der alten Scheune. Als er heraustrat, da erhellte sich das Gesicht des Alten: Er hatte den Vater erkannt! „Fiedje sieht aus wie sein Vater!“, rief er spontan aus! Die Begrüßung war mehr als herzlich! Der Alte hielt nach der Begrüßung lange den Arm von Fiedje fest. Er mochte ihn gar nicht loslassen! „Kommt Ihr wieder zurück? Der Frieden ist da! Es gibt so viel Arbeit!“, sagte er. Dies war wohl für alle der Augenblick dieser Reise, der am meisten unter die Haut ging. Anschließend fuhren wir längere Zeit sprachlos weiter auf der ehemaligen (!) „Straße der Deutschen“.
Der Entdeckerteil dieser Reise endete in der Küstenstadt Benguela, wo fast alle deutschen Kinder bis 1974 die von der deutschen Bundesregierung unterstützte „Deutsche Schule Benguela“ besucht hatten. Das markante Restaurant „Flugzeugträger“ an der Strandpromenade, die Häuser des Schülerheims, das Kino und die vielen Wohnhäuser der Schulkameraden in Benguela wurden gefunden und bestaunt. „Ja“, sagten meine Gäste, „jetzt geht es uns besser!“
Es war eine bemerkenswerte Reise, …in jeder Hinsicht! Wir übernachteten immer wild. Campingplätze trafen wir nicht an. Wir hätten sie auch nicht nutzen wollen. Die Bevölkerung Angolas ist in jeder Hinsicht als die freundlichste im südlichen Afrika zu bewerten. Nirgends sonst fand ich jemals so aufgeschlossene, freundliche und friedliebende Menschen vor. Offensichtlich genießen diese Menschen den Frieden. Dreißig Jahre Bürgerkrieg sind in Angola noch sehr gewahr!
Ich freue mich schon wieder auf meinen nächsten Besuch in Angola!
Herzliche Grüße aus Windhuk,
Olli