THEMA: Angola: über die „Straße der Deutschen“
03 Okt 2017 20:38 #491289
  • Olli
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  • Olli am 03 Okt 2017 20:38
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Vor zwei Wochen sind wir nach Angola gefahren, um drei Tage lang „die Straße der Deutschen“ befahren zu können. In diesem Gebiet siedelten sich nach dem 1. Weltkrieg einige deutsche Bauern an. Sie bauten in dieser Gegend hauptsächlich Kaffee und Sisal an, jedoch wurden auch Gemüsegärten und Obstplantagen eingerichtet. Vereinzelt wurde Viehzucht betrieben. Alles in allem prägten die Deutschen diese Gegend sehr stark und brachten der lokalen Bevölkerung etwas Wohlstand und vor allem wirtschaftliche Sicherheit. Im September 1975 endete mit der Unabhängigkeit Angolas und den Machtkämpfen der „Unabhängigkeitsbewegungen“ untereinander abrupt die Existenz der deutschen Bauern mit Morden, Plünderungen und anschließender Vertreibung.
Unsere Gäste besuchten ihre afrikanische Heimat zum ersten Mal seit der Vertreibung. Vier Gruppenmitglieder waren in Angola geboren und mußten ihre Heimat 1975 fluchtartig verlassen. Für sie war es nun das erste Mal zurück in Angola. Entsprechend waren alle sehr gespannt.
Nachfolgend habe ich eine Karte der „Straße der Deutschen“ erstellt. Die grünen Flaggen zeigen die Positionen der ehemaligen deutschen Gehöfte.



Nach zwei Tagen Namibia (Namutoni) verbachten wir die erste Nacht in Angola! Kurz hinter der Grenze schlugen wir uns in die Büsche! Die Nacht war schnell hereingebrochen. Nachdem Zelte aufgebaut waren, das Lagerfeuer brannte und ein erstes Bier getrunken war, konnten wir den afrikanischen Nachthimmel in voller Weite genießen.





Am nächsten Tag erreichten wir hinter dem Ort Capala das ehemalige Farmgebiet der Deutschen in Angola. Nicht alle Gebäude sahen „so gut“ aus wie das hier abgebildete. Auf diesem Gelände versuchten Einheimische verzweifelt erneut Kaffee anzubauen. Jedoch sahen die jungen Kaffeebüsche auf einem freien Feld ohne Schattenbäume sehr mickrig aus. Sie werden kaum eine Chance auf Ertrag haben.



Hier ist Hanna in ihrem ehemaligen Klassenraum in der alten Schule „Leo Kloof“ zu sehen. Von der Tafel ist noch ein Stückchen an der Wand geblieben. Die schwarze Farbe ist längst verblichen. Von der Schule stehen nur Grundmauern. Diese Schule schloß bereits 1963 nach den ersten Unruhen gegen die portugiesische Kolonialmacht. Viele Fenster wurden zugemauert, …wahrscheinlich wurde das Gebäude nach der Vertreibung einige Zeit als Stall genutzt.



Der Speisesaal des Schülerheims auf „Leo Kloof“. Auch wenn meine Gäste keinerlei Erwartungen hatten und „um drei Ecken“ bereits vorab erfahren hatten, daß wohl nichts mehr stehe, war der Besuch doch sehr ernüchternd.



Die „Straße der Deutschen“ ist nicht mehr als Straße zu bezeichnen. Seit 40 Jahren wurde sie nicht mehr instandgehalten. Teilweise tasteten wir uns mit Schrittgeschwindigkeit voran, …immer den Weg der geringsten Hindernisse suchend.



Ein Fahrzeug trafen wir in den Tagen auf dieser Strecke: Es fuhr hinter uns, überholte und blieb stehen. Herr Oscar Benjamin stieg aus und fragte geradeheraus, ob wir wieder zurück kämen. Er habe von uns gehört, daß wir unsere alten Gehöfte besuchen würden. Dann schaute er auf Hanna. Es klickte zwischen den beiden, und es stellte sich heraus, daß er ihren Vater sehr gut kannte. Ja, …und dieses kleine Mädchen, …das sei sie jetzt??? Er kannte alle Deutschen in dieser Gegend und nannte viele Namen spontan aus dem Gedächtnis. Wir waren nicht wenig erstaunt! Ein Abzug dieses Fotos ist nun auf dem Postweg nach Angola zu Herrn Benjamin…



Nicht alle Gehöfte konnten wir direkt mit dem Fahrzeug erreichen. Zu Fuß mußten wir einige Male die letzten Meter gehen. Die lokale Bevölkerung nahm uns sofort gewahr! Man wußte bereits um unser Kommen! So zogen wir immer mit einer langen „Karawane“ durch den angolanischen Busch.



Drei Geschwister stellen ein Jugendbild auf der Küchentreppe nach. Selbst die Grundmauern des Elternhauses sind nur noch zur Hälfte erhalten. Der Busch hat den Innenhof des Hauses zurückerobert.



…und auch hier gab es eine Überraschung: Ein Alter wartete geduldig auf uns. Im Gespräch fragte er, ob die alten Besitzer unter uns wären. Zwei der drei Geschwister erkannte er nicht. Als er die Namen hörte, fragte er nach dem Jüngsten: Fiedje! Der war gerade auf Entdeckertour in den Ruinen der alten Scheune. Als er heraustrat, da erhellte sich das Gesicht des Alten: Er hatte den Vater erkannt! „Fiedje sieht aus wie sein Vater!“, rief er spontan aus! Die Begrüßung war mehr als herzlich! Der Alte hielt nach der Begrüßung lange den Arm von Fiedje fest. Er mochte ihn gar nicht loslassen! „Kommt Ihr wieder zurück? Der Frieden ist da! Es gibt so viel Arbeit!“, sagte er. Dies war wohl für alle der Augenblick dieser Reise, der am meisten unter die Haut ging. Anschließend fuhren wir längere Zeit sprachlos weiter auf der ehemaligen (!) „Straße der Deutschen“.



Der Entdeckerteil dieser Reise endete in der Küstenstadt Benguela, wo fast alle deutschen Kinder bis 1974 die von der deutschen Bundesregierung unterstützte „Deutsche Schule Benguela“ besucht hatten. Das markante Restaurant „Flugzeugträger“ an der Strandpromenade, die Häuser des Schülerheims, das Kino und die vielen Wohnhäuser der Schulkameraden in Benguela wurden gefunden und bestaunt. „Ja“, sagten meine Gäste, „jetzt geht es uns besser!“



Es war eine bemerkenswerte Reise, …in jeder Hinsicht! Wir übernachteten immer wild. Campingplätze trafen wir nicht an. Wir hätten sie auch nicht nutzen wollen. Die Bevölkerung Angolas ist in jeder Hinsicht als die freundlichste im südlichen Afrika zu bewerten. Nirgends sonst fand ich jemals so aufgeschlossene, freundliche und friedliebende Menschen vor. Offensichtlich genießen diese Menschen den Frieden. Dreißig Jahre Bürgerkrieg sind in Angola noch sehr gewahr!

Ich freue mich schon wieder auf meinen nächsten Besuch in Angola!

Herzliche Grüße aus Windhuk,

Olli
Wer aus der Wüste zurückkommt, ist reicher, aber auch einsamer. Denn die Zahl derer, die einen verstehen können, ist kleiner geworden. Zitat nach B. Baumann
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03 Okt 2017 20:55 #491290
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  • Champagner am 03 Okt 2017 20:55
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Danke Olli für diese beeindruckenden Impressionen - ich bin sprachlos, es gibt so Vieles, was ich nicht weiß.

Dieses Foto hat mir die Tränen in die Augen getrieben - was für Emotionen!

Ganz liebe Grüße von Bele
Letzte Änderung: 03 Okt 2017 21:09 von Champagner.
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03 Okt 2017 22:17 #491297
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Sehr schöner Bericht und sicher sehr einprägsame Momente und Begegnungen für die Teilnehmer.

Wir sehen jedoch Angola nach einer Durchquerung von Sambia aus über den Osten und Nordosten und weiter durch den Westen nach Nambia etwas differenzierter. Es ist macht einen ziemlichen Unterschied wo in Angola man sich bewegt. Im Diamentgürtel z.B. ist die Mentalität der Menschen eine ganz andere als. z.B. im Osten an der Grenze zu Sambia. Das gleiche gilt für die Infrastuktur etc.

Wir haben unsere Eindrücke in unserem Blog

#http://ausstieginsabenteuer.blogspot.co.za/2017/10/angola-reisetipps-fur-selbstfahrer.html

zusammengefasst. Die Erlebnisse auf unserer Angola Durchquerung kann man auch auf unserer Hompage nachlesen. Wie immer sind alle Eindrücke subjektiv, aber zu einer möglichen "Einstimmung" auf eine Reise sind Berichte verschiedener Reisenden oft nützlich.

Grüße aus Südafrika
Eva&Alfred
Grüße
Eva&Alfred
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Letzte Änderung: 03 Okt 2017 22:20 von globenomaden.
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04 Okt 2017 07:43 #491310
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Danke Olli für diesen beeindruckenden Beitrag. :)
Hatte ich noch nichts von gehört.

Gruss
Gerhard
Namibia 1998/2002/2005/12-2020 & 05+06/2021
Namibia/Botswana/Vic-Falls 1987/1995/2017
Namibia 1980 (u. a. 2 Monate auf einer Rinderfarm nördl. Okahandja)
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04 Okt 2017 08:29 #491314
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hallo
der artikel hat mich beeindruckt.das war neu für mich.
wir sind mit zwei fahrzeugen 2016 die westküste afrikas runtergefahren.
über den kongo ging es dann rein nach angola.ich kann nur positives von den land berichten einschliesslich zoll,polizei und einwohner.
nur unser wild campen war nicht so erfolgreich.mehrmals müssten wir unser lager abbrechen und dem militär und polizei folgen.geschlafen haben wir dann immer auf dem parkplatz der polizei.die anwohner in der nähe unserer camps hatten immer die polizei angerufen.aussage der polizei war immer,sie hätten angst vor uns.
und noch ein erfreulicher punkt in sachen visum.
wir hatten unser visum in berlin geantragt.unsere fahrzeuge parken in kamerun.
wir erhielten ein visum mit einem zeitfenster der einreise innerhalb 3 monaten und wir konnten 4 wochen im land bleiben.
das ist absolut neu und wir waren erstaunt.möglicherweise hat sich da was positives verändert und hoffentlich war das nicht ein zufall auf grund unserer persönlichen telefonate mit der botschaft.
gruss matthias
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04 Okt 2017 10:58 #491329
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Vielen Dank für Eure Reaktionen soweit! Ich kann nur immer wieder „eine Lanze brechen für Angola“! Dieses Land wird in jeder Hinsicht unterschätzt, …aber auf alle Fälle falsch eingeschätzt! Auf keinen Fall kann man einfach so nach Angola fahren! Dazu ist das Land, sind seine Verhältnisse zu verschieden und zu komplex! Ich besuche Angola seit 2010 regelmäßig, seit 2014 bis zu dreimal pro Jahr. Bisher hat sich jeder Besuch von dem vorherigen unterschieden!

Ich möchte speziell auf Eva&Alfreds Reaktion eingehen: Jeden Satz des Angola-Berichtes auf Eurer Webseite habe ich gelesen und in mich hineingesogen! Sehr interessant (und aktuell!) sind Eure Zeilen! Bitte versteht meine folgende Aussage nicht als Kritik: Ihr reist so, Ihr seid so, ich habe nichts daran auszusetzen. Mir ist nur aufgefallen (…bitte korrigiert mich!), daß Ihr relativ unvorbereitet nach Angola eingereist seid. Über den Ostteil Angolas habe ich bei meinen nunmehr jahrelangen Recherchen nichts „greifbares“ gefunden! Es gab bisher keinerlei Aussagen über Grenzübergänge, Pistenbeschaffenheiten und Treibstoffversorgung. Aus diesem Grunde habe ich mich auch noch nicht in den Osten Angolas hineingetraut. Nun, dank Euch (!), könnte ich es einmal versuchen. Wenn ich Euch als Nichtweltreisender einen Tipp geben darf, so würde ich mich unbedingt etwas ausführlicher über ein unbekanntes Land informieren, bevor ich einfach so „ins Blaue“ hineinfahre und dann an meine Grenzen käme. Bitte, dies ist mein Tipp als Reisender zu (Welt-)Reisenden!

Matthias, wild zu campen in Angola ist nicht schwierig! Man muß nur die Grundregeln kennen und beachten! Die wichtigste Grundregel heißt: „Kommuniziere mit Deinem Umfeld!“ Wenn Du einen Übernachtungsplatz gefunden hast, so sprich mit den nächsten Bewohnern! Auch wenn Du niemanden siehst, …sie haben Dich längst registriert! Teile ihnen mit, daß Ihr Touristen seid! Frage, ob Ihr an dieser Stelle übernachten dürft! Die Leute werden es auf jeden Fall verneinen! Sie möchten, daß Ihr als deren Gäste auf dem Dorfplatz übernachtet. Da muß man sich dann natürlich freundlich-diplomatisch herausreden. Ist eine Polizeistation in der Nähe, …so meldet Euch dort unbedingt an!!! Die Polizei hat die absolute Autorität im Lande, …überall!!! Und wenn man kein Portugiesisch kann? Ich kann es auch nicht! Das kann auch von Vorteil sein, denn dann reduziert die (unangenehme) Kommunikation auf die wenigen Sprachzettel, die ich vorab situationsbedingt mit Google Translate erstellt habe. Das funktioniert prima und zeigt dem Gegenüber: Dieser Tourist hat sich schon vorab mit uns beschäftigt! Er interessiert sich für uns!

Abschließend zum Visum: Hier wird es in Zukunft auf jeden Fall Erleichterungen geben! Aus 2. Hand (immerhin zweiter!) habe ich erfahren, daß der neue Präsident Angolas, João Lourenço, sich baldigst mit diesem Thema im Sinne „para o turismo“ befassen möchte.

Herzliche Grüße aus Windhuk, …es regnet (hurrrraaa!)

Olli
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