Aus aktuellem Anlaß, liebe Forumsmitglieder, stelle ich hier ein Gedicht ein, das in der Schweizer Satirezeitschrift "Nebelspalter" im Jahr 1920 veröffentlicht worden ist - Verfasser unbekannt - der Hinweis stammt von einem Pfr. Hans-Friedrich Alfringhaus.
Wie sich die Dinge gleichen....................
Die Grippe und die Menschen
Als Würger zieht im Land herum
Mit Trommel und mit Hippe,
Mit schauerlichem Bum, bum, bum
Tief schwarz verhüllt die Grippe.
Sie kehrt in jedem Hause ein
Und schneidet volle Garben -
Viel rosenrote Jungfräulein
Und viele Burschen starben.
Es schrie das Volk in seiner Not
Laut auf zu den Behörden:
„Was wartet Ihr? Schützt uns vor’m Tod –
Was soll aus uns noch werden?
Ihr habt die Macht und auch die Pflicht –
Nun zeiget Eure Grütze –
Wir raten Euch: jetzt drückt Euch nicht,
Zu was seid Ihr sonst nütze?
‚s ist ein Skandal, wie man es treibt.
Wo bleiben die Verbote?
Man singt und tanzt, juheit und kneipt.
Gibt’s nicht genug schon Tote?“
Die Landesväter rieten her
Und hin in ihrem Hirne.
Wie dieser Not zu wehren wär‘,
Mit sorgenvoller Stirne:
Und sieh‘, die Mühe ward belohnt.
Ihr Denken ward gesegnet:
Bald hat es, schwer und ungewohnt,
Verbote nur geregnet.
Die Grippe duckt sich tief und scheu
Und wollte sacht verschwinden.
Da johlte schon das Volk aufs Neu‘
Aus hunderttausend Mündern:
„Regierung, he! Bist du verrückt –
Was soll das alles heißen?
Was soll der Krimskrams, der uns drückt,
Ihr Weisesten der Weisen?
Sind wir denn bloß zum Steuern da,
Was nehmt ihr jede Freude?
Und just zur Fastnachtszeiten – ha!“
So grölt und tobt die Meute.
„Die Kirche mögt verbieten ihr,
Das Singen und das Beten –
Betreffs des andern lassen wir
Jedoch nicht nah uns treten!
Das war es nicht, was wir gewollt
Gebt frei das Tanzen, Saufen.
Sonst kommt das Volk – hört, wie es grollt,
Stadtwärts in hellen Haufen!“
Die Grippe, die am letzten Loch
Schon pfiff, sie blinzelt leise
Und spricht: „Na endlich – also doch!“
Und lacht auf häm’sche Weise.
„Ja, ja – sie bleibt doch immer gleich
Die alte Menschensippe!“
Sie reckt empor sich hoch und bleich
Und schärft aufs neu die Hippe.
Ich wünsche Euch allen, daß Ihr gesund und vernünftig bleibt!
Herzlichst
Friederike