THEMA: Reisebericht Sierra Leone
02 Apr 2013 20:40 #283404
  • st@ffi
  • st@ffis Avatar
  • Beiträge: 97
  • Dank erhalten: 27
  • st@ffi am 02 Apr 2013 20:40
  • st@ffis Avatar
Hallo Bike Africa!
Schön, dass du fleißig weiter schreibst, obwohl ich jetzt grad mal durchatmen musste. Danke, dass du uns mitnimmst! Gruessle Steffi
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
02 Apr 2013 21:01 #283412
  • BikeAfrica
  • BikeAfricas Avatar
  • Beiträge: 6775
  • Dank erhalten: 7049
  • BikeAfrica am 02 Apr 2013 21:01
  • BikeAfricas Avatar
Hallo Steffi,

ich habe zwar schon einige Bücher über dieses Thema gelesen, aber wenn man Menschen mit solchem Schicksal tatsächlich gegenüber steht, ist das schon sehr seltsam. Man steht da ziemlich hilflos rum und stellt sich gleichzeitig die Frage, ob es so geschickt war, dahin mitzukommen. Spät nachmittags und nicht mehr lange bis zur Dämmerung und niemand wusste, wo ich überhaupt bin. Diese Menschen sind arm und haben kaum eine Chance im Leben und gleichzeitig denkt man sich, ihre Hemmschwelle zu einem Raub oder Schlimmeren ist vielleicht nicht sehr groß, aber den allermeisten tut man damit unrecht.

Die sind über ihre Vergangenheit auch nicht glücklich und sie waren alle sehr nett, haben mich rumgeführt und mir Ganja zum Rauchen angeboten. Es hat keiner von ihnen irgendwie gebettelt oder auch nur eine Andeutung gemacht. Als ich meinte, es wäre nun Zeit, wieder zu gehen, da es bald dunkel würde, hat mich der Boxer wieder bis zu meiner Unterkunft begleitet. Er wollte mir kurze Videos von den Lebensumständen dort schicken, damit ich die bei Youtube o.ä. für die Öffentlichkeit bereitstellen kann, damit die Leute anderswo davon erfahren. Ich gehe aber davon aus, dass das aufgrund mangelnder Bandbreite nicht funktionieren wird.

Gruß
Wolfgang
Mit dem Fahrrad unterwegs in Namibia, Zambia, Zimbabwe, Malawi, Tanzania, Kenya, Uganda, Kamerun, Ghana, Guinea-Bissau, Senegal, Gambia, Sierra Leone, Rwanda, Südafrika, Eswatini (Swaziland), Jordanien, Thailand, Surinam, Französisch-Guyana, Alaska, Canada, Neuseeland, Europa ...
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: picco
02 Apr 2013 21:21 #283418
  • Kiboko
  • Kibokos Avatar
  • Beiträge: 1220
  • Dank erhalten: 956
  • Kiboko am 02 Apr 2013 21:21
  • Kibokos Avatar
Hallo Wolfgang
BikeAfrica schrieb:
Zambia/Zimbabwe und Gambia/Senegal/Guinea-Bissau . Letzteres wäre ja für dieses Forum auch ein eher unbekanntes Reiseziel.
Sehr gerne!
Guinea-Bissau (Billargos Achipel) ist ebenfalls weit oben auf meiner Wunschliste. :woohoo:
Gambia und Senegal stehen irgenwo im Mittelfeld.
Nach Zimbabwe geht es im Juli/August. :woohoo: :woohoo: :woohoo:
BikeAfrica schrieb:
Laut Deiner Signatur sehe ich, dass Dir auch langsam die Reiseländer ausgehen. ;-)
Ich persönlich würde im Vergleich zu Sierra Leone aber eindeutig lieber Kamerun empfehlen.
Noch brauche ich keine Angst zu haben, dass mir die Reiseländer ausgehen.
Es gibt in Afrika (und der Rest der Welt) noch soooooo viel zu sehen.

Danke für die Links auf Deine Reiseberichte.
Die kannte ich schon. :)
Nach unserer (Lichtangler und Kiboko) Gabunreise sind die Nachbarländer Kamerun, Kongo und Zentralafrikanische Rep. in meiner Wunschliste weit abgefallen.
Wer Axels Vortrag in Kronau gesehen hat, weiss warum. :silly:

Viele Gruesse
Bernd
Äthiopien, Benin, Botswana, Elfenbeinküste, Eritrea, Gabun, Gambia, Ghana, Guinea, Kenia (2x), Madagaskar, Malawi, Marokko, Mauretanien, Namibia, Niger, Ruanda, Sambia, Senegal, Simbabwe (2x), Sudan, Tansania (3x), Togo, Tschad, Uganda (2x)

Fotoreportagen und Bildgalerien aus aller Welt: foto-kiboko.de
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
03 Apr 2013 23:30 #283637
  • BikeAfrica
  • BikeAfricas Avatar
  • Beiträge: 6775
  • Dank erhalten: 7049
  • BikeAfrica am 02 Apr 2013 21:01
  • BikeAfricas Avatar
Hallo Bernd,
Kiboko schrieb:
Nach unserer (Lichtangler und Kiboko) Gabunreise sind die Nachbarländer Kamerun, Kongo und Zentralafrikanische Rep. in meiner Wunschliste weit abgefallen.
Wer Axels Vortrag in Kronau gesehen hat, weiss warum. :silly:
kannst Du mal kurz schreiben, warum?
Die Zentralafrikanische Republik, Congo und Gabun sind doch nicht mit Kamerun zu vergleichen, wobei es sicherlich auch auf die Region ankommt.
Für mich war Kamerun ein Highlight in Afrika und ich würde wieder dorthin fahren. Bei Sierra Leone müsste ich noch mal ein paar Nächte drüber schlafen ...

Gruß
Wolfgang
Mit dem Fahrrad unterwegs in Namibia, Zambia, Zimbabwe, Malawi, Tanzania, Kenya, Uganda, Kamerun, Ghana, Guinea-Bissau, Senegal, Gambia, Sierra Leone, Rwanda, Südafrika, Eswatini (Swaziland), Jordanien, Thailand, Surinam, Französisch-Guyana, Alaska, Canada, Neuseeland, Europa ...
Letzte Änderung: 03 Apr 2013 23:40 von BikeAfrica.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
04 Apr 2013 22:01 #283877
  • BikeAfrica
  • BikeAfricas Avatar
  • Beiträge: 6775
  • Dank erhalten: 7049
  • BikeAfrica am 02 Apr 2013 21:01
  • BikeAfricas Avatar
... Letzter Teil ...

Nach dem Besuch der Strandregion komme ich zurück nach Freetown. Emerson (der Poliokranke) freut sich, dass ich noch gesund und in einem Stück zurückgekommen bin. Vier andere Leute begrüßen mich an diesem Tag in der Stadt mit Namen (und der ist für die Leute dort oft schwerer auszusprechen als für mich der ihre). Irgendwie kennt man den weißen Radfahrer jetzt langsam bereits. Die Kinder in der Nachbarschaft meiner Unterkunft (die vom letzten Zwischenstopp in Freetown) springen fröhlich um mich herum und ziehen mich an den Händen mit nach Hause.

Am Abend besuche ich wieder mal eine Kirche, da ich auf dem Heimweg laute Musik vernehme. Die Menschen tanzen in der Kirche und die Musik ist fast so laut wie in einer Disco. Zwischendurch wird die Musik leiser bzw. verstummt und ein Pfarrer spricht. Dann folgt wieder laute Musik und Tanz. Kirche ist hier gleichzeitig Nachdenken und Unterhaltung.

Am nächsten Tag geht es durch die Stadt zur Fähre, um nach Lungi zum internationalen Flughafen zu kommen. Dort finde ich ein einfaches Guesthouse wenige Fußminuten entfernt vom Flughafen. Die beiden Hotels hier in der Nähe rufen 150 US$ für die Übernachtung auf.
Ich schaue mich im Dorf um, denn mehr als ein Dorf ist das hier nicht. Das bedeutet gleichzeitig, dass ich viel Zeit habe, um auf Erich Kästners Spuren zu wandeln (Toren besuchen in fremden Ländern die Museen. Weise gehen in die Tavernen). Ich will unbedingt noch ein Foto einer Dose des aus Deutschland importierten "Cody's" machen (Foto weiter vorne im Bericht). Ich muss mehrere davon bestellen, bis mich das äußere Aussehen einer Dose endlich zufriedenstellt und für ein Foto geeignet erscheint. Außerdem besorge ich mir als Packmaterial drei Carlsberg-Kartons (nein, den Inhalt habe ich nicht gesoffen), in denen deren Bierdosen an Geschäfte und Kneipen verkauft werden. Dann gehe ich in die Unterkunft und packe ein bisschen Gepäck für den Flug.

Am nächsten Tag laufe ich noch ein wenig umher und versuche dann, in irgendwelchen Kneipen vielleicht noch ein besseres Foto einer Bierdose zu machen, aber so viel ich auch trinke ... besser wirds nicht. Ich lerne aber einige Einheimische kennen und habe einen interessanten Tag. Am frühen Abend dusche ich nochmal in der Unterkunft und gehe in der Dämmerung, das Fahrrad schiebend (Pedale sind schon abmontiert und Fahrrad gewaschen) zum Flughafen. Ein Mitarbeiter des Guesthouses begleitet mich und verabschiedet sich, als wir am Flughafengebäude sind. Von irgendwo kommt ein ca. 25jähriger Einheimischer und hilft mir, das Fahrrad mit den Kartons, Kabelbindern und Klebeband halbwegs vernünftig zu verpacken. Meine Packtaschen kommen mit Ausnahme des Handgepäcks in einen Nylonsack. Jetzt ist es etwa 20 Uhr und dunkel. Check-In beginnt um 3 Uhr morgens.

Die Flughafenhalle ist komplett menschenleer. Vor dem Eingang sitzen zwei Sicherheitskräfte. Ich lehne mein Fahrrad und mein Gepäck an einen Metalltisch im Inneren der Halle. Mitsamt dem Handgepäck gehe ich mit dem Einheimischen ins Dorf und wir lassen uns an einer Bretterbude auf Stühlen nieder. Ich gebe ihm eine Cola aus und versuche es mit Carlsberg (Cody's macht anscheinend müde). Wir reden bis ca. 24 Uhr und dann werde ich langsam zu müde und gehe mit ihm zurück zum Flughafen, wo er sich verabschiedet. Dafür begrüßt mich ein Flughafenmitarbeiter von der Gepäckabfertigung (wieder mit Namen), den ich während meiner kurzen Zeit in Lungi irgendwo kennengelernt habe (vielleicht wurde mein Fahrrad deshalb so sorgsam verladen). Ich muss gestehen, dass ich mich in den seltentsten Fällen an die Namen meiner Gegenüber erinnern kann und manchmal nicht einmal ans Gesicht. Ich lernte während der Reise einfach zu viele Menschen kennen und schüttelte an manchen Tagen Dutzenden die Hände.

In der Halle sind jetzt vielleicht 15 Leute, die auch auf den Flug warten. Ich mache mich auf einer Bank lang und schlafe ein bisschen. So gegen 2:30 Uhr werde ich wieder wach. Jetzt ist mehr Betrieb. Man hat einen Teil des Bereichs vor dem Check-In-Schalter abgesperrt und mein Rad samt Gepäck steht dort. Langsam kommt Leben in die Bude.

Als die Check-In Schalter besetzt werden und der offensichtliche Chef der Schicht in Sicht kommt, frage ich ihn, ob ich mein Fahrrad und das Gepäck jetzt wieder hinter die Absperrung bugsieren und mich anstellen soll, aber er meint, ich solle ihm seinen Pass zeigen und dann mit meinem Geraffel gleich zum Schalter gehen. Das ist prima. So halte ich niemanden auf und bin sogar vor den beiden Rollstuhlfahrern als Erster am Schalter, bevor die Absperrung überhaupt geöffnet ist. Er fragt mich nur noch, ob ich die Luft aus den Reifen gelassen habe. Ich versichere ihm, dass ich den Luftdruck soweit abgelassen habe, dass weder dem Fahrrad noch dem Flugzeug etwas passieren könne und damit ist er zufrieden.

Am Check-In-Schalter bekomme ich meinen Boarding-Pass, der auf unbedrucktem Karton vollständig per Hand geschrieben wird. Den Boarding-Pass für den knappen Anschlussflug in Casablanca bekomme ich natürlich nicht. Dann noch an einem Sicherheitskontrolleur vorbei, der mich offen fragt, ob ich etwas Geld für ihn habe, damit er sich am Abend ein Bier kaufen kann. Als ich verneine, fragt er nochmal nach. Ich sage ihm, dass ich alles ausgegeben habe, weil ich es ja nicht mehr brauche (stimmt nicht ganz, weil ich ja immer Scheine als Erinnerung behalte und sammle bzw. als Lesezeichen für Bücher verwende). Daraufhin fragt er mich, ob ich ihm sonst etwas geben könne. Ziemlich dreiste Masche, aber offenbar oft genug erfolgreich. Diesmal nicht. Im Flugzeug herrscht freie Sitzwahl, damit man das Land noch einmal von seiner chaotischen Seite sieht.

In Casablanca betrete ich das Flughafengebäude 25 Minuten vor Abflug nach Frankfurt. An den langen Schlangen vor den Schaltern zur Ausstellung eines Boarding-Passes und der Sicherheitskontrolle schleust man mich jeweils vorbei nach vorne. Ich muss die ganze Abflughalle entlang zum Flugsteig 31, dem vorletzten. Kurz vor Ende des Boarding gelange ich ins Flugzeug. Anders als in Sierra Leone, wo ich mit kurzen Hosen und T-Shirt nicht auffiel, tragen hier die Leute alle Winterjacken und verstopfen damit rücksichtslos die Gepäckfächer. ;-)
Wenn sowas jeder machen würde ...

Nach einem nach meinem Empfinden ruhigen Flug (ok, vielleicht habe ich andere Fluggäste durch Schnarchen gestört?) komme ich in Frankfurt an. Als ich das Gepäckband erreiche, steht mein Fahrrad schon daneben (kommt sonst immer als ziemlich letztes Gepäckstück). Gleich danach läuft mein Nylonsack über das Förderband. Als Erster verlasse ich die Ankunftshalle, wo mich schon der Fahrer des Flughafenshuttles erwartet. Wir verlassen das Gebäude, wo ich bei 3 Grad Außentemperatur in kurzen Hosen, T-Shirt und Sandalen erstmals nach vier Wochen endlich wieder zu schwitzen aufhöre.
Endlich wieder Aussicht auf Schnee ... ;-)


So, das wars erstmal aus Sierra Leone.
Wenn ich mein Tagebuch von Gambia bis Guinea-Bissau in die Finger bekomme, gibts wieder 'nen Bericht, wenn auch von einer lange zurückliegenden Tour. Soviel sei aber schon mal verraten: Für Guinea-Bissau hatte ich nicht mal 'ne Landkarte und dass gerade ein Militärputsch passierte und das Auswärtige Amt eine Reisewarnung rausgab, während ich schon in Gambia und Senegal unterwegs war, bekam ich gar nicht mit.

Gruß
Wolfgang


Was hier jetzt noch fehlt, ist das Foto von den Öllampen für Janet und das kurze Fazit am Schluss. Ist nicht vergessen - kommt noch ...
Mit dem Fahrrad unterwegs in Namibia, Zambia, Zimbabwe, Malawi, Tanzania, Kenya, Uganda, Kamerun, Ghana, Guinea-Bissau, Senegal, Gambia, Sierra Leone, Rwanda, Südafrika, Eswatini (Swaziland), Jordanien, Thailand, Surinam, Französisch-Guyana, Alaska, Canada, Neuseeland, Europa ...
Letzte Änderung: 20 Jul 2013 13:22 von BikeAfrica.
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.
Folgende Benutzer bedankten sich: lisolu, AfricaDirect, Topobär, Butterblume, Kiboko, Auxo, picco, Susa66
04 Apr 2013 22:51 #283882
  • easytrack
  • easytracks Avatar
  • Beiträge: 63
  • Dank erhalten: 39
  • easytrack am 04 Apr 2013 22:51
  • easytracks Avatar
Wirklich großartig, vielen Dank für den spannenden und lehrreichen Bericht
Der Administrator hat öffentliche Schreibrechte deaktiviert.