THEMA: Niemand wird mich töten
27 Nov 2011 18:22 #214671
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  • Butterblume am 27 Nov 2011 18:22
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Liebe Fomis,

im Rahmen unser Kapstadtreise hatten wir diese Woche die Möglichkeit im Township Masiphumele HOKISA (Home for kids in South Africa) zu besuchen und dort persönlich Spendengelder abzugeben, die wir auf unserem Kongress gesammelt haben. Der Initiator Dr. Lutz van Dijk stellte uns kurz Mbu vor, dessen Journalismusstudium u.a. durch den Verkauf seines Buches "Niemand wird mich töten" finanziert werden soll.
Mbu Maloni war 18 Jahre, als er seine Autobiografie veröffentlichte. Er ist ein südafrikanisches Straßenkind, das erlebte, wie Geschwister und Freunde das harte Leben nicht meistern und sterben. Atie ist tot - Im Oktober 2010 wird Mbu Malonis bester Freund von einem Jungen erstochen, einem Drogenabhängigen, einfach so, nach einem kurzen Streit um ein Mädchen. Mbu steht unter Schock. Kurz danach beschließt der 17-Jährige, seine Geschichte in einem Buch aufzuschreiben.

Wenn es mir jemals gelingen würde, wollte ich es Atie widmen. Atie und den vielen anderen Kids wie ihm. Ich habe mir fest vorgenommen, ehrlich zu sein in diesem Buch. Ich schreibe es, um stärker zu werden.

Mbu wird im Township Masizakhe, 600 Kilometer östlich von Kapstadt geboren.

Meine erste Erinnerung, ich heule. Andauernd heulen, heulen, heulen. Und niemand, der mich tröstet. Oder mich wenigstens anschaut, geschweige denn nach mir schaut.

Mbus Mutter ist eine abweisende Frau. Sie trinkt - vermutlich aus Verzweiflung über den harten Überlebenskampf. Der Vater hat die Familie verlassen. Der Bruder Mavusi, gerade mal vier Jahre älter als Mbu, ist der einzige, der sich um ihn kümmert - und damit völlig überfordert ist. Er gibt dem Säugling hartes Brot.

Die Mutter sucht sich Arbeit in Kapstadt, Mbu darf mitkommen, und geht zum ersten Mal im Township Masiphumelele in die Containerschule, trägt zum ersten Mal richtige Schuhe und ist glücklich.

Ich fühlte mich wie strahlendes Licht an diesem besonderen Morgen.

Dann verliert die Mutter den Job und schiebt Mbu zur Großmutter nach Masizakhe ab. Die herrische alte Frau verdient ihren Lebensunterhalt mit der Aufzucht von neun Kindern.

Familien, Familien, Familien. Ehrlich, ich weiß nicht genau, was eine Familie ist.

Manche sagen, das ist Vater, Mutter und Kinder. Aber ich kenne kaum eine solche Familie. Einige Frauen und Männer ziehen zusammen und tun eine Weile so, als wären sie glücklich. Du kannst auf den Tag warten, an dem sie den ersten Streit haben.

Mbu schildert mit einfachen Worten und ohne jeden klagenden Unterton die südafrikanische Wirklichkeit. Sie entspricht den Fakten: Nach wie vor lebt fast die Hälfte der Bevölkerung in extremer Armut. Die Kriminalitätsrate ist eine der höchsten weltweit, und Kinder müssen sich in den Townships einsam und schutzlos durchschlagen.

Nur bei seinen Freunden findet Mbu so etwas wie Liebe und bedingungslose Unterstützung. Bei Yamkela kann er schon mal übernachten oder einen Happen essen. Und Atie, der "mit der großen Klappe", hilft bei Anfällen von Hoffnungslosigkeit.

Atie war ein typischer Straßenjunge. Aber ein pfiffiger. Ein Überlebenskünstler. Wenn ich traurig war, lachte Atie. Wenn ich wütend wurde und keinen Ton herausbrachte, schrie Atie erst richtig los. Wenn ich weglaufen wollte, ging Atie zum Angriff über, ganz egal, wie stark der andere sein mochte.

Mit Atie zieht Mbu in einen alten Wohnwagen und überlebt drei Jahre lang als Profidieb. Als Mbu 15 Jahre alt ist, stirbt der geliebte Bruder an Tuberkulose. Mbu ist am Ende.

Ich hockte nur noch da wie ein verprügelter Hund.

Yamkela nimmt ihn mit nach HOKISA, zu deutsch: Zuhause für Kinder in Südafrika, einem aus Spenden finanzierten Projekt für aidskranke Kinder in Masiphumelele. Mbu hat kein Aids, braucht aber dringend Hilfe.

Zum ersten Mal gab es ein paar richtig gute Leute in meinem Leben, denen nicht egal war, wie es mit mir weitergeht. Niemals zuvor hatte ich Menschen getroffen, die so freundlich zu mir gewesen waren.

Mbu kehrt mit Hilfe von HOKISA zurück zur Großmutter. Weil sie sich bereit erklärt, ihn bis zur 12. Klasse bei sich aufzunehmen. Dann geschieht das Unglaubliche. Als der Junge eine Schuluniform kauft, statt das Geld dafür der alten Frau zu geben, bezichtigt sie ihn öffentlich der Vergewaltigung eines kleinen Mitbewohners. Mbu kommt für sechs Monate ins Gefängnis und erlebt dort den blanken Horror. Prügel und Massenvergewaltigungen der Gefangenen untereinander.

Er selbst bleibt verschont, aber das Trauma macht ihn bis heute sprachlos.

Wieder sind es die Leute von HOKISA, die Mbu helfen und ihm schließlich ein Zimmer im Gartenhaus des Projektes zur Verfügung stellen. Endlich ist er in einem Zuhause angekommen.

Leben oder Tod - Mbus authentischer Lebensbericht ist eine anrührende Geschichte. Sie führt Jugendlichen in Europa eindringlich vor Augen, wie erbarmungslos der größere Teil ihrer Altersgenossen in aller Welt ums körperliche und seelische Überleben kämpfen muss. Darum bietet das Buch in Zeiten der Globalisierung einen außergewöhnlichen Blick über den eigenen Horizont hinaus, der sicher einen bleibenden Eindruck hinterlassen wird.

Mbu Maloni
Niemand wird mich töten! Peter Hammer Verlag; 153 Seiten, 12,90 Euro, ISBN: 978-3-779-50356-9
Quelle: www.dradio.de/dlf/se...gen/andruck/1604768/





Herzliche Grüße
Marina
Das Morgen gehört demjenigen, der sich heute darauf vorbereitet. Afrikanische Weisheit

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27 Nov 2011 21:04 #214698
  • Nunanani
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  • Nunanani am 27 Nov 2011 21:04
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Vielen Dank für die Empfehlung.
Dann hoffe ich mal, dass Mbu sein Studium so finanzieren kann und auch noch gut schreibt.

Gruß,
Nunanani
Südafrika, Botswana, Namibia, Zimbabwe, Mosambik,...
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