THEMA: Der Westen Kameruns - ein anderes Afrika
20 Apr 2018 18:57 #519218
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  • BikeAfrica am 20 Apr 2018 18:57
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freshy schrieb:
@Wolfgang: Willst du nicht einen eigenen Thread eröffnen mit "Kamerun" in der Überschrift?

... ich dachte mir, dass die regelmäßigen Leser sowieso nur immer die aktuellste Seite des Threads anschauen. Neue Leser entdecken so aber den lesenswerten Beitrag von trsi von Anfang an, so dass er nicht ganz so schnell in der Versenkung verschwindet. Das wäre nämlich sehr schade und deshalb möchte ich meine Geschichte gerne einfach hier anhängen. Ich habe den Titel des Threads ab diesem Beitrag leicht geändert [Anmerkung: das hat wohl nicht funktioniert] ...

BikeAfrica schrieb:
Ich gab eine Anzeige im Radreiseforum auf, um einen Mitstreiter zu finden. So fing es an ...

... das Radreiseforum ist etwa ähnlich alt wie das Namibia-Forum, hat etwa 10.000 Mitglieder mehr und das Finden von Reisepartnern hat einen anderen Stellenwert als im Namibia-Forum, aber es meldete sich genau ein Interessent. Zufällig wohnte er nur 15 km entfernt, aber uns trennten auch 17 Jahre Altersunterschied. Ich war damals bereits 38 und er war 21 und noch nie zuvor in Afrika, hatte aber bereits eine Radreise in Indien hinter sich).

Wir trafen uns einigen Male, radelten auch mal ein paar Stunden zusammen und beschlossen, die Reise zu unternehmen. Als es darum ging, die Visa zu besorgen, bot ich an, sie persönlich beim Konsulat zu besorgen. Es war etwas teurer als die Pässe nach Berlin zu schicken, aber die Formulare ließen auch einige Fragen offen, die ich beim Konsulat direkt klären konnte. Seinerzeit benötigte man die Angabe zweier Adressen von Unterkünften, von denen z.B. mindestens eine nicht gewerblich sein durfte. Was würde da akzeptiert und was nicht? Ich wollte sichergehen, dass ich anschließend die Visa hatte und nicht möglicherweise die Pässe per Post zurückkämen mit dem Vermerk, die Formulare seien nicht ausreichend ausgefüllt.

Erst am Vortag der Reise kam ich auf die Idee, ein Zimmer für die erste Nacht zu reservieren (wir kamen erst abends in Douala an). Ich schrieb per Mail an die Seemannsmission (Foyer du Marin), bekam aber natürlich keine Antwort mehr, da wir ja bereits am nächsten Morgen sehr früh abflogen.

Nach der Ankunft in Douala wollten wir ein Taxi nehmen und mit den verpackten Fahrrädern zur Unterkunft fahren - so der Plan.
Es gab keine Kombis, sondern nur Stufenheck-Taxis und einen einzigen Kleinbus mit drei Mann Besatzung. Ein Rudel Taxifahrer stürmte mit Angeboten auf uns ein, dazu ein Haufen Vermittler und irgendwann standen wir bei den drei Typen am Kleinbus und verhandeltenn um den Fahrpreis. Es war ein wüstes Durcheinanderreden in einer bunten Menschentraube und wir versuchten, den Überblick und unser Gepäck im Auge zu behalten und gleichzeitig den Fahrpreis auf eine realistische Summe zu drücken, die ja in den meisten Ländern so bei 30-35% liegt. Die Verhandlungen zogen sich über eine Stunde hin, denn wir wollten uns nicht gleich zu Beginn bescheißen lassen (wie wir später erfuhren, haben wir am Ende tatsächlich den für Einheimische üblichen Preis bezahlt).

Es ist über 30 Grad und selbst am Abend lag die Luftfeuchtigkeit wohl noch bei 95% (wir hatten unterwegs später noch Werte von 98 und 99%). Schweißgebadet kamen wir in der Seemannsmission an, wo uns Martin, der deutsche Geistliche uns unbekannter Funktion über den Weg lief. "Heute ist ein schöner kühler Tag" ist alles, was er uns im Vorbeigehen zumurmelte ...

Wir hatten Glück und es war noch ein Zimmer frei, allerdings nur für eine Nacht und nicht für zwei, wie gewünscht.
Über die Reiseregion sprachen wir im Vorfeld nur kurz. Ich schlug die Ring Road im Westen vor und so war schließlich der Plan. Das war auch schon der ganze Plan. Mehr gab es nicht.

Was sollte schon schiefgehen? Unsere Fahrräder waren in Schuss, wir hatten Ersatzschläuche und -reifen dabei, andere Ersatzteile, Wasserfilter, Kocher, Zelte, Impfpässe mit der erforderlichen Gelbfieberimpfung, Malariaprophylaxe, Kreditkarte, EC-Karte, Reiseschecks und ein bisschen Bargeld.

Was schiefgehen sollte, erfuhren wir dann gleich am nächsten Morgen ...

Gruß
Wolfgang
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Letzte Änderung: 20 Apr 2018 19:04 von BikeAfrica.
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21 Apr 2018 08:39 #519245
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Ich bedanke mich herzlich über den Bericht und freue mich auf den der Radreise.

Yanjep
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21 Apr 2018 12:32 #519256
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BikeAfrica schrieb:
Was schiefgehen sollte, erfuhren wir dann gleich am nächsten Morgen ...

... langsam befinde ich mich gedanklich wieder in Kamerun und schreibe daher zeitlich wieder in der Gegenwart ...

Auf dem Weg durch den Innenhof der Seemannsmission begegnet mir Martin.
Er fragt mich, ob ich für den nicht auszuschließenden Fall meines baldigen Ablebens in Kamerun bestattet oder überführt werden möchte. Diese Art von Humor mag ich ja normalerweise, aber Martin übertreibt etwas. Er möchte Kopien unserer Reisepässe und die Telefonnummern der nächsten Angehörigen.
Während ich langsam begreife, daß er es ernst meint, erzählt er noch ein paar Geschichten von tödlich verunglückten Touristen, an deren Identifizierung und Überführung er von Zeit zu Zeit beteiligt ist und davon, daß der Tod für die Menschen hier einfach so alltäglich ist, daß man bei einem Unfall nicht wirklich auf Hilfe hoffen brauche. Während man gerade schmerzhaft damit beschäftigt sei, in die ewigen Jagdgründe überzutreten, würden sich eventuelle Unfallzeugen bereits Kleidung sowie Hab und Gut unter sich aufteilen. Die Armut der Leute sorge dafür und ein Menschenleben sei nicht viel wert. Dazu müssen die Menschen zu oft miterleben, daß andere sterben, sei es an Malaria und anderen Krankheiten oder eben aufgrund von Unfällen.

Martin erzählt mir auch, dass ich EC- und Kreditkarte mal völlig vergessen kann und Reiseschecks nur angenommen werden, wenn man den Original-Kaufbeleg vorlegt. Diesen haben wir beide natürlich zuhause gelassen, denn das ist ja der eigentliche Vorteil von Reiseschecks gegenüber Bargeld. Wir versuchen trotzdem bei einigen Banken, mit Karte oder Reiseschecks an Geld zu kommen. Es funktioniert nicht. Falko und ich haben zusammen knapp 500 Euro in bar dabei und das muss nun reichen für die nächsten vier Wochen - für Unterkunft, Verpflegung, Eintrittsgebühren, unvorhersehbare Zwischenfälle ... und wie im Jahr 2003 die Kontaktaufnahme per Internet in Kamerun funktioniert, könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Wir haben in einem Internetcafé 45 Minuten darauf gewartet, dass die Startseiten von AOL, web.de und Arcor vollständig geladen sind und wir die Anmeldedaten eingeben können. Wir brechen das an der Stelle ab ...

Gruß
Wolfgang
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24 Apr 2018 20:00 #519579
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... bis wir Douala verlassen, ist es bereits früher Nachmittag. Der Straßenverkehr ist chaotisch und besonders beim Linksabbiegen sieht es aus wie ein beherzter Suizidversuch, da sich das Vorfahrtsrecht unmittelbar aus dem Größenverhältnis der beteiligten Fahrzeuge errechnet. Nebenbei muß man noch den Straßenbelag im Auge behalten, um wenigstens die größten Schlaglöcher zu vermeiden und nicht dort rein zu fahren, wo eigentlich ein Kanalschachtdeckel drauf gehört.
Einmal gibt es einen kleinen Rempler mit einem Moped, welches mich etwas knapp überholt. Ich mache einen Schlenker nach rechts, das Moped nach links. Man schaut sich kurz kopfschüttelnd an, als ob jeweils der andere ein psychokeramisches Defizit (also nicht mehr alle Tassen im Schrank) hätte und fährt dann entspannt weiter, als sei nix gewesen. Wenige Meter später steht man nebeneinander an der Kreuzung und alles ist vergessen. Man lächelt und grüßt sich höflich.

Ich hatte Falko im Vorfeld der Reise dazu geraten, einen Rückspiegel zu montieren. Er hielt das für überflüssig und meinte, er wäre auch ohne durch Delhi und seine restliche Route durch Indien gekommen. Auf dem Weg aus Douala kommen wir an einem kleinen Laden vorbei, von dessen Vordach ein paar Fahrradreifen hängen. Falko meint: "Halt mal an. Ich frage, ob die 'nen Rückspiegel haben". Er hat Glück und wir montieren ihn an Ort und Stelle, bevor es weitergeht.

Nachdem wir Douala endlich hinter uns haben, überholt uns ein Weißer mit dem Auto und hält an. Es ist Hans, ein deutscher Entwicklungshelfer, der uns bereits in der Seemannsmission gesehen hatte. Als er Martin (den Geistlichen der Mission) fragte, ob wir Deutsche sind, antwortete dieser nur: "Das sind Verrückte".
Hans gibt uns für den Fall, dass wir durch Kumba kommen, seine Adresse und bietet uns an, dass wir bei ihm übernachten können. Bevor er weiterfährt, rät er uns noch mal, sehr achtsam zu sein, da der Straßenverkehr wirklich gefährlich sei.

Eine Einladung zum Übernachten ist natürlich bei unserem limitierten Budget sehr willkommen und wir sehen später auf der Karte, dass Kumba prima im Bereich unserer Route liegt. Nun steht jedoch zunächst mal die erst Übernachtung bevor und wir hoffen, in einer kleinen Siedlung unser Zelt aufstellen zu dürfen. Offenbar handelt es sich um eine Arbeitersiedlung einer Plantage oder irgendwas in der Art, denn die Häuser sind alle gleich und die Menschen haben offenbar Angst, Ärger zu bekommen, wenn sie uns erlauben, hier unser Zelt aufzustellen und so lehnen sie ab. Es gibt auch eine einfache Unterkunft, aber wir merken, dass wir mit unserem Budget nicht auskommen, wenn wir gleich mit entsprechenden Übernachtungskosten konfrontiert werden. Schließlich finden wir ein älteres Ehepaar, welches einwilligt, dass wir vor ihrem Haus zelten. Wir haben jeder ein eigenes Zelt dabei, aber die Fläche reicht nur aus, um ein Zelt aufzustellen. Wir nehmen Falkos Zelt, weil es etwas größer ist.
Nassgeschwitzt und vor Schweiß nicht gerade nach Veilchen duftend liegen wir in Unterhosen auf unseren Isomatten. Hitze und Luftfeuchtigkeit lassen uns auf einer nassen Schweißschicht über unsere glitschigen Matten rutschen, aber besser, als im Freien von den Moskitos zerstochen zu werden ...

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Wolfgang
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BikeAfrica schrieb:
Ich habe den Titel des Threads ab diesem Beitrag leicht geändert [Anmerkung: das hat wohl nicht funktioniert] ...

Das kann man nur über den ersten Beitrag machen :P Ich hab nun die Jahreszahl aus dem Titel genommen und einen Hinweis auf den Start deines Teils des Reiseberichts gesetzt. Ist doch schön, wenn auch später noch Interessierte auf zwei Berichte in einem stossen :)
Meine Afrikaerfahrungen: 2003 Tunesien und Libyen (2 Wochen) ¦ 2009 Namibia & Botswana (3 Wochen) ¦ 2011 Nambia, Sambia & Botswana (7 Wochen) ¦ 2016 Namibia & Botswana (4 Wochen) ¦ 2018 Kamerun (12 Tage) ¦ Namibia & KTP (5 Wochen) ¦ 2019 Uganda & Tansania (5 Wochen) ¦ 2020 Namibia (3 Wochen) ¦ 2021 Tansania (2 Wochen) ¦ Namibia (6 Wochen) ¦ 2022 Sabbatical in Namibia und Kapstadt (6.5 Monate) ¦ 2023 Namibia (2x 3 Wochen) ¦ 2024 Namibia (3 Wochen) ¦ 2025 Namibia (6 Wochen)
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25 Apr 2018 20:19 #519662
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  • trsi am 25 Apr 2018 20:13
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BikeAfrica schrieb:
Nachdem wir Douala endlich hinter uns haben, überholt uns ein Weißer mit dem Auto und hält an. Es ist Hans, ein deutscher Entwicklungshelfer. [...] Hans gibt uns für den Fall, dass wir durch Kumba kommen, seine Adresse und bietet uns an, dass wir bei ihm übernachten können.

Wenn Hans auch ein Schweizer gewesen sein könnte, würde ich ihn und seine Frau wohl kennen :woohoo:
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