Sehr geehrte Silke, Sybille hat:
Allgemeine Zeitung - Artikel vom 04. 03. 2003 von Sybille Schott
Abenteuer in den Wolken
"Erosflughafen: Wie ein roter Blitz steht die einmotorige Pitts Special S2-ß im Morgenlicht da. Sie glänzt in ihrer roten Farbe und die silbernen Propeller spiegeln die Sonne wieder. Kaum größer als ein Auto erinnert sie an einen spritzigen Rennwagen, mit dem man in ungeahnte Möglichkeiten eintauchen kann, nur eben nicht am Boden, sondern in der Luft.
Seit vier Monaten bietet das Unternehmen “Aerobatic Experience² in Windhoek und Swakopmund zirka halbstündige Flüge an, bei denen der Traum, einmal wie ein Vogel zu fliegen, wahr werden soll. Für N$ 1100 ein Wagnis, dass sich lohnt.
Doch im Moment habe ich ein wenig Angst, Angst, dass mir schlecht werden könnte und ich mich wie eine echte Landratte verhalte. Pilot und Eigentümer Graeme van Niekerk lässt mir dazu allerdings kaum Zeit. Wir sitzen in seinem Hager, dessen Wände überall mit Bilder von wagemutigen Flugmanövern dekoriert sind. Er erklärt mir genau, was da oben in der Luft passieren wird, wann wir welchen Lupin oder welche Schraube machen. Ich kann nicht wirklich zuhören, so aufgeregt bin ich. Dann geht¹s in die Pitts Special. Dazu muss ich auf den Flügel steigen und mich über den Sitz in die Maschine gleiten lassen. Mein Platz ist vorn, und ich habe viel Beinfreiheit. Graeme schnallt mich an und zieht die verschiedenen Sicherheitsgurte fest. Das gibt mir eine gutes Gefühl. Er reicht mir die Kopfhöher mit dem Mikrophon und zeigt mir, wie ich alles bedienen muss, damit wir so ständig in Kontakt bleiben können. Er macht mich noch einmal darauf aufmerksam, dass wir - falls mir schlecht werden sollte- jederzeit den Flug abbrechen können. Ich suche noch nach einem geeigneten Platz für meine Hände, Graeme schließt das Canopy, dann gehts los. Der Propeller läuft, wir bewegen uns auf die Rollbahn zu. Weil das Flugzeug so klein ist, kann man so lange es sich am Boden befindet, nicht nach vorn herausschauen. Das ist der Grund, warum sich die Maschine in einer Art Schlangenlinie auf die Rollbahn bewegt. “Kannst du mich hören², vernehme ich noch einmal Graeme. Meinen Damen geht nach oben und langsam gewinnen wir an Geschwindigkeit. Ich mache die Augen für einen kurzen Moment zu, erwarte ein Gefühl wie in der Achterbahn. Doch es ist unglaublich schön. Ich sehe den Flughafen unter mir und wir steigen weiter auf 9000 Fuss Höhe, hoch genug, um mit den akrobatischen Manövern beginnen zu können.
“Wir starten mit einem Lupin², höre ich die Stimme des Piloten. Es kribbelt in meinem Bauch und im nächsten Moment spüre ich wie mein Körper mit einer unglaublichen Kraft in den Sitz gedrückt wird. Die Koppfhören scheinen wegzurutschen. Tausend Gedanken schießen mir durch mein Gehirn, zu viele Eindrücke stürmen auf mich ein. Ich glaube zu schreien, kann aber nichts hören. Ehe ich mich versehe, verschwindet die drückende Masse auf mir. Ich schaue nach oben, sehe kurz den Himmel, dann den Boden, wieder Himmel, bis mein Kopf realisieren kann: Das war ein Lupin. “Alles ok?², fragt Graeme. Meine euphorische Zustimmung lässt ihn weitere Lupins fliegen, von denen ich jeden mehr genießen kann. Anders als in der Achterbahn bleibt genug Zeit, die akrobatischen Manöver mitzuverfolgen und auch wirklich Spaß daran zu haben. Als nächstes fliegt Graeme so genannte “Rolls² oder Schrauben mit mir. Wir drehen uns nach links, nach rechts, wieder nach links. Ich sehe, wie sich die Erde in der jeweiligen Richtung zu bewegen scheint und fühle mich unglaublich sicher und frei.
Dann lässt Graeme die Maschine kopfüber fliegen, in der Fachsprache “Inverted flying² genannt. Ich spüre, wie sich mein Gewicht in die Gurte drückt, die mich fest im Sitz halten. Das But strömmt in meinen Kopf und das erste Mal wird mir ein wenig mulmig. Wie im Film sehe ich die winzigen Häuser auf der Erde vorbeiziehen. Doch bevor sich mein Körper an die veränderte Lage gewöhnt hat, befindet sich das Flugzeug schon wieder in Normalposition, und damit Ausgangspunkt für weitere Abenteuer am Himmel. Das gehören ein “Kuban eight², ein Flugmanöver bei dem man eine Art liegende “8² in der Luft fliegt, ein “Stall turn², wobei man so lange steil nach oben fliegt, bis das Flugzeug keine Geschwindigkeit mehr hat, zur Seite kippt und nach unten fällt oder ein so genanntes “Immelmann-Manöver², eine Erfindung aus dem Zweiten Weltkrieg zur schnellen Richtungsänderung.
Nach einer halben Stunde geht die Maschine langsam zum Landeanflug über. Ich bedauere, dass die Zeit so schnell vergangen ist und merke erst jetzt, dass ich in der Luft keine Sekunde Angst verspürt habe. Mit doch etwas wackligen Beinen krabbel ich aus diesem feurigen Flugzeug, dass geführt unter der sicheren Hand des Piloten zu einmaligen Flug-Erlebnissen verhelfen kann. Den Rest des Tages bewege ich mich 30 Zentimeter über dem Boden und genieße meinen Adrenalinschub und den Gedanken, zumindest für kurze Zeit ansatzweise die Freiheit eines Vogels gespürt zu haben. "
in diesem Jahr kostet es 1.300 N$
Mit sonnigen Grüßen aus Windhoek
Carsten Möhle
