THEMA: Raubüberfall
05 Jun 2024 17:39 #688257
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  • ALM am 05 Jun 2024 17:39
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Wie bereits meinem Reisebericht (klich mich) über unsere diesjährige Tour angerissen, hier nun folgend das Geschehen betreffend des von uns erlittenen Raubüberfalls mit Gewaltanwendung.

An unserem letzten Reisetag jetzt fuhren wir am späten Vormittag nach Windhoek. Unser Rückflug war am Abend vorgesehen und deshalb wollten wir unseren Urlaub am letzten Tag gemütlich ausklingen lassen. So hatten wir uns ein Mittagessen im Joe’s Beerhouse auferlegt, bevor wir den Wagen bei Bushlore zurückgeben wollten.

Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Weg, den Wagen vollzutanken. Auserwählt für diesen Vorgang hatten wir die Puma-Tankstelle Ecke Bachstraße/John-Meinert-Straße. Wir fuhren vor, tankten und wollten zahlen. Hierzu legte ich eine Kreditkarte vor; die Zahlung wurde jedoch nicht ausgeführt.
Während ich eine andere Kreditkarte zückte, marschierte der junge Tankwart mit dem Kartenzahlungsgerät in den Tankstellenkabuff, um nach ein paar Augenblicken mit einem solchen (dem gleichen?) grünen Zahlapparat wieder bei uns zu erscheinen. Der zweite Zahlungsversuch war erfolgreich und wir bogen in die Bachstraße, um zu Buschlore zu fahren.

Ca. 400 m vor dem Bushlore-Anwesen meinten wir dann, den wenigen Kleinmüll, der sich in den beiden letzten Tagen im Auto formiert hatte, zusammenzusammeln und dann den Wagen quasi jungfräulich bei Bushlore zurückzugeben.
Wir bogen in die Schubertstraße ein und hielten das Fahrzeug auf dem breiten, unbefestigten Bürgersteig gleich hinter der Kreuzung an und schalteten den Motor aus.
Trotz Sicherheitsgurt noch auf der Pelle, bückte ich mich, um eine kleine, leere Saftflasche und andere Papier- und Kunststoffschnipsel einzusammeln, als ich mich wiederaufrichtend im Beifahreraußenrückspiegel eine Person erkannte, die an der hinteren Beifahrertür stand. Zunächst dachte ich, es wäre ein Bettler. Ich drehte mich nach links um und sah dann die Person, welche mit einem handgroßen Stein bewaffnet vor der Wagentür stand, um daraufhin in diesem Moment mit drei Schlägen das hintere Autofenster zu zerstören.
Im gleichen Augenblick geschah das Gleiche auf der Fahrerseite. Eine zweite Person malträtierte das hintere Fenster, bis es brach und schnappte sich einen auf der Rückbank auf den drei Kopfkissen und zwei Schlafsäcken befindlichen Rucksack, der „nur“ unwichtig Dinge wie ein Kapuzenshirt, ein E-Reader und eine Lesebrille sowie anderes Kleinzeug enthielt.

Wir stiegen beide aus dem Wagen; derweil flüchtete der eine Verbrecher als auch der andere in Richtung eines dunkelgrauen Kleinwagens, der in Mitten in der Schubertstraße schon abfahrtbereit Richtung Bachstraße stand.
Als der erste Verbrecher sah, daß ich einen Rucksack auf dem Rücken trug, der zuvor nicht sichtbar im Beifahrerfußbereich war und den ich mir in Windes Eile über die Schultern gezogen hatte, sah er eine Chance und kam auf mich zu gerannt.
Derweil war es einem von uns gelungen, dem zweiten Räuber unseren Rucksack zu entreißen. Daraufhin kam diesem ein dritter Kerl zur Hilfe. So hatte es einer von uns mit zwei Typen zu tun und der andere, ich, mit zunächst einem. Beide waren wir also in eine Rauferei verwickelt.
Als es meinem Gegner nicht gelang, meinen Rucksack an sich zu nehmen, kam der vierte Bandit (der Fahrer des Fluchtwagens) mit einem Messer in der Hand ins Geschehen und rannte auf mich zu. Im zwischen mir und dem Verbrecher stattfindenden Zerr- und Reißgemenge hatte der vierte Kriminelle jedoch kein leichtes Spiel, gezielt von seiner Waffe Gebrauch zu machen. Erschwerend kam für die beiden hinzu, daß ich mit meinen langen Beinen mit Erfolg den Messerangreifer auf ordentlich Abstand zu mir halten konnte.

Die ganze Szenerie war selbstverständlich begleitet von unseren Hilfeschreien, die dann dazu führten, daß zunächst aus dem Health Center im Straßenkreuzungsbereich eine junge Frau und dann weitere Nachbarn zum Vorschein auf die Straße kamen.
Dies veranlaßte die Verbrecher sich schleunigst mit dem erbeuteten, mit Habseligkeiten geringen Wertes bestückten Rucksack ins Auto zu schwingen und mit Vollgas ihre Flucht einzuschlagen.

Über das dann Nachfolgende mit der zum Tatort erschienenen Polizei und das qualvolle Prozedere auf der Polizeidienstelle möchte ich hier an dieser Stelle bewußt nicht eingehen. Ich werde dies jedoch in meinem Reisebericht kundtun.
Da es ja unser letzter Reisetag war, habe ich Gott sei Dank auch noch etwas Zeit, das alles in nette Worte zu kleiden. Auch wenn es mir schwer fallen wird, unser Erlebnis mit der Polizei Windhoek hübsch und gefällig zu Papier zu bringen. Nur so viel: Ohne Worte...

Jetzt kann man sicherlich lebhaft darüber philosophieren, ob es von uns unklug war, auf den Rücksitzen des Wagens Schlafsäcke, Kopfkissen und einen Rucksack visuell zu präsentieren und vermutlich so dem Zapfsäulenheini den Input zu geben, seine kriminellen Kumpanen hierüber zu unterrichten, damit diese die Verfolgung von uns ab der Tankstelle aufnehmen und die Tat begehen konnten.
Ob eine komplett leere Autorückbank jedoch die Gefahr eines solchen Raubüberfalles verhindert oder zumindest minimiert hätte, ist eine berechtigte Frage, die sich gemeinhin stellen läßt. Doch im Anbetracht der Aussagen mehrerer Nachbarn und auch Polizeibediensteten, daß es in der jüngeren Vergangenheit vermehrt auch zu solchen Gangüberfällen kam, obwohl nichts im Fahrzeuginneren sichtbar war, und dann eben das Canopygehäuse oder der Kofferraum bei parkenden bzw. haltenden Fahrzeugen aufgebrochen wurde, läßt den Glauben an bestimmte Sicherheitsparameter schwinden.

Ganz schrecklich wird es dann, wenn trotz leerem Fahrzeuginnenraum, die vordere Fahrer- bzw. Beifahrerscheibe zertrümmert wird und sich die dahinter sitzende Person urplötzlich mit Fäusten malträtiert sieht oder, noch schlimmer, mit einer Waffe bedroht wird. Da nutzt dann das beste visuelle Nichtpräsentieren der persönlichen Habseligkeiten gar nix und man zieht freiwillig die Geldbörse oder Tasche oder was auch immer.

Hotspots der Ganovenbandenüberfälle wären generell derzeit u. a. der gesamte Bereich um die/an der Maerua Mall sowie der Weg von der City zum Flughafen raus und von dort in die Stadt, ist das, was wir zu Ohren bekamen.

Gelegenheit mach Diebe, und was als Gelegenheit definiert werden kann, ist so bereitschichtig, daß die eigene Phantasie an ihre Grenzen stößt.
Es ist, unseres Dafürhaltens nach, deshalb auch illusionär zu glauben, wenn einer der Reisenden zum Beispiel anläßlich eines Supermarkteinkaufes beim Wagen bliebe, würden Raubüberfälle nicht passieren. Doch wenn mehrere Täter auf die Bühne treten, dann ist auch der am Fahrzeug Zurückgebliebene machtlos, wenn in das Wageninnere eingebrochen wird oder er von mehreren Tätern angegriffen oder sogar mit einer Waffe bedroht wird.

Wir sind uns ebenfalls sicher, daß unsere Verbrechergang ihre Tat auch direkt vor dem Bushlore-Tor durchgeführt hätte.
Denn wenn wir dort vorgefahren wären, hätte es 100%ig ein Weilchen gedauert, bis das Schiebetor sich öffnete und wir hätten einfahren können. Absolut Zeit genug, um rasch zu viert zwei Seiten des Autos sowie dessen Insassen zu attackieren und in dem mit laufendem Motor bereitstehenden Fluchtwagen abzuhauen.

Wie dem auch sei...
Wer bisher glaubte, Windhoek wäre im Vergleich zu südafrikanischen Großstädten im Wettbewerb der Kriminalität eher eine fromme Betschwester, der irrt. Das bandenmäßig verübte Verbrechen nimmt auch dort immer mehr Durban-Charakter an.

Und zu guter Letzt...
Ob es dumm war von uns, aus dem Auto zu steigen oder nicht, stellt sich als Frage für uns im Nachhinein eigentlich nicht.
Vielleicht hätte der eine oder die andere einfach den Wagen geistesgegenwärtig angelassen und wäre mit rauchenden Reifen davongerast oder denkt, das in dieser Situation getan zu haben. Dies kam uns jedoch in den Bruchstücken von Sekunden in völliger Perplexität und kompletter Überrumpelung gar nicht in den Sinn.
Ein jeder handelt eben instinktiv ganz individuell und dem Unbetroffenen mögen zwar vermutlich adäquatere Verhaltensweisen als der unseren in den Kopf schießen. Doch als Nichtinvolvierter ist man leider zunächst nur Idealist, dessen eigener Instinkt erst dann in Spiel kommt, wenn die Kacke am Dampfen ist. Dies soll jetzt nicht meinen, daß wir uns als Helden fühlen. Nein.

Auf Reisen, so wie im gesamten übrigen Leben auch, gibt es zu meinem Bedauern keine Möglichkeit, sich Raubüberfällen zu entziehen.
Jetzt hatte es uns erwischt. Bad luck. Doch man sollte ja dem Schlimmen auch immer etwas Positives abgewinnen, auch wenn es schwerfällt. So trösteten wir uns damit, daß wir 1. mit dem Verlust von eigentlich nicht essentiellen Hab und Gutes mit einem blauen Auge davongekommen sind, 2. diesen Raubüberfall erst in den wirklich letzten fünf Minuten unserer Reise erleben mußten und 3. einer brenzligen Situation beherzt, entschlossen und tapfer begegnen können.

So long...

Alm
Letzte Änderung: 05 Jun 2024 17:44 von ALM.
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05 Jun 2024 18:35 #688266
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Puh, sowas wünscht man niemanden. Schützen kann man sich nicht davor. Zum Glück seit ihr noch glimpflich aus dem Überfall davongekommen. Ich weiß nicht wie ich reagiert bzw. agiert hätte. Wenn sowas am Anfang der Reise passiert wäre, hätte die Angst kein Urlaubsfeeling aufkommen lassen können. Trotzdem hinterlässt so ein Ereignis Spuren bei einem, die nicht jeder gut wegsteckt.
Danke fürs teilen und hoffentlich vermiest euch dieser Vorfall nicht die Freude ans Reisen.
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05 Jun 2024 19:18 #688271
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Vielen Dank für deinen ehrlichen Bericht Alm. Ich denke auch, dass man in einem Überrumplungsmoment instinktiv handelt und nicht wohlüberlegt. Dafür ist keine Zeit und man reagiert irgendwie.

In anderen Situationen habe ich selbst schon erlebt, dass ich nicht entsprechend meiner Vernunft reagiere wenn ich überrumpelt werde.
Raubüberfälle gibt es überall auf der Welt. Die einen tun es aus Verzweiflung und andere weil sie wissen dass sie es können.

Es kann uns alle treffen. Wir können nur versuchen es ihnen mit den uns möglichen Vorkehrungen so schwer wie möglich zu machen und hoffen, dass wir im Fall der Fälle klimpflich davonkommen.

Ich bin tatsächlich froh zu lesen, dass euch nichts schlimmeres passiert ist. Das war gegen vier Angreifer schon ein kleines Wunder.

Aus eurem Reisebericht geht aber hervor, dass ihr eure schönen Reiseerinnerungen von dem Überfall trennen könnt und das freut mich für euch.
Liebe Grüße, Silvia
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05 Jun 2024 19:26 #688273
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Oh nein! Das ist schon schade, dass man auf einer Reise nach Afrika immer froh sein muss wenn nichts passiert. Hauptsache ist, dass ihr nicht verletzt wurdet. Nicht auszudenken! Also doch eine Art happy end, Glück im Unglück.
Ich hoffe, dass ihr diesen Vorfall gut verarbeiten könnt. Vielleicht hilft euer Beitrag, dass man sich wieder bewusst wird, was man besser nicht tun sollte… Man hofft ja immer, dass einem sowas nicht passiert. Wir sind auch bald in Windhoek und ich möchte so einen Überfall nicht erleben müssen. Nachdenkliche Caroline
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05 Jun 2024 20:37 #688275
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Das ist ja nun eher untypisch für das, was man bisher zu Windhoek hörte. Wenn diese eher brutalen Kreise quasi schon "bekannt" sind, müsste die Obrigkeit normalerweise schon agieren. Vielleich weiß Christian was dazu, oder Bwana?
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06 Jun 2024 07:06 #688291
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Das ist ja nun eher untypisch für das, was man bisher zu Windhoek hörte. Wenn diese eher brutalen Kreise quasi schon "bekannt" sind, müsste die Obrigkeit normalerweise schon agieren. Vielleich weiß Christian was dazu, oder Bwana?
Solche Fälle kommen leider immer mal wieder vor, nicht nur bei Touristen, sondern auch bei Einheimischen. Es bleibt dennoch eine absolute Ausnahme. Viele der räuberischen Gruppierungen (es sollen aktuell 4-5 größere aktive in Windhoek sein) sind namentlich bekannt und werden auch immer mal wieder festgenommen. Wie "üblich" werden sie wenig später auf Kaution freigelassen. Auch sehr frustrierend für die Polizei, aber daran wird sich kaum etwas ändern, solange die Justiz nichts ändern. Viele von den Gruppen sind Gelegenheitsdiebe, andere wiederum planen Hauseinbrüche ziemlich detailliert. Immer mal wieder wird einer von so einer Bande durch Polizei oder z. B, einen Hausbesitzer erschossen, was für einige Monate dann Ruhe bringt. Das ist aber natürlich keine Langzeitlösung.

Gut, wenn auch frustrierend ist, dass ALM es zur Anzeige gebracht hat. Nur so kann überhaupt etwas unternommen werden. Insgesamt merke ich als hier in Windhoek wohnender aber keinen Anstieg der allgemeinen Kriminalität seit z. B. Corona. Was zugenommen hat, sind die (teilweise aggressiv auftretenden) Bettler an den Ampeln, wobei da auch viel in den letzten Wochen getan wurde (Deportierung nach Angola, Aufnahme der Kinder in staatliche Einrichtungen etc).

Viele Grüße
Christian
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