6. Kapitel: Ein typischer Ndhovu-Tag
Kurz vor Aufgang der Sonne trete ich aus dem Zelt und blicke über den Fluss. Frühes Aufstehen macht in Afrika einfach immer große Freude.
Hunga Tonga-Hunga Haʻapai-Phänomen?
Check!
Mein erster Weg führt mich zum nicht weit entfernten Eulenbaum. Southern white faced owl?
Check!
Auch dieses Mal empfängt die kleine Eule mich mit aufmerksam bohrendem Blick.
Ich möchte sie nicht zu lange stören und kehre bald ans Flussufer zurück.
Seit hier vor einiger Zeit ein zweites (und zugegeben sehr schickes) schwimmendes Chalet gebaut wurde, ist der Blick vom Ufer auf die im Fluss dösenden Flusspferde etwas verstellt. Aber trotzdem kann man die Kolosse, wenn man sich ans Ufer stellt, aus ziemlich naher (und für die montierte Brennweite zu naher) Distanz bei ihren Morgenaktivitäten beobachten.
Als es kurz darauf hoch in den Bäumen kreischt, freue ich mich darüber, einige Meyer’s Parrots zu entdecken und ihnen beim Frühstück zuzusehen.
Ein schöner Start in den Tag.
Unser heutiges Morgenprogramm sieht einen weiteren Bootsausflug vor, den wir gemeinsam mit den Sphinxen als Privattour unternehmen werden. Als Guide haben wir uns am Vortag Michael gewünscht und zum Glück lässt es sich einrichten, dass er uns wie zuletzt 2019 begleiten wird. Michael ist ein angenehm zurückhaltender Mann, der den Fluss und seine Ufer wie seine Westentasche kennt und eine große Leidenschaft für die geflügelten Bewohner der Region mitbringt.
Und so haben wir hohe Erwartungen, als wir zu sechst das kleine Boot besteigen und zu unserer Birding-Tour aufbrechen.
Zuerst kommen wir an den unübersehbaren Flussbewohnern vorbei. Es ist immer wieder schön, Flusspferde im schönen Licht des Morgens ruhen zu sehen. Die zufrieden wirkenden Gesichter der Kolosse stecken einen mit ihrer anscheinenden Gemütsruhe an.
Bald darauf können wir auf einem Baumstamm am Ufer ein junges Krokodil ausmachen.
Die restliche Fahrt gehört aber unangefochten den Vögeln.
Der heutige Reigen beginnt mit einem unserer Lieblinge, der auf keiner Tour durch die Region fehlen darf. Im Uferschilf sitzt ein Malachite Kingfisher. Jedes Mal, wenn wir einen dieser Vögel sehen, werden Glücksgefühle freigesetzt und jedes Mal wundern wir uns darüber, wie klein das farbenprächtige Kerlchen doch ist. Vorsichtig manövriert Michael uns nah an den Winzling und so gelingen einige Portraits aus kurzer Distanz, mit denen wir recht glücklich sind.
Wenig später präsentiert uns Michael das nächste Highlight, das wir ohne ihn nie und nimmer entdeckt hätten. Zum Glück weiß der Guide, wo sich die Tiere gewöhnlich verbergen und so werden wir zum Versteck eines White-backed Night Herons geführt, der sich durch das ziemlich dichte Geäst aus recht naher Distanz beobachten lässt, bevor es ihm doch zu viel ist und er es vorzieht, den Tag anderswo zu verbringen. Über diese Begegnung freuen wir uns sehr: Der zweite WBNH, den uns Michael seit 2019 gezeigt hat.
Nun setzen wir Kurs auf die Karminspintkolonie, die in den Morgenstunden vom Fluss aus leider in krassem Gegenlicht liegt. Keine guten Bedingungen für Fotografen… Jedoch überrascht uns Michael damit, dass er vorhat, mit uns am Ufer der Buffalo Core Area anzulanden. Den Kindern ist mulmig zumute. Sie wollen lieber mit Michael an Bord bleiben und ein kaltes Getränk genießen: Kein Wunder – im Oktober wird es schnell sehr heiß in der Region. Die übrigen vier steigen aber gern aus, gehen die Böschung hinauf und sehen sich der Brutkolonie aus einer völlig anderen Perspektive gegenüber. Jetzt ist das Licht natürlich perfekt und es macht Spaß, die Vögel beim Sandbad oder beim Schwärmen zu beobachten. Meine Güte – es ist gar nicht so einfach die blitzschnellen Bienenfresser im Flug zu erwischen…
Rückblickend gehören diese Minuten sicher zu den schönsten der Reise. Stunden könnte man mit den wunderschönen Vögeln hier verbringen, aber es gibt ja noch mehr zu entdecken und so kehren wir nach einer Weile zurück aufs Boot und verabschieden uns von der Kolonie.
Die weitere Fahrt lässt uns einen Hadeda Ibis und zwei ziemlich gut getarnte Reiher entdecken, die sich als juvenile Mangrovenreiher herausstellen.
Ein Klaffschnabel ist am Ufer unterwegs und ein Long-toed Lapwing lässt sich in leider schlechtem Licht beobachten. Da er der erste seiner Art auf dieser Tour ist, schafft er es trotzdem in den Bericht.
Und dann folgt ein letzter Höhepunkt: Wieder führt uns Michael zum Versteck von White-backed Nightherons. Dieses Mal sind es sogar zwei Vögel, die im dichten Uferbewuchs Zuflucht gesucht haben. Ganz vorsichtig nähern wir uns und Michael bringt das kleine Boot äußerst geschickt in eine Position, die uns einen recht unverstellten Blick auf einen der Reiher ermöglicht. Man muss sich zwar fast bäuchlings auf das Schiff legen, aber dann ist man Auge in Auge mit dem seltenen und seltsamen Vogel. Das ist die Mühe allemal wert. Dieses Exemplar stört sich zum Glück weit weniger an unserer Anwesenheit. Michael meint, dass er auf seine Tarnung vertraut und „annimmt“, dass wir ihn nicht sehen würden, wenn er regungslos im Versteck verharrt.
Bald darauf ist die Fahrt beendet und wir sind hochzufrieden mit dem Erlebten. Beim nächsten Mal würden wir auf jeden Fall wieder mit Michael fahren.