3. Kapitel: Der Okavango ruft – und muss noch etwas warten…
Der neue Tag beginnt einmal mehr im Zwielicht der langsam aufgehenden Sonne. Finde ich es zuhause oft anstrengend, derart früh aus den Federn zu kommen, fällt mir das in Afrika zu keinem Zeitpunkt schwer.
Ein früher Vogelpirschgang lockt und ich freue mich darauf, auf dem Farmgelände noch ein paar weitere Entdeckungen unserer Sammlung hinzuzufügen.
Mein erster Weg führt mich also wieder zur Wasserstelle, von der sich bei meinem Auftauchen eine große Pavianrotte in Windeseile zurückzieht und bald Ruhe einkehrt. Beim Herumstromern kann ich wieder eine ganze Zahl verschiedener Vogelarten entdecken – sie auf ein Foto zu bannen, ist dabei jedoch eine ganz andere Geschichte. Immerhin finden sich am Ende des Spaziergangs diese gefiederten Freunde mehr oder weniger vorzeigbar auf der Speicherkarte wieder:
Pririt Batis
Black-throated Canary
Amethyst Sunbird (f) – Amethystglanzköpfchen (?)
Chestnut-vented Warbler
Violet-eared Waxbill
Southern Grey-headed Sparrow
Green-winged Pytilia
Als wir nach diesem Morgenspaziergang gemeinsam zum Frühstücken gehen, ist unsere kleine Tochter noch immer recht schlapp und vor allem nahrungsaufnahmeresistent. Daher beschließen wir, einen Zwischenstopp in Otjiwarongo einzulegen, um dort einen Arzt aufzusuchen. Da es auch meiner Frau nicht so gut geht, lohnt sich dieser Halt umso mehr…
Nach einer kurzen Recherche im Netz beschließen wir zur Mediclinic zu fahren. Dort werden wir freundlich empfangen und es wird uns mitgeteilt, dass wir hier am falschen Ort seien und die Praxis eines niedergelassenen Arztes aufsuchen müssten. Zum Glück sind die Wege in Otjiwarongo nicht weit und so erreichen wir schnell die Praxis von Dr. Pretorius, die uns der Klinik empfohlen wurde.
Auch hier ist der Empfang überaus nett und nach den üblichen Formalitäten, die zu erledigen sind, wenn man als Ausländer medizinische Versorgung in Anspruch nehmen will, müssen wir nur eine kurze Weile im Wartezimmer ausharren, bis die erste unserer zwei Patientinnen aufgerufen wird.
Dr. Pretorius entpuppt sich als sehr netter und gründlicher Arzt. Zum Glück sei mit unserer Kleinen alles in Ordnung – sie müsse aber unbedingt wieder genug Nährstoffe zu sich nehmen. Daher verspricht sie dem Arzt in die Hand, in den nächsten Tagen auf jeden Fall jeweils mindestens ein Eis zu essen. Welch schöne Therapie!
Meine Frau ist als nächste dran und muss im Anschluss an die Untersuchung noch zu einem Bluttest in ein nahegelegenes Labor. Alles ist hier wie dort bestens organisiert und so werden zügig Proben entnommen, während die Kinder und ich an einer Tankstelle die erste Medikation in Eisform heranschaffen.
Während der Besuche in der Mediclinic, bei Dr. Pretorius und im Labor gehen einige Stunden ins Land und so starten wir erst am Mittag in Richtung Rundu. Immerhin ca. 480 Kilometer müssen wir hinter uns bringen und werden dafür auf der B1/B8 bis zum späten Nachmittag brauchen.
Die Fahrt ist B1/B8-typisch nicht spektakulär, aber immerhin kommen wir zügig voran.
Etwas außerhalb Rundus liegt die Hakusembe River Lodge direkt am Ufer des Okavango. Auch hier waren wir im Jahr 2009 zum ersten und bisher letzten Mal. Und seitdem ist die Lodge deutlich gewachsen. Wir erinnern uns an eine Wiese mit einer Handvoll darauf verstreuter Hütten und an ein kleines Restaurantgebäude. 2022 gibt es die Wiese mit den Hütten noch immer. Dazu gesellt hat sich aber ein großer Speisesaal mit Terrasse und daneben ein für uns gänzlich neues Areal mit weiteren Behausungen. Alles ist aber so weitläufig angelegt, dass die Anlage trotz guter Auslastung nicht überlaufen wirkt. (Die folgenden Außenaufnahmen sind am nächsten Tag entstanden)
Wir werden sehr freundlich und professionell mit Begrüßungstrunk empfangen und über die Mahlzeiten und mögliche Aktivitäten informiert. Gerade noch könnten wir die Sundowner-Cruise schaffen, aber die Rezeptionistin rät uns ab: Zu niedrig sei der Wasserstand gegenwärtig, zu wenige Sichtungen seien zu erwarten. Wir sollten uns solche Flussfahrten lieber für unseren späteren Aufenthalt in der Zambesi Mubala Lodge aufsparen. Damit sind wir sehr einverstanden und machen uns entspannt auf den Weg zu unserem Domizil für die kommende Nacht. Und hier erwartet uns eine echte Überraschung, hatten wir doch mit einer der kleinen und uns bekannten Hütten gerechnet. Unser Weg führt aber zum Rand der Anlage und in direkte Ufernähe, wo wir ein zweistöckiges Familienhaus betreten können.
Ziemlich beeindruckt sind wir von dem Platzangebot, der geschmackvollen Ausstattung und von privater Terrasse und Balkon mit schönem Flussblick. Auf zwei Ebenen finden sich insgesamt fünf Betten und ein riesiges Badezimmer mit Wanne und Dusche. Hier könnten wir es locker länger aushalten und es ist fast schade, dass wir Hakusembe nur als Zwischenstopp auf dem Weg in den Caprivi eingebaut haben. Das Haus gehört sicherlich zu den schönsten, die wir bisher in Namibia bewohnt haben.
Bald setzt die Dämmerung ein und die verbleibende Zeit bei Tageslicht reicht nur für einen kleinen Spaziergang über die von hohen Bäumen bestandene Wiese, auf der die verschiedenen Gästeunterkünfte liegen. Einzig ein Fork-tailed Drongo schafft es dabei auf unsere Speicherkarte.
Nach Sonnenuntergang gehen wir ins Restaurant der Lodge. Zu dieser Jahreszeit sitzt niemand im geräumigen und schön beleuchteten Speisesaal. Alle Gäste nehmen an von Kerzen beleuchteten Tischen auf der Aussichtsplattform statt. Hier sitzt man nett, obschon der Fluss natürlich alsbald von der Dunkelheit verschluckt wird. Ein Lagerfeuer am Ufer sorgt für eine schöne Atmosphäre. Der Service ist ausgesprochen aufmerksam und die Qualität und Auswahl des Essens, das als kleines Buffet angeboten wird, ist sehr gut. Dazu genießen wir u.a. Malawi Shandys und so entsteht ein rundum schöner Afrika-Abend. Alle Familienmitglieder werden mit Genuss satt – auch unsere Jüngste. Puh…
Der weitere Abend ist einem ausufernden Ligretto-Turnier gewidmet, das ich traditionell verlieren werde und bei dem ich über kurz oder lang in Zweifel bezüglich meiner kognitiven und motorischen Fähigkeiten gerate.
Viel entspannter sind für mich kleine Nachtspaziergänge über das Lodgegelände, die ich gemeinsam mit meiner Frau unternehmen kann. Die Kinder möchten derweil lieber die schöne Hütte ausnutzen.
Und so schlendern wir zu zweit entspannt über die Wiesen und leuchten mit unseren Headlights mal hierhin und mal dorthin – immer in der Hoffnung, einen Nachtbewohner entdecken zu können. Zu unserer Freude gelingt uns dies auch bald. Meine Frau entdeckt, dass sich ganz nah eine Southern white-faced owl (Südbüscheleule) auf einem niedrigen Ast niedergelassen hat.
Wir freuen uns sehr über diese Sichtung, denn Eulen sind für uns etwas ganz Besonderes und diese Eulenart haben wir bisher noch nie aus solch einer kurzen Distanz beobachten können.
Als die anderen drei sich nach unserer Rückkehr ins Haus zur Ruhe begeben, schlendere ich noch einmal kurz allein am Flussufer entlang. Und siehe da: Ein White-backed Night Heron steht gut sichtbar am Ufer – und ist natürlich auf und davon, als mein Lichtkegel ihn kaum erfasst hat…
Die Luft in unserem Haus mag auch des Nachts kaum abkühlen. Es gibt zwar eine Klimaanlage, diese schafft es jedoch nicht, die Temperatur merklich herunterzuregeln. Und so wird es eine eher unruhige Nacht in dieser wirklich schönen Unterkunft.
Am nächsten Tag geht es weiter
- mit morgendlichem und nachmittäglichem Vogelreichtum am Okavango,
- einer Rückkehr zu unserer „Stammlodge“
- und mit einem dortigen kleinen Forumstreffen.