Es geht los - oder etwa nicht?
Der 21. Oktober ist ein glücklicher Tag, denn da heben wir ab. Mit Air Namibia.
Ich weiß
Die Sehnsucht nach einem Direktflug (zuvor waren wir zweimal über Joburg nach Windhoek gelangt) war einfach sehr groß - und barg sicherlich ein Risiko. Das Ausmaß wurde mir allerdings erst wenige Wochen vor Flugtermin so richtig bewusst. Fliegen sie noch oder fliegen sie nicht? Ich versuchte, mir nicht allzu viele Gedanken zu machen; was zugegebenermaßen nicht immer gelang. Die Agentur beruhigte auf Nachfrage. Oder versuchte es zumindest. Auch das gelang leidlich.
Doch als der große Moment endlich gekommen ist, läuft alles perfekt: Wir starten pünktlich in Frankfurt, haben jeweils eine Zweierreihe für uns, was der Airline kaum hilft, uns aber eine Mütze Schlaf ermöglicht, und landen sogar noch vor der Zeit am Hosea Kutako. Im ersten Tageslicht schweben wir über die Weiten der Kalahari. Air Namibia hin oder her, wir haben es hierher geschafft und irgendwie würden wir auch zurückkommen. Irgendwann. Drei Wochen liegen vor uns. Eine Ewigkeit zu Beginn einer Reise. Gefühlt nichts, wenn die schöne Zeit vorbei ist. Aber soweit ist es schließlich noch lange nicht, und ich bin glücklich.
Am Bidvest-Schalter sind wir sofort an der Reihe, zum ersten Mal haben wir dort ein Auto gemietet. Die umfangreiche Erklärungen sind nach dem langen Nachtflug wie immer eine Überforderung, ich versuche mir zu merken, was wichtig erscheint. Haben wir den zweiten Ersatzreifen bekommen, wo ist der Wisch, der den Grenzübergang erlaubt, funktioniert der Wagenheber und wo ist er eigentlich genau? Derlei Dinge. Der Hilux sieht trotz einiger Blessuren gut aus, ebenso die Reifen. Es ist noch nicht einmal acht Uhr, als wir vom Hof rollen.
Unterwegs mit dem Hilux, hier an der Spitzkoppe
In Windhoek schleppt Thomas kanisterweise Wasser aus dem Supermarkt, während ich am Auto warte und mich von den zusehends kräftigeren Sonnenstrahlen wärmen lasse. Dann machen wir uns auf gen Norden. Wir hatten länger überlegt, wo wir die erste Nacht verbringen wollen. Die Wahl fiel schließlich auf die Immanuel Wilderness Lodge, die wir noch nicht kennen. Sie liegt nur rund 25 Kilometer von Windhoek entfernt in der für uns richtigen Richtung nah der B1 und führt uns wie gewünscht zügig vom Stadtgewimmel weg.
Schon um halb Zehn sind wir da, doch wir dürfen unser Zimmer bereits beziehen und freuen uns über einen ersten Urlaubstag in schöner Umgebung.
Trotz der Nähe zur Stadt und zur B1 ist die Lodge eine Oase der Ruhe, und die ersten Tiere begegnen uns auch.
Auf der Anlage wimmelt es geradezu von Webervögeln, und in den Bäumen hängen Nester in den unterschiedlichsten Baustadien.
Stilsicherer Vogel mit Sinn fürs Praktische: Maskenweber
Eins der farbenprächtigen Männchen ist ganz aufgeregt, seine kunstvoll geflochtene Behausung ist bezugsfertig. Voller Inbrunst versucht er, seine Auserwählte für das brandneue Eigenheim zu begeistern. Er schnarrt und scharwenzelt, und ich persönlich würde bei so einem gutaussehenden, galanten Mann, dazu ansprechend gekleidet und handwerklich begabt, wohl ziemlich schnell schwach werden. Doch die Herzensdame ziert sich. Als sie seinem Charme schließlich erliegt, ist der Rundgang durchs Haus zügig beendet. Offenbar zieht's. Der potenzielle Bräutigam muss nachbessern.
Die Idylle ist beinahe perfekt. Nur das Auto macht uns einen kleinen Strich durch die Rechnung. Am Canopy lässt sich der untere Teil der Heckklappe nicht mehr öffnen. Noch am Flughafen war das einem Mitarbeiter problemlos gelungen, doch jetzt rührt sich das verflixte Teil keinen Millimeter. Auch Stephan, unser sympathischer Gastgeber, der ebenfalls einen Toyota Hilux besitzt, scheitert. Ein Anruf bei Bidvest bringt zunächst keinen Erfolg, wir sollen auf einen Rückruf warten. Thomas will sich schon halbwegs mit dem Manko abfinden, doch ideal ist das natürlich nicht. Wir kontaktieren Bidvest erneut. Wir sollen ein Foto von der bewusste Klappe schicken, der Mechaniker werde sich dann am nächsten Morgen melden. Stephan, vor vielen Jahren mit seiner Frau Sabine aus Deutschland ausgewandert, winkt ab. Er ist überzeugt: Die melden sich nie!
Am Nachmittag holen wir Schlaf nach und entspannen so gut es geht am Pool, wir haben beruflich große Anspannungen hinter uns, die uns noch fest umklammern. Als Höhepunkt des ersten Tages entpuppt sich das Abendessen. Ich hatte gelesen, es sei sehr gut, doch tatsächlich ist es fantastisch. Stephan ist ein begnadeter Koch und zaubert mir ein tolles vegetarisches Mahl, während Thomas in Anbetracht der Qualität seines Steaks (Kudu, glaube ich, oder Oryx? Vielleicht auch beides
...) aus dem Schwärmen kaum mehr herauskommt.
Auch das Frühstück ist herausragend und bleibt das Beste der gesamten Reise, und überhaupt geht es heiter weiter: Die Autovermietung meldet sich und nach dem Motto "Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen" (nach hinten und nach unten drücken, dann hochziehen) springt die Klappe wie von Zauberhand auf. Das Leben kann so einfach sein.
Nur 260 Kilometer Fahrstrecke liegen an diesem Tag vor uns und wir lassen uns bis zum Aufbruch viel Zeit. Doch ich freue mich wie verrückt auf unsere Premiere an der Spitzkoppe, die schon so lange auf meiner Wunschliste sehr weit oben steht.