THEMA: slip face down... (inside the diamond area)
06 Mai 2018 04:50 #520643
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ein kleiner Reisebericht in Bildern durch das ehem. Diamantensperrgebiet von Luederitz bis Walvis Bay

zur Definition:


Aus die Maus ;-)
Die Route geht von links unten ab Lüderitz in ziemlich gerader Linie nach Norden bis Walvis Bay.


Unsere Reisegruppe bestand grossteils aus französischen Dünenfans , die den FJ Cruiser bevorzugen .
Wie sich herausstellte war der trendige "Beach Buggy" den Herausforderungen bestens gewachsen - trotz beträchtlicher Dachlast.


Die Karawane nimmt Formation an zur kollektiven "Deflation"
Die Vorgabe war 1,0 Bar.


Briefing: Ladies, der "Bathroom" ist immer hinter dem letzten Wagen, abgemacht !


Auch in Sachen Navigation zeigte die "Grande Nation" eine beeindruckende Kompetenz.


Dann erhielten Gross und Klein erste Instruktionen in "Dune-Driving"...


...vom gestrengen Chefcoach per Funk...


...oder Gestensteuerung


In den ersten 1-2 Tagen hatten wir noch recht dichte Wüstenflora.


Was natürlich die Routenwahl entscheidend prägte
(später stand diesbezüglich das Landschaftsrelief im Vordergrund).


Die Wahl des richtigen niedrigen Reifendruckes korreliert direkt mit dem Blutdruck des Fahrers - und des Guide ;-)
(weshalb er die Feinjustage auch gerne mal selbst übernimmt)


Ich weiss nicht ob Fahrerfahrung im Schnee wirklich hilft, jedenfalls habe ich es mir eingebildet.


Die Strecke führt an erstaunlich vielen "Geisterstädten" oder sagen wir besser Siedlungsresten vorbei.
Diese Tankstelle hatte allerdings endgültig geschlossen.


a propos: der Treibstoffverbrauch bei unserer Tour war exorbitant.
Für die 550 km wurden - je nach Fahrzeug - 130 (Diesel) bis über 300 Liter (Benzin) benötigt.
Mein Toyota Landcruiser V8 Diesel lag bei exakt 153 Litern und war damit noch sehr genügsam.


Kein Benziner lag unter 200 Liter.
Das sind Verbrauchswerte von ca. 25 bis über 50 L/100km.
Es scheint so zu sein, dass speziell auch im "Low Range" Betrieb also bei Getriebeuntersetzung im Tiefsand die Tanknadel gegen Reserve schnellt.
2 Fahrzeuge blieben dann auch präfinal trocken liegen.


Noch so'n "Martin Luther"


Man ahnt, dass man in früheren Zeiten statt auf Reservekanister sogar auf Reservefässer angewiesen war


Auch nicht unerheblich: die Reifenfrage


...und natürlich der Korrosionsschutz


Am 2. Tag erreichten wir erstmals den kalten Benguelastrom.
Wir sollten ihn frostiger Erinnerung behalten.


Immerhin hatten wir das Glück, dass uns während einer Picknickpause sogar ein Wal zuwinkte
(was ich leider Mangels geeigneter Brennweite und Reaktionsgeschwindigkeit nicht dokumentieren konnte)


Bei langen Schatten war der Aufbau des Übernachtungslagers oberstes Gebot.


Wir hatten uns für Bodenzelte entschieden, die sich mit etwas Übung erstaunlich rasch und windstabil errichten lassen.


Die Dachzeltburg unserer französischen Freunde


Platz war ja wirklich genug.
Im Hintergrund links das Duschzelt.


Die Grasbüschel wurden spärlicher.


Und dann kamen die grossen Dünen, die Barchans (Sicheldünen)


Oft ergaben sich kleine Spektakel, wenn ein Fahrzeug sich festfuhr.
Dann pilgerte die Gruppe zum Ort des Schauspiels und wartete ab, was passierte:
a. entweder der Fahrer ("i got stuck") konnte sich eigenständig befreien
b. der Guide gab über Funk die richtige Problemlösung durch -> a.
c. das Fahrzeug hing aussichtslos fest ("i really got stuck") und der Guide musste selbst eingreifen.

Letzteres war wegen seiner Fahrkünste oft besonders spektakulär und von Szenenapplaus gekrönt.
Aber auch sonst freute sich die Gruppe mit jedem der es die Düne hoch geschafft hatte.


Festzuhalten ist, dass letztlich im Verlauf der Tour jeder, wirklich jeder mind. einmal stecken blieb.
Einmal sogar downhill (kommt am letzten Tag)


Immer wieder hatten wir Etappen am Beach.
Allerdings: der Küstennebel sieht nicht nur fies aus - er fühlt sich auch genau so an.



FORTSETZUNG FOLGT...
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Piet

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07 Mai 2018 09:05 #520717
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Teil 2:

Trotz dieses wenig einladenen Hinweisschildes gibt es hier eine Übernachtungsoption in Holzhütten.


Der Angelclub von Oranjemund hat dieses alte Diamantensucher Camp schon vor Jahrzehnten auf einfachste Weise restauriert und nutzt es für seine Zwecke


Wir haben dankend abgelehnt und unser Lager direkt am Meer aufgeschlagen.
Das... war... wohl...falsch.
Die hellen Rechtecke sind trockener Sand weil da die Zelte standen.


Nicht nur dass es f...g cold wurde (so um die 6 Grad).
Dazu war alles pitschnass vom Küstennebel und wir mussten morgens die Zelte tropfnass abschlagen. Ungemütlicher geht’s kaum.
Dazu stanken wir alle wie geräuchert weil wir uns abends zuvor zitternd um das kleine Feuer scharen mussten.


Tags darauf stiessen wir auf ein grosses Feld von Walknochen, die über hunderte Meter am Strand verteilt lagen.


Denke, das sind die vom Rost zerblätterten Reste einer alten Walfängerstation mit ehem. Schmalspur railway.


Brrrr. Das reichte. Nichts wie rechts ab zum Aufwärmen in die Dünen.


Vorbei an kleinen Felsbecken in denen sich seltenes Regenwasser angesammelt hatte. Allerdings trafen wir auf niemand, der sich dafür interessiert hätte. Nicht mal einen Schakal, wie sonst gelegentlich.


Wir stiessen auf ein weites Land in einer malerischen Komposition von rosa Pastelltönen.


Das relativ flache Profil dieses Landstrichs war für die frühen Siedler/Diamantensucher anscheinend ziemlich einladend.


Jedesfalls fanden wir Hinweise auf menschliches Leben und folgten der angezeigten Richtung...


soweit es eben ging... ;-)


Die Region zwischen Meob und Conception Bay muss einstens ein Epizentrum der Diamantengewinnung gewesen sein.
Neben alten Vorrichtungen zum Sieben des Wüstensandes...


...gab es hier anscheinend grössere Werk- und Lagerallen


...und sowas wie ein Kontor der Diamantengesellschaft oder der kaiserlichen Aufsichtbeamten ?


Der Zahn der Zeit nagt auch an deutscher Wertarbeit


Look out


Der Windhuk Unterwasserclub hat sich die Erhaltung dieser historischen Stätte zur Aufgabe gemacht. Aber das dürfte der Tafel nach auch schon einige Jahrzehnte zurückliegen.


Jedenfalls haben die Taucher ein paar Memorabilien in der Hütte zusammengetragen,


...die einen Eindruck des damaligen Alltags...


...und Lifestyles vermitteln können


Diese Katasterkarte des Vermessungsbüro Schettler und Schmiedel von 1912
zeigt wie penibel damals die Wüste von den verschiedenen Diamanten-Minen parzelliert worden war.


ich bin kein Fachmann, aber ich würde schon meinen: he really got stuck-stuck.


„wild ist der Südwesten und weit ist die Prärie – Uff !“


Diese Anreihungen von grossen Sandsieben...


...erstrecken sich immer noch über beträchtliche Länge.
Anscheinend wurde hier sehr systematisch vorgegangen.


Ein paar Kilometer weiter waren wir wieder an der Küste und stiessen auf das Wrack der „Black Pearl“ ;-)


Spass. Name habe ich vergessen. Gibt aber jede Menge von diesen Wracks.
Das hier ist dürfte schon etwas älter sein. Skelettküste halt.


Story am Rand:
Weiter unten im Süden liegt ein altes israelisches Schiffswrack welches bei einer geheimdienstlichen Aktion auf Grund lief und in die Luft gejagt wurde. War in den 60er/70er Jahren.
Südafrika baute damals an der A-Bombe und die seismische Registrierung der Detonation war global derart intensiv, dass initial vermutet wurde es handle sich um einen Atomwaffentest in der Namibwüste.


jedenfalls lag die tonnenschwere Ankerkette 100 Meter weiter wüstenwärts
(selbst gesehen)


Nach dem feuchkalten Drama im Nebel des Grauens haben wir unseren Guide bekniet er möge uns zum Nachtlager wenigstens ein kurzes Stück in die Wüste führen.
Fortsetzung folgt ;-)
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TEIL 3

Dieses Lagerplätzchen wurde allgemein als ausreichend „cosy“ eingestuft und fand internationale Zustimmung.


Jeder gute Aufbau beginnt - logisch – mit einem korrekten Sundowner.


Dachzelte sind wirklich was feines – ausser man muss nächtens unter Einfluss von Restallohol – austreten (hab ich gehört).


Das abendliche erklimmen der naheliegenden Dünen war eine willkommene Abwechslung nach der ganzen Fahrerei des Tages und erlaubt hier exemplarisch die Demonstration der charakteristische Lagerstruktur:
- zentrale Catering Unit mit Shower Tent
- links unten die „pit latrine“ (Trockentoilette)
- ringsum die Teilnehmergruppierung im lockeren Verband, re. franco- / li. anglophon


Spaten liegend davor heisst FREI, Spaten steckt senkrecht im Sand heisst BESETZT


kulturübergreifendes Faszinosum: der Sonnenuntergang


Oft sah es sooo leicht aus...
aber dann blieben die ersten Fahrer stecken,
weil sie noch nicht wussten und erst noch herausfinden mussten wo der Sand besonders tief und schwer war.
Und die letzten blieben stecken,
weil die Spur von den Fahrzeugen vor ihnen oftmals total aufgewühlt wurde
STAY IN THE TRACK ! (at least as good as possible ;-)


Kommen wir zur Namensgebung dieses kl. Reiseberichtes.
Wer aufgepasst hat weiss: diese „slip faces“ haben immer einen Neigungswinkel von 34-36 Grad.
(Das ist steil genug damit sich der Fahrer mit beiden Armen sehr kräftig gegen das Lenkrad stemmen muss,
damit er im eigenen Fahrzeug nicht nach vorne gegen die Windschutzscheibe fällt.)


Das Runterfahren sieht spektakulär aus.
Ist aber recht einfach, wenn man sich mal überwunden hat.
Unbeschreiblich das berühmte „Dünenbrummen“.


Tückisch, wirklich tückisch kann es werden wenn man diese Abbruchkanten nicht rechtzeitig erkennt.


Ich hoffe es wird klar was ich meine.


Manchmal zog sich die Gruppe ziemlich laaaange auseinander.
Da war es üblich, dass der Vordermann an diesen Kanten solange gewartet hat bis der Nachfolger Sichtkontakt hatte.


Kurze Verschnaufpause bei der Shawnee


stranded 1957


Unklar blieb bis zu letzt was der Chef da immer in seiner Tasse hatte. Na, Hauptsache er hatte gute Laune.
(Das genau gleiche Rätsel umgibt übrigens die Frisur seines baumlangen Assistenten).


Die abwechslungsreiche und teilweise kaum überschaubare
Hügellandschaft...


...verlangte äusserste Konzentration an Lenkrad und Schaltknüppel.


Und auch bei Fahrzeugen mit Automatikgetriebe gab es einige Tricks zu beachten, um das max. Momentum in hohen Drehzahlbereichen zu erhalten.
Pointe am Rand:
Ich glaube es war an dieser Stelle, als ich die arg blass gewordene Beifahrerin im Wagen vor uns fragte, ob ich irgendwas für sie tun könne und sie verzögerungsfrei antwortete: „Yes, Piet, call a Helicopter to evacuate me“.
Einen Moment lang hatte ich den Eindruck, das war nur halb im Spass.


Die guten Erfahrungen mit einem kleinen Sicherheitsabstand zum arktisch-marinen Ökosystems hielten an.
Warum dieser fisch-, sauerstoff- und zooplanktonreiche Benguela-Strom die Hauptursache für das Entsehen der ältesten Wüste der Welt, der Namib sein soll verstehe ich allerdings nicht.


Genausowenig wie den Umstand, dass dieser kalte Strolch namibisches Welterbe werden soll.


Tierfotographisch Interessierte hatten es hart.
Säugetiere waren rar und das liebe Federvieh (Pelikane, Flamingos) meist zu weit weg.
Ne kleine Robbenkolonie hatten wir noch am Weg (bekanntermassen recht üble Stinker, diese Flossenfüßer)


An diesem Punkt verlor unser Guide ganz kurz und das einzige mal die Fassung.
Der westeuropäische Unglücksrabe hatte wohl die auf englisch gefunkte Richtungsangabe misinterpretiert, dann den Rommel gemacht und ist direkt in die Falllinie geraten. Vor Schreck hat er dann an der falschen Stelle angehalten.
Mit 4 Rädern in der Luft war dann der Status „automobil“ schon rein physikalisch verwirkt.


„a gauche“ wäre richtig gewesen


Diese kinetischen Abschleppseile sind wirklich spitze.
In Kürze war der putzige FJ wieder flott.


Bei der letzten Strandetappe hatten schon einige Fahrer ein nervöses Augenzucken – vom ständigen Blick auf die Tankanzeige ;-)


Kurz vor der Pelican Point Halbinsel konnte der Reifendruck wieder auf ein normales Mass um 2,5 bar justiert werden. Dem Rollwiderstand sei Dank.
Trotzdem hat es auch eins der offiziellen Begleitfahrzeuge nicht mehr zur Tanke geschafft.
Dem blauen Cruiser fehlt übrigens das Nummernschild vom ständigen Eintauchen in den Sand am Boden der "slip faces".


Nach meinem 1. Eindruck fiel das Tourfazit in unserer Gruppe erstmal gemischt aus.
So ganz ohne Strapazen und Aengste ging es dann doch nicht ab.
Letztlich euphorisierte uns alle die Tatsache gut und intakt durchgekommen zu sein bei dieser Abenteuertour durch das „Forbidden Land“.
Insbesondere bei der Ladyschaft waren aber die „Nochmal!“ Rufe eher verhalten.
Persönlich wäre ich allerdings sofort wieder dabei ;-)

Nur 2 Tage und etwa 200km Luftlinie entfernt habe ich dieses Bild bei einem early morning walk geschossen.
Was für ein Kontrast, was für ein wunderbares Land...
Beste Gruesse
Piet

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Letzte Änderung: 09 Mai 2018 21:06 von crockydile.
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