Donnerstag, 3.9.2015 Windhuk
Unser letzter Tag in Windhuk bricht an. Heute möchte sich Nico natürlich noch von ein paar lieben Freunden verabschieden.
Es ist glaube ich ganz gut, dass unser letzter Tag mehr oder weniger unverhofft und recht spontan sehr gefüllt sein wird – so haben wir gar keine Zeit uns dem Abschiedsschmerz zu widmen

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Wir treffen uns recht früh am Morgen auf einen zweiten Kaffee mit Nicos ehemaligen Nachbarn im schönen Innenhof vom „The Stellenbosch“:
www.thestellenboschwinebar.com
Diese Location finden wir sehr empfehlenswert!
Später fahren wir nochmals in die Uhlandstraße, um dort ebenfalls einigen Freunden Adieu zu sagen und für die Mittagszeit sind wir mit einer Bekannten von Nico verabredet, die kurzfristig und überraschend noch etwas ganz Besonderes für uns geplant hat

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Daher geben wir den Innova bereits gegen 12.00 Uhr bei Savanna ab. Die Übergabe läuft völlig problemlos – das Auto wird nur kurz beäugt und für gut befunden. Der Wagen hatte seine letzte Fahrt als Mietfahrzeug mit uns und wird nun verkauft.
Kurze Zeit später werden wir bei Savanna von Rebecca und ihrer Oma - 82 Jahre

- abgeholt.
Nach einer herzlichen Begrüßung und Vorstellung werden wir nun zum Lunch zu Woermann in Klein-Windhuk chauffiert, wo wir bei Hans nochmal unverhofft in den Genuss seiner leckeren Schnitzel kommen

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Rebeccas Oma, die von allen nur „Granny“ genannt wird, spricht leider nur Englisch, versteht aber ein bisschen Deutsch. Die beiden älteren Damen verstehen sich dennoch vom ersten Moment an prächtig und entdecken schnell erste Gemeinsamkeiten: Fahrradfahren und Katzenliebe

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Die beiden jungen Leute verschwinden nach dem kurzen Snack im Supermarkt zum Großeinkauf – Einkaufen? Wozu?
Das wird sich später aber aufklären. Meine Mutter und ich wissen überhaupt nicht, was für den Nachmittag geplant ist und lassen uns gerne überraschen.
Als wir kurz darauf durch die Stadt fahren, klärt uns Rebecca dann auf. Es ist ihr eine Herzensangelegenheit uns den Teil Windhuks zu zeigen, den man als Tourist eher weniger zu sehen bekommt.
Wir werden den Nachmittag in Katutura verbringen und das Projekt „Soupkitchen“ und Samuel Kapepo kennenlernen. Rebecca und Samuel kennen sich seit einem Schulprojekt und seither wird das Projekt von ihr und ihrer Familie unterstützt.
Hier der Link zum Projekt:
www.kids-soupkitchen.org
Recht schnell erreichen Katutura und schlängeln uns nun durch die Straßen, ich habe schon recht schnell den Überblick verloren, wo wir uns befinden. Kurze Zeit später halten wir vor einer Shebeen – „Kapepo“ wie alle ihn nennen, erwartet uns schon.
Wir haben uns ganz bewusst entschieden, hier keine Fotos zu machen und daher folgt nun der
Versuch einer Beschreibung dessen, was wir gesehen und erlebt haben. Also wenn Ihr Interesse habt, müsst Ihr heute etwas mehr lesen

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Zu Beginn begrüßen wir Kapepo und einige seiner Freunde. Die Shebeen gehört Kapepo und er lädt uns auf ein Erfrischungsgetränk ein.
Während wir unseren Durst stillen, entladen Nico und Rebecca den Kofferraum des Wagens. Der ist pickepackevoll mit Lebensmitteln - das war der Grund des Großeinkaufs. Kapepo und seine Helfer freuen sich sehr, denn mit diesem Einkauf könnten etliche gesunde Mahlzeiten für die Kinder zubereitet werden.
Kapepo beginnt nun, uns von seinem bisherigen Leben und von „seinem“ Viertel hier in Katutura zu erzählen.
Kapepo hat es zwischenzeitlich zu einem gewissen Wohlstand gebracht.
Wir fragen nach warum er immer noch im Township wohnt, obwohl er sich ein neues Haus in einer anderen Gegend kaufen könnte? Katutura ist seine Heimat ist und er fühlt sich nirgendwo anders so wirklich wohl lautet die Antwort.
Wir erfahren auch, dass nicht wenige derer, die zu etwas Geld kommen, sich aber den größten Traum erfüllen: Eine eigene Shebeen in Katutura!
In Kapepo‘s Hütte treffen wir auch auf seinen Onkel, der namibischer Freiheitskämpfer war. Kapepos Eltern hingegen sind schon lange tot.
Nun geht es zu Fuß hinein und hinab in die unendlich scheinende Ansammlung von Wellblechhütten. Noch befinden wir uns am Rande der „Hauptstraße“, wo auch teilweise noch Häuser aus Stein zu finden sind. Hier und da werden wir von Kindern freudig begrüßt, die uns auch ein Stückchen des Weges begleiten.
Unser Weg führt uns immer weiter weg von der Mainroad und schon bald haben wir komplett die Orientierung verloren. Bald werden wir in die erste Hütte hineingebeten.
Man kann sich gar nicht vorstellen, wenn man es nicht gesehen hat, wie die Menschen in diesen winzigen Blechhütten leben. Die Hütten sind meist stockdunkel, stickig und voller Menschen. Im Winter wird es darin eiskalt und im Sommer wird es unter dem Blechdach unerträglich heiß.
Bei Regen werden die Straßen inklusive der lose und illegal verlegten Stromkabel überschwemmt – in die Hütten regnet es dann ungehindert hinein. Man will sich gar nicht vorstellen, was mit diesen waghalsigen elektrischen Konstruktionen bei Regen passiert – Kapepo erzählt, dass die Kabel dann einfach mit Kondomen repariert werden und dann hofft, dass alles gut geht.
Es geht weiter ziemlich steil hinunter, die Trampelpfade sind teils rutschig und gefährlich – die beiden jungen Männer müssen häufiger unsere beiden Omas stützen.
Wasser zum Waschen oder Kochen gibt es hier nur aus sogenannten „Water Points“. Um Wasser zu zapfen, braucht man einen speziellen Chip, der regelmäßig mit Guthaben aufgeladen werden muss.
Weil die Wasserbeschaffung bedingt durch sehr weite Entfernungen von der Wasserstelle bis zu den Hütten sehr mühselig ist, schleppen die Frauen in der Regel große und schwere Behälter, damit sie nicht mehrmals laufen müssen.
Eine Zapfstelle muss für mehrere Hütten reichen, Abwassersysteme gibt es in diesem Teil von Katutura gar keine. Oben an der Mainroad haben wir eine Art Klohäuschen gesehen , das sich viele Menschen teilen müssen.
Immer wieder treffen wir Kinder, die uns fröhlich begrüßen. Rebecca hat Süßigkeiten dabei, die natürlich freudig entgegengenommen werden.
Kapepo führt uns in eine der Shebeens und bestellt einheimisches Bier – das Bier wird hier selbst hergestellt - ein undefinierbares Gebräu aus einer bestimmten Gerstenart, das in 1-Liter-Meßbechern verkauft wird.
Wir haben es versucht - es schmeckt eigenartig und es scheint nicht viel Alkohol zu enthalten. Kapepo erklärt, dass viele Männer von diesem wohl sehr nahrhaften Bier nur ein bis zwei Tassen am Morgen trinken, dann müssen sie für den Rest des Tages nichts mehr Essen.
Das Hauptnahrungsmittel allerdings ist "Millipap", eine Art Maisbrei. Kapepo hat auf seinen Reisen ins Ausland immer Maismehl für Milipap im Gepäck– und wenn er Heimweh hat, kocht er sich einfach Milipap.
Unterwegs fragen uns zwei Männer nach Geld – Kapepo schreitet sofort energisch ein und weist die beiden zurecht. Er möchte nicht, dass seine Gäste angebettelt werden.
Überall begegnen uns die Menschen sehr freundlich und alle haben ein Lächeln im Gesicht. Immer wieder werden wir gefragt, woher wir kommen und wer wir sind.
Kurze Zeit später begegnen uns zwei aufgeregte Frauen – eine der beiden hat eine tief klaffende und blutende Kopfwunde.
Auf Kapepos Nachfrage antwortet sie, dass sie sich am Wellblech gestoßen hat. Kapepo will sie zum Arzt bringen – sie lehnt allerdings ab.
Später erzählt Kapepo, die Wunde sei ganz sicher von einem Schlag mit der Machete entstanden – das könnte er sofort an der Art der Verletzung erkennen. Auch solche Bilder sind leider Alltag in Katutura.
Irgendwann erreichen wir die Stelle, die als Müllhalde und Großraumtoilette des Viertels genutzt wird.
Hier ist auch vor wenigen Tagen eine Hütte abgebrannt. Die Familie lebt nun erst einmal in den verkohlten Überresten der Hütte und die Nachbarn helfen mit Material aus, wo sie können.
Die meisten Bewohner in Katutura tragen dafür Sorge, dass der Müll und die Fäkalien an einem Platz gesammelt werden, erklärt Kapepo – nur abgeholt wird der Müllberg leider nur alle 4 Jahre – dann wenn die Wahlen anstehen und die SWAPO-Vertreter sich wieder an die vergessenen Bürger in Katutura erinnern. Überall an den Hütten sieht man übrigens die Fahnen der SWAPO wehen.
Vor einigen Hütten hängt frisch gewaschene Wäsche zum Trocknen und kleine Kinder sitzen zum mittlerweile abendlichen Bad in Zinkwannen vor der Tür. Manchmal entdeckt man sogar so etwas wie Blumen- oder Gemüsebeete.
Für uns wird es nun langsam Zeit zum Wagen zurückzukehren. Wir wandern den relativ steilen Trampelpfad zwischen den Hütten wieder hinauf.
Vor einer Hütte begegnen wir noch einem kleinen Mädchen, das urplötzlich bitterlich zu weinen beginnt. Kapepo erklärt uns, dass viele Kinder hier noch nie einen Weißen gesehen haben und dieses Mädchen tatsächlich Angst vor uns hat.
Auf dem Rückmarsch schon in Nähe der Mainroad bereiten jetzt einige Frauen Fleisch zu – dieses ist entweder für die nach Hause kehrenden Männer oder zum Verkauf am Straßenrand bestimmt. Der Fleischverkauf und die Garküchen sind für viele eine Möglichkeit, ein wenig Geld zu verdienen.
Wieder angekommen an der Shebeen und unserem Auto fragt uns Kapepo, was wir über das Gesehene und Erlebte nun denken.
Aber ganz ehrlich gesagt, ist das für uns sehr schwer in Worte zu fassen. Dieser Nachmittag war für uns alle etwas ganz Besonderes und wir müssen das Ganze erst mal verdauen. Und auch in diesem Bericht fällt es mir jetzt schwer, dieses Erlebnis zu beschreiben.
Es ist noch einmal etwas ganz anderes, selbst in eine Hütte hineinzugehen und mitzuerleben, wie die Menschen hier kochen, schlafen, waschen, den Tag verbringen. Alles was für uns so selbstverständliche Annehmlichkeiten sind, wird hier zur tagtäglichen Herausforderung und Überlebenskampf.
Zum Abschied übergeben auch wir Kapepo eine Spende für das Projekt – sehr wohl wissend, dass unser Beitrag nur ein winziger Tropfen auf den heißen Stein ist.
Bewusstsein schaffen – darum ging es Kapepo und auch Rebecca an diesem Nachmittag!
Man erkennt sehr schnell, dass die eigenen Probleme und Sorgen gegen die dieser Menschen sehr schnell verblassen.
Beladen mit unseren Eindrücken fahren wir gemeinsam mit Rebecca und Granny zurück in die Stadt.
Auf dem Weg aus Katutura hinaus sehen wir die unzähligen Taxis, Fußgänger und Radfahrer, die nun von der Arbeit aus der Stadt zurück nach Katutura strömen.
Rebecca steuert den Wagen durch die City von Windhuk und bald erreichen wir wieder die River Crossing Lodge.
Gerade noch rechtzeitig, um den Sonnenuntergang und die Lichter der Stadt ein letztes Mal zu bewundern:
Wir laden Rebecca und Granny zum Abendessen ein und unterhalten uns noch sehr lange über unsere Eindrücke des heutigen Tages.
Nun heißt es auch von diesen beiden so liebenswerten Menschen Abschied nehmen! Schweren Herzens trennen wir uns von unseren Wegbegleiterinnen des heutigen Tages.
Rebecca werden wir hoffentlich bald wiedersehen – sie kommt für einige Zeit nach Deutschland und sie muss natürlich versprechen, uns zu besuchen. Wir freuen uns schon sehr darauf, sie hoffentlich bald wieder zu sehen!
Nicht nur für meine Mutter war dieses kurze Eintauchen in eine für uns unvorstellbare Welt, die sie vorher nur von Fernsehreportagen kannte, ein unglaublich beeindruckendes Erlebnis, das sie und uns auch zu Hause noch weiterhin beschäftigen wird.
Nächste Woche folgt mein letzter Eintrag zu unserer Reise – der Tag der Abreise und ein kurzes Fazit.