THEMA: Namibia bei Nacht
01 Jun 2015 13:04 #386540
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Da der von mir ohne jeglichen bösen Hintergedanken ausgesuchte Titel „Deutsch-Südwest³“ bei den Korintenkackern nicht gut ankommt, nenne ich meinen Reisebericht nun schlicht „Namibia bei Nacht“.





Vorwort:

Bereits Mitte der 80er Jahre blickte ich in sternenklaren Nächten fasziniert in den Himmel. Ich wusste nicht wie viele Sterne es dort oben gab und alleine die Vorstellung, dass es Milliarden Galaxien geben soll, von denen jede einzelne wiederum mehr als 1000 Milliarden Sonnensysteme beherbergen soll, sprengt den Rahmen alles vorstellbaren.

Als ich dann, Jahre später, 1988 die Fotografie als mein Hobby entdeckte, und an einem sternenklaren Abend auf den Malediven wieder den Himmel beobachtete wurde mir klar, dass ich irgendwann all die Sterne fotografieren wollte. Doch auch von da an sollte es fast noch 30 Jahre dauern bis ich mir das Wissen und das Können angeeignet hatte um meinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Die Idee dahinter war ebenso simpel wie schwierig umzusetzen. Ich wollte naturbelassene Landschaften unter Einbeziehung des vorhandenen Restlichts in der Nacht fotografieren und zwar so wie es heutzutage viele Amateure versuchen, samt dem wundervollen Sternenhimmel.
Das Problem hierbei ist aber, dass es fast auf der ganzen Welt kaum noch naturbelassene Landschaften gibt. Kaum ein Fleckchen Erde, dass von uns Menschen noch nicht kultiviert wurde, und zwar von Patagonien bis Island. Und zum Kultivieren gehört auch dazu alles zu beleuchten, die Lichtverschmutzung und das damit verbundene schlechte Seeing von dem alle Astronomen heute sprechen.

Als der französische Astronom Charles Messier Mitte des 18. Jhd. Kometen, Galaxienhaufen, Sternenhaufen und Nebel entdeckte, war es auch in Paris noch sehr finster des Nächtens, denn das elektrische Licht wurde erst gut 100 Jahre später für die Beleuchtung von Straßen verwendet.
Hier bildet Namibia mit seiner geringen Bevölkerungsdichte von nur 2 Menschen pro km² und den beiden Wüsten (Kalahari im Osten und die Namib im Westen) eine interessante Ausnahme.
Man findet fast überall Landschaften die genauso aussehen wie vor Jahrmillionen und kann sich als Fotograf nach Lust und Laune austoben. Strom- resp Telegrafenmasten sowie Zäune existieren zwar, stören aber den Bildaufbau nur in die seltensten Fälle so massiv, dass deshalb auf ein gutes Foto verzichtet werden muss.





Was aber macht die Nacht für einen Fotografen so interessant?

Es ist der Sternenhimmel über den unberührten Landschaften, der alles mystisch und geheimnisvoll erscheinen lässt. Und wo lässt sich der Sternenhimmel wohl besser beobachten als in Namibia?

Ich werde nie vergessen wie ich in meiner ersten Nacht in diesem fernen Land am Campingplatz in Sesriem hinauf in den abendlichen Sternenhimmel blickte und Millionen von Sterne zum ersten Mal in meinem Leben sah.

Den Sternenhimmel wie wir in kennen mit seinen gerade mal 2 - 300 Sternen kannte ich natürlich und das wäre auch nichts Besonderes gewesen, aber das Schauspiel das einem hier geboten wird, hat rein gar nicht mit dem in Europa gemein. Ich hatte das Gefühl als würde die gesamte Milchstraße in 3D das Firmament über mir durchbrechen und schien gleich einer IMAX Aufführung zum Greifen nahe zu sein.

Es war ein sehr bewegender Moment an jenem Abend des 11. Juni 2007. Leider war es gleichzeitig aber auch mein Ankunftstag und ich hatte in der naheliegenden Sossusvlei Lodge ein paar Bierchen gezwitschert, was meinen Willen in der Eises-Kälte noch ein paar Fotos zu machen deutlich dämpfte.

Auch wusste ich damals weder wie man die Sterne am Himmel punktförmig ablichtet, noch hatte ich die Muße mich länger mit meiner Kamera am Stativ zu beschäftigen. Denn mein Plan war morgen als Erster in Vlei zu düsen und dort schöne Aufnahmen von den toten Akazienbäumen zu machen.

Und so wurden es nur eine Handvoll Aufnahmen, alle mit 5 min Belichtungszeit und ISO 100 bei Blende f/4.0 an der Nikon D2Xs mit einem 24 mm (36 mm an KB). Mir war furchtbar kalt und ich wollte die wenigen Stunden bis zur allmorgendlichen Trottelralley noch eine kleine Mütze voll Schlaf bekommen. In meiner grenzenlosen Dummheit hatte ich aber auf den Wecker vergessen und so half mir die Kälte der Nacht schon nach fünf schlecht geschlafenen Stunden den eiskalten Schlafsack wieder zu verlassen und als erster am Gate zu stehen als dieses geöffnet wurde.

Hatte ich 2007 also nur dies eine Mal versucht den abendlichen Sternenhimmel zu fotografieren, dachte ich 2012 bestens vorbereitet für die Deep Sky Photography zu sein. Denn immerhin hatte ich die eben erst erschienene Nikon D4 im Handgepäck und auch das 14-24er war mit dabei. Ja ich hatte sogar darauf geachtet an einem Tag im Vlei zu sein wo kein Mond am Firmament zu sehen sein würde.

Mit entsprechende viel Enthusiasmus stellte ich mich dann in der Nacht ins Deadvlei, dachte an „The Cell“ und machte alle Fehler die man bei der Sternenfotografie so machen kann.
Angefangen bei zu langen Belichtungszeiten, über zu kleine Blenden bis hin zur falschen Fokussierung. Auf gut Deutsch, ich hatte 2012 so ziemlich alles falsch gemacht, was man als Fotograf falsch machen konnte. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass ich damals noch nicht einmal wusste was „Deep Sky Photography“ bedeutet ….

Damals zu glauben ich würde mit guten Sternenfotos nach Hause kommen war anmaßend und dumm, zu mindestens aus heutiger Sicht. Wenn ich mir ansehe, wie großartig die Fotografien so manchem Astronomen sind kann ich nur demütig meinen Hut ziehen und mich vor ihrem Können, vor allem aber ihrer Ausdauer verneigen. Der Aufwand, der hier von so manchem betrieben wird hat nicht mehr viel mit dem zu tun, was man sich unter normaler Fotografie vorstellt.

Aber welcher Fotograf weiß schon etwas über die Rektaszensionsachse seiner parallaktischen Montierung? Oder habt ihr schon mal etwas von Magnituden pro Quadratbogensekunden gehört?
Jeder der sich intensiv mit der Astrofotografie beschäftigt stößt über kurz oder lang auf diese Begriffe und kommt nicht umhin sich mit ihnen zu beschäftigen. Da ich aber kein Wissenschaftler oder Astronom werden möchte und mich solche Details nur am Rande interessieren, habe ich versucht zu verstehen wo das Problem liegt und wie man es elegant umschiffen kann.
Anhang:
LG Wolfgang
Letzte Änderung: 25 Aug 2021 16:25 von weitwinkelkarli.
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01 Jun 2015 13:55 #386548
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Im Fall der Nachtfotografie samt Sternenhimmel ist die Aufgabe relativ einfach.

Man braucht ein Gerät dass die Erdrotation ausgleicht um länger belichten zu können ohne dass die Sterne zu Strichen werden. Solche sogenannten parallaktischen Nachführungen gibt es von winzig klein bis riesengroß, manche kosten nur EUR 200.- andere viele tausend Euros. Sie versuchen aber alle dasselbe zu tun - mit mehr oder weniger großem Erfolg - nämlich wie schon zuvor erwähnt, die Erdrotation auszugleichen.

Je genauer man es haben will desto größer wird der Aufwand den man betreiben muss und trotz all dem werden die Ergebnisse immer nur verwaschen und unscharf aussehen, egal wie gut man mit Giotto und DSS schummelt, denn ausgleichen lässt sich nur eines, die Erdrotation. Die Bewegung unseres Sonnensystems um das Zentrum unserer Galaxie – welche mit 220 km/s stattfindet (792.000 km/h) – gleicht dies nicht aus! Was sich auch nicht ausgleichen lässt ist zum Beispiel aber auch die Annäherung der Galaxien zueinander oder voneinander weg, denn auch Galaxien bewegen sich relativ im All zueinander.

Nehmen wie die am weitesten von der Erde entfernte, aber noch mit freiem Auge sichtbare Galaxie, Andromeda her. Obwohl sie noch gut 2.538.000 Lichtjahre von unserer Galaxie entfernt ist bewegen sich beide, also die unsere und Andromeda mit knapp 410.000 km/h (114km/s) aufeinander zu. Betrachtet man aber die heliozentrische Radialgeschwindigkeit mit der sich M31 auf unsere Sonne zubewegt sprechen wir plötzlich sogar von 1.000.000 km/h (ca. 300 km/s).

Das ist aber alles nichts wenn man sich zB den Virgo Cluster ansieht, – welcher rund 50 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist - denn dort gibt es über 2000 Galaxien von denen die Spiralgalaxie NGC 4388 mit 2535 km/s bewegt (relativ von uns weg mit 1400 km/s). Das sind dann immerhin schon 5 Millionen km/h! Und während man 300 sec lang belichtet bewegt sich Virgo NBC 4388 um sage und schreibe 420.000 km weit von der Erde weg, das entspricht in etwa der Entfernung von der Erde zum Mond!

Klingt komisch für jemanden der sich nicht mit der Astrofotografie beschäftigt, ist aber so, und der Praxisbezug erschließt sich auch nicht auf den ersten Blick. Anders wird es erst, wenn man sich vor Augen führt, dass zB bei der Fotografie unseres Mondes trotz seiner relativen Größe am Firmament und seiner Nähe nicht einfach ist vernünftige, scharfe Fotos zu machen.

Dies liegt an seiner relativen Bewegung zur Erde, welche mit 3570 km/h oder 1 km/s relativ niedrig ist. Trotzdem ist es ratsam Belichtungszeiten von weniger als 1/60 sec zu wählen, möchte man halbwegs scharfe Fotos von unserem Trabanten machen.

In der Astrofotografie sind aber stundenlange Gesamtbelichtungszeiten an der Tagesordnung wenn es um Fotos von fernen Galaxien wie zB M31 (Andromeda) geht und die bewegt sich – wie wir vorher gelernt haben – nicht mit nur 1 km/s relativ zur Erde, sondern mit 300 km/s!

Spätestens an dieser Stelle wird auch dem Unbedarften klar, dass jedes Foto von M31 viel Photoshop erfahren muss um halbwegs den Eindruck eines scharfen Fotos vermitteln zu können.
Als kleines für uns Menschen recht belangloses Detail erwähne ich noch, dass unsere Galaxie lt den Computersimulationsmodellen der NASA in 4 bis 10 Milliarden Jahren mit M31 kollidieren wird.

Zum Glück hab ich da aber schon auswärts einen Termin…..

Irgendwie ist es doch spannend sich vorzustellen, dass man auch bei größtmöglicher Sorgfalt in der Astrofotografie immer nur ein winziges Problemchen eliminieren kann und mit einem Dutzend anderer leben muss.

Was ich damit sagen will…..

Egal wie viel Aufwand man auch treibt, am Ende ist und bleibt das Ergebnis der Astrofotografie immer ein Kompromiss aus Atmosphärischer Verschmutzung, Lichtverschmutzung, Unschärfe entstehend durch die relative Bewegung zueinander, der aktuellen Mondphase und der damit eingehenden Sonneneinstrahlung welche das Seeing verschlechtert und was weiß ich sonst noch alles….

Wenn man dies einmal verstanden hat lebt es sich auch viel entspannter, denn dann wird klar, dass die Perfektion die so mancher durch hunderte Aufnahmen und anschließendes stacken (aufsummieren von Lights, Darks, Flats und Biasaufnahmen mittels DSS) erreichen will, fast vergebene Liebesmüh ist.

Da werden für 5 - 10% weniger Rauschen, ein paar mehr Details und ein wenig intensivere Farben wertvolle Stunden in einer sternenklaren Nacht hergeschenkt.

Was für eine Verschwendung von wertvoller Lebenszeit…..

Apropos Lebenszeit.

Der Grund wieso Otto-Normalurlauber in Namibia nicht mit tollen Sternenfotos nach Hause kommen ist weder deren Unkenntnis der Materie, noch ein Mangel an guten Motiven, denn beides wäre im Überfluss vorhanden wenn man wochenlang unterwegs ist. Und wie Flickr beweist, sind viele sehr gute Fotografen unter euch!

Es ist schlicht und ergreifend die Zeit die fast jedem normalen Touristen fehlt. Denn wie untertags braucht es seine Zeit ein gutes Motiv zu finden und es anschließend abzulichten. Und in der Nacht fast ohne Licht, dauert dies umso länger.

Um wirklich gelungene Aufnahmen in der Nacht zu bekommen, muss man auch die ganze Nacht über fotografieren. Und dies wiederum setzt voraus, dass man nicht schläft während der Nacht. Ihr erkennt also wo das Problem liegt. Muss man am nächsten Morgen fit und munter sein und zur nächsten Destination aufbrechen, muss man auch schlafen. Deshalb machen die allermeisten auch nur ein zwei Fotos kurz vor dem zu Bett gehen.

Ein weiteres riesiges Problem bei Fotos in der Nacht ist – wer hätte sich das gedacht – die Dunkelheit. Das mag nun lustig klingen wenn man diesen Text am gut beleuchteten Arbeitsplatz oder zu Hause am Schreibtisch liest, in einer mondlosen Nacht aber, bei 21,7 mag/arcsec² ist es so finster wie im Arlbergtunnel nach einem Stromausfall.

Und wenn man als Fotograf nichts mehr sieht kann man auch kein Bild komponieren.

Das heißt, dass man egal was man fotografieren möchte, sich am besten schon untertags überlegt haben sollte wo man sein Stativ in der folgenden Nacht aufstellt und es dann bewaffnet mit einer Taschenlampe des Nächtens nur mehr durchführt. Auch das Scharfstellen ist ein nicht zu unterschätzendes Problem, denn entweder fokussiert man auf die Sterne und erhält damit schöne runde, punktförmige Sterne, oder man stellt auf den Vordergrund, die Landschaft scharf. Beides geht nicht.

Unerfahrene Fotografen werden nun einwenden, dass gerade bei einem 14mm die Schärfentiefe kein Problem darstellen kann, da sowieso fast alles scharf ist. Dem ist leider nicht so, denn sonst wären nicht fast bei allen meinen Sternenfotos aus 2012 die Sterne unscharf. Ich hatte mein Augenmerk hier offensichtlich zu sehr auf die Landschaften gelegt.

Zusätzlich zu der Zeit die man während der Nacht aufwenden muss, glauben viele es läge nur am guten Equipment das man mit sich herumschleppt. So scharen sich alleine schon wegen meines großen Gitzo Monsters immer wieder Amateure rings um mich und wollen genau von meinem Standpunkt aus fotografieren, als würde ich wissen wo der beste Platz ist?!

Auch ich bin früher diesem Irrtum aufgesessen und dachte ich müsse mit dem besten verfügbaren Equipment unterwegs sein und hatte an mich selbst den Anspruch mich mit nichts geringerem als dem Besten zufrieden zu geben. Hier tut es gut ein gewisses Alter und die damit eingehende Ruhe und Gelassenheit erreicht zu haben, von Weisheit will ich gar nicht sprechen.

Man erkennt irgendwann, dass selbst wenn sich die Technik und die Elektronik in den nächsten 50 Jahren nur in jenem Ausmaß weiterentwickelt wie sie es von 2005 bis 2015 getan hat, ein Handy bessere Fotos vom Mond machen wird als ich dies heute mit all meinem Wissen und den teuersten Stativ in einer ganzen Nacht hinbekommen kann.

Dies ist aber auch bei der Planung so einer lange vorbereiteten Reise eine sehr wichtige Erkenntnis, denn damit lebt es sich viel entspannter.

In Wirklichkeit ist es völlig egal mit welcher Kamera man was macht, denn wenn das Motiv sensationell ist, fragt kein Mensch nach dem letzten Quäntchen Schärfe oder Rauschfreiheit.
In meinem speziellen Fall bedeutete dies, dass ich versuchen würde schöne Fotos in der Nacht zu machen und dies wenn möglich noch vor einem tollen Sternenhimmel, ich würde aber nicht versuchen dem Hubble-Teleskop Konkurrenz zu machen.

Ich habe in diesem vorerst letzten Arbeitsauftrag in Südwest viel vorgehabt und fast alles dann auch tatsächlich in die Tat umgesetzt. Ich gebe allerdings zu, dass mehr notwendig war, als das richtige Equipment mit dabei zu haben, oder zu wissen wie man damit umgeht.

Besonders das Autofahren in der Nacht ist in Namibia leider ein sehr heikles Thema, wie ich schon 2012 erfahren musste. Wer hier unvorsichtig, vor allem aber zu schnell unterwegs ist macht zwangsläufig mit Tieren bis zur Größe eines Oryx Gesellschaft.

Wieso ich vom letzten Fotoabenteuer in Namibia spreche?

Mir ist natürlich bewusst, dass man nach wenigen Tagen in einem so fremden und weit entfernten Land nicht glauben sollte, etwas darüber zu wissen, oder gar eine abschließende Einschätzung treffen zu können, denn dies wäre sicher vermessen und gar nicht zutreffend. Was man allerdings sehr wohl machen kann ist, Eindrücke niederzuschreiben und sein ganz persönliches Fazit zu ziehen.
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LG Wolfgang
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01 Jun 2015 13:57 #386549
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Rückblick:

Die Reisevorbereitungen auf diesen extrem anstrengenden und arbeitsreichen Ausflug waren aufgrund meiner Unwissenheit bzgl der Astrofotografie mehr als chaotisch.
Zuerst kaufte ich mir die Sony A7s, da die Werbung dem Kunden suggerierte, sie wäre die ultimative Kamera für Nachtaufnahmen. Als ich dann dahinter kam, dass die A7s einen Bug bei Langzeitbelichtungen aufwies und sie damit an der Nachführung unbrauchbar war, verkaufte sie wieder.

Dazwischen lagen viele Wochen des Testens in dunklen Nächten hier in Österreich. Als ich mich dann schweren Herzens zu einer Nachführung durchringen konnte, wurde mir klar, dass beides keinen Sinn macht. Entweder verwende ich eine Nachführung, dann brauche ich meine hohen ISOs mehr, oder aber ich mache einzelne Aufnahmen mit max 30 sec Belichtungszeit, dann würde ich die hohen ISO in guter Qualität brauchen.

Danach kaufte ich die neue Nikon D4s plus einer D810 und dachte damit ein perfektes Bundle für meine anstehende Reise zu haben. Kaum hatte ich die D4s gekauft kamen mir aber immer größere Bedenken, dass ich mit dieser Kamera nur eine höherwertigere Sony A7s gekauft hatte und mich offenbar immer noch nicht geistig von einem High-Iso fähigen Modell trennen wollte/konnte.
Wozu aber, fragte ich mich nach und nach, bräuchte ich eine EUR 6000.- teure Kamera, wo ich doch mit Nachführung in der Nacht arbeiten würde und die ISO max. auf 800 oder vielleicht 1600 voreinstellen werde?

Kleiner techn. Exkurs in die Benutzung einer Nachführung:

Genau wie ich haben fast alle Amateure eine Heiden Angst vor der Nutzung einer sogenannten parallaktischen Montierung. Hört sich kompliziert an und ist es auch.

Ich will und kann euch nicht die Angst davor nehmen, denn für einen unbedarften Fotografenanfänger stellt eine neue DSLR schon eine große Hürde dar. Gehen wir aber davon aus, dass ihr euch sehr gut mit eurer Kamera auskennt und diese blind in einer dunklen Nacht bedienen könnt.

Was bringt so eine Nachführung überhaupt und wann könnte ich sie einsetzen?

Das ist einfach erklärt.

Je dunkler die Nacht, desto länger könnt ihr belichten, also theoretisch, denn die Brennweite eurer Optik limitiert die maximal mögliche Belichtungszeit bis Sterne nicht mehr Punktförmig abgebildet werden und zu unschönen Star-Trails, zu Deutsch Strichspuren werden.

Im Internet wird dazu gerne die 500er Regel aus der Zeit der Analogfotografie zitiert, welche besagt, dass man 500 dividiert durch die Brennweite als längste Verschlusszeit nehmen kann. Das ist Unsinn.

500 durch sagen wir mal 14mm an KB ergibt 35,71 sec!

In der Praxis ist es aber vielmehr so, dass schon ab < 5sec Belichtungszeit Striche und nicht Punkte abgebildet werden. Mir ist aber bewusst, dass der Betrachtungsabstand sowie die Ausgabegröße der Datei hier eine große Rolle spielt.

Sieht man sich seine 36MP Fotos nur in 1280 Pixel lange Seite am Monitor an, wird einem der 7 Pixel lange Strich seiner 30sec Aufnahme fast wie ein Punkt erscheinen. Legt man aber etwas mehr Wert auf runde Sterne benötigt man schon bei einer 30 Sekunden andauernden Aufnahme eine automatische Nachführung welche die Erdrotation ausgleicht.

Aber werde ich das Einnorden schaffen……. Fragt jeder Anfänger sofort ängstlich???

Einnorden bedeutet nichts anderes, als das korrekte justieren seiner Montierung. Denn auch die beste Nachführung kann nur korrekt arbeiten wenn ihre Rektaszensionsachse exakt parallel zur Erdachse verläuft und damit zum himmelsnordpol weist.

Wer jetzt mit Sternbildern nicht wirklich etwas anfangen kann und Polaris auch bei besten Sichtverhältnissen nicht vom Mond unterscheiden kann wird zugegebenermaßen ein kleines Problem haben. Auf der Nordhalbkugel ist dieses Problem allerdings mit etwas Studium der Sternenkarten und einer App fürs iPhone in wenigen Minuten bewältigbar.

Was aber wenn ich Brillenträger und auch sonst eher schasaugert bin und mir die Justierung samt bestem Polsucher trotz alledem nicht zutraue?

Auch dann kann man mit etwas Beharrlichkeit durchaus gute Ergebnisse erzielen. Ich hatte dies bewusst vor meiner Abreise nach Namibia simuliert, dass Sigma Octantis nicht sichtbar ist und daher die „Einsüdung“ in der südlichen Hemisphäre deutlich schwieriger ist als hier bei uns.
Ich ging an einem leicht dunstigen Abend raus und versuchte trotz schlechter Sicht meine Nachführung Einzunorden, sprich ich konnte Polaris nicht sehen und versuchte nur mit meinem Handy und der App von iOptron und den dort angegebenen Winkeln die Einstellung vorzunehmen.

Angezeigt wurden folgende Werte:

Longitude: 016° 21‘ 37“E
Latitude: 48° 14‘ 00“N

Das heißt nichts anderes als das man die Nachführung ca. 48° nach oben neigen muss und dann noch mittels dem iPhone Kompass 16° Richtung Osten einstellt. Das ist in 5 min passiert und ermöglicht bereits schöne Kreisrunde Sterne mit einem 14 mm bei bis zu 5 min Belichtungszeit und bis zu 120 sec mit einem 600mm Superteleobjektiv.

Und passt es einmal nicht so gut und die Sterne sind Striche, kann man ein wenig feinjustieren und erhält nach meiner Erfahrung bereits nach ein oder zwei Versuchen – nach kleinen Korrekturen – akzeptable Ergebnisse.

Natürlich ist nichts besser, als eine perfekte Einnordung, keine Frage, aber es geht eben auch mit einer nur halbwegs hingeschusterten Einnordung ganz gut. Je nachdem welchen Anspruch man erhebt. Und eines ist ganz sicher so, besser als ohne Nachführung werden eure Fotos in jedem Fall!
Die Investition der Nachführung ist also nie rausgeworfenes Geld wenn ihr vorhabt Sternenfotos zu machen. Vielleicht bleibt es euch verwehrt eine ganze Stunde lang zu belichten, die Frage ist nur wer dies braucht….?

Und wer sich nun schon mit der Problematik des stackens von Lights und Darks beschäftigt hat weiß von welcher Challenge ich spreche. Arbeitet ihr ohne Nachführung passen die einzelnen Aufnahmen überhaupt nicht zusammen und können meist mehr schlecht als recht von Programmen wie dem DSS zusammengebastelt werden, oder eben nicht. Bei mit war’s immer NICHT!

Nutzt ihr aber eine Nachführung ist meiner Erfahrung nach nicht einmal wichtig, dass sie perfekt eingenordet ist, denn der Hauptvorteil beim Fotografieren von Sternen liegt ganz wo anders. Mit egal welcher DSLR müsst ihr in einer Nacht ohne Mondlicht extrem lange belichten und die Blende möglichst weit öffnen um das wenige Licht der Sterne einzufangen.

Soweit klar?

Dies bedeutet aber auch, dass bei offenblende die Abbildungsleistung sinkt, sprich Coma und Unschärfen im Bild stärker zum Tragen kommen als 2 Blenden abgeblendet. Auch kommt man selbst bei 30 sec Belichtungszeit nicht umhin die ISO auf 3200 oder gar 6400 zu erhöhen, möchte man ein halbwegs korrekt belichtetes Bild erhalten. Diese Faktoren zusammen ergeben ein leicht unscharfes, stark rauschendes Foto welches noch dazu strichförmige Sterne mit Halos zeigt.

Und auch wenn man 10 oder 25 gleiche Aufnahmen hintereinander gemacht hat, werden sie sich kaum deckungsgleich übereinanderlegen lassen (meine persönliche Erfahrung mit DSS).

Nutzt man jedoch eine Nachführung ist es fast unerheblich wie exakt man die Einnordung gemacht hat so man sich in einem Radius von 1 bis 3° bewegt, denn alle Fotos lassen sich im Anschluss am Computer tadellos selbst als Laie mittels der Ebenenfunktion im Photoshop stacken.

Dies ist mMn der weitaus größere Vorteil einer jeden Nachführung, denn auch wenn meine Einnordung mangelhaft ist und ich nur 30 sec belichten kann ohne Strichspuren zu erzeugen, kann ich doch 30 Fotos machen und diese im Anschluss perfekt übereinanderlegen und damit ein rauschfreies Ergebnis erzielen.

Gelingt es mir auch nur ein klein wenig sorgfältiger zu arbeiten und schaffe ich es die Einnordung mit 95%iger Genauigkeit hinzukriegen, werde ich schon 5 min problemlos belichten können (mit einem 14mm), was bedeutet, dass ich die Blende um ein oder zwei Stufen abblenden und/oder die ISO ein, zwei Stufen runterdrehen kann.

Beide Maßnahmen steigern die Bildqualität enorm und kosten im Vergleich zu einer hochgeöffneten Optik oder einer Nikon D4s fast nix, denn eine sehr gute Nachführung wie der Star Adventurer kostet samt allem erforderlichen Zubehör gerademal 400.- Euro!

Aber dies weiß anscheinend fast niemand…..

Fakt ist, dass eine Nachführung in 99% aller Fälle nur hilfreich sein wird und eurem Ergebnis nie schaden wird. Es kann fast nur besser werden, außer natürlich ihr könnt nicht einmal eure Kamera bedienen, dann hilft auch die parallaktische Montierung nix.

Nun aber weiter mit meiner Geschichte….

Also verkaufte ich die D4s schweren Herzens und war auch am überlegen, ob ich nicht die D810 gegen ein anderes Modell eintauschen sollte. Eigentlich wäre es nur logisch die neue Nikon D810A mitzunehmen, denn welche Kamera wäre wohl besser für meine Zwecke geeignet. Wie schon so oft, machte mir hier aber mein Abreisetermin einen gehörigen Strich durch die Rechnung, denn die Kamera erscheint erst jetzt nach unserer Rückkunft Ende Mai 2015 und unsere Abreise war mit dem 30. April dieses Jahres terminiert.

Sie kam auf gut deutsch zu spät heraus, wie schon 2007 die Nikon D3. Damals musste ich mit dem letzten DX Modell der Einstelligen vorlieb nehmen, was mehr als ärgerlich war (Nikon D2Xs).
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LG Wolfgang
Letzte Änderung: 01 Jun 2015 13:58 von weitwinkelkarli.
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01 Jun 2015 14:50 #386567
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  • Olli3 am 01 Jun 2015 14:50
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Hallo Wolfgang,

da ich im Oktober erstmals das Vergnügen habe , das Land Namibia kennen zu lernen, bin ich auf jeden Reisebericht gespannt. Man kann als "Neuling" von solchen Berichten viel lernen und normalerweise halte ich mich mit negativen Kommentaren zurück.
Die erste Bezeichnung Deines Reiseberichts war mir auch so was von egal.
Was Du hier aber unter Reisebericht einstellst, da würde ich sagen: Thema verfehlt, 6, setzen!

Ich fotografiere (hobbymäßig) auch sehr gerne, aber Du bist glaube ich, besser in einem Foto-oder Astrologie-Forum besser aufgehoben.

Gruß
Jürgen
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01 Jun 2015 14:57 #386569
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Danke für die Belehrung!

Vieleicht solltest du die Einleitung gelassen abwarten oder überlesen und warten bis die Reise beginnt....

Ich schreib doch nicht extra fürs Forum einen eigenen Bericht und für meine HP einen anderen?!
LG Wolfgang
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01 Jun 2015 15:02 #386571
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  • SaschaHH am 01 Jun 2015 15:02
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Also jetzt muss ich doch mal...

Hallo Wolfgang,

zugegeben, der erste Name des Berichts... Aber das hat mich nur in sofern gestört, als das ich mich als Anfang 40jähriger als zu Jung erachte, als dass ich mich mit solchen "alten" Problemchen und möglichen Vorwürfen konfrontiert sehen will.
Aber Schluss damit. Überschrift geändert, alles gut.

Und dann ging der Bericht los und ich muss sagen: Jwau, der absolute Wahnsinn. Ja ich habe mich durchaus auch schon mit dem Thema beschäftigt. Ja, ein paar "Bildchen" mit Star-Trails in dunklen Nächten in der Einsamkeit der Joshua Tree Wüste hängen auch bei mir zuhause an der Wand. Aber das Fachwissen und die Muse es niederzuschreiben... Hut ab, Wahnsinn, ich bin begeistert und ein wenig sprachlos.

Das jetzt hier wieder jemand meckert - find ich wirklich voll daneben, bei der Mühe die in dem Bericht steckt. Zumal man viel daraus lernen kann und es sich, für den Interessierten, sehr gut liest.

Also bitte bitte: Nicht von den Uninteressierten verschrecken lassen, sondern die Interessierten mit diesem komplexen Wissen und den Erfahrungen erfreuen.

Besten Gruß aus dem auch Nachts recht hellen Hamburg,
Sascha
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