29.8. Donnerstag, Fahrt nach Swakopmund, Hotel a la mer
Wir müssen um 5.15 aufstehen. Um 6 steht ein Angestellter vor der Tür. Er sammelt uns alle ein, um uns dann zum Zelt von Francois zu führen. Ob die Angst hatten, dass wir uns auf dem Gelände verlaufen? Ich bin mir sicher, dass der arme Kerl auch länger hätte schlafen können. Irgendwie denkt natürlich auch niemand von uns Afrika-Neulingen und Budget-Reisenden daran, ihm ein Trinkgeld zu geben. Francois hat an seinem Zelt schon den großen Tisch fürs Frühstück gedeckt, wie immer mit Tischdecke. Auf dem Grill lodern Flammen, im Kessel kocht heißes Wasser. Allein das verströmt eine Atmosphäre, die uns alle verzaubert. Und die mich auch kommende Woche begleiten wird – ein Detail, was für mich aber nun zu Afrika dazugehört. Kessel auf offenem Feuer…..seufz.
Wir frühstücken, Sandwich, Müsli, frische Orangen. Dann wird es ernst: Natasha hat gestern mit Francois über ukrainische Küche gesprochen (sie hat dort ihre Wurzeln). So kam die Sprache auf Coleslaw, den sie lecker findet und oft selbst macht. Tja, irgendwoher hat Francois Weißkohl und Karotten. Und daraus soll Natasha nun Coleslaw machen. Lachend helfen wir alle. Doch wie sich zeigt, sind wir zwar alle gestandene Frauen und teilweise sehr intelligente Wesen, die zb zum Theme Mikrobiologie promovieren – aber wie schält man eine Möhre? Einen Sparschäler gibt es nicht, und Natasha gibt zu, immer fertig kleingehäckselten Kohl zu kaufen. Nun ja, gemeinsam schälen und schnippeln wir alles kurz und klein. Dann spülen wir noch, alles wieder ab in die Kisten, die Taschen verstaut. 7 Uhr ist Abfahrt. An der Rezeption warten. Francois kommt wieder, er hat noch in Restaurant-Küche Öl für den Coleslaw abfüllen lassen. Wir fahren Richtung Khorixas, biegen ab Richtung Uis. Heute stehen die „Eingeborenen-Encounter“ auf dem Programm. Menschen-Zoo? Ich weiß immer nicht so recht was ich davon halten soll. Aber spannend finde ich es schon. Und den Schotten im Kilt samt Dudelsack fotografiere ich ja auch, gegen einen Obolus. Also mal sehen. Irgendwo auf dem Weg halten wir an der Straße, wo Holzverschläge stehen und Herero-Frauen Sachen verkaufen. Wir purzeln alle raus, der zweite Chameleon-Bus hält auch. Etwas unsicher verteilen wir uns. Schnell ist das Prinzip klar: Man kauft was und darf dafür Foto machen. Ok. Da ich eh noch keine Souvenirs geshoppt habe, warum also nicht hier? Kaufe ein Püppchen und fotografiere die Frau in Tracht. Frage sie nach der deutschen Singer-Nähmaschine, an der sie arbeitet und erfahre, dass das gute Stück schon 70 Jahre in Familienbesitz ist.
Weiter geht es, immer am Brandberg entlang, der sich rechts etwas unwirklich aus der Ebene erhebt.
Irgendwo im Nirgendwo fährt Francois und auch der 2. Truck rechts ran, unter einen großen Baum. Fix werden Klapptische und Stühle rausgeholt, der Tisch gedeckt. Natasha füllt Essig zum Öl in die Plastikflasche sowie Salz und Pfeffer. Hüpfenderweise wird das Dressing geschüttelt, das Öl will nicht so richtig sich vermischen. Doch mit viel Körpereinsatz gelingt es, und der Coleslaw schmeckt richtig gut. Dazu gibt es noch Gurken-Tomaten Salat, der frisch geschnippelt wird, dazu Sandwiches.
Als Toilette dient das trockene sandige Flussbett, in das jeder mal ein Stück hochstapft und hinter irgendwelchen Büschen verschwindet. Aus der Ferne hat man uns erspäht. Eine Frau und ihre Kinder kommen schwerbepackt an und bauen Ruckzuck ihre Waren auf, in Reih und Glied hängen da nun Ketten und Mobiles. „Go and do your shopping“ fordert Francois uns auf. Ok, also wieder dasselbe Spiel: Kaufe eine Kette und fotografiere dann, der Rest der Gruppe auch.
Dann geht es weiter. Der nächste Stopp ist ein Stand mit Himba-Frauen. Ich bin etwas irritiert über die Zelte aus Plastikmüll, die in einiger Entfernung dazu stehen und offenbar ihre Behausungen sind. Dann wieder das gleiche Spiel: Armband kaufen, Fotos machen. Ich gebe zu, die Frauen sind interessante Motive. Ich hoffe nur dass diese Kultur auch um ihrer selbst willen und nicht nur als Touri-Attraktion überlebt.
Danach halten wir in Uis an der Tankstelle. Zur Toilette, 2 Dollar für die Aufpasserin, dann geht es weiter. Wir verlassen die bergige Gegend und eine gefühlte Ewigkeit fahren wir auf Sandpad durchs nichts. Immer geradeaus, bis da plötzlich ein Schild steht und dahinter das Meer. Wir biegen links ab, nach Süden. Fahren durch Hentjes Bay durch und halten dann an einem Schiffswrack. Als wir aussteigen, kriegen wir alle einen Kälteschock. Habe meine Fleecejacke im Bus, aber kurze Hose an. Es ist total diesig, windig, bewölkt und grau. Der perfekte Tag an der Nordsee….ich fühle mich wie auf Sylt. Irgendein Scherzkeks hat ein etwas grusliges Skeleton-Coast-„Schild“ aus undefinierbaren Knochen in den Sand gelegt. Durchgepustet flüchten wir alle schnell wieder in den Bus.
Fahren bis Swakopmund. Francois kurvt scheinbar etwas ziellos durch den Ort und macht uns auf alle Annehmlichkeiten der Zivilisation aufmerksam. „Oh, Kentucky Fried chicken, good, there is a Spar, you can go there, this is a good restaurant“. Der Sinn dieser Rundfahrt erschließt sich mir nicht ganz, da wir superwenig Zeit in Swakop haben und es mittlerweile schon später Nachmittag ist. Dann zum Hotel a la mer. Fahren auf den Hof, checken ein. Natasha und mein Zimmer ist leider unten und daher etwas dunkel. Die Steinwände sehen sicher ganz schick aus, doch da die Luft so feucht ist und so wenig Licht im Zimmer, wirkt es eher wie eine ungemütliche Höhle. Natasha nutzt sofort Strom zum Aufladen und WLan zum Facebooken.
Dann will sie unbedingt in die Stadt und einen richtigen Kaffetrinken. Ich laufe nur mit ihr zur nächsten Ecke, wo auch ein Supermarkt ist. Kaufe 5-Liter-Kanister Wasser und ein bisschen Schoki und Chips. Bringe die Sachen ins Zimmer und laufe dann runter zur Jetty. Der Wind bläst, ich fühle mich wirklich wie an der deutschen See. Kein Wunder, dass die Kolonialisten sich hier wohl gefühlt haben. Aber ich bin nicht deswegen nach Afrika geflogen, zu groß ist die Ähnlichkeit. Trotzdem verbringe ich einige Zeit auf der Jetty, fotografiere den Sonnenuntergang und genieße das Meer, das ja überall einfach immer wunderschön ist.
Dann Treffen zum Abendessen. Melissa und die beiden jungen Deutschen kommen nicht mit ins Restaurant, dass heute statt Francois’ Küche auf dem Programm steht. Es kostet extra, die beiden Studentinnen wollen sparen, Melissa ihre Ruhe. Wir anderen laufen also die wenigen Meter zum TUG direkt an der Jetty. Das um ein altes Schiff gebaute Restaurant hat schon Atmosphäre. Wir müssen noch an der Bar im „Schiffsbauch“ warten und stoßen schon mal mit einem Bier an, bevor wir den Tisch im oberen Stock beziehen. Ich gönne mir „Oryx Surf and Turf“, ein großes Oryx-Steak mit einer Riesen-Garnele und einem gefüllten „Squid“, dazu Pommes und etwas Salat. Schmeckt sehr gut, der Preis samt Bier ist auch annehmbar. Francois, der Sänger, wollte uns überreden, dass wir alle unsere Nationalhymnen singen. An der Aufgabe scheitern wir kläglich, ich kriege auch kaum den Text zusammen. So reden wir aber alle über unsere Herkunftsländer. Da Poonam zwar in den USA lebt, aber aus Indien stammt, auch Christina ukrainische Wurzeln hat etc wird es ein sehr interessantes Gespräch. Ich komme nicht umhin, nach meinem Versagen bei der Nationalhymne auch zu erklären, dass Deutsche sich eben aufgrund der Geschichte immer noch schwer tun mit nationalen Symbolen. Francois kriegt separate Rechnung, offenbar kriegt er Prozente weil er uns da reingelotst hat. Einige finden dieses Geklüngel unmöglich, ich denke mir nur, dass so eben das Business funktioniert und kenne das auch von anderen Reisen. Seine eingepackten Speise-Reste gibt er dann dem frierenden Parkplatz-Wächter. Um 22.30 geht es ins Bett.