Dienstag, 2. August 2011
Die halbe Nacht dröhnte noch Musik aus dem nahe gelegenen Dorf zu uns herüber. Morgens kühlte es sehr ab, so dass wir uns auf die ersten Sonnenstrahlen freuten. Nach einem ausgiebigen Frühstück bezahlten wir den Campingplatz und fragten den Besitzer der Livingstone Lodge nach dem Weg nach Lusaka. Unsere GPS-Karten gaben Fahrzeiten von acht bis zehn Stunden an. Aber er sagte, es sollte nur etwa sechs Stunden dauern, womit er sich irrte.
In Livingstone holten wir noch einmal Bargeld und kauften im Shoprite Supermarkt ein, der wirklich sehr gut sortiert war. Dann fuhren wir Richtung Norden. Die Landschaft war geprägt von trockenem Gras, Büschen und einigen Bäumen. In den Ortschaften waren viele Leute unterwegs. Wie wir es vor vier Jahren in Mosambik erlebt hatten, schien sich das gesamte Leben entlang der Hauptstraße abzuspielen. Alle möglichen Waren, besonders Lebensmittel, wurden angeboten und teilweise sogar bis zu den haltenden Autos gebracht. Orangen und Tomaten wurden zu kleinen Häufchen aufgetürmt an Ständen an der Straße verkauft. Blaue Kleinbusse waren vollgestopft mit Menschen und fuhren und hielten überall.
Im Unterschied zu Namibia und Botswana sind in Sambia sehr viele Menschen mit Fahrrädern unterwegs. Die Hauptstraße hat einen breiten Seitenstreifen. Besonders wichtig an jedem Fahrrad ist der Gepäckträger. Wenn dort nicht eine weitere Person befördert wird, hat der Fahrer mindestens ein paar große Säcke Kohle, mehrere Taschen oder sogar einen Schrank darauf befestigt.
Am Nachmittag erreichten wir die Hauptstadt Lusaka. Und plötzlich wurden wir von einer Polizeikontrolle aus dem Verkehr gewunken. Wir sollten zu schnell gefahren sein: 72 statt der erlaubten 65 km/h. Da konnten wir uns noch so sicher sein, dass dies nicht der Fall gewesen war. Der Polizist zeigte uns den Bußgeldkatalog, der beim ersten Vergehen eine Strafe von 540.000 Kwachas vorsah. Uwe griff in die Tasche und holte 300.000 Kwachas heraus. Leider ein wenig mehr als geplant. Hiermit zeigte sich der Polizist zufrieden, er wolle uns ja nicht um unser gesamtes Bares bringen. Wie rücksichtsvoll und nett von ihm! Natürlich bekamen wir keine Quittung oder einen Strafzettel ausgestellt. Im Nachhinein ärgerten uns die etwa 45 Euro Strafe, die vielleicht zu vermeiden gewesen wären. Wir waren uns relativ sicher, dass wir wirklich nicht zu schnell waren und fragten uns, ob eine andere Verhaltensweise im Umgang mit dem Polizisten besser gewesen wäre. Dummerweise war da ja noch die Sache mit dem kaputten Blinker, und die beiden Warndreiecke und den Feuerlöscher hätten wir für eine Überprüfung unter den Rücksitzen, Reisetaschen, Jacken und dem ganzen anderen Krempel auch nur sehr ungern hervorkramen wollen.
Wir beschlossen, in Zukunft nicht weiter aufzufallen und hielten – wie bei uns üblich – an der nächsten roten Ampel. Dummerweise waren wir die einzigen, die das taten. Wir wurden von allen Seiten angehupt und sahen uns irritiert um. Sollte diese Ampel nicht für die gesamte Straßenbreite gelten? So ging es uns noch dreimal, und wir konnten nicht herausfinden, was wir falsch gemacht hatten. Aber einfach über eine rote Ampel zu fahren, trauten wir uns auch nicht, denn dann wären wir mit Sicherheit unmittelbar wieder zur Kasse gebeten worden und wollten kein zweites Vergehen riskieren. Wir haben gelernt: In Lusaka bedeutet eine rote Ampel: zügig weiterfahren, bestenfalls Vorfahrt achten.
Im Zentrum von Lusaka herrschte das absolute Verkehrschaos. Unzählige Autos waren unterwegs, und es war ein einziger Stau. Zwischen den Reihen stehender Auto liefen Straßenhändler hindurch, um die abenteuerlichsten Waren anzubieten: Sonnenbrillen, Musik-CDs von Abba, Handy-Ladekabel, Hosen, Schuhe, Hundeleinen, Öl-Trichter, Werkzeug und sogar Klobürsten. Es war nicht ganz einfach, die Händler abzuwimmeln, zumal Stefan im voranfahrenden Auto netterweise immer wieder behauptete, dass wir gerade verzweifelt auf der Suche wären nach ausgerechnet dem Artikel, der uns gerade mit viel Überredungskunst angepriesen wurde. Nach reiflicher Überlegung entschieden wir uns aber doch gegen die neonpinke Krawatte, das Lockenwickler-Set und die Abfluss-Pömpel.
Ohne funktionierenden Blinker kämpften wir uns durch zwei Kreisel mit viel Verkehr. Dann folgte eine große Kreuzung mit dem schlimmsten Verkehrskollaps, den wir je gesehen haben. Aus vier Richtungen mit jeweils zwei bis drei Spuren drängten PKWs und Lastwagen, um in eine jeweils individuelle Richtung weiterzufahren. Es gab jedoch keine Ampel. Stattdessen stand ein lebensmüder Verkehrspolizist auf der Kreuzung und ließ sich die Zehen platt fahren. Seine Versuche, den Verkehr zu regeln, scheiterten jedenfalls kläglich. Man kann sagen, jeder fuhr, wie er wollte. Das bedeutete, die Kreuzung war voller Autos, die alle in eine andere Richtung wollten. Dabei war niemand bereit, Rücksicht zu nehmen und auf einen anderen zu warten. Es wurde nur angehalten, wenn es nach vorne nicht mehr weiter ging. Wir hielten die Luft an, als um unser Auto herum die Abstände immer kleiner wurden. Gaby und Stefan waren vor uns plötzlich verschwunden. Ein absolutes Rätsel, wie sie sich da durchgebeamt hatten. Zur Überquerung der Kreuzung tasteten wir uns jedenfalls nur zentimeterweise voran und brauchten etwa 20 Minuten und unzählige Nerven. Kurzfristig überlegten wir auch, das Auto einfach mitten auf der Kreuzung stehen zu lassen und einen Kaffee trinken zu gehen. Aber das Vorhaben hätten wir sicherlich nicht überlebt. Hier ist ein kurzes Video der Situation:
www.saliger.de/africa/Lusaka-Kreuzung.avi
Nach diesem Abenteuer tankten wir und verließen bei Sonnenuntergang Lusaka. Überall am Straßenrand waren kleine und große Stände für Lebensmittel, Klamotten, aber auch Sessel und Türen aufgebaut. Man konnte praktisch alles dort kaufen.
In der Dunkelheit kamen wir nördlich von Lusaka bei der Fringilla-Farm an. Dort waren wir die einzigen Gäste auf dem Campingplatz und im Restaurant. Wir aßen leckere Steaks und erholten uns von dem anstrengenden Tag. Beim Einschlafen trällerten uns die Kühe auf der nebenan gelegenen Weide ein zugegebenermaßen recht eintöniges Schlafliedchen, und ein Vogel, den wir seit Jahren das „rostige Windrad“ nennen, pfiff seinen Ton ohne Pause.
Tageskilometer: 533