08.09.2016 – Zwei Weißhosen im Massai-Dorf
Wer sich auf weitere Safari-Bilder gefreut hat, den muss ich schon mal auf den Bericht vom morgigen Tag vertrösten. Denn für heute haben wir andere Pläne…
Wir haben uns entscheiden eine kleine Auszeit vom Ruaha zu nehmen und dafür das Massai-Dorf zu besuchen, in dem die Familie unseres momentanen Massai-Nachtwächters lebt. (Wie hieß er noch gleich? Hmmm…wenn man sich nicht alles sofort aufschreibt.
Meine chronische Namensamnesie lässt mal wieder peinlich grüßen.
Gesichter vergesse ich so gut wie nie, dafür Namen so gut wie immer.)
Serap freut sich schon riesig auf den Besuch. Ich habe dabei ehrlich gesagt etwas gemischte Gefühle, die ich aber lieber für mich behalte, um ihr die Freude damit nicht zu verderben. Dies da ich 1999 bei meiner allerersten Afrikareise mit einer Busgruppe ein Zulu-Schaudorf in Südafrika besuchen musste. Dort konnte man in alten Hütten Einheimische bestaunen, die wie die Zulus vor hundert Jahren gekleidet waren und im zugehörigen Shop daneben konnten T-Shirts und sonstiger Touri-Schnickschnack mit Kreditkarte gekauft werden…(!).
Eine doch recht befremdliche Erfahrung, die ich so lieber nicht nochmals machen wollte. Aber heute, möchten wir ja in ein Dorf, in dem die Menschen tatsächlich leben und nicht in eins, wo das nur geschauspielert wird. Ich bin daher sehr gespannt, was uns erwartet.
Unserem Nachtwächter können wir mit dem Besuch jedenfalls schon einmal einen Gefallen tun, denn er sieht seine Familie äußerst selten. Das Dorf ist ca. eine Stunde Autofahrt von Tandala entfernt und so müssen wir heute wieder recht früh gegen sieben Uhr starten. Mit dem Ausschlafen ist das so eine Sache in Afrika.
In Dorf angekommen wird unser Nachtwächter erstmal respektvoll von Kindern und jüngeren Leuten begrüßt. Und zwar strecken diese ihm ihren bloßen Kopf entgegen, den er mit der Handfläche berührt. Irgendwie ein schönes Begrüßungsritual, wie wir finden.
Dann wird uns der Kral in der Dorfmitte gezeigt, in dem die Ziegen und Rinder nachts zum Schutz vor den Raubtieren schlafen.
Just in diesem Moment, als hätte man sie gerufen, kehrt eine Ziegenherde mit kleinen Jungs, die sie hüten, ins Dorf zurück.
Uns wird noch so einiges erklärt und wir haben im Gegenzug auch genug Gelegenheit Fragen zu stellen, die uns interessieren. So erfahren wir zum Beispiel, dass die Massai-Frauen meist sehr jung heiraten. Bereits mit 15 oder 16 Jahren. Die Frau des Nachwächters ist zum Beispiel erst zwanzig Jahre alt und hat schon zwei Kinder. Wir lernen sie und die Kinder kennen. Das kleine Mädchen von etwa drei Jahren versteckt sich dabei scheu hinter ihren Beinen. Wir sind uns insgeheim einig, dass er sich mit Abstand die hübscheste Frau aus dem Dort ausgesucht hat. Beide sind sie schlank und haben ein besonders edel bzw. ebenmäßig wirkendes Gesicht. Den Sprüchen, dass es sich bei den Massai um einen besonders schönen Menschenschlag handelt, macht dieses Paar jedenfalls alle Ehre.
Wir dürfen auch seine kleine, spärlich möblierte Hütte mit den noch kleineren Fenstern von innen und außen besichtigen, bevor unser Guide Chris uns zum Gruppenbild antreten lässt. Links unser Nachtwächter, gleich daneben seine Schwägerin mit Tochter und ganz rechts seine Frau. Uns Weißhosen nehmen sie in die Mitte. Der unfreiwillige Partnerlook war übrigens nicht vorab abgesprochen und hat daher natürlich direkt bei den ersten Whatsapp nach Hause für einige belustigte Kommentare gesorgt. Aber besser Weißhosen, als gar nicht im Busch. Ätsch.
Auch wir werden mit Fragen bestürmt. Ob wir denn keine Kinder hätten? In unserem, im Vergleich zu den Massai-Frauen doch schon sehr fortgeschrittenen Alter sicherlich schier unglaublich für die Damen, dass das nicht der Fall ist.
Oder Ehemänner? Wo groß unsere Familie wäre usw.? Bei der Gegenfrage von Serap, was denn passiert, wenn mal zwei Massai-Frauen des gleichen Mannes eifersüchtig werden, bricht großes Kichern aus. Schließlich antwortet unser Nachtwächter, dass das eigentlich nie der Fall ist, da es völlig normal ist, mehrere Frauen zu haben. Und wenn doch. Hmmm, dann gibt es einfach eine mit dem Stock. Dann wäre der Frieden wiederhergestellt. Das lassen wir lieber mal so im Raum stehen.
Klingt schon sehr martialisch. Dem fröhlichen Kichern der Frauen nach zu urteilen, dürfte das aber nicht allzu oft der Fall oder nur Wunschdenken des Mannes sein.
Übrigens führen alle Massai-Jungs und Männer lebenslang und immer ihren großen Stock bei sich. Wer diesen mal vergisst und erwischt wird, bekommt seinerseits eins mit dem Stock übergezogen. Denn ein Massai ohne Stock…ist wie eine Schnecke ohne Haus, wie ein Durchschnittseuropäer draußen ohne Unterhose. Sie merken schon, sowas geht gar nicht. Das gebieten einfach Tradition und Ehre dieses stolzen Volkes.
Für den Besuch des Dorfes wird von uns keine Bezahlung erwartet. Stattdessen bekommen wir die Gelegenheit ein paar selbst gefertigte Schmuckstücke zu erstehen. Selbstverständlich vollkommen freiwillig, uns wird nichts aufgedrängt. Um uns für den netten Besuch und die Gespräche zu bedanken (aber auch weil sie uns gut gefallen) revanchieren wir uns mit dem Kauf einiger kunstvoll geflochtener Perlenarmbänder.
Danach führen die Frauen des Dorfes noch einen traditionellen Tanz für uns auf und singen dazu. Wir sind begeistert. Hier die kleine Damen- und Kinderrunde im Bild.